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30. Naphthalin
(CAS-Nr.: 91-20-3)

(BArbBl. 11/97 S. 64)


Recherchen wurden in den Literaturdatenbank NLM (1995) und TOXALL (1995) durchgeführt. Es wurden neben der Originalliteratur zu einstufungsrelevanten Studien im wesentlichen die zusammenfassenden Darstellungen zur Toxizität von Naphthalin von ATSDR (1995), Greim (1995) und HSE (draft, 1996) herangezogen.

Stoffidentität und -eigenschaften:

CAS-Nr.:91-20-3
Summenformel: C10H8
Molmasse:128,16
Schmelzpunkt:80,2 °C
Siedepunkt:217,9 °C (bei l013 hPa)
Dampfdruck:7,2 Pa (bei 20 °C)

Kanzerogenität:

Es liegen keine validen humanepidemiologischen Studien zur Beurteilung der Kanzerogenität von Naphthalin vor. Nicht abgesicherte Hinweise aus ostdeutschen Studien ergeben sich insbesondere für Larynxkarzinome bei beruflich exponierten Naphthalinreinigern (Wolf, 1976, 1978; Kup. 1978):

7 Tumorfälle unter 15 Exponierten (Naphthalinreiniger) werden beschrieben (4 Larynxkarzinome, 1 Magenkarzinom, 1 Blinddarmkarzinom, 1 malignes Lymphom) (Wolf, 1976). Sieben Arbeiter ohne Tumoren litten unter Nasen-/Rachen-Kehlkopfentzündungen (Wolf, 1978). Die Inzidenz von Larynxkarzinomen im dem von Wolf untersuchten Kollektiv ist um ca. den Faktor 4000 höher als die Inzidenz von Larynxkarzinomen in der damaligen DDR (NTP, 1992). Die Arbeiter waren Raucher und auch gegenüber anderen Substanzen exponiert (Greim, 1995).

Aus der DDR stammt auch eine weitere Untersuchung eines Patientenkollektivs mit Larynxkarzinomen, bei dem bei 4 von 12 Erkrankten eine Naphthalinexposition vorgelegen hatte, wobei jedoch der Einfluß u.a. von Tabakkonsum nicht ausgeschlossen werden konnte (Kup. 1978).

Nach Angaben der deutschen Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie liegen mehrere berufliche Krebserkrankungsfälle vor, bei denen eine Naphthalin-Exposition wahrscheinlich eine Rolle gespielt hat. Die Entschädigung der an Tumoren des Respirationstraktes (auch Larynxkarzinome) Erkrankten erfolgte aufgrund der Öffnungsklausel nach § 551, Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (BG Chemie, 1996).

Außerdem sind Fallberichte von kolorektalen Karzinomen nach oraler Aufnahme von Naphthalin nahthalinhaltiges Gebräu") dokumentiert (Ajao et al., 1988).

Eine tierexperimentelle Kanzerogenitätsstudie mit inhalativer Exposition wurde von NTP (1992) an B6C3F1-Mäusen durchgeführt. 75 Tiere/Geschlecht wurden dabei mit 0 bzw. 50 mg/m3. 150 Tiere/Geschlecht mit 150 mg/m3 Naphthalin exponiert (6 h/d; 5 d/w; 104 w).

In männlichen Tieren wurde keine expositionsbedingt erhöhte Tumorinzidenz beobachtet. Bei weiblichen Tieren der höchsten Dosisgruppe von 150 mg/m3 war die Tumorinzidenz für alveolare und bronchiolare Adenome im Vergleich zur Kontrolle signifikant erhöht. 1 hochexponiertes weibliches Tier wies ein alveolar/bronchiolares Karzinom auf. Die Inzidenz aller Lungentumoren (kombiniert) bei den hochdosierten weiblichen Tieren war auch höher als die in der historischen Kontrolle des NTP, die 7.8 % (Spanne 0 -16 %) betrug. Bei weiblichen Mäusen traten zudem nicht signifikant erhöht Hämangiosarkome bei 150 mg/m3 auf (5/135 Tiere) im Vergleich zur Kontrolle (0/69) und zur niedrigen Dosisgruppe (0/65). Subkutane Tumoren der Haut waren nicht erhöht.

