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20. p-Phenylendiamin
(CAS-NR.: 106-50-3) und
p-Phenylendiamin-Dihydrochlorid

(CAS-NR.: 624-18-0)

(BArbBl. 4/97 S. 68)


Es liegt eine ausführliche toxikologisch-arbeitsmedizinische Bewertung von p-Phenylendiamin (PPD) und p-Phenylendiamin-Dihydrochlorid (PPD2HC1) vor, auf die im folgenden weitgehend Bezug genommen wird [1].

p-Phenylendiamin ist ein schwacher Methämoglobinbildner; die Substanz wirkt nicht reizend an Haut und Auge. PPD kann in toxischen Mengen auch über die Haut resorbiert werden [1].

Genotoxizität:

PPD zeigt im Ames-Test nur in Gegenwart von S9-Mix eine mutagene Wirkung, die jedoch schwächer ausgeprägt ist als beim Phenylendiamin. Ebenfalls positiv verlief ein L 5178 Y Maus-Lymphom-Test mit und ohne Zusatz von S9-Mix. Im UDS-Test in vitro an Rattenhepatozyten war PPD in Konzentrationen von maximal 108 µg/ml inaktiv. In einem Zelltransformationstest in vitro an mit Rauscher-Leukämievirus infizierten Ratten-Embryonalzellen kam es nach 6-tägiger Inkubation mit PPD (1,85 bzw. 3,2 µg/52000 Zellen) zu einer erhöhten Anzahl überlebender Zellen im Vergleich zur Kontrolle (189 % bzw. 105 %) [1].

In Mikronucleus-Testen an Ratte (2 x 300 mg/kg KGW oral) und Maus (max. 2 x 32,4 mg/kg KGW bzw. 1 x 100 mg/kg KGW i.p.) ergaben sich keine Anzeichen für eine clastogene Wirkung im Knochenmark. Ebenfalls negativ verlief ein Dominant-Letal-Test an CD-Ratten mit einer Dosis von 20 mg/kg KGW, 3 x wöchentlich über 8 Wochen (60 mg/kg KGW/Woche; durchschnittlich ca. 8,5 mg/kg KGW/Tag) [1] Nach einmaliger oraler Gabe von 200 mg PPD/kg KGW wurde zwar bei Swiss-Mäusen eine ca. 95 %ige Hemmung der DNA-Synthese in den Hoden festgestellt [2]; dieser Effekt ist jedoch offensichtlich lediglich durch die toxische Wirkung der Substanz bedingt (Senkung der Körpertemperatur) und daher bezüglich der Genotoxizität von OPD als Artefakt anzusehen [7]. Die eingesetzte Dosis lag außerdem wohl bereits im akut toxischen Bereich (LD50 oral, Ratte: ca. 100 mg/ kg KGW) [1]. Im geschlechtsgebundenen Rezessiv-Letal-Test an Drosophila zeigte PPD in einem Fall eine schwache, im Wiederholungsversuch jedoch keine mutagene Wirkung [1].

In einem neueren Test an Drosophila-Larven wurde der Einfluß von PPD2HC1 auf die somatische Mutationsrate untersucht. PPD2HCl führte ab einer Konzentration von 0,5 mM (54 µg/ml = 32,4 µg PPD/ml) zu einer erhöhten Anzahl von Farbflecken in den Augen bzw. ab 1 mM auf den Flügeln der erwachsenen Tiere [3].

Kanzerogenität:

PPD2HCl zeigte in 2-Jahres-Fütterungsstudien an F 344-Ratten und B6C3F1-Mäusen bei einer Dosierung von maximal jeweils 1250 mg (= 750 mg PPD) /kg Futter, entsprechend einer Substanzaufhahme von ca. 50 mg/kg KGW/Tag für Ratten und von ca. 180 mg/kg KGW/Tag für Mäuse, keine kanzerogene Wirkung [1]. Ebenfalls negativ verliefen Studien mit dermaler Applikation von 2 x wöchentlich max. 0.02 ml 10 % PPD in Aceton (4 mg/Tier/Woche) an Swiss-Mäusen (lehenslang; ca. 30 mg/kg KGW(Tag) sowie an Kaninchen (85 Wochen; ca. 0,3 mg/kg KGW/Tag) [1].

Auch in einer weiteren älteren Studie an Mäusen mit dermaler Applikation von einem Tropfen einer 5 %igen PPD-Lösung in Aceton, zweimal wöchentlich für 20 Wochen (ca. 5 mg/Tier/ Woche; ca. 14 mg/kg KGW/Tag) traten keine Tumoren auf [1].

