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46. Polychlorierte Biphenyle (PCB)
(CAS-Nr.: 53469-21-9)

(BArbBl. 5/98 S. 92)
(Stand: November 1997)


I. Vorbemerkungen

Es gibt 209 PCB-Kongenere, von denen rund 100 in kommerziellen PCB-Produkten gefunden wurden. Handelsnamen sind z.B. Aroclor (Monsanto), Clophen (Bayer), Fenclor (Caffaro), Kanechlor (Kanegafuchi) und Phenoclor (Prodelec). Der von den Herstellern verwendete Nummerncode gibt im allgemeinen Aufschluß über den Chloranteil des Gemischs. So enthält Aroclor 1260 ca. 60 Gew.-% Chlor. Bei Chlophen gibt die vorletzte Ziffer (Bsp.: Clophen A40), bei Kanechlor die drittletzte Ziffer (Bsp.: Kanechlor 300) die Zahl der im Mittel vorhandenen Chloratome pro Molekül an. Mit Ausnahme von Aroclor 1016 (das übrigens abweichend von der Regel 42 Gew.-% Chlor enthält) sind in allen kommerziellen PCB-Gemischen auch geringe Mengen polychlorierter Dibenzofurane (PCDFs) nachweisbar. In der Literatur finden sich PCDF-Konzentrationsangaben bis zu 50 mg/kg bzw. ppm (Clophen A60; Fiedler et al., 1992); Erhitzen von PCBs auf Temperaturen über 100 °C in Gegenwart von Sauerstoff kann einen deutlichen Anstieg des PCDF-Gehalts zur Folge haben (Vgl. Fiedler et al., 1995).

Besonders die "koplanaren" nicht ortho-substituierten PCB-Kongeneren zeichnen sich durch eine hohe Affinität gegenüber dem zellulären Ah-Rezeptor aus (McFarland u. Clarke, 1989; McKinney u. Waller, 1994). Neuere Zusammenfassungen über die (reproduktions-)toxikologischen Eigenschaften der PCBs finden sich z.B. bei Popp et al. (1993), DFG (1994), Brouwer et al. (1995), Kimbrough (1995), Swanson et al. (1995), Schantz (1996), Seegal (1996), Jacobson u. Jacobson (1997) sowie in einem ausführlichen Expertenbericht von 1994.

Die bislang vorliegenden Daten lassen die Aufstellung detaillierter Struktur-Wirkungs-Beziehungen und damit eine relative Wichtung einzelner Kongenere hinsichtlich ihrer reproduktionstoxischen Potenz nicht zu. Verschiedene Vertreter dieser Stoffklasse können sogar gegensätzliche Effekte auf einzelne Aspekte der Fortpflanzung ausüben.

Aroclor 1242 und das diorthosubstituierte 2,2`,5,5`-Tetrachlorbiphenyl sowie der Metabolit 2,4,6-trichlor-4-hydroxybiphenyl entfalteten östrogenanaloge Wirksamkeit in unreifen Sprague-Dawley-Rattenweibchen (Uteruszell-Proliferation). Dies steht im Einklang mit Resultaten aus In-vitro-Experimenten, wonach ortho- und ortho-para-substituierte PCB-Hydroxy-Metaboliten in Mäuseuterus-Präparationen die Estradiol-Bindung an den cytosolischen Östrogen-Rezeptor stärker hemmten als die entsprechenden meta- oder para-substituierten Verbindungen. Antiöstrogene Aktivität wurde dagegen für das nicht ortho-substituierte 3,3`, 4,4`-Tetrachlorbiphenyl in vivo nachgewiesen, was als Ah-Rezeptor-vermittelter Effekt gedeutet wird. Die östrogene Wirksamkeit von PCB-Gemischen stellt somit wahrscheinlich einen Nettoeffekt aus östrogenen und antiöstrogenen Eigenschaften der einzelnen Kongenere dar (Battershill, 1994).

PCBs verändern den Schilddrüsenhormonstatus. Sie reduzieren den Gesamtgehalt an Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4) im Blutplasma und binden an den Transthyretrin-Rezeptor. Möglicherweise kommt es dadurch im Gehirn zu einer T4- und T3-Unrerversorgung, welche die Hirnentwicklung bei Föten und Kindern negativ beeinflussen könnte (Koopman-Essebohm et al., 1994; Brouwer et al., 1995).

In Europa ist der Einsatz von PCBs seit 1976 durch EG-Richtlinien auf geschlossene Systeme beschränkt. Mit einer Verordnung vom 18.07.1989 wurden Herstellung, Inverkehrbringen und Verwendung von PCBs in der Bundesrepublik Deutschland verboten. Nicht unter dieses Verbot fallen u.a. die Herstellung und Verwendung für Forschungs- oder Analysezwecke sowie unter bestimmten Umständen die Reinigung von Transformatoren mit PCB-haltigen Isolierflüssigkeiten.

II. Daten zur Reproduktions- und Entwicklungstoxizität

1. Folgen unfallartiger Ereignisse

Im Jahre 1968 erkrankten über 1000 von schätzungsweise 1800 Japanerinnen und Japanern, die über mehrere Monate mit Kanechlor 400 (48 % Chloranteil) verunreinigtes Reisöl zum Zubereiten von Speisen verwendet hatten ("Yusho"-Krankheit). Zu einer ähnlichen Vergiftungsepisode durch Kanechlor 400 und 500, bei der mehr als 2000 Menschen betroffen waren, kam es 1978/79 (Konsumperiode 8 - 9 Monate) in Taiwan ("Yu-Cheng"). Das Reisöl enthielt vergleichsweise hohe Konzentrationen an thermischen Zersetzungsprodukten der PCBs, darunter polychlorierte Quaterphenyle (PCQs) und polychlorierte Dibenzofurane (PCDFs). Für Japan wird ein Gehalt von 430 - 920 ppm PCBs, 630 - 870 ppm PCQs und 2,0 - 2,5 ppm PCDFs angegeben, in Taiwan lagen die Werte bei 44 -108 ppm PCBs, 17 - 48 ppm PCQs und 0,1 - 0,4 ppm PCDFs. Daneben wurden in den kontaminierten Kochölen auch chlorierte Terphenyle und Naphthaline gefunden. Man hat errechnet, daß von japanischen Yusho-Patienten durchschnittlich 630 mg PCBs und 3,4 mg PCDFs aufgenommen worden waren. Für betroffene Erwachsene in Taiwan werden im Mittel 970 mg PCBs und 3,8 mg PCDFs geschätzt (Masuda et al., 1986; Hsu et al., 1985).