Bei beiden Konzentrationen wurde in beiden Geschlechtern Respirationstoxizität, chronische Entzündung der Nase und der Lunge, Hyperplasie des Lungenepithels, Metaplasien des Riechepithels festgestellt.

Die Überlebensrate der weiblichen exponierten Tiere war ähnlich der Kontrolle. Das Körpergewicht war nur geringfügig (< 10 %) gegenüber der Kontrolle reduziert. Dies gilt im wesentlichen auch für die männlichen Tiere. Bei den männlichen Kontrolltieren war jedoch die Überlebensrate aufgrund von Wunden und Sekundärverletzungen durch Kämpfe reduziert.

Konzentration mg/m3 (Geschlecht)pulmonäre
Alveolar/
Bronchiolar-
Adenome
pulmonäre
Alveolar/
Bronchiolar-
Karzinome
Pulmonäre
Alveolar/
Bronchiolar
Tumoren
(gesamt)
 Tiere mit Tumoren/ Untersuchte Tiere
0 (w)5/69 (7%)0/69 (0%)5/69 (7%)
50 (w)2/65 (3%)0/65 (0 %)2/65 (3 %)
150 (w)28/135 (21%)1/135 (1%)29/135 (22%)
0 (m)7/70 (10%)0/70 (0%)7/70 (10%)
50 (m)15/69 (22(703/69 (4%)17/69 (25%)
150 (m)27/135 (20%)7/135(5%)31/135 (23%)

Das Expertenkomitee des NTP (PEER-Review) wertet die Studie mit "some evidence" für eine kanzerogene Wirkung bei weiblichen Mäusen und "no evidence für eine kanzerogene Wirkung bei männlichen Mäusen. Die Wertung "some evidence" statt "clear evidence" erfolgte, weil es sich um überwiegend benigne Tumoren des Atemtraktes handelte. Die Bewertung der Hämangiosarkome wurde von der Mehrheim der Expertengruppe als nicht eindeutig expositionsbedingt angesehen, da die Häufigkeit im Bereich der historischen Kontrolle lag (NTP, 1992).

Bei einer zweiten Kanzerogenitätsstudie an Mäusen mit inhalativer Exposition gegenüber 50 und 150 mg/m3 Naphthalin über 6 Monate (Adkins et al., 1986), die allerdings erhebliche Mängel enthält, wurde ebenfalls eine erhöhte Inzidenz von multiplen Adenomen in der Lunge im Vergleich zur Kontrolle nachgewiesen. Die Anzahl von Lungentumoren/tumortragende Maus war jedoch in der Kontrollgruppe ungewöhnlich niedrig.

Zur oralen chronischen Aufnahme von Naphthalin liegt eine Studie an Ratten vor, bei der 41 mg/kg x d (resorbiert) keine Hinweise auf Kanzerogenität erkennen ließen (Schmähl, 1955). Die Studie entspricht jedoch nicht den heutigen Anforderungen, um darauf einen Negativbefund abzusichern.

Mutagenität/Gentoxizität:

Naphthalin war im Bakterientest an den Salmonella typhimurium Stämmen TA97, TA98, TA1535, TA1537, TA1538, UTH8413 und UTH8414 mit und ohne metabolische Aktivierung negativ. In einer Untersuchung mit dem Stamm TA1535 zeigte sich unter metabolischer Aktivierung ein schwach positiver Befund in Konzentrationen von 5 und 10 mg/Platte, während in höheren Konzentrationen keine Mutagenität festzustellen war. Andere in vitro-Tests (SOS-Chromotest an E. coli PQ37 ohne metabolische Aktivierung, 8-Azaguanin-Resistenz-Test, im E. coli-Prophagen-Induktionstest, E. coli-Rekombinationstest und im Eukaryonten-Test mit Paramecium tetraurelia mit und ohne metabolische Aktivierung) erbrachten negative Resultate (ACGIH, 1991; Bos et al., 1988; BUA, 1989; Mortelmanns et al., 1986; Narbonne et al., 1987; NTP, 1992; Mersch-Sundermann et al., 1992).