Im Rahmen einer transplazentaren Kanzerogenesestudie erhielten trächtige NMRI-Mäuse täglich 30 mg PPD (gelöst in Sojaöl)/kg KGW vom l0.-19. Tag der Trächtigkeit oral verabreicht. Nach 27 und nach 51 Wochen erfolgten Zwischensektionen; die Versuchszeit betrug insgesamt 137 Wochen. Die Körpergewichtsentwicklung und die Überlebensrate von Muttertieren und Nachkommen blieb unbeeinflußt. Die Tumorraten sind in der nachfolgenden Tabelle zusammengestellt.

Tabelle 1: Tumorinzidenzen bei Muttertieren und Nachkommen insgesamt [4]

Tumortyp Öl-KontrolleHistor. Kontrolle [5]* PPD
Tumoren insgesamt30,5 %50,0 % - 82,0 %31,2 %
Lymphom12,8 %5,9 % - 57,5 %9,4 %
alveoläres Adenom15,8 %5,0 % - 46,0%19,3 %
alveoläres Adenom**14,0 %5,0 % - 24,0 %20,4 %
*) Kontrolldaten aus Studien im Zeitraum 1974-l981
**) Inzidenz bei weiblichen Nachkommen

Die Gesamt-Tumorrate bei Muttertieren und Nachkommen unterschied sich nicht von derjenigen der entsprechenden Kontrolltiere. Lediglich die Inzidenz alveolärer Adenome war bei den weiblichen Nachkommen statistisch leicht signifikant (P = 0,04) erhöht gegenüber der entsprechenden Kontrollgruppe, liegt aber noch im Bereich der historischen Kontrolldaten für NMRI-Weibchen [1,4,5].

Weiterhin liegt das Ergebnis einer Kanzerogenesestudie an neugeborenen NMRI-Mäusen vor. Dabei erhielten 5 Tage alte Jungtiere beiderlei Geschlechts an 5 aufeinanderfolgenden Tagen je 30 mg PPD/kg KGW i.p. injiziert. Nach 26 und nach 52 Wochen wurden Zwischensektionen durchgeführt; die Gesamtversuchszeit betrug 130 Wochen. Die Körpergewichtsentwicklung und die Überlebensrate blieb unbeeinflußt. Die Tumorraten sind in der nachfolgenden Tabelle zusammengestellt.

Tabelle 2: Tumorinzidenzen bei männlichen und weiblichen Jungtieren insgesamt [6]

TumortypÖl-Kontrollehistor. Kontrolle [5]* PPD
Tumoren insgesamt18,2 %50,0 % - 82,0 %30,1 %
Tumoren insgesamt**2,6 %47,0 % - 80,0 %15,2 %
Lymphom10,4 %5,9 % - 57,5 %18,3 %
alveoläres Adenom9,1 %5,0 % - 46,0 %10,8 %
*) Kontrolldaten aus Studien im Zeitraum l974-1981
**) Inzidenz bei männlichen Tieren

PPD hatte keinen Einfluß auf die Inzidenz von Lymphomen oder alveolären Adenomen: Die Gesamt-Tumorrate war bei den männlichen Tieren statistisch leicht signifikant erhöht gegenüber der Kontrollgruppe (P = 0,03), liegt jedoch noch innerhalb der historischen Kontrolldaten [1,5,6].

In einem Promotionstest an F 344-Ratten führte die 6-wöchige Fütterung mit PPD (max. 1000 ppm = 67 mg/kg KGW/Tag) nach vorheriger Initiation mit N-Nitrosodiethylamin i.p. zu keiner erhöhten Rate an gamma-Glutamyltranspeptidase-positiven Foci in der Leber [1].

In verschiedenen Kanzerogenesestudien mit Gemischen aus PPD und H202 traten sowohl nach Hautpinselung, als auch nach subkutaner Gabe bei weiblichen Ratten vermehrt Mammatumoren sowie Weichteil- und Uterustumoren auf [1].

Reproduktionstoxizität:

Bei Sprague-Dawley-Ratten, die vom 6.-l5. Tag der Trächtigkeit je maximal 30 mg PPD (gelöst in Wasser)/kg KGW/Tag mit der Schlundsonde erhalten hatten, konnten bei der Sektion am 20. Tag der Trächtigkeit keine teratogenen oder embryotoxischen Effekte festgestellt werden. 2 von 25 Muttertieren der 30 mg/kg-Gruppe verendeten vorzeitig [1].

Die 5-tägige i.p.-Behandlung mit maximal 100 mg PPD (in Kochsalzlösung)/kg KWG/ Tag führte bei männlichen Mäusen nach 5 Wochen zu keinen Spermienkopfanomalien [1].

