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1,2-Benzoldicarbonsäure, Di-C6-8-verzweigte Alkylester, C-7-reich
(CAS-NR.: 71888-89-6)

Ausgabe: März 2003
Stand: Oktober 2002


Bei DIHP handelt es sich um ein Gemisch von Phthalsäureestern auf der Basis eines C6- bis C8-Isomerengemisches mit hohem Anteil von Heptanolisomeren. Die CASNr. lautet 71888-89-6.

Mutagene Effekte:

Es liegen Ergebnisse eines in vitro Zytogenitäts-Assays (OECD 473) vor, in dem an Ovariarzellen des chinesischen Hamsters bei Konzentrationen von 12,5 - 4990 µg/ml mit und ohne metabolische Aktivierung keine gentoxische Wirkung festgestellt wurde (Exxon Chemical Holland BV Botlek, 1991).

Ein Ames Test an S. thyphimurium (TA98, TA100, TA1535, TA1537 und TA1538) in Konzentrationen von 250 bis 5000 µg/Platte war mit und ohne metabolische Aktivierung (S9) negativ (Exxon Biomedical Sciences, Inc., 1995)

Aufgrund der strukturellen Merkmale und in Analogie zu der umfangreichen Datenbasis anderer Phthalate (Di(isopentyl)phthalat (DIPP), Diethylhexylphthalat (DEHP) und Diisooctylphthalat (DIOP)) zu diesem Endpunkt bestehen ebenfalls keine Verdachtsmomente für eine gentoxische Wirkung.

Eine Einstufung gemäß EG-Kriterien erfolgt nicht (M: -).

Kanzerogenität:

Langzeitstudien mit DIHP liegen bisher nicht vor.

Im Rahmen einer umfangreichen pränatalen Toxizitätsstudie (siehe unten) an der Ratte (3 Dosisgruppen mit je 25 weiblichen Tieren) wurden die Lebergewichte mitbestimmt. Bei der Nekropsie wurden absolut bzw. relativ erhöhte Lebergewichte bei der 300 (11 % bzw. 8%) und 750 mg/kg/Tag-Gruppe (20% bzw. 16%) festgestellt (Exxon Biomedical Sciences Inc., 1997b). Im Vergleich zu anderen Phthalsäureestern sind die Lebervergrößerungen bei Gabe von DIHP verhältnismäßig moderat und würde zu der für diese Substanzgruppe beschriebenen Wirkung als Peroxisomenproliferator passen.

Bei Ratte und Maus stellt diese Form der Enzyminduktion eine potentiell lebertumordisponierende Stoffwechselsituation dar.

Allerdings ist die tatsächliche Kanzerogenität der einzelnen Peroxisomenproliferatoren höchst unterschiedlich ausgeprägt. Von prognostischer Aussagekraft sind die Höhe der Wirkschwelle und das Ausmaß der Lebervergrößerung, weniger die maximale Peroxisomendichte und Enzymaktivität im Hochdosisbereich. Ausführlich untersucht in dieser Hinsicht wurden verschiedene lipidsenkende Pharmawirkstoffe und auch die mit DIHP strukturell verwandten Phthalsäureester DEHP und DINP. Die Phthalsäureester gehören zu den eher schwach wirksamen Verbindungen, und unter diesen zeigt DIHP relativ schwache Aktivität, so dass durchweg hohe Dosen zur Auslösung dieses Effektes erforderlich sind.

Nicht-Nager zeigen eine weitgehende Resistenz gegenüber dem Phänomen der Peroxisomenproliferation (s. u.) und der hiermit assoziierten Effekte wie Enzyminduktion, Hepatomegalie und Tumorinduktion. Hamster zeigen hingegen noch schwache Effekte (Lake et al., 1984).

Man nimmt heute an, dass die Speziesunterschiede auf Dichte und Funktionalität eines bestimmten Rezeptortyps zurückgehen, des peroxisomenstimulierenden (PPARa-) Rezeptors, welcher bei Ratte und Maus in besonders hohem Maße und vollständiger Form exprimiert wird (Ashby et al., 1994; Bentley et al., 1993; Lee et al., 1995; Cattley et al., 1998; Maloney and Waxman, 1999). Die Stimulation der Rezeptoren führt in den Zielzellen zu einer Vielzahl von Transkriptionen bzw. Genexpressionen und morphologisch zu einer Proliferation von Zellorganellen (Peroxisomen, Mitochondrien, endoplasmatisches Retikulum), zur Suppression von Apoptose (Roberts et al., 1998) sowie zu einer zumindest initialen, bei manchen Stoffen auch kontinuierlichen Erhöhung der DNA-Synthese (Marsman et al., 1988) und Mitoserate nach Aktivierung der Kupffer'schen Sternzellen (Rose et al., 1997); die Leber ist in allen wirksamen Dosen auf längere Zeit vergrößert.