Kinder, deren Mütter vor oder während der Schwangerschaft kontaminiertes Reisöl genossen hatten, wiesen z.T. vermindertes Geburtsgewicht und -größe sowie unproportional kleinen Kopfumfang auf, ferner Hyperpigmentierungen von Haut und Mundschleimhaut, Nagelverfärbungen, Hyperplasie des Zahnfleisches, abnorme Verkalkung der Schädelknochen, vorzeitiges Zähnen, Störungen des Immunsystems, verzögerte mentale und psychomotorische Entwicklung, Anfälligkeit für Infektionskrankheiten u.a. auf. Die Überlebensrate war erniedrigt (Kuratsune et al., 1972; Harada et al., 1976; Rogan et al., 1988). In den meisten Fällen waren auch bei den Müttern äußere Vergiftungssymptome diagnostiziert worden.

Eine im Jahre 1976 veröffentlichte Follow-up-Studie mit intrauterin exponierten Kindern in Japan beschreibt fortgesetzte Wachstumsstörungen, Hypotonie, Langsamkeit, Mangel an Ausdauer, Unbeholfenheit, Apathie und geringe Intelligenzquotienten (Harada, 1976).

Wissenschaftlich besser begleitet wurde die Entwicklung der Kinder von Yu-Cheng-Patientinnen (Guo et al., 1995; vgl. auch Schantz, 1996). Sowohl die psychomotorischen als auch die mentalen Entwicklungsindices nach den "Bayley Scales of Infant Development", ermittelt im Alter von 0,5 und 2,5 Jahren, waren bei den in utero exponierten taiwanischen Kindern signifikant (P < 0,05) erniedrigt. Siebenjährige "Yu-Cheng-Kinder" hatten einen um durchschnittlich 5,7 Punkte niedrigeren Intelligenzquotienten (P < 0,005, WISC-R Full Scale IQ Score) als die Kontrollgruppe. Noch sieben bzw. acht Jahre nach der Geburt wurden emotionale oder Verhaltensstörungen (Rutter`s Child Behavior Scale A) bzw. erhöhte Aktivität (WerryWeiss-Peters Activity Scale) mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 0,5 % bei den betroffenen Kindern gefunden. Veränderte Hirnpotentialmuster bei sieben- bis zwölfjährigen "Yu-Cheng-Kindern" nach akustischer (ERP, P300), nicht aber visueller (VEP) oder somatosensorischer (SSEP) Stimulierung sprechen nach Ansicht taiwanesischer Wissenschaftler eher für eine Beeinträchtigung der Entwicklung der Großhirnrindenfunktion als für eine Schädigung sensorischer Bahnen (Chen u. Hsu, 1994). Offenbar gibt es jedoch keinen mathematisch faßbaren Zusammenhang zwischen den Indikatoren der Expositionshöhe (z.B. PCB-Serumspiegel im mütterlichen oder kindlichen Blut, Schweregrad der körperlichen Symptome) und den neurophysiologischen bzw. psychologischen Befunden.

50 Töchter von Yu-Cheng-Patientinnen in der Altersgruppe 8 -14 Jahre waren durchschnittlich 2,8 cm kleiner als die gematchte Kontrollgruppe (P < 0,02). Im Alter zwischen 11 und 14 Jahren hatten Söhne von weiblichen Yu-Cheng-Opfern eine signifikant reduzierte Penislänge. Bei jüngeren Knaben war die Länge des Penis unauffällig (Guo et al., 1993).

2. Arbeitsmedizinische Erfahrungen

51 Kinder von 39 US-amerikanischen Arbeitnehmerinnen in der Kondensatorherstellung wurden mit 337 Kindern von 280 Arbeiterinnen verglichen, die in denselben Betrieben tätig waren, jedoch keinen direkten Umgang mit PCBs hatten. Die Nachkommen von Müttern aus den hochbelasteten Arbeitsbereichen hatten ein um durchschnittlich 153 g vermindertes Geburtsgewicht (90 % VB: -286 bis -20 g), die Schwangerschaftsdauer war 6,6 Tage kürzer (90 % VB: -10,3 bis -2,9 d). Rauchgewohnheiten, Gesundheitszustand der Schwangeren, Maternalgewicht sowie etwaige frühere Leichtgeburten wurden nicht erfaßt (Taylor et al., 1984).

Eine weitere Studie mit Beschäftigten dieser Kondensatorfabriken (172 Kinder von 200 Müttern aus hoch- und 184 Kinder von 205 Müttern aus niedrigbelasteten Arbeitsbereichen) ergab nach Berücksichtigung von 6 Variablen (einschl. Rauchgewohnheiten, Gewicht früherer Geburten) lediglich ein mittleres Gewichtsdefizit von 60 g bei den Neugeborenen der stark belasteten Gruppe (Durchschnittsgewicht:

3313 g ± 456 g). Die Absolutangaben zur Expositionssituation in den untersuchten Betrieben sind dürftig; es wird von je 16 stationären Messungen berichtet, die innerhalb eines einzigen Monats durchgeführt wurden und in den hochbelasteten Arbeitsbereichen Luftkonzentrationen von 310 mg PCBs/m3 ergaben, während die Konzentrationen an den "geringgradig" belasteten Arbeitsplätzen etwa um den Faktor 10 niedriger lagen. Im Rahmen von älteren Serumanalysen bei Beschäftigten des Unternehmens waren in der Gruppe mit direkter Exposition im Mittel 302 ppb, in derjenigen mit indirekter Exposition 61 ppb Gesamt-PCBs ermittelt worden; in einer externen Referenzgruppe (andere Fabrik derselben Gesellschaft ohne PCB-Exposition) waren es 16 ppb. Durch Anwendung eines mathematischen Modells zur Abschätzung der individuellen PCB-Serumkonzentrationen errechnete sich ein signifikanter Trend einer Geburtsgewichtsverminderung mit steigendem PCB-Gehalt im mütterlichen Blut. Die Autoren halten diese nur schwache Tendenz, die teilweise mit einer ebenfalls nachgewiesene verkürzte Schwangerschaftsdauer in Zusammenhang steht, für biologisch nicht bedeutsam (Taylor et al., 1989).

