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64. TRK-Wert für p-Chloranilin
(BArbBl. 10/95 S. 51)
0,2 mg/m3(0,04 ml/m3) G, Kurzzeitwertkategorie: VI
p-Chloranilin ist in der TRGS 905 (Verzeichnis krebserzeugender, erbgutverändernder oder fortpflanzungsgefährdender Stoffe) als krebserzeugend in die Kategorie 2 - nach Anhang I der GefStoffV - eingeordnet. Zubereitungen sind als krebserzeugend im Sinne des § 35 Abs. 1 GefStoffV anzusehen, sofern der Massengehalt an p-Chloranilin > 0 1 % beträgt.
Arbeitsmedizinische Erfahrungen
Bei den Erfahrungen im Umgang mit p-Chloranilin stehen die starke methamoglobinbildende Wirkung sowie die Reizeffekte an Haut und Auge im Vordergrund. Gemäß den in einer Arbeit von 1955 mitgeteilten arbeitsmedizinischen Erfahrungen führt bereits eine 1-minütige Exposition gegenüber 44 mg/m3 zu ausgeprägten toxischen Effekten und die fortgesetzte Exposition gegenüber 20 mg/m3 zu Krankheitssymptomen [1].
Toxikologische Erfahrungen
p-Chloranilin wirkt im Ames-Test nicht oder nur schwach mutagen, es zeigt eine DNA-schädigende Wirkung in vitro an Bakterien und an Rattenhepatozyten. An Maus-Lymphom-Zellen führt p-Chloranilin sowohl ohne als auch mit S9-Mix zu einer erhöhten Mutationsrate. An Embryozell-Kulturen vom Hamster und von der Ratte wirkt die Substanz ohne Zusatz von S9-Mix transformierend [l].
Es liegen 2 Kanzerogenesestudien an Ratte und Maus vor:
In der Fütterungsstudie traten bei männlichen Ratten vermehrt Milztumoren auf und bei den Mäusen war die Inzidenz für Hämangiome und Hämangiosarkome erhöht (siehe Tabelle 1).
Tabelle 1: Tumorinzidenzen bei Ratte und Maus nach Fütterung mit technischem p-Chloranilin
Ratte/Milztumoren
Kontrolle | Hist. Kontr. | 250 mg/kg | 500 mg/kg | ||||
M | W | M | W | M | W | M | W |
0/20 | 0/20 | 0/360 | -- | 0/49 | 1/48 | 10/49 | 1/50 |
Maus/ Hämangiome u. Hämangiosarkome
Kontrolle | Hist. Kontr. | 2500 mg/kg | 5000 mg/kg | ||||
M | W | M | W | M | W | M | W |
2/20 | 0/18 | 8/262 | 7/260 | 10/50 | 3/49 | 14/50 | 8/42 |
In der Studie mit Schlundsondenapplikation führte p-Chloranilin zu deutlich erhöhten Inzidenzen von Milzsarkomen und Phäochromozytomen bei männlichen und zu geringfügig erhöhten Inzidenzen bei weiblichen Ratten. Bei männlichen Mäusen entwickelten sich vermehrt Lebertumoren und Hämangiosarkome, während bei weiblichen Mäusen keine signifikant erhöhten Tumorinzidenzen auftraten (siehe Tabelle 2).
Tabelle 2: Tumorinzidenzen bei Ratte und Maus nach Schlundsondenapplikation von p-Chloranilin
Ratte | |||||||
Kontrolle | 2 mg/kg | 6 mg/kg | 18 mg/kg | ||||
M | W | M | W | M | W | M | W |
Milztumoren | |||||||
0/49 | 0/50 | 1/50 | 0/50 | 3/50 | 1/50 | 38/50 | 1/50 |
Phäochromozytome | |||||||
14/49 | 2/50 | 14/48 | 3/50 | 15/48 | 1/50 | 26/49 | 6/50 |
Maus | |||||||
Kontrolle | 3 mg/kg | 10 mg/kg | 30 mg/kg | ||||
M | W | M | W | M | W | M | W |
Lebertumoren (Hämangiosarkome, Adenome, Karzinome | |||||||
14/50 | 7/50 | 24/49 | 9/50 | 22/50 | 9/50 | 27/50 | 14/50 |
Milztumoren (Hämangiosarkome) | |||||||
3/50 | 1/50 | 2/47 | 1/50 | 0/49 | 1/50 | 5/49 | 0/49 |
Damit hat sich p-Chloranilin als schwach kanzerogen im Tierversuch bei männlichen Ratten und männlichen Mäusen erwiesen; die Substanz besitzt ein gentoxisches Potential.
Analytik
Zur Messung der Konzentration von p-Chloranilin in der Luft in Arbeitsbereichen stehen zwei Analysenverfahren zur Verfügung.
