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16. 4-Chlorbenzotrichlorid
CAS-Nr.: 5216-25-1)

(BArbBl. 3/97 S. 74)


4-Chlorbenzotrichlond (4-CBTC) hydrolysiert im wäßrigen Milieu rasch unter Bildung von 4-Chlorbenzoesäure.

4-CBTC wird oral, dermal und inhalativ rasch resorbiert und besitzt eine mäßige akute orale und dermale Toxizität; die Angaben zur akuten Inhalationstoxizität sind widersprüchlich.

4-CBTC wirkt reizend an Haut und Schleimhäuten und führt vornehmlich zu zentralnervösen Effekten [1].

Genotoxizität:

4-CBTC zeigt eine mutagene Wirkung im Ames-Test an den Stämmen TA 98, TA 100 und TA 1537 sowohl mit als auch ohne Zusatz von S9-Mix. Mutationstests an E. coli verliefen jedoch negativ. Ein gentoxisches Potential zeigt 4-CBTC in zwei in vitro-Tests an Säugerzellkulturen: Im HGPRT-Test an V79-Zellen des Chinesischen Hamsters nur in Gegenwart von S9-Mix sowie im Chromosomenaberrationstest an Zellen des Chinesischen Hamsters (keine weiteren Einzelheiten zum Versuchsaufbau bekannt) [1].

Kanzerogenität:

Weibliche ICR-Mäuse erhielten über einen Zeitraum von 30 Wochen zweimal wöchentlich eine dermale Applikation von je 5 µl 4-CBTC (gelöst in Benzol) auf die rasierte Haut über dem Schulterblatt. Aufgrund des stark verschlechterten Gesundheitszustands und der deutlich erhöhten Mortalität wurden die Tiere 9,3 Monate nach Versuchsbeginn getötet. Bei 18/22 Tieren (82 %) wurden Tumoren festgestellt; dabei handelte es sich überwiegend um Tumoren der Haut (siehe Tabelle 1). Die Entstehung der Tumoren im Bereich von Mund/Rachen und Vormagen ist wahrscheinlich auf die gleichzeitige orale Aufnahme durch Ablecken der behandelten Hautareale zurückzuführen 2].

Ebenfalls bei weiblichen ICR-Mäusen führte die orale Gabe von 0,05-2,0µl/Tier(=0,07-2,96 mg/Tier; ca. 3,5-148 mg/kg KGW gelöst in 0,1 ml Sesamöl) 4-CBTC mit der Magensonde, zweimal wöchentlich über 17,5 Wochen, innerhalb von 18 Monaten nach Versuchsbeginn in allen Gruppen dosisabhängig zum Auftreten von Tumoren besonders des Vormagens und der Lunge (siehe Tabelle 2). Ab einer Dosis von 0,8 µl/Tier (=1,18 mg/Tier; ca. 59 mg/kg KGW) war die Mortalität stark erhöht [1].

Tabelle 1: Tumorinzidenzen bei weiblichen ICR-Mäusen nach wiederholter dermaler Applikation von 4-CBTC [2]

Tumorlokalisation/-TypBenzol-Kontrolle 4-CBTC
Haut/Papillom
Sarkom
Karzinom
Lunge/Adenom
Karzinom
Lymphom
Lippe/Karzinom
Ösophagus/Karzinom
Vormagen/Karzinom
0/20 (0 %)
0/20 (0 %)
0/20 (0 %)
3/20(15 %)
0/20 (0 %)
0/20 (0 %)
0/20 (0 %)
0/20 (0 %)
0/20 (0 %)
2/22 ( 9 %)
2/22 ( 9 %)
12/22 (55 %)*
6/22 (27 %)
0/22 ( 0 %)
2/22 ( 9 %)
6/22 (27 %)
5/22 (23 %)
2/22 ( 9 %)
tumortragende Tiere3/20(15 %)18/22 (82 %)
*) statistisch signifikant gegenüber Kontrolle (P < 0,01)

Tabelle 2: Tumorinzidenzen bei weiblichen ICR-Mäusen nach 30-tägiger oraler Gabe von 4-Chlorbenzotrichlorid [1]