Mütter, die in der japanischen Kondensatorindustrie unmittelbaren Umgang mit PCBs hatten, klagten überhäufig über - meist unspezifische - Gesundheitsbeschwerden ihrer Kinder (Müdigkeit, Erkältung, Erbrechen, Hautjucken etc.; keine Angaben zum Alter der Kinder), besonders bei längerer Stillzeit. In den betroffenen Abteilungen des untersuchten Betriebs litten 40% der Beschäftigten unter Mitessern und Akne; 13% hatten Hautreizungen und Erytheme. Hautverfärbungen und unterdurchschnittliche Körpergrößen bei den Neugeborenen wurden nicht bekannt. Jährliche ärztliche Untersuchungen von ca. 40 Kindern über einen Zeitraum von 5 Jahren ergaben teilweise Verzögerungen des Nagelwachstums, Pigmentierung des Zahnfleisches, fleckigen Zahnschmelz und Karies; die Symptome korrelierten jedoch nicht mit dem PCB-Spiegel im Blut der Probanden und ein Vergleich mit einer adäquaten Kontrollgruppe wurde nicht vorgenommen (Yakushiji et al., 1984; Hara, 1985).

3. Einflüsse der Hintergrundbelastung

Michigan-Studie

Mittels eines Fragebogens wurden bei mehr als 8000 Frauen am Tag nach der Niederkunft der individuelle Konsum von Fischen aus dem PCB-belasteten Michigan-See quantifiziert. Aus diesem Kollektiv wurden 313 Mütter und deren Neugeborene für eine epidemiologische Studie ausgewählt. 242 Frauen hatten einen hohen Fischverzehr angegeben ("Exponierte"), während die übrigen 71 nach eigener Auskunft keine Fische aus dem Michigan-See aßen ("Kontrolle").

Das Geburtsgewicht der Kinder von Fischesserinnen lag durchschnittlich um 190 g niedriger (P < 0,05) und der Kopfumfang war 6 mm geringer (P < 0,01) als bei der Nachkommenschaft von Müttern ohne Süßwasserfischkonsum. Die Schwangerschaftsdauer der Exponierten war im Mittel um 4,9 Tage gegenüber der Kontrolle verkürzt. Bezogen auf Geburtsgewicht und Schwangerschaftsdauer war der Kopfumfang unproportional klein. Im Ballard-Test zur Überprüfung der körperlichen und neuromuskulären Reife schnitten die Neugeborenen fischessender Mütter schlechter ab.

Der Fischkonsum der Mütter korrelierte zwar mit der PCB-Konzentration im maternalen Blutserum, nicht aber mit derjenigen des Nabelschnurserums. Kinder mit Nabelschnurserumkonzentrationen an oder oberhalb der Nachweisgrenze (3 ppb) wiesen im Mittel ein um 160 g vermindertes Geburtsgewicht sowie einen 7 mm geringeren Kopfumfang auf und kamen durchschnittlich 8,8 Tage früher zur Welt (Fein et al., 1984).

Die Neugeborenen wurden mit dem Instrumentarium des "Brazelton Neonatal Behavioral Assessment" untersucht, das sieben Testcluster für motorisches und reflektorisches Verhalten umfaßte. Von den sechs

ausgewerteten Testclustern zeigten drei eine negative statistische Abhängigkeit vom Fischkonsum: "Autonomic Maturity" (P < 0,025), "Reflexes" (P < 0,05) und "Range of State" (P < 0,06). Im Vergleich zu bekannten Teratogenen werden die Defizite als "subtile" charakterisiert; sie erreichten jedoch häufiger bei Kindern fischessender Mütter "besorgniserregende" Ausmaße. Eine Korrelation der Testergebnisse mit dem Nabelschnur-PCB-Gehalt wurde nicht festgestellt (Jacobson et al., 1984).

Ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen mütterlichem Fischkonsum oder der PCB-Konzentration im Nabelschnurblut und dem kognitiven Entwicklungszustand im Alter von 5 Monate, getestet nach den "Bayley Scales of Infant Development", wurde nicht nachgewiesen (Jacobson et al., 1986).

Eine Subkohorte von 123 Kindern wurde im Alter von 7 Monaten dem Fagan-Test für visuelles Erinnern unterzogen. Sowohl der von den Müttern angegebene Fischkonsum (P < 0,05) als auch die PCB-Nabelschnurkonzentration (P < 0,005) korrelierten negativ mit einer Präferenz für neue Reize (Jacobson et al., 1985).

Vier Jahre nach der Geburt wurden bei einer 236 Kinder umfassenden Subkohorte ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen dem PCB-Gehalt im Nabelschnurserum und vermindertem Körpergewicht (P < 0,03) sowie einer Einschränkung des verbalen und numerischen Kurzzeitgedächtnisses (P < 0,01 - 0,02; McCarthy Scales of Children`s Abilities) festgestellt. Die aktuelle PCB-Belastung der Vierjährigen im Serum, welche mit der PCB-Aufnahme über die Muttermilch in Verbindung gebracht wird, korrelierte negativ mit der Aktivität der Kinder. Dagegen stellten die Autoren einen positiven Zusammenhang zwischen der Stilldauer und den McCartney Memory Scale Scores fest (Jacobson et al., 1990a u. b).

Die Validität der Michigan-Studie wurde verschiedentlich angezweifelt (Paneth, 1991; Kimbrough, 1995; Schantz, 1996; Seegal, 1996). Den Autoren werden insbesondere unzureichende Dokumentation, Probleme bei der Analytik, die zu kleine und nicht gematchte Kontrollgruppe sowie mangelhafte Expositionserhebung vorgeworfen. Als Confounder werden u.a. Belastung mit Schwermetallen, polychlorierten Dibenzodioxinen und -furanen und anderen Organochlorverbindungen sowie Lebensstil und Gesundheitszustand der Mütter diskutiert.