(1) Seit 1993 liegt das von den Berufsgenossenschaften aberkannte Analysenverfahren ZH 1/120.52 vor.
Die Probenahme mit Pumpe erfolgt durch Absorption von p-Chloranilin an sauer imprägniertem Kieselgel. Nach der Elution wird die analytische Bestimmung mit Flüssigchromatographie und UV-Detektion durchgeführt. Die Bestimmungsgrenze beträgt 0,004 mg/m3 an Chloranilin bei 120 l Probeluft.
(2) Seit 1993 liegt bei einem Hersteller eine validierte Labormethode vor.
p-Chloranilin wird in verdünnter Salzsäure in einem Impinger absorbiert. Nach Derivatisierung folgt die gaschromatographische Analyse. Die relative Bestimmungsgrenze liegt bei 0,01 mg/m3 (Probenahme von ca. 600 l Probeluft mit personal-air-sampler).
Die kombinierte Staub/Gas-Probenahme wird nach Gesamtstaubdefinition mit einer Ansauggeschwindigkeit von 1,25 m/s + 10 % durchgeführt
Vor 1993 mußte auf Analysenverfahren mit wesentlich höherer Bestimmungsgrenze (bis 1 mg/m3) zurückgegriffen werden.
Herstellung und Verwendung
Herstellung
p-Chloranilin wird durch katalytische Hydrierung von 1-Chlor-4-nitrobenzol hergestellt und durch Destillation gereinigt. Hydrierung und Destillation werden im geschlossenen System durchgeführt.
Die Zwischenlagerung erfolgt in beheizbaren Tankbehältern. Da p-Chloranilin einen hohen Schmelzpunkt von 70 °C hat, muß das Produkt in den Tanks sowie Befüll- und Entnahmeleitungen bei ca. 80 °C flüssig gehalten werden. Die Abgabe des Reinproduktes erfolgt flüssig aus den Tankbehältern in Tankwagen und Container unter Gaspendelung, in Fässer unter Absaugung. Eine Teilmenge des Reinproduktes wird zu Schuppen konfektioniert.
Bei einem Hersteller wird die Hauptmenge des Reinproduktes aus einem Tankbehälter über geschlossene Leitung als flüssige Schmelze auf ein gekapseltes Kühlband gegeben, über einen geschlossenen Wasser-kreislauf unter den Schmelzpunkt abgekühlt, abgeschabt und als Schuppen in Fässer abgefüllt.
Die erstarrte Schmelze wird an der Umlenkung gebrochen und mit Schabemesser abgenommen. Die Schuppenware (Produkttemperatur ca. 40 °C) fällt über geschlossenes System in Fässer. Das Faß steht auf einem Drehteller, so daß der Einstellsack schnell verschlossen werden kann. Sowohl das Verschließen als auch der Wechsel der Fässer wird unter Absaugung durchgeführt.
Die Reinigung des Kühlbandes erfolgt diskontinuierlich am Ende der Produktionskampagne bzw. bei Produktwechsel unter Einwegoverall und Atemschutz.
Der Arbeitsbereich Kühlband mit Faßabfüllung für die Schuppenware ist überdacht und zweiseitig eingehaust. Das Kühlband mit einer verfahrensbedingten Länge von ca. 15 m wird an mehreren Stellen abgesaugt. Die Abluft aus den Bereichen Kühlband und Flüssigprodukt-Abfüllung wird einer Abgasreinigung zugeführt.
Verwendung
p-Chloranilin wird zur Herstellung von organischen Zwischenprodukten und zu Farbstoffsynthesen eingesetzt. Dazu muß p-Chloranilin aufgeschmolzen und die Schmelze gefördert oder als Feststoff eingetragen werden.
Ergebnisse der Arbeitsbereichsmessungen
Insgesamt sind von zwei Herstellern und drei Verwendern 96 Meßergebnisse als Schichtmittelwerte aus den Jahren 1993/94 für p-Chloranilin bekannt (Bestimmungsgrenze: 0,01 bzw. 0,004 mg/m3).
Meßergebnisse vor 1993 wurden mit nachweisschwächeren Labormethoden mit Bestimmungsgrenzen bis 1 mg/m3 erhalten.
Von diesen Werten blieben die Schichtmittelwerte unterhalb der Bestimmungsgrenze (< 0,5 und < 1 mg/m3) für dieses TRK-Begründungspapier unberücksichtigt, da diese Bestimmungsgrenzen oberhalb des TRK-Wertes für p-Chloranilin liegen und damit die Mindestanforderung an die Bestimmungsgrenze des Analysenverfahrens nach TRGS 402 nicht erfüllt ist.