Transgene Mäuse, denen der peroxisomenstimulierende (PPARa-) Rezeptor fehlt, zeigten mit DEHP keine Peroxisomenproliferation, keine Hepatomegalie und keine vermehrte DNA-Synthese (Ward et al., 1998). Die Bioverfügbarkeit war gegeben, dies konnte man an den Hoden- und Nierenschädigungen sehen, die allerdings schwächer ausgeprägt waren als beim Wild-Typ. Auch war selbst mit der hochwirksamen Verbindung Wy-14,643 keine Hepatokanzerogenität an PPARaKnockout-Mäusen mehr erkennbar (Peters et al., 1997).

Die menschliche Leber weist 1 - 10 % der funktionalen PPARa-Rezeptordichte von Mäusen auf (Palmer et al., 1998). Hierin dürfte der Grund für die geringere toxikodynamische Empfindlichkeit des Menschen zu sehen sein, wie sie auch in vitro an Leberzellkulturen zum Ausdruck kommt (s. u.).

Aufgrund der experimentellen und klinischen Erfahrungen werden

Peroxisomenproliferatoren zur Zeit von IARC nicht als kanzerogen für den Menschen klassifiziert (IARC, 1995/1996). Diese Einschätzung wird überwiegend auch in neueren Publikationen geteilt, wenngleich sie heute differenzierter und mehr im Sinne quantitativer Unterschiede erfolgt (Cattley et al., 1998; Doull et al., 1999; Maloney and Waxman, loc. cit.).

In Leberzellkulturen von Kaninchen, Meerschweinchen, Marmosets und Menschen ließen sich mit DEHP bzw. DINP u. a. Peroxisomenproliferatoren bzw. ihren aktiven Metaboliten keine Effekte darstellen. Leberzellen von Ratten und Mäusen - und in geringem Maße auch von Hamstern - zeigten dagegen eine Induktion der Peroxisomenproliferation. (Elcombe et al., 1997; Ashby et al., 1994; Butterworth et al., 1989; Dirven et al., 1993a; Goll et al., 1999; Hasmall et al., 1999; Lake et al., 1984)

Bei den mit DIHP strukturverwandten Stoffen DEHP und DINP besteht neben dem toxikodynamischen Aspekt auch eine toxikokinetische Speziesdifferenz: Primaten zeigen eine im Vergleich zur Ratte nur sehr geringe Bioverfügbarkeit und keine Effekte an der Leber (Rhodes et al., 1986; Kurata et al., 1998; Short et al., 1987; Dirven et al., 1993b). Die Ursachen hierfür sind noch ungeklärt.

Eine Bewertung von DIHP bezüglich Kanzerogenität ist im Augenblick in Ermangelung von Daten aus Langzeitstudien nicht möglich (C: -).

Entwicklungsschäden und Reproduktionstoxizität

Entwicklungsschädigung

Pränatale Toxizitätsstudien

Im Rahmen einer Dosisfindungsstudie (Exxon Biomedical Sciences Inc., 1997a) wurde DIHP weiblichen Charles River-Ratten (Crl:CD BR VAF/Plus) oral über eine Sonde verabreicht. Bei den gewählten Dosierungen von 0, 250, 500, 750 und 1000 mg/kg/Tag vom 6. bis 20. Trächtigkeitstag (7 Tiere pro Dosisgruppe; Zubereitung in Maisöl) wurde eine verringerte Körpergewichtszunahme in den beiden obersten Dosisgruppen (750 bzw. 1000 mg/kg) beobachtet. Bei Sektion am 21. Trächtigkeitstag wurde bei diesen Gruppen ein verringertes mittleres Körpergewicht der Muttertiere (um 8 % bzw. 14 %) und verringertes Gewicht der Uteri (um 31 % bzw. 52 %) im Vergleich zu den Kontrollen festgestellt. Der Unterschied der Körpergewichte (vor allem im letzten Teil der Trächtigkeitsperiode) wurde offensichtlich durch die unterschiedlichen Uterusgewicht (weniger und gewichtsreduzierte Feten) ausgemacht.

Bei der Untersuchung der Feten wurde in den zwei höchsten Dosisgruppen ein dosisabhängiger Anstieg postimplantarer Resorptionen festgestellt, die mittlere Anzahl der überlebenden Feten pro Uterus sank entsprechend (10,8 bzw. 7,4 bei 750 bzw. 1000 mg/kg) gegenüber der Kontrolle (14,9). Dieses entspricht einer Reduktion um 27 bzw. 50 % (Exxon Biomedical Sciences Inc., 1997a).