In einer neueren Follow-up-Untersuchung wurden Kinder aus der Michigan-Kohorte im Alter von 11 Jahren untersucht. Auch nach Berücksichtigung zahlreicher Confounder (z.B. sozioökonomischer Status, Trink- und Rauchgewohnheiten der Mütter während der Schwangerschaft, Qualität der intellektuellen Stimulation durch die Eltern, postnatale Blei- und Quecksilber-Exposition) ergab sich in der dreißigköpfigen Untergruppe mit der höchsten PCB-Exposition in utero (>1,25 µg PCBs/g Milchfett) ein um durchschnittlich 6,2 Punkte erniedrigter Intelligenzquotient (P = 0,007) gegenüber 148 weiteren getesteten Kindern der Kohorte. Mit einer Ausnahme wurden schwere oder mittelschwere geistige Retardierungen (IQ < 80) nicht festgestellt. Nachgeburtliche PCB-Belastung durch Stillen hatte keinen Einfluß auf den Intelligenzquotienteil ("Wechsler Intelligence Scales for Children") der elfjährigen Kinder (Jacobson u. Jacobson, 1996).

Wisconsin-Studie

Eine ähnliche Untersuchung wurde im US-Bundesstaat Wisconsin durchgeführt. Dabei wurden 1112 Frauen mit positivem Schwangerschaftstest zweier Krankenhäuser u.a. nach ihrem Konsum an Michigan-See-Fischen, Gesundheitszustand und früheren Schwangerschaften befragt und um eine Blutprobe gebeten. Von 106 zufällig ausgewählten Serumproben enthielten 23 % nachweisbare PCB-Mengen; die PCB-Konzentration korrelierte positiv mit dem Fischkonsum. Im Gegensatz zur Michigan-Studie ergab sich aber auch eine positive Korrelation zwischen Geburtsgewicht und PCB-Exposition (P < 0,04), wobei Mütter, die während der Schwangerschaft mehr als 15,4 kg (34 lb) zugenommen hatten, eine Ausnahme bildeten. Andere Geburtsparameter (Körpergröße, Kopfumfang usw.) wiesen offenbar eine analoge Tendenz auf. Die Autoren weisen daraufhin, daß das Wisconsin-Kollektiv eine im Vergleich zu den "exponierten" Michigan-Müttern wegen des moderateren Fischkonsums eine geringere PCB-Belastung hatte und schließen nicht aus, daß eine erhöhte Fischölexposition über eine Stimulierung des plazentaren Blutflusses zum Geburtsgewichtsanstieg beigetragen haben könnte (Dar et al., 1992).

Swain (1991) und Buck (1996) erwähnen einen älteren, offenbar unabhängigen "Technical Report" der Universität Wisconsin (Smith, 1984), der ebenfalls einen Anstieg des Geburtsgewichts mit steigender PCBExposition in utero dokumentiere. Ferner wird von einem Zusammenhang zwischen maternaler PCB-Belastung und Infektionskrankheiten im Kindesalter berichtet. Das untersuchte Kollektiv war jedoch relativ klein (73 Mutter-Kind-Paare); darüber hinaus werden Unzulänglichkeiten der Analytik angedeutet.

North-Carolina-Studie

Beim "North Carolina Breast Milk and Formula Project" handelt es sich um eine prospektive Kohortenstudie mit anfänglich 930 Kindern, die 1978 - 1982 zur Welt kamen (Rogan et al. 1986a). Anders als in den Michigan- und Wisconsin-Studien konnte kein Zusammenhang zwischen dem angegebenen Fischkonsum der Mütter während der Schwangerschaft und dem PCB-Gehalt im maternalen Serum beobachtet werden. Es wird jedoch von einer positiven Korrelation mit dem Serumgehalt an Dichlordiphenyldichlorethen (DDE) berichtet. Geburtsgewicht, Kopfumfang und Neugeborenen-Ikterus stellten sich als von der PCB-Belastung unabhängige Parameter dar. Nach den "Brazelton Neonatal Behavorial Assessment Scales" waren Reflexverhalten und Muskeltonus bei denjenigen Neugeborenen signifikant erniedrigt (P < 0,05), deren Mütter im Kollektiv zu den 7 % mit der höchsten PCB-Konzentrationen in der Milch gehörten. Die Ergebnisse fünf weiterer psychologischer und neurologischer Testcluster ließen keinen Einfluß der PCB-Belastung erkennen (Rogan et al., 1986b).

Der psychomotorische, nicht aber der mentale Entwicklungsindex nach Bayley war bei Kindern mit der höchsten transplazentaren PCB-Belastung im Alter von 6, 12, 18 und 24 Monaten leicht vermindert, ein Zusammenhang mit der Stillzeit konnte nicht beobachtet werden (Gladen et al., 1988; Rogan u. Gladen, 1990). Die kognitive Funktion 3-, 4- und 5jähriger Kinder aus North Carolina (McCarthy Scales of Children`s Abilities) hatte sich im Gegensatz zum Michigan-Kollektiv unabhängig von transplazentarer oder Muttermilch-Exposition entwikkelt (Gladen u. Rogan, 1991).

Oswego-Studie

Basierend auf Interview-Aussagen wurden im Rahmen des "Oswego Newborn and Infant Development Project" schwangere Frauen entsprechend den individuellen Verzehrgewohnheiten in bezug auf Ontario-See-Fische, aufgeschlüsselt nach Tierart und Menge, in drei Gruppen eingeteilt: hohe (n = 152) und niedrige PCB-Exposition (n = 243) sowie Kontrolle, d.h. kein Fischkonsum (n = 164). Auf eine direkte Messung des PCB-Gehalts in Körperflüssigkeiten war verzichtet worden; die Belastung wurde aus dem angegebenen Fischkonsum abgeschätzt.