Dosis (µl/Tier)00,050,130,320,802,00
Tierzahl262228222929
Tumorlokalisation/Tumortyp Tumor-Inzidenzen
Vormagen/Karzinom in situ
Plattenepithelkarzinom
multiple Papillome
Drüsenmagen/Karzinom
Lunge/Adenokarzinom
multiple Adenome
Lymphome, maligne
Thymus/Thymom
Haut/Plattenepithelkarzinom
Spindelzellkarzinom
Talgdrüsenkarzinom
Brustdrüse/Adenokarzinom
Ovar/Granulosazelltumor
Gehörgang/Talgdrüsenkarzinom
Speicheldrüse/Adenokarzinom
-
-
-
-
-
1
1
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
2
1
3
2
-
4
-
1
-
1
1
-
-
-
-
4
-
7
1
1
8
-
1
1
-
-
1
2
1
-
5
-
10
6
-
-
6
-
-
1
-
-
-
4
6
2
-
15
10
-
-
-
-
-
-
-
-
-
3
7
1
-
2
17
5
-

-
-
-
-
-
-
Zahl tumortragende Tiere2610172725
tumortragende Tiere (%)82736779383

Reproduktionstoxizität

Die Exposition von trächtigen Sprague-Dawley-Ratten gegenüber 4-CBTC-Dampf (6h/d, 6.-19. Tag der Trächtigkeit) führte bei der höchsten getesteten Konzentration von 25 mg/m3 zu einem signifikant erniedrigten mittleren Fetengewicht. Gleichzeitig wurden bei dieser Konzentration Anzeichen einer maternalen Toxizität (Futteraufnahme ab Versuchsbeginn um 10-25 % niedriger und Körpergewichtszunahme ca. 30 % niedriger im Vergleich zur Kontrolle) festgestellt; die Konzentrationen von 10 und 4 mg/m3 blieben bei den Muttertieren ohne Befund. Trächtigkeitsrate, Wurfgröße und Zahl der Prä- und Postimplantationsverluste blieben in allen Behandlungsgruppen unbeeinflußt. Bei den Feten traten ab 4 mg/m3 dosisabhängig vermehrt viszerale Anomalien auf; das völlige Fehlen viszeraler Anomalen in der Simultankontrolle ist jedoch ungewöhnlich. Ebenfalls erhöht, jedoch ohne Dosiskorrelation, war die Gesamtinzidenz skelettaler Anomalien (zervikale Rippen und unvollständig ossifiziertes Brustbein) im Vergleich zur Simultankontrolle. Allerdings lagen die Inzidenzen alle noch im Bereich der historischen Kontrollen. Mißbildungen traten auch gegenüber der Simultankontrolle nicht vermehrt auf (siehe Tabelle 3). Nur die Häufigkeit des Auftretens zervikaler Rippen war dosisabhängig erhöht: bei 10 mg/m3 nur marginal; bei 25 mg/m3 deutlich (auch gegenüber den historischen Kontrollen) [3].

Bei männlichen Ratten wurden wiederholt Fertilitätsstörungen nach 4-CBTC-Verabreichung beobachtet:

In einer subakuten Inhalationsstudie kam es ab 94,5 mg/m3 (6 h/d, 5 d/w, 30 d) zu Hodenatrophien. Allerdings traten bei dieser Konzentration bereits deutliche Anzeichen einer systemischen Toxizität auf (Atembeschwerden, erhöhte Mortalität, Körpergewichtsretardierung, Veränderungen klinisch-chemischer Parameter). Der NOEL bezüglich der Hodentoxizität liegt bei 18,9 mg/m3 [1].

In einer subchronischen oralen Studie mit Magensondenapplikation kam es bei männlichen Ratten ab 12,5 mg/kg KGW/Tag (7 d/w, 90 d) ebenfalls zu Hodenatrophien sowie außerdem zu Atrophien der Samenleiter und zu Aspermatogenese; die sonstigen Vergiftungssymptome (leichte Gewichtsretardierung, vermehrter Speichelfluß, ungepflegtes Fell, erniedrigte Leukozyten- und Lymphozytenzahl) waren nur schwach ausgeprägt. Der NOEL in dieser Studie liegt bei 1,25 mg/kg KGW/Tag (1].

Sensibilisierung:

Zur Frage der sensibilisierenden Wirkung liegt eine ältere Studie vor. Aufgrund fehlender Kontrolldaten und wegen der sehr unvollständigen Darstellung von Versuchsaufbau und Ergebnissen ist diese Studie für eine Bewertung des sensibilisierenden Potentials von 4-CBTC nicht geeignet [1].