In einer in vitro-Studie mit CHO-Zellen zeigte sieh eine erhöhte Anzahl von Chromosomenaberrationen unter metabolischer Aktivierung mit Aroclor-induziertem Rattenleber S9 (2 Stunden Exposition, Zellkerne nach 20,2-20,5 Stunden). Die Anzahl der Metaphasen mit Aberrationen (außer Gaps) war dosisabhängig signifikant (p< 0,001) erhöht (11, 20, 32 % Zellen mit Aberrationen im ersten Versuch und 8,5; 13,5 und 16 % im 2. Versuch bei 30; 45; 67,5 mg/ml; Positivkontrolle Cyclophosphamid, Negativkontrolle Dimethylsulfoxid). Der Dosisbereich wurde unter Berücksichtigung der Toxizität festgelegt. Ohne S9-Mix (8-10 Stunden Exposition, Ernte 10-20 Stunden) fanden sich keine erhöhten Aberrationsraten (NTP, 1992).

Eine 10-fache Erhöhung von Chromosomenaberrationen wurde in einem in vitro-Kultursystem von Mäuseembryonen im Vergleich zu Kontrollembryonen gezeigt (Konzentration: 0,16 mmol/l), wobei sich bei Zugabe von S9-Mix dieser Effekt um das 3-fache verstärkte. Die Embryonen wurden 72 Stunden nach Konzeption entnommen und in ein in-vitro- Kultursystem überführt, die 0,16 mM Naphthalin ohne bzw. mit Ratten-S9-Mix enthielt. Beobachtungen erfolgten nach 24 und 48 Stunden (Gollahon et al., 1990). Die Studie liegt nur als Zusammenfassung vor.

Naphthalin induzierte in einem Assay in Chinesischen Hamster-Ovarien-Zellen (CHO) mit und ohne metabolische Aktivierung dosisabhängig signifikant (p < 0,001) eine erhöhte Schwester-chromatidaustauschrate. Die Inkubationszeit betrug 26 Stunden ohne und 2 Stunden mit S9. Die Dosis lag bei 2,7 bzw. 9 bzw. 27 mg/ml (+S9) und führte zu -2,84 bzw. 16,55 bzw. 19,96 % (Versuch 1) und 5,29 bzw. 26,45 bzw. 40,74 % (Versuch 2) (relative SCE-Rate/Chromosom), wobei nur beim 2. Versuch ein Anstieg von mehr als 20 % gegenüber der Kontrolle zu beobachten war. Eine Positivkontrolle (Cyclophosphamid bei +S9, Mitomycin-C bei -S9) wurde ebenso mitgeführt wie eine Negativkontrolle (DMSO) (NTP, 1992).

Naphthalin (100 mM) verursachte in humanen mononukleären Leukozyten sowohl mit (2 Stunden Exposition) als auch ohne (2 und 72h Exposition) menschlichen Lebermikrosomen (extrazellulares Metabolisierungssystem) keinen erhöhten Schwesterchromatidaustausch (die Positivkontrolle Benzo(a)pyren zeigte signifikant erhöhte SCE). Der Proliferations- und Mitoseindex in Anwesenheit extrazellulärer Metabolisierungsaktivität war nicht signifikant verändert, allerdings war dieser auch bei Benzo(a)pyren im Bereich der Kontrolle (Wilson et al., 1995, Tingle et al., 1993).