Bei der Geburt der Kinder fanden sich zwischen den Gruppen keine Unterschiede hinsichtlich Kopfumfang und Körpergewicht der Nachkommen. Die Säuglinge wurden im Alter von 12 - 24 Stunden und nochmals im Alter von 25 - 48 Stunden anhand der Skala des "Brazelton Neonatal Behavioral Assessment" untersucht. Da nach Auffassung der Autoren der verwendete Brazelton-Test zur Feststellung der zeitlichen Entwicklung von körperlichen, physiologischen und Verhaltensparametern bei Neugeborenen konzipiert worden war, konzentrierte sich die Studie auf einen Vergleich der ermittelten Differenzen zwischen dem späteren und dem früheren Untersuchungszeitpunkt. Dabei fanden sich signifikante Unterschiede hinsichtlich der Cluster "Autonomic Maturity", "Reflexes" und "Habituation" zwischen der schlechtere Testergebnisse erzielenden Hochexpositionsgruppe einerseits und der Niedrigexpositions- sowie der Kontrollgruppe andererseits. Ebenfalls erhobene Daten zu den Clustern "Orientation", "Range of State", "Regulation of State" und "Motor" waren nicht statistisch signifikant voneinander verschieden (Lonky et al., 1996).

New-York-State-Studie

1820 multigravide Frauen aus dem US-Bundesstaat New York wurden hinsichtlich ihres Konsums von Fischen aus dem Ontario-See befragt. Nach ihren Aussagen teilte man sie in drei Gruppen mit niedriger, mittlerer und hoher PCB-Exposition ein. Eine signifikante Erhöhung des Risikos für spontanen Fetaltod mit steigender (geschätzter) PCB-Belastung der Schwangeren konnte nicht nachgewiesen werden. Bei Frauen in der höchsten Dosisgruppe mit mindestens 2 früheren Geburten sowie bei Frauen mit drei oder mehr früheren Geburten und langer Fischkonsum-Vorgeschichte wurde sogar eine leichte Verringerung des statistischen Risikos festgestellt (Mendola et al., 1995).

Ostsee-Studie

Gestützt auf das amtliche Geburtenregister wurden 1501 Kinder der Ost- und 3553 Kinder der Westküste Schwedens, die 1973 - 1991 von Berufsfischer-Ehefrauen geboren worden waren, untereinander und mit regionalen Kontrollgruppen verglichen (Rylander et al., 1995). Die Ernährungsgewohnheiten der Mütter wurden durch Befragung einer Stichprobe von je 69 Frauen aus Kohorte und Kontrollgruppe erhoben. Danach verzehrten Frauen, die mit Fischern verheiratet waren, etwa doppelt soviel Fisch der Region wie die Vergleichsgruppe.

Die Verteilung der Geburtsgewichte in der Ostküstensubkohorte lag geringfügig unter den Erwartungswerten (P = 0,06). Gegenüber der Westküstensubkohorte waren Geburtsgewicht und Kopfumfang der Neugeborenen von der Ostküste signifikant (P < 0,001) vermindert. In der Veröffentlichung wird darauf hingewiesen, daß die PCB-Belastung von Fischen aus Skagerak und Kattegat im Vergleich zu den Verhältnissen im östlichen Teil der Ostsee bedeutend niedriger sei. Der PCB-Gehalt im Blutfett von Fischern der schwedischen Ostküste betrage etwa das Doppelte dessen, was bei ihren Westküsten-Kollegen gemessen werde. Eine Fall-Kontroll-Studie, welche die individuellen Rauch- und Eßgewohnheiten innerhalb der Ostküstenkohorte erfassen soll, ist zur Zeit in Arbeit.

Groningen-Rotterdam-Studie

Für eine prospektive Längsschnittstudie wurden insgesamt 418 Mutter-Kind-Paare aus einem semiurbanen Gebiet im Nordosten (Groningen) und einer Industrieregion im Südwesten (Rotterdam) der Niederlande ausgewählt. Die Hälfte der Mütter stillte ihre Kinder, während die andere Hälfte ihre Säuglinge mit einem Milchersatz ernährte, der auf Pflanzenfettbasis hergestellt worden war.

Zwischen dem 10. und 21. Tag nach der Geburt wurden die Kinder einer neurologischen Untersuchung nach Prechtl unterworfen (Huisman et al., 1995a). Nach Meinung der Autoren läßt diese Methode validere Prognosen bezüglich künftiger neurologischer Fehlfunktionen zu als der in den Michigan-, North-Carolina- und Oswego-Studien angewandte Brazelton-Test, welcher wenige Stunden post partum durchgeführt wird. Es wurden zwei Cluster gebildet: Muskeltonus/Körperhaltung und Reflexe/Reaktionen. Zwischen dem PCB-Gehalt im mütterlichen bzw. Nabelschnurplasma und den Prechtlschen "Neonatal Neurological Optimality Scores" wurde keine Korrelation gefunden. Demgegenüber nahm der Muskeltonus der Neugeborenen mit einem Anwachsen der Toxizitätsäquivalente planarer PCBs in der Muttermilch ab (Odds Ratio: 1,64; 95 %-Vertrauensbereich: 1,03 - 2,63).

Eine "altersangemessene" neurologische Nachuntersuchung fand 18 Monaten nach der Geburt statt (Huisman et al., 1995b). Für 408 Kleinkinder konnte die Diagnose "neurologically normal" gestellt werden, neun waren "mildly abnormal", und eines mußte als "abnormal" eingestuft werden. Eine genaue Analyse der in den Tests erreichten Punktzahlen, die anhand einer vorgegebenen Skala ermittelt worden waren, ergab einen schwach adversen Effekt pränataler PCB-Exposition auf die neurologische Verfassung von Kleinkindern, deren Väter nicht rauchten.

Die mit der Bayley-Testmethode beurteilten psychomotorischen Fertigkeiten waren bei drei Monate alten Babys der Subkohorte aus Rotterdam negativ mit der pränatalen PCB-Exposition (gemessen als Konzentration im mütterlichen Plasma) korreliert; dieser Effekt war allerdings bei 7 und 18 Monate alten Kindern verschwunden. Mit sieben Monaten erzielten die über längere Zeit gestillten Säuglinge sogar signifikant bessere Testresultate (Koopman-Essebohm et al., 1996). Diese Befunde stehen teilweise im Widerspruch zu den Ergebnissen der North-Carolina-Studie, die eine längere Persistenz der psychomotorischen Defizite dokumentieren. Ein Einfluß der pränatalen PCB-Belastung auf die mentale Entwicklung war mit den Mitteln des Bayley-Tests bei der Rotterdam- wie bei der North-Carolina-Kohorte nicht nachweisbar.