Tabelle 3: Inzidenzen fetaler Mißbildungen und Anomalien nach Exposition von trächtigen Ratten gegenüber p-Chlorbenzotrichlorid [3]

Zahl der Feten (%) mit:
KonzentrationMißbildungenvizeralen
Anomalien
Skelett-Anomalien
ingesamtnur mit zervikalen
Rippen
Kontrolle3/218 (1,4)0/108 (0,0)15/107 (14,0)0/107 (0,0)
historische
Kontrolle
-(4,2-14,3)(3,2-30,6)(0,0-2,1)
4 mg/m33/229 (1,3)1/115 (0,9)30(111 (27,0)0/111 (0,0)
l0 mg/m31/253 (0,4)6/129 (4,7)29/123 (23,6)2/123 (1,6)
25 mg/m31/246 (0,4)7/124 (5,6)29/121 (24,0)11/121 (9,1)

Fazit:

Kanzerogenität:

Zusammenfassend läßt sich aus den Daten schließen, daß 4-CBTC bei weiblichen Mäusen eine deutliche kanzerogene Wirkung besitzt, die sich unabhängig von der Applikationsart in der Bildung von Tumoren der Lunge sowie nach oraler Aufnahme in der Entstehung von Tumoren des Verdauungstrakts äußert. Allerdings ist bisher mit der weiblichen Maus nur ein Geschlecht einer einzigen Spezies untersucht worden; das Tumorspektrum und die Tumorinzidenz deuten auf eine dem Benzotrichlorid vergleichbare kanzerogene Potenz hin. Die positiven Ergebnisse aus in vitro-Gentoxizitätstesten lassen einen gentoxischen Mechanismus bei der Tumorentstehung vermuten; in vivo-Mutationstests wurden bisher jedoch nicht durchgeführt.

Insgesamt sollte 4-CBTC gemäß den EU-Einstufungskriterien auf-grund der deutlich kanzerogenen Wirkung im Tierversuch an einer Spezies sowie der Gentoxizität in vitro und der Strukturanalogie zu Benzotrichlorid (Legaleinstufung Carc. Cat. 2) als krebserzeugend Kategorie 2 eingestuft werden. Gleichzeitig wird aufgrund des vergleichbaren kanzerogenen Potentials von 4-CBTC und Benzotrichlorid [4] die Aufnahme von 4-CBTC in den § 35 Abs. 3 GefStoffV mit einer Konzentrationsgrenze von 0,01 % empfohlen.

Genotoxizität:

Die bakterielien Mutationstests ergeben kein einheitliches Bild. Somit können nur der positive in vitro-HGPRT-Test und der nur schlecht dokumentierte Chromosomenaberrationstest in vitro für die Einstufung herangezogen werden; in vivo-Genotoxizitätsbefunde sind nicht vorhanden. Gemäß den EU-Einstufungskriterien ergibt sich aufgrund dieser Datenlage keine Einstufung als Mutagen (M:-).

Reproduktionstoxizität:

Aufgrund der bei männlichen Ratten beobachteten Beeinträchtigungen der Fertilität nach oraler Gabe wird gemäß den EU-Einstufungskriterien eine Einstufung in die Kategorie 2 (RF:2 /R 60) vorgeschlagen.

Da bezüglich entwicklungsschädigender Effekte lediglich eine deutlich erhöhte lnzidenz von zerikalen Rippen bei der Ratte nach inhalativer Exposition im maternaltoxischen Bereich berichtet wird, ergibt sich gemäß den EU-Einstufungskriterien keine Einstufung hinsichtlich dieses Endpunktes (RE: -).

Sensibilisierung:

Gemäß den EU-Einstufungskriterien reichen die vorliegenden Daten für eine Einstufung als hautsensibilisierend nicht aus.

Wegen der guten Hautresorption wird der Eintrag 4-Chlorbenzotrichlorid mit dem Zusatz "H" versehen.

Literatur:

[1] Greim, H. (Hrsg.): Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe. Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten: 4-Chlorbenzotrichlorid. VCH, Weinheim (1994)

[2] Fukuda, K.: Experimental carcinogenesis by the chemicals relating to benzoyl chloride production. Ochanomizu lgaku Zasshi 29 (3), 69-81(1981); zitiert in: Chern. Abstracts 97, 50984 x (1982)

[3] Huntingdon Research center (HRC): Effect of para-chlorobenzotrichloride p-CBTC on pregnancy of the rat. Unveröffentlichter Bericht HKR 13/841215 an Occidental Chemical Corporation (1985)

[4] TRGS 910: Begründungen für die Einstufungen krebserzeugender Gefahrstoffe in Gefährdungsgruppen. 93. aaa-Trichlortoluol = Benzotrichlorid. BArbBl. Heft 4/1994 Seite 59-60).

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