Die phänotypische Geschlechtsbestimmung ergab einen erhöhten Anteil von weiblichen und einen erniedrigten Anteil von männlichen Feten gegenüber den Kontrollen. Die Autoren verweisen jedoch auf eine Folgestudie und die dabei erkennbaren Ungenauigkeiten der phänotypischen Geschlechtsbestimmung bei kleinen Feten.

Es zeigten sich ebenfalls Unterschiede bei preimplantiven Verlusten in einigen Dosisgruppen im Gegensatz zu den Kontrollen. Da die Substanzgabe vom 6. Trächtigkeitstag an erfolgte, die Implantation jedoch am 5. Bis 6. Tag abgeschlossen ist, lässt sich kein Zusammenhang dieses Befundes mit der Substanzgabe ableiten.

Die mittleren Körpergewichte der Feten waren in den beiden höchsten Dosisgruppen um 14-18 % niedriger als in den Kontrollen, in den beiden niedrigsten Dosisgruppen zeigten sich keine Abweichungen.

Die Inzidenz von mit äußerlich erkennbaren Fehlbildungen, Variationen und anderen Effekten (Resorption + Absterben + Fehlbildung) betroffenen Feten war in der 750 (0,7, 0,2 bzw. 0,6 %) und in der 1000 mg/kg Gruppe (0,4, 0,1 bzw. 10,3 %) signifikant gegenüber den Kontrollen (0,0, 0,0 bzw. 1,7 %) erhöht.

Bei den Feten zeigten sich äußerlich erkennbare Fehlbildungen (Enzephalozele, Gaumenspalte, fadenförmiger oder fehlender Schwanz, Analatresie und Anasarka) in der 750 (4 Feten in 3 Uteri) und in der 1000 mg/kg Gruppe (3 Feten in 2 Uteri). Durch andere Befunde wie kraniales Hämatom oder hervorstehende Zunge waren zusätzlich 8 bzw. 9 Feten (750 bzw. 1000 mg/kg Gruppe) betroffen. In den niedrigen Dosisgruppen zeigte sich lediglich ein einzelner beeinträchtigter Fetus in der 250 mg/kg Gruppe (Exxon Biomedical Sciences Inc. 1997a). Skelett-Untersuchungen und viszerale Auswertungen erfolgten im Rahmen dieser Studie nicht.

In einer Folgestudie (Exxon Biomedical Sciences Inc., 1997b) zur o.g. Dosisfindungsstudie wurde DIHP weiblichen Charles River-Ratten (Crl:CD BR VAF/Plus) oral verabreicht. Unter Berücksichtigung der bei Dosen ab 750 mg/kg/Tag nachgewiesenen maternalen Toxizität wurden Dosen von 0, 100, 300 und 750 mg/kg/Tag gegeben. Je Dosisgruppe wurden 25 Tiere eingesetzt, die Substanzgabe erfolgte analog zur Dosisfindungsstudie und ebenfalls vom 6. bis 20. Trächtigkeitstag.

Bei der begleitenden klinischen Untersuchung der Muttertiere wurden nur bei einem Tier der 750 mg/kg Gruppe anogenitale Flecken, Rötungen im Bereich der Schnauze und ein geringerer Futterverbrauch beobachtet.

Das mittlere Körpergewicht der Muttertiere (750 mg/kg-Gruppe) war am 21. Trächtigkeitstag um 7 %, das mittlere Uterusgewicht um 30 % verringert. Die Gewichtszunahme war im gesamten Beobachtungszeitraum kontinuierlich niedriger als bei Kontrollen. Im späteren Verlauf der Trächtigkeit entsprach das geringere Uterusgewicht dem geringeren Körpergewicht - das mittleren Körpergewicht von behandelten Tieren und Kontrollen abzüglich des Uterusgewichtes war äquivalent. Die Abnahme der Uterusgewichte entsprach dem Anstieg der abgestorbenen bzw. kleineren Feten in der 750 mg/kg Gruppe.

Die mittleren Körpergewichte der Muttertiere der 100 und 300 mg/kg Gruppen lagen im Bereich der Kontrollen.

Bei der Nekropsie wurden absolut bzw. relativ erhöhte Lebergewichte bei der 300 (11 bzw. 8 %) und 750 mg/kg Gruppe (20 % bzw. 16 %) festgestellt. Im Vergleich zu manchen anderen Phthalsäureestern sind die Lebervergrößerungen bei Gabe von DIHP damit verhältnismäßig moderat.