In einem Übersichtsartikel (Brouwer et al., 1995) wird berichtet, daß im Gegensatz zur Kohorte aus Michigan im Falle der Rotterdamer Kinder mit hohen PCB-Gehalten im mütterlichen bzw. Nabelschnurblut keine Beeinträchtigung der visuellen Erkennungsleistungen (Fagan-Test im Alter von drei Monaten) verbunden war.

Eine hohe pränatale Exposition gegen PCBs und polychlorierte Dibenzodioxine (PCDDs) hatte bei Kleinkindern aus Rotterdam Auswirkungen auf das Immunsystem (Verminderung der Monozyten und Granulozyten im Alter von 3 Monaten, Erhöhung der Zahl bestimmter T-Zelltypen im Alter von 18 Monaten). Ein Anstieg der Atemwegsinfektionen in den ersten anderthalb Lebensjahren ging damit jedoch nicht einher (Weisglas-Kuperus et al., 1995).

Die epidemiologische Studie mit Kindern aus Groningen bzw. Rotterdam soll fortgesetzt und um eine deutsche Kohorte erweitert werden (s. Brouwer et al., 1995; Winneke, 1995).

4. Sonstige Erkenntnisse der Humanmedizin (Fall-Kontroll-Studien)

9 von 18 Patientinnen in Israel mit einer Gestose hatten gegenüber der Kontrollgruppe von 12 Frauen mit normal verlaufender Schwangerschaft erhöhte PCB-Werte im Serum (178±191 vs. 18±10 ppb). Die Autoren der Studie spekulieren, daß die immunsupprimierende Wirkung der PCBs zu den Schwangerschaftskomplikationen beigetragen haben könnten (Wassermann et al., 1980).

Dieselbe Arbeitsgruppe wies nach, daß von 17 Müttern mit Frühgeburten 8 einen erhöhten PCB-Serumspiegel hatten (128±60 vs. 19±10 ppb in der Kontrollgruppe). Es wird die Hypothese aufgestellt, daß chlorierte Kohlenwasserstoffe die Östrogenkonzentration in den. Zielorganen verringern (Wassermann et al., 1982). 9 von 17 Frauen mit unmittelbar vor Untersuchungsbeginn erfolgten Retentionen hatten PCB-Konzentrationen im Serum, die um mehr als die zweifache Standardabweichung über dem Mittelwert für eine siebenköpfige Kontrollgruppe mit unauffälliger Schwangerschaft im 1. Trimenon lagen (103±38 vs. 21±8 ppb). Die mittlere PCB-Konzentration von 7 Frauen mit längerer Zeit zurückliegenden Retentionen (82±21 ppb) war von ebenfalls derjenigen des Kontrollkollektivs signifikant verschieden (Bercovici et al., 1983).

Die PCB- und DDE-Blutserumspiegel von 20 New Yorker Frauen mit Frühgeburten waren nicht signifikant von den Kontrollwerten einer gleichgroßen gematchten Referenzgruppe verschieden, die ihre Kinder termingerecht zur Welt gebracht hatte (Berkowitz et al., 1996).

In einer italienischen Studie wurden je 120 Frauen, die wegen einer Fehlgeburt in Behandlung waren, und Frauen mit einer normalen Schwangerschaft untersucht. Die Konzentration von Tetra- und Pentaisomeren der PCBs (gemessen als Fenclor 54) war im Blut der Frauen mit Fehlgeburt gegenüber der Kontrollgruppe signifikant erhöht, nicht jedoch die Gesamt-PCB-Konzentration (gemessen als Decachlorbiphenyl nach vollständiger Chlorierung). Kritisch ist anzumerken, daß die PCB-Gehalte auch mit dem Alter und dem Alkoholkonsum der Probandinnen korrelierten, also Parametern, die per se das Fehlgeburtenrisiko steigern (Leoni et al., 1989).

Zwei Gruppen von Frauen mit klarer (n = 59) und unklarer Sterilitätsursache (n = 7) in der Schweiz wiesen keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich eines Gesamt-PCB-Gehalts in Serum und Follikelflüssigkeit auf (Schmid et al., 1993).

Im Rahmen einer israelischen Pilotstudie fanden sich im Blut von 29 infertilen Patienten mit herabgesetzter Spermiendichte bzw. -motilität gegenüber einer 14 Männer umfassenden Kontrollgruppe signifikant höhere Konzentrationen an p,p`-DDT-Metaboliten, Lindan sowie tetra- und pentachlorierten Biphenylen. Die Mittelwerte für den Gesamt-PCB-Gehalt waren jedoch nicht statistisch signifikant voneinander verschieden (Pinsel et al., 1987).

5. Tierexperimentelle Ergebnisse

Teratogene Schäden (Gaumenspalten, Hydronephrosen/Hydroureteren, Brachy- und Syndaktylien) bei gesichertem Fehlen von Maternaltoxizität wurden nur bei Mäusen festgestellt. Embryotoxische Effekte mit Dosen, die nicht maternaltoxisch wirkten, sind für mehrere Säugetierarten belegt. Es wird auch von postnatalen Entwicklungsverzögerungen und neuropsychologischen Störungen (Hyper-, später Hypoaktivität, kognitive Defizite) berichtet (s. Popp et al., 1993; DFG, 1994). Besonders empfindlich scheint der Rhesusaffe zu sein (s. Golub. 1991). Haut-Hyperpigmentierung der Jungen wurde bereits registriert, wenn an die Muttertiere ca. 8 µg (PCDF-freies!) Aroclor 1016 pro Kilogramm Körpergewicht und Tag verfüttert wurde (Schantz et al., 1989). Unter der Nachkommenschaft von Rhesusaffen-Weibchen, die zwei Jahre lang täglich mit rd. 5 µg Aroclor 1254 pro Kilogramm Körpergewicht behandelt worden waren, traten abnorme Hautpigmentierung, Vergrößerungen der Meibom-Drüsen und verfärbte, hyperkeratotische Fingernägel auf (Kimbrough, 1995).