In kultivierten Rattenhepatozyten traten nach Naphthalin-Exposition (3,8-384 mg/ml) keine DNA-Strangbrüche und keine DNA-Reparatursynthese (UDS) auf (EPA, 1987; Sina et al., 1983).

Durch Messungen der Viskosititätsänderung in vitro bzw. durch eine Äqulibrium-Dialyse wurde eine geringe Bindung an bakterielle DNA bzw. an Nukleinsäuren aus denaturierter und nativer Kalbsthymus-DNA nachgewiesen (Lerman et al., 1965; Ts`o und Lu, 1964). Die Untersuchungen entsprechen nicht dem aktuellen Methodikstand (Greim, 1995).

Am lebenden Organismus liegen folgende Untersuchungen vor:

Naphthalin wirkte in einem Mutagenitätstest (SMART: somatic mutation and recombination test) an Drosophila melanogaster (Standardkreuzung) dosisabhängig gentoxisch. Bei einer Mutante von Drosophila mit höherer Cytochrom P450-Aktivität (Kreuzung mit starker Bioaktivierung: "high bioactivation cross") war dieser Effekt verstärkt. Als Positivkontrolle dienten Nitrosopyrrolidon und 7, 12-Dimethylbenzanthrazen. Die Dosis lag bei 1,5 und 10 mM (Delgado-Rodriguez et al., 1995).

Bei weiblichen Ratten wurden nach zweimaliger oraler Gabe von 359 mg Naphthalin/kg innerhalb von 21 Stunden keine DNA-Strangbrüche in der Leber nachgewiesen. Naphthalin bildet in vivo Protein-Addukte (Kitchin et al., 1992).

Ein Mikrokerntest in vivo an Knochenmarkszellen von CD-1 Mäusen war negativ. 3 Gruppen von 10 Tieren (je 5 Weibchen, 5 Männchen) erhielten i.p. 250 mg/kg Naphthalin in Maisöl. Als Positivkontrolle diente Triethylenmelamin, als Negativkontrolle Maisöl. Die Tiere wurden nach 30, 48 und 72 h getötet und die Anzahl der Mikrokerne in 1000 polychromatischen Zellen bestimmt. Zuvor wurden 250 mg/kg als maximal tolerierte Dosis in einer "range finding"-Vorstudie bestimmt (o.V., 1996).

Bei einem weiteren Mikrokerntest an Gruppen von 5-10 Mäusen wurde nach oraler Gabe von 0, 50, 250 oder 500 mg/kg Naphthalin (einmalig) in polychromatischen Erythrozyten nach 24 h keine erhöhte Anzahl von Mikrokernen 24 Stunden nach Behandlung (keine zweite Auswertungszeit) festgestellt (Auszählung von 1000 polychromatischen Erythrozyten/Tier). In der höchsten Dosis starben 2/10 Tieren. Naphthalin verursachte bei dieser Studie jedoch zusammen mit Benzol eine Verstärkung der klastogenen Wirkung (Harper et al., 1984). Dieser Mikrokerntest von Naphthalin entspricht nicht den Standardbedingungen, in denen nach bis zu 72 h die Anzahl der Mikrokerne bestimmt wird. Da Naphthalin nach oraler Gabe resorbiert wird und lipophil ist, ist zu vermuten, daß die Substanz in die Zielzellen gelangte (HSE, 1996).

Bei einem Mikronukleustest mit Amphibienlarven (15/ Dosisgruppe) wurden diese in einem Wasser aufgezogen, das Naphthalin enthielt. Kernhaltige Erythrozyten wurden mit Tieren verglichen, die in unbelastetem Wasser gezogen wurden. Benzo(a)pyren zeigte starke, Naphthalin schwache und Anthracen wie Phenanthren keine Mikrokerne in diesem Testsystem. Die Konzentrationen lagen bei 0; 0,125; 0,25; 0,5 ppm (toxisch ab 5 ppm), die Anzahl der Zellen mit Mikrokernen (pro 100 Zellen) lagen im Mittelwert bei 5,6; 5,2; 10,46; 13,33; bei Benzo(a)pyren (0,2 ppm) bei 182,6 (Djomo et al., 1995).