Bei den Feten der obersten Dosisgruppe kam es zu einer Erhöhung der mittleren postimplantiver Resorptionen (4,7 pro Muttertier; Kontrollen 0,7) und einer damit verringerten mittleren Anzahl von lebenden Feten (10,7 pro Muttertier; Kontrollen 15,1). Ferner zeigten sie eine erhöhte mittlere Inzidenz von Fehlbildungen, Variationen bzw. Summeneffekten (Resorption + Absterben + Fehlbildungen) gegenüber den Kontrollen (5,1, 5,1, bzw. 9,8 pro Muttertier gegenüber 0,3, 1,5 bzw. 1,0). Die mittleren Körpergewichte der Feten der obersten Dosisgruppe waren ebenfalls signifikant um 9,8 % bzw. 10,8 % (weibliche bzw. männliche Feten) erniedrigt.

In der obersten Dosisgruppe zeigten sich äußerliche erkennbare Fehlbildungen (Anasarka, rote Amnionflüssigkeit, Exenzephalie, Kranioschisis, An- bzw. Mikrophthalmie, Gaumenspalte, Analatresie bzw. verschiedene Schwanzfehlbildungen) mit einer signifikant erhöhten Inzidenz. Die apparente Anophthalmie bzw. Mikrophthalmie sind dabei als Einzelbefunde statistisch signifikant (p < ,01 bzw. p < 0,05). Viszerale Fehlbildungen wurden bei den Feten der 750 mg/kg Gruppe ebenfalls festgestellt, u.a. Gefäßvariationen (A. subclavia), Einzelfälle von unförmigem Dienzephalon, Variationen der Ursprünge von A. carotis oder Aorta descendens bzw. verkleinerter Nieren. Mit geringer Inzidenz wurden Hydroureter und Hydronephrosis gefunden.

Numerisch leicht erhöht wurden auch in den beiden niedrigeren Dosisgruppen und in der Kontrollgruppe viszerale Fehlbildungen (unspezifisch und an praktisch allen Organsystemen) gefunden, die jedoch immer innerhalb der historischen Kontrollen des Labors lagen.

Einige skeletale Fehlbildungen bzw. Variationen wurden in der obersten Dosisgruppe mit statistischer Signifikanz gefunden, dazu gehörten u.a. Fehlbildungen des Sternums, angewachsene Rippen, Agenesis von Thoraxmitte/-bogen, fehlgebildete Schädelknochen oder Wirbelkörper, fehlende oder fehlgebildete Rippen. Statistisch nicht signifikanter wurde das Fehlen von Schädelknochen und einzelne Fehlbildungen an Wirbelkörpern oder Rippen gefunden.

In den beiden unteren Dosisgruppen wurde nur bei einem Fetus der 100 mg/kg Gruppe das Fehlen verschiedener Wirbelkörper festgestellt. Das beobachtete Auftreten von Variationen, vor allem rudimentärer Rippen und nichtossifizierter Hinterpfoten in der 300 mg/kg-Gruppe, lag innerhalb der historischen Kontrollen des Labors und wurden als biologisch nicht signifikant angesehen.

Fazit

In der 750 mg/kg/Tag Gruppe traten bei den Feten mit statistischer Signifikanz verschiedene Fehlbildungen und Variationen an unterschiedlichen Organsystemen auf. Auch die fetale Letalität in dieser Gruppe ist deutlich erhöht. Da die Substanzgabe erst nach Implantation erfolgte und gleichzeitig keine adversen Effekte bei den Muttertieren beobachtet wurden, muss auf konzentrationsabhängige adverse Effekte auf den postimplantiven Fetus geschlossen werden.

Bei den Feten der 100 und 300 mg/kg/Tag Gruppen wurde keine erhöhte Evidenz fetaler Letalität oder eine statistisch signifikant erhöhte Inzidenz von Fehlbildungen bzw. Variationen gefunden.

Für das DIHP ist, bezogen auf entwicklungsschädigende Wirkung bei der Ratte, ein NOAEL von 300 mg/kg/Tag anzusehen.

Aufgrund einer selektiven fetalen Toxizität und des Auftretens von Malformationen und Resorption ist DIHP gemäß EG-Einstufung als entwicklungsschädigend Kategorie 2 (RE: 2) zu kennzeichnen.

Effekte auf Fertilität und Sexualorgane

Es liegen keine Langzeit- oder Mehrgenerations-Studien zu diesen Endpunkten vor. Subchronische Studien, die den für viele Phthalsäureester typischen Endpunkt Hodentoxizität erfassen, liegen ebenfalls nicht vor.

Fazit

Die Bewertung von DIHP bezüglich einer fertilitätsbeeinträchtigenden Wirkung ist im Augenblick in Ermangelung von Daten aus subchronischen und chronischen Studien nicht möglich. Da eine fertilitätstoxische Wirkung dieses komplexen Stoffgemisches bei Betrachtung von qualitativen Struktur-Wirkungs-Beziehungen zu anderen Vertretern dieser Substanzklasse nicht sicher ausgeschlossen werden kann, erfolgt eine Einstufung im Gesamtkontext in Kategorie 3 (RF: 3).

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