Ferner fanden sich bei Säugetieren ohne erkennbare weitere toxische Effekte Zyklusabnormalitäten (Mäuse Hunde, Schweine, Affen) und Einschränkungen der Fertilität bei beiden Geschlechtern (Mäuse, Ratten, Nerze, Frettchen) nach PCB-Exposition. Die Fruchtbarkeit von Nerzen war nach längerer Gabe von 2 ppm PCBs im Futter bereits stark beeinträchtigt (s. Popp et al., 1993).

III Exposition über die Muttermilch

Ein erheblicher PCB-Anteil wird beim Stillen aus dem mütterlichen Organismus mobilisiert. Affenjungen, die von PCB-behandelten Muttertieren gesäugt wurden, entwickelten typische Intoxikationserscheinungen (Akne, Haarverlust, Ödeme, Hyperpigmentierung; s. Popp et al., 1993).

Die Milch nichtexponierter Frauen in Deutschland enthielt 1994 durchschnittlich ca. 0,67 Milligramm PCBs pro Kilogramm Milchfett, womit sich für gestillte Säuglinge eine tägliche Aufnahme von rund 3 µg/kg KGW/d errechnet. Bezogen auf das Körpergewicht bedeutet dies eine gegenüber Erwachsenen um den Faktor 60 erhöhte Belastung. Es ist allerdings ein kontinuierlicher Rückgang der PCB-Rückstände in Frauenmilch zu verzeichnen (Vieth et al., 1996). .

Die PCB-Konzentration im kindlichen Blut wird durch die Stilldauer beeinflußt, und Untersuchungen an den Nachkommen weiblicher Beschäftigter der japanischen Kondensatorindustrie lieferten Hinweise auf eine Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitszustands in Abhängigkeit von der Länge der Stillperiode (Yakushiji et al., 1984; Hara, 1985). Die Autoren der Michigan-Studie sehen einen Zusammenhang zwischen eingeschränkter Aktivität vierjähriger Kinder und der PCB-Aufnahme durch die Muttermilch. Die Stilldauer korrelierte allerdings positiv mit den Ergebnissen des "McCarthy Test of Children`s Ability" der Vierjährigen. Obwohl postnatal über das Stillen viel größere PCB-Mengen vom Kind aufgenommen werden, führen die Autoren die kognitiven Defizite sowohl bei den Vierjährigen als auch bei der Nachuntersuchung im Alter von 11 Jahren auf die intrauterine Exposition zurück (Jacobson et al., 1990b; Jacobson u. Jacobson, 1996).

In den Niederlanden wurde auch nach Adjustierung des PCB-Gehalts im Nabelschnurplasma eine überhäufige Muskeltonusschwäche in der Gruppe derjenigen Neugeborenen ermittelt, die zwei Wochen lang mit hochbelasteter Muttermilch (Summe aus vier Kongeneren > 540 ng/g Milchfett) gesäugt worden waren (Odds Ratio: 3,4; 95 %-Vertrauensbereich; 1,6 - 7,1). Hohe pränatale PCB-Exposition zeigte keinen Einfluß auf die Muskeltonus-Meßergebnisse bei 14 Tage alten Kindern, die Ersatznahrung erhalten hatten (Huismans et al., 1995a). Eine erneute Untersuchung des niederländischen Kollektivs im Alter von 18 Monaten ergab indes keine adversen Auswirkungen der Frauenmilch auf die neurologische Entwicklung der Kleinkinder; gestillte Kinder zeichneten sich vielmehr durch eine bessere motorische Gewandtheit gegenüber ihren mit Milchersatz gefütterten Altersgenossen aus (Huisman et al., 1995b). Auch mentale und psychomotorische Leistungen bei sieben Monate alten Kindern waren durchschnittlich positiv mit der Stillzeit korreliert. Bei einem höheren Anteil an PCB-/ PCDF-/PCDD1)-Toxizitätsäquivalenten in der Muttermilch wurde der offensichtliche Nutzen des Stillens per se wieder kompensiert, und die getesteten Kinder erreichten Werte auf der Bayley-Skala für psychomotorische Fertigkeiten, die sich denjenigen annäherten, welche bei mit einem Milchersatzprodukt gefütterten Kindern gemessen wurden (Koopman-Essebohm et al., 1996).

IV. Fazit

PCBs passieren die Plazentarschranke und können über die Muttermilch weitergegeben werden. Im Tierexperiment zeigen sich eindeutige negative Effekte auf Fertilität und Nachkommenschaft schon bei geringen Dosen.

Sieht man von den Reisöl-Katastrophen in Fernost ab, sind aus den meisten Daten ungünstigenfalls marginale Auswirkungen einer In-utero-Exposition auf den Menschen abzulesen. Die vorliegenden Ergebnisse sind jedoch nicht konsistent. Ob dafür unterschiedliche Expositionshöhen verantwortlich gemacht werden können, läßt sich im nachhinein nicht mehr endgültig entscheiden, da in der Vergangenheit vielfältige Methoden und Standards verwendet wurden, die einen Vergleich der Konzentrationsangaben unmöglich machen (s. DFG, 1988).

Es kann aber als gesichert gelten, daß Beschäftigte in der Kondensatorindustrie eine ähnliche, wenn nicht sogar höhere PCB-Konzentration im Blut aufwiesen als Yu-Cheng-Patienten (s. Tabelle). Dennoch waren die klinischen Symptome bei Opfern der Reisölvergiftung und deren Nachkommen ungleich gravierender. Dies könnte einerseits auf Verunreinigungen bzw. unterschiedliche Kongenerenzusammensetzung zurückzuführen sein, andererseits auf einen (möglicherweise durch Leberenzym-Induktion) gesteigerten Metabolismus einzelner Kongenerer bei massiver PCB-Aufnahme. Wie Untersuchungen an Ratten zeigten, könnte eine solcherart veränderte Stoffwechselaktivität durch PCDFs begünstigt werden (Hori et al., 1982). Möglicherweise spielt auch der unterschiedliche Aufnahmeweg (Inhalation vs. Ingestion) eine Rolle.