Die einmalige orale Gabe von 200 mg PPD/kg KGW führte bei Swiss Mäusen zu einer ca. 95 %igen Hemmung der DNA-Synthese in den Hoden [2], wahrscheinlich bedingt durch die Senkung der Körpertemperatur [7]; die Dosis lag wohl auch bereits im akut toxischen Bereich [1].

Im Dominant-Letal-Test an CD-Ratten ergaben sich keine Hinweise auf eine PPD-bedingte Beeinträchtigung der männlichen Fertilität [1].

Sensibilisierung:

PPD zeigt sowohl im Tierversuch als auch beim Menschen eine deutliche hautsensibilisierende Wirkung [1].

Fazit:

Genotoxizität:

PPD zeigt in vitro eine genotoxische Wirkung; in den gängigen in vivo-Testsystemen (Mikro-nucleus-Test, Dominant-Letal-Test) war PPD jedoch inaktiv. Bei Drosophila konnte eine somatische Mutagenität von PPD nachgewiesen werden; die Relevanz dieser Befunde für den Menschen ist jedoch unklar. Gemäß den EU-Einstufungskriterien ergibt sich insgesamt keine Einstufung als Mutagen (M.: -).

Kanzerogenität:

PPD zeigte in Fütterungsstudien an Ratte und Maus sowie in dermalen Studien an Maus und Kaninchen keine kanzerogene Wirkung. Marginale Hinweise auf eine mögliche kanzerogene Potenz ergeben sich aus 2 Studien an NMRI-Mäusen: Nach transplazentarer Applikation war die Inzidenz alveolärer Adenome bei den weiblichen Nachkommen und nach i.p.-Applikation an neugeborene Tiere war die Gesamt-Tumorinzidenz bei den Männchen jeweils statistisch leicht signifikant erhöht gegenüber der Simultankontrolle. Allerdings liegen die Inzidenzen noch innerhalb der historischen Kontrolldaten. Insgesamt erscheint die Datenlage für eine Einstufung als Kanzerogen als nicht ausreichend, zumal auch keine konkreten Hinweise auf eine genotoxische Wirkung von PPD in vivo vorliegen. Daher erfolgt gemäß den EU-Einstufungskriterien keine Einstufung (C :-).

Reproduktionstoxizität/Fertilität:

Es liegen keine geeigneten Studien zur Frage der möglichen Beeinträchtigung der Fertilität durch PPD vor. Aus dem Dominant-Letal-Test an der Ratte und aus einem Spermienanomalietest an der Maus ergeben sich keine Hinweise auf PPD-bedingte Fertilitätsstörungen. Gemäß den EU-Einstufungskriterien ergibt sich daher keine Einstufung (RF,:-).

Reproduktionstoxizität/Entwicklung:

In der vorliegenden Teratogenitätsstudie an Ratten ergaben sich auch im bereits maternal toxischen Dosisbereich keine Hinweise auf embryotoxische oder teratogene Effekte. Gemäß den EU-Einstufungskriterien erfolgt daher keine Einstufung (RE:-).

Sensibilisierung:

PPD wirkt stark hautsensibilisierend bei Versuchtieren und beim Menschen. Gemäß den EU-Einstufungskriterien wird PPD daher als hautsensibilisierend eingestuft (R 43).

Literatur:

[1] Henschler, D. (Hrsg.): Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe. Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten: p-Phenylendiamin. VCH, Weinheim (1992)

[2] Seiler, J.P.: Inhibition of testicular DNA synthesis by chemical mutagens and carcinogens. Preliminary results in the validation of a novel short term test. Mutat. Res. 46, 305-310 (1977)

[3] Batise-Alentorn, M., Xamena, N., Creus, A., Marcos, R.: Genotoxicity testing of five compounds in three Drosophila short term somatic assays. Mutat. Res. 341, 161-167 (1995)

[4] Holmberg, B., Kronevi, T., Ackevi, S., Ekner; A.: Carcinogenesis bioassay of p-pheny-lenediamine by peroral administration in pregnant mice(transplacental study). Arbete och Hälsa 32, 1-44 (1983)

[5] Bomhard, E., Mohr, U.: Spontaneous tumors in NMRI mice from carcinogenicity studies. Exp. Pathol. 36, 129-145 (1989)

[6] Holmberg, B., Kronevi, T., Ackevi, S., Ekner, A.: Carcinogenesis bioassay of p-phenylenediamine by intraperitoneal injection in newborn mice (neonatal study). Arbete och Hälsa 33, 1-35 (1983)

[7] Donatsch, P., Gürtler, J., Matter, B.E.: Critical appraisal of the ,Mouse Testicular DNA-Synthesis Inhibition Test' for the detection of mutagens and carcinogens. Mutat. Res. 92, 265-273 (1982).

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