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Begründung zur Bewertung von Stoffen als sensibilisierend
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22. Benzalkoniumchlorid
(CAS Nr.: 8001-54-5)

Ausgabe: Juli 1999
(BArbBl. 8/1999 S. 78)



Stand: Mai 1999

(N-Alkyl-N-benzyl-N,N-dimetbylammoniumchlorid)
(Gemisch von Alkylbenzyldimethylammoniumchloriden, wobei der N-Alkylrest aus aliphatischen Kohlenstoffketten der Länge C8 bis C18 besteht)

Vorkommen:

Benzalkoniumchlorid wird als Konservierungsmittel, Desinfektionsmittel für chirurgische Instrumente sowie von Flächen (0,2 %), Händedesinfektion (0,2 %), für Fußbäder und Waschungen (0,1 %), zur Hohlraumdesinfektion (z.B. Blasenspülung; 0,05 %), in medizinischen Gurgellösungen (3,3 %) oder Halstabletten [39], als Konservierungsmittel in topisch eingesetzten Medikamenten (z.B. Augen- und Nasentropfen, Augentropfen 0,01-0,02 % [14], Wundsalben), medizinischen Pflasterverbänden [30], zur lokalen Empfängnisverhütung (1,18 %) [34] und Kosmetika (z.B. Deodorantien, Höchstkonzentration 0,25 % [3]), Algicid in Schwimmbädern (3 ml/m einer 33 %igen Lösung) und Springbrunnen eingesetzt. Technische Verwendung findet es in der Farbstoffsynthese, Metallurgie, Landwirtschaft, Textilverarbeitung [24].

Arbeitsdermatologische und experimentelle Daten:

Toxische Kontaktdermatitis wurde nach Kontakt mit 1 % Benzalkoniumchlorid beschrieben [19]. Bei der Untersuchung an 42 gesunden Freiwilligen konnte mit 0,5 % oder 1 % Benzalkoniumchlorid in Wasser Reizeffekte bei 29 % bzw. 31 % der Probanden ausgelöst werden [5]. In einer Untersuchung an 289 Ekzempatienten und 35 Kontrollpersonen wurden mit 0,1 % Benzalkoniumchlorid positive Epikutantest-Reaktionen bei 7/289 (2,4 %) bzw. 1/35 (2,9 %) Personen beschrieben, während das Ergebnis mit 0,01 % Benzalkoniumchlorid 2/289 (0,7 %) bzw. 0/35 lautete [25]. CORAZZA [6] sah bei einem Fall von allergischem Kontaktekzem positive Testbefunde auf 0,1 % und 0,01 % Benzalkoniumchlorid und diskutierte eine Reizschwelle bei 0,1 %. Von 130 gesunden Probanden reagierte keiner auf 0,1 % Benzalkoniumchlorid im Epikutantest, während von 110 Ekzempatienten einer reagierte [30].

Befunde von Testkollektiven aus Hautkliniken

Zahl der Patienten
N
Testkonz. Positiv
N (%)
Referenz
4410,1 %0MITCHELL 1982 [35]
611?0MENEGHINI 1971 [33]
6270,1%8 (1,3)DEGROOT[9]
46000,1 %71 (1,54)ROMAGUERA 1980 [38]
17750,1 %32 (1,8)BRASCH 1993 [4]
FROSCH 1994 [16]
113080,1 %207 (1,8)SCHNUCH 1997 [44]
28060,1 %60 (2,13)CAMARASA 1979 [5]
740,1 %4 (5,33)GARCIA-PEREZ 1975