Die vorliegenden Fall-Kontroll-Untersuchungen mit sehr kleinen Kollektiven ergeben kein klares Bild.

Die in der "Michigan-Kohorte" beobachtete Verminderung des Körpergewichts und Kopfumfangs bei Neugeborenen nach intrauteriner Exposition durch PCB-reiche Fischnahrung der Mütter konnte in den meisten Analogstudien nicht bestätigt werden.

Neurophysiologische und psychologische Effekte auf die Nachkommenschaft PCB-exponierter Mütter wurden von mehreren Autoren, die allerdings teilweise zu widersprüchlichen Resultaten kommen, beschrieben. Relevanz und Ätiologie sind jedoch schwer zu beurteilen. Möglicherweise sind umweltmedizinische Forschungsansätze wegen der niedrigen Hintergrundbelastung verbunden mit einer nicht immer ausreichenden Analytik ein untaugliches Mittel, um eine etwaige fruchtschädigende Wirkung der PCBs mit dem epidemiologischen Instrumentarium zweifelsfrei zu erkennen. Es bleibt abzuwarten, ob laufende Studien mit extrem exponierten Populationen (Inuit, Färöer-Insulaner; vgl. Schantz, 1996) sicherere Aussagen zulassen werden.

Die Ursachenforschung konzentrierte sich in der Vergangenheit oft zu einseitig auf die PCBs als entscheidende Noxe. Es muß aber bedacht werden, daß sich auch andere Stoffklassen in der Nahrungskette akkumulieren, darunter solche mit neurotoxischen Eigenschaften. Einiges spricht dafür, daß für die Giftwirkung des mit einem kommerziellen PCB-Gemisch kontaminierten Speiseöl primär die hochpotenten PCDFs verantwortlich zu machen sind, die durch thermische Beanspruchung gegenüber dem Ausgangsprodukt Kanechlor um einen Faktor 100 -300 angereichert waren (Kashimoto et al., 1981; Kimbrough, 1995). Daneben ist nicht auszuschließen, daß einige der beobachteten Verhaltensauffälligkeiten und Intelligenzdefizite bei Kindern von Yusho- und Yu-Cheng-Patientinnen durch ein psychologisch schwieriges familiäres Umfeld (Trauma des Vergiftungserlebnisses, evtl. Ablehnung der "geschädigten" Kinder) zumindest mitbeeinflußt wurden. Insgesamt kommt den Erfahrungen aus Japan und Taiwan insofern eine beschränkte Aussagekraft zu, als im Regelfalle auch eine maternale Toxizität zu verzeichnen war.

Zusammengefaßt erlauben es die humantoxikologischen Befunde insbesondere aufgrund ungenügender Kenntnis des Einflusses gleichzeitig einwirkender anderer möglicher Noxen derzeit nicht, bei Anlegen strenger Maßstäbe von einer epidemiologisch abgesicherten fruchtschädigenden Wirkung der PCBs im Sinne der EU-Einstufungskriterien zu sprechen. Die vorliegenden Hinweise müssen jedoch sehr ernst genommen werden. Tierexperimentelle Daten belegen eindeutig die Verursachung von Fertilitäts- und Entwicklungsstörungen durch PCBs. Polychlorierte Biphenyle müssen somit als fruchtschädigend (entwicklungsschädigend) für den Menschen und als beeinträchtigend für die menschliche Fortpflanzungsfähigkeit und Fruchtbarkeit angesehen werden. Es wird deshalb vorgeschlagen, PCBs in die Kategorie 2 (RF,E: 2) reproduktionstoxischer Stoffe einzustufen und mit R60 und R61 zu kennzeichnen. Da sich PCBs teilweise im menschlichen Organismus anreichern, während der Stillzeit in der Muttermilch freigesetzt werden und insbesondere aufgrund tierexperimenteller Ergebnisse im Zusammenhang mit dem Stillen zu Besorgnis Anlaß geben, erfolgt eine Kennzeichnung mit R 33 und R 64, auch wenn nach dem derzeitigen Wissensstand mit den für Westeuropa vorliegenden Daten zur allgemeinen PCB-Hintergrundbelastung der Frauenmilch keine Gefahren für die Gesundheit der gestillten Säuglinge verbunden sind. Vielmehr wird das Stillen sowohl von der Nationalen Stillkommission (1996) als auch von der WHO (1988) bei den bekannten Gehalten an PCB in Frauenmilch eindeutig befürwortet.

Tabelle: Angaben zur PCB-Konzentration im Blutserum

 PCBs [ppb bzw. µg/l]StandardReferenz
Yusho-Patienten (nach ca. 5 Jahren)6.7 ± 5.3Kanechlor 500Masuda et al, 1986
Yu-Cheng-Patienten (nach ca. 1 Jahr)99 ± 163Kanechlor 500Masuda et al., 1986
Beschäftigte in der Kondensatorindustrie, USA302Aroclor 1254Taylor et al., 1989
Beschäftigte in der Kondensatorindustrie, Japan ?Hara, 1985
-Umgang mit KC 30022 ± 11  
- Umgang mit KC 300 und 50099 ± 93  
Gesamtkollektiv Michigan-Studie1.6 ± 4.5
5.5 ± 3.7
Aroclor 1016
Aroclor 1260
Schwartz et al., 1983
Gesamtkollektiv Wisconsin-Studie0.6 - 5.0Summe aus
13 Kongeneren
Dar et al., 1992
Gesamtkollektiv North-Carolina-Studie9.1 *2 KongenereRogan et al., 1986b;
Swain, 1991
DFG-Angabe für Nichtexponiertemax. 15 - 25 **6 KongenereDFG, 1991
Affenweibchen mit ersten sichtbaren Effekten in der Nachkommenschaft10?Kimbrough, 1995

1) PCDF = polychlorierte Dibenzofurane PCDD = polychlorierte Dibenzodioxine
*Median,
** entspricht ungefähr der 95-Perzentile für die Altersgruppe 56 - 65 Jahre in Deutschland, jüngere Menschen haben deutlich geringere Gehalte

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