Begründung zur Bewertung von Stoffen als sensibilisierend
12. Schimmelpilzhaltiger Staub
(BArbBl. 1/98 S. 51)
Vorkommen:
Die Klassifizierung von Schimmelpilzen beruht auf deren Reproduktionsart, so daß die im folgenden aufgeführten Arten zu unterschiedlichen biologischen Systemen gehören. Häufig vorkommende Schimmelpilze sind Alternaria alternaria, Cladosporium herbarum, Aspergillus oryzae, Aspergillus fumigatus, Penicillium notatum, Fusarium moniliforme u.a.. Die Sporen (reproduktive Bestandteile des Pilzes) und manchmal auch das Myzel (vegetativer Teil des Pilzes), die leicht von der Luft fortgetragen werden, können allergen wirken. Schimmelpilze sind ubiquitär. Allerdings kann es unter bestimmten Bedingungen (Lagerung feuchter organischer Materialien) am Arbeitsplatz zu einer weit überdurchschnittlichen Belastung kommen [1]. Beispiele sind schimmeliges Heu und Getreide, Sägemehl, Biomüll sowie verschmutzte Luftbefeuchter.
Arbeitsmedizinische und experimentelle Daten:
IgE-vermittelte Allergien gegen Schimmelpilze beschreiben GAUTRIN et al. [2]. In ihrer Studie untersuchten sie 181 Angestellte einer Parkanlage im Hautrest auf acht Grasschimmelpilze. Es konnte gezeigt werden, daß die Gärtner aufgrund der beruflichen Exposition signifikant häufiger gegenüber Schimmelpilzallergenen sensibilisiert waren als die Kontrollpersonen und überhäufig unter Symptomen wie Rhinitis und Konjunktivitis litten. Eine weitere Mitteilung [3] berichtet über den Fall eines 24jährigen Holzarbeiters, der im Verlaufe seiner 2jährigen Tätigkeit Asthma entwickelte. Durch Hauttest, Nachweis von spezifischen IgE-Antikörpern sowie durch bronchiale Provokation konnte nachgewiesen werden, dass der Mann gegenüber Schimmelpilzen sensibilisiert war, die sich auf dem feuchten Holz angesiedelt hatten. Auch WILHELMSSON et al. [4] ermittelten im Rahmen ihrer Untersuchungen von 268 Holzarbeitern, von denen 16 % über arbeitsplatzbezogene Beschwerden klagten, in sechs Holzwerkstätten neben Holzstaub hohe Konzentrationen an Schimmelpilzen, insbesondere der Gattung Paecilomyces. Sensibilisierungen gegenüber Schimmelpilzen konnten unter den Arbeitern mittels Haut- und Provokationstesten gehäuft festgestellt werden.
Ein Fallbericht von GOTTLIEB et al. [5] beschreibt das Auftreten von Rhinokonjunktivitis und Asthma bei einem Mikrobiologen, der gegenüber dem Schleimschimmelpilz Dictyostelium discoideum exponiert war. Sowohl gegen den gesamten Pilz als auch gegen lysosomale Pilzenzyme konnten IgE-Antikörper im Blut des Mannes nachgewiesen werden.
WALLENSTEIN et al. [6] wiesen in Mühlen und Bäckereien eine über das ubiquitäre Maß hinausgehende Belastung mit luftgetragenen Schimmelpilzsporen (Keimzahlen zwischen 4000 und 10000 pro m3) nach. Vermutlich aufgrund dieser starken Exposition waren bei den betroffenen Müllern und Bäckern sowohl mittels Intrakutantest als auch mittels Provokationstest höhere Sensibilisierungsraten für Mucor, Aspergillus und Cladosporium feststellbar als in einer Vergleichsgruppe ohne berufliche Schimmelpilzexposition. Neben Mühlen- und Bäckereistäuben wurden auch in organischen Stäuben von Kraftfuttermischwerken [7] sowie in denen von Geflügelzuchtbetrieben [8] hohe Konzentrationen an Schimmelpilzsporen nachgewiesen.