In einer Pflanzenart (Vicia faba) verursachte Naphthalin Chromosomenaberrationen (Martin del Campo und Gömez-Arroyo, 1984).

Weitere in vivo-Untersuchungen liegen uns nicht vor.

Reproduktions- und Entwicklungstoxizität:

Valide Studien zur Reproduktionstoxizität liegen beim Menschen und beim Tier nicht vor.

Erfahrungen beim Menschen zeigen, daß Naphthalin nach oraler maternaler Aufnahme transplazental zu hämolytischer Anämie beim Neugeborenen führen kann (Greim, 1995).

In einer Teratogenitätsstudie wurde Sprague-Dawley-Ratten vom 6.-15. Trächtigkeitstag oral über die Schlundsonde Dosen von 0; 50; 150 und 450 mg/kgxd (Vehikel: Maisöl) verabreicht. Ab einer Dosis von 50 mg/kgxd wurde maternale Toxizität festgestellt, und zwar Depression des Zentralnervensystems, vermindertes Körpergewicht, verringerte Körpergewichtszunahme, verringerte Wasser- und Futteraufnahme. Bei den Nachkommen wurde bei einer Dosis von 450 mg/kgxd vermindertes Fetalgewicht und eine erhöhte Tendenz für Fehlbildungen (Fehlbildungen/Wurf sowie Fehlbildungen ingesamt) nachgewiesen (Navarro et al., 1991). Die orale Letaldosis (LD50) für Ratten liegt bei ca. 1780 mg/kg (Greim, 1995), wobei die Datenlage widersprüchlich ist (NTP, 1992 nennt eine Letaldosis von 490 mg/kg).

Bei einer anderen Untersuchung an Ratten zeigte sich bei Verabreichung von bis zu 395 mg/kgxd vom 1.-15. Trächtigkeitstag keine maternale Toxizität, Fetotoxizität oder Teratogenität (Hardin et al., 1981).

An CD-1-Mäusen zeigte sich eine signifikant verringerte Anzahl der Nachkommen/Wurf bei oraler Gabe per Schlundsonde von 300 mg/ kgxd bei Anwesenheit von maternaler Toxizität (signifikant erhöhte Sterblichkeit) (Plasterer et al., 1985). Greim (1995) berichtet Letaldosen für die Maus (LD50, oral) von 354 - 710 mg/kg.

In einer Studie an Kaninchen (New Zealand), die oral über die Schlundsonde Dosen von 20; 80 und 120 mg/kgxd in Maisöl erhielten, zeigte sich keine substanzbedingte maternale Toxizität (Diarrhoe wurde dem Vehikel zugeschrieben). Bei den männlichen Nachkommen wurde keine erhöhte Tendenz für Fehlbildungen festgestellt. Bei den weiblichen Nachkommen nahm die Anzahl der verwachsenen Rippen zwar dosisabhängig zu, lag jedoch auch bei der Dosis von 120 mg/ kgxd mit 7,6 % unterhalb der historischen Kontrolle (8,6 % bei 124 Würfen) (Navarro et al., 1992). Höhere Dosen wurden nicht verwendet, weil bei 150 mg/kgxd in einer ",Range-finding"-Studie eine maternale Toxizität von 40 % festgestellt wurde.

Weibliche ICR-Mäuse erhielten Naphthalin am zweiten Trächtigkeitstag in einer Dosierung von 14 oder 56 mg/kg (einmalig). Die Embryos wurden am nächsten Tag (Gestation day 3,5) entnommen und für 72 Stunden in einem Nährmedium gehalten. Die Überlebensfähigkeit und Wachstum und Implantationsfähigkeit der Embryonen war reduziert (Iyer et al., 1990). Die Studie liegt nur als Zusammenfassung vor.

Sensibilisierung:

Zur allergenen Wirkung von Naphthalin liegen beim Menschen einige Fallbeschreibungen vor. Einer von 598 Patienten, der aufgrund von Dermatosen begutachtet wurde, reagierte im Epikutantest positiv auf Naphthalin. Die Reaktionshäufigkeit wird mit 0,13 % angegeben (Klaschka und Vossmann, 1994). Studien zu Sensibilisierungsreaktionen nach Einatmen von Naphthalin liegen nicht vor; tierexperimentelle Untersuchungen sind nicht bekannt.

Metabolismus:

Die Bildung des Epoxids steht im Zentrum des Naphthalinstoffwechsels. Beide Enantiomere des Naphthalin-1,2-oxids können gebildet werden. Das Epoxid unterliegt im weiteren Verlauf entweder einer spontanen Umlagerung zum 1-Naphthol, oder es erfolgt enzymatische Hydratisierung mit Hilfe von Epoxidhydrolase zum trans-Dihydrodiol oder Konjugation mit z.B. Glutathion. Ein Schema sowie eine ausführliche Beschreibung des Stoffwechsels ist in Greim (1995) enthalten.

Wirkungsmechanismus:

Die Oxidation von Naphthalin führt zur Bildung von reaktiven Metaboliten (Epoxiden), die v.a. nach Konjugation mit Glutathion, Glukuronsäure oder Sulfat ausgeschieden werden. Untersuchungen mit radioaktiv markiertem 14C-Naphthalin zeigten, daß die kovalente Bindung von Naphthalinmetaboliten an Proteine überwiegend in Geweben mit Cytochrom-P450-Monooxygenaseaktivität auftritt, die Stabilität des Epoxids scheint jedoch ausreichend für eine Aktivität in anderen Zielgeweben außer dem Ort der Epoxidierung (Tsuruda et al., 1995). Die ausgeprägte Empfindlichkeit der Mäuselunge gegenüber Naphthalin wird auf das besonders hohe Cytochrom P450-ahhängige Oxidationspotential der Clara-Zellen der Maus zurückgeführt. Nach Inkubation von Lungenmikrosomen mit radioaktiv markiertem 14C-Naphthalin zeigte sich, daß bei Ratten 12 %, bei Hamstern 37 % und bei Affen nur 1 % der Menge an Naphthalin-Glutathion-Konjugaten im Vergleich zur Maus gebildet werden. Dies deutet auf eine niedrigere Metabolismusrate beim Affen und auf die geringe Relevanz der Glutathionkonjugation bei nichtmenschlichen Primaten hin (HSE, 1996).

Die Unterschiede in der Empfindlichkeit unterschiedlicher Spezies sind jedoch Gegenstand weiterer Untersuchungen (Plopper et al., 1992; Buckpitt et al., 1995) und können derzeit nicht abschließend bewertet werden.

Fazit:

Kanzerogenität:

Die tumorigene Wirkung von Naphthalin bei weiblichen B6C3F1-Mäusen ist - zwar nicht dosisabhängig, in der höchsten getesteten Dosis (im Bereich der MTD) jedoch eindeutig - dokumentiert. Die beobachteten Tumoren waren fast ausschließlich gutartigen Natur.

Die bereits bei chronischer Exposition gegenüber 50 mg/m3 beobachteten Entzündungen und Hyperplasien im Epithel des Bronchio-Alveolartraktes weisen auf einen möglicherweise zytotoxischen Mechanismus hin. Nach Buckpitt et al. (1982) sind 90 mg/m3 sogar bereits nach akuter, 4-stündiger Exposition für die Maus lungenschädigend. Die in der Kanzerogenitätsstudie zu Adenomen führende Konzentration lag dem gegenüber bei 150 mg/m3.

Ein gentoxisches Geschehen scheint nicht im Vordergrund zu stehen, die Datenlage ist jedoch widersprüchlich:

Aufgrund der vorliegenden Daten scheint die Maus aufgrund höherer Enzymaktivitäten im Atemtrakt besonders empfindlich auf eine Naphthalin-Exposition zu reagieren (Epoxidbildung). Untersuchungen u.a. an nichtmenschlichen Primaten, die Rückschlüsse auf die Speziesspezifität bei der Maus bzw. die Übertragbarkeit auf den Menschen liefern sollen, sind im Gange, jedoch noch nicht abgeschlossen (Buckpitt, 1994).

Die Verdachtsmomente auf Larynxkarzinome bei Naphthalinexposition aus humanepide-miologischer Erfahrung und aus den Anerkennungsverfahren der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie haben hier ihre Bedeutung.

Im Rahmen des NTP wird derzeit eine Inhalationsstudie mit Ratten durchgeführt, deren Ergebnisse noch nicht vorliegen (EPA, 1996).

Wegen den Verdachtmomenten:

und wegen den noch ausstehenden Untersuchungen:

wird vorgeschlagen, Naphthalin zunächst hinsichtlich der krebserzeugenden Wirkung in Kategorie 3 einzustufen (K: 3).

Nach Abschnitt 1.4.2.1.2, Anhang 1 der Gefahrstoffverordnung sind Hinweise auf einen sekundären Mechanismus, aus dem ein Schwellenwert abgeleitet werden kann, Abgrenzungsaspekte zwischen Kanzerogenen der Kategorie 2 und 3. Bei Gruppe 3 erfolgt hier keine Differenzierung nach Gut- oder Bösartigkeit beobachteter Tumoren.

Mutagenität:

Eine Einstufung ist angesichts der beschriebenen Datenlage nicht möglich (M: -)

Reproduktionstoxizität/Fertilität:

Valide Studien zur Reproduktionstoxizität/Fertilität liegen nicht vor.

Daher ist gemäß den EU-Einstufungskriterien keine Einstufung möglich (RF: -)

Reproduktionstoxizität/Entwicklungstoxizität:

Aus Tierversuchen liegen nur geringe Hinweise auf entwicklungstoxische Effekte vor, auch wenn bei maternaler Toxizität bei relativ hoher Dosierung möglicherweise sekundär induzierte Fetotoxizität und Terata auftraten. Die einzige Studie, bei der relativ niedrige Dosierungen verwendet wurden (Iyer et al., 1990), liegt nur als Zusammenfassung vor; hierbei erfolgte eine unphysiologische Applikation und Angaben zur maternalen Toxizität werden nicht berichtet.

Eine Einstufung hinsichtlich der Reproduktionstoxizität/Entwicklungstoxizität ist gemäß den EU-Einstufungskriterien daher derzeit nicht gerechtfertigt (RE: -).

Sensibilisierung:

Nach der GefStoffV werden Stoffe als sensibilisierend durch Hautkontakt eingestuft, wenn praktische Erfahrungen zeigen, daß Stoffe eine Sensibilisierungsreaktion bei einer erheblichen Anzahl von Personen durch Hautkontakt hervorrufen können oder auf Grundlage positiver Ergebnisse in Tierversuchen. Die Reaktionshäufigkeit für Sensibilisierungsreaktionen wird mit 0,13 % angegeben und scheint damit nicht das Kriterium der Erheblichkeit zu erfüllen, auch wenn prinzipiell eine sensibilisierende Wirkung möglich ist. Studien zu Sensibilisierungsreaktionen nach Einatmen von Naphthalin liegen nicht vor.

Naphthalin ist somit gemäß den EU-Einstufungskriterien derzeit hinsichtlich einer sensibilisierenden Wirkung nicht einzustufen.

Hinweis:

In der Luft kann Naphthalin mit Stickoxiden zu entsprechenden Nitro-Naphthalinen reagieren. Diese Substanzen haben eine hohe mutagene Aktivität (Arey et al., 1994).

Literatur:

UWS Umweltmanagement GmbHweiter.Frame öffnen