Auch im Bereich der Müllentsorgung ist infolge derartiger Belastungen von einem erhöhten Allergierisiko auszugehen [9, 10].
Neben der IgE-vermittelten Allergie führt die Exposition gegenüber Schimmelpilzen in diesen Bereichen auch zu der Allergieform der exogen allergischen Alveolitis (EAA) vom Typ der Farmerlunge (Tab. 1) oder zum Krankheitsbild des ODTS (organic dust toxic syndrome), das in der Regel folgenlos wieder abklingt [11, 12].
Ursächlich für die Farmerlunge, bei der sich im Serum vor allem Antikörper der Massen IgG und IgA gegen den entsprechenden Inhalationsstoff nachweisen lassen, ist die Ansammlung von Schimmelpilzsporen im Heustaub. Dabei scheint die exogen allergische Alveolitis mit einer regelmäßigen Exposition gegenüber dem betreffenden Inhalationsstoff einherzugehen, während es nach einer einmaligen starken Exposition eher zur Ausbildung des ODTS-Krankheitsbildes kommt [13].
Schimmelpilze bleiben in manchen Fällen als Auslöser einer Atemwegskrankheit zunächst unerkannt. So wurde in den 60er Jahren irrtümlicher Weise ein Byssinose-ähnliches Krankheitsbild nach beruflicher Exposition gegenüber Federgras (Stipa tenacissima) beschrieben. HINOJOSA et al. [14] berichten über fünf federgrasexponierte Stuckarbeiter, die die klassischen Symptome einer EAA aufwiesen. Im immunologischen Test ließen sich bei allen Probanden neben spezifischen IgG-Antikörpern gegen Federgras auch solche gegen den Schimmelpilz Aspergillus fumigatus. Aus dem Federgrasstaub konnte Aspergillus fumigatus als einziger Mikroorganismus isoliert werden.
Tabelle 1: Berufsbedingte exogen allergische Alveolitiden, die durch Schimmelpilze verursacht werden [in Anlehnung an 11].
Krankheiten | Antigene | Antigenreservoir, Exposition |
Farmerlunge | thermophile Aktinomyceten, Aspergillus sp. | Heustaub |
Befeuchterlunge | verschiedene Schimmelpilze und Bakterien | Kontaminierte Klimaanlagen und Luftbefeuchter |
Müllarbeiterlunge | Aspergillus sp., Penicillium sp. u.a. Schimmelpilze | Müll |
Malzarbeiterlunge | Aspergillus clavatus, Mucor mucedo | Schimmelige Gerste |
Käsewascherlunge | Penicillium casei, P. glaucum | Schimmel auf Käselaiben |
Obstbauerlunge | Aspergillus sp., Penicillium sp. | Schimmel in Lagerhallen |
Spätleselunge | Botrytis cinerea | Schimmel auf Weinstock und Reben |
Suberose | Penicillium frequentans | Schimmeliger Korkstaub |
Holz-, Papierarbeiterlunge | Schimmelpilze | Schimmeliges Sägemehl, Papierstaub |
Ahornrindenschäler-Krankheit | Cryptostroma corticale | Verschimmelte Baumrinde, Papierstaub |
Vogelhalterlunge | Vogelproteine, Schimmelpilze | Federn, Vogelkot |
Bewertung:
Allergische Atemwegskrankheiten durch Schimmelpilze werden in der Literatur häufig beschrieben, wobei die IgE-unabhängigen Erkrankungen wie EAA und ODTS von den IgE-abhängigen zu unterscheiden sind. Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit großen Mengen an schimmeligen Stäuben ausgesetzt sind, sind erheblich mehr gefährdet als die Allgemeinbevölkerung. Insbesondere landwirtschaftliche Stäube sowie Bäckerei- und Holzstäube können weit über das ubiquitäre Maß hinausgehende Mengen an Schimmelpilzantigenen enthalten. Es hat sich gezeigt, daß staubreduzierende Maßnahmen wie Luftabsaugvorrichtungen oder das Tragen von Filtermasken das gesundheitliche Risiko senken, jedoch nicht völlig ausschalten können [15].
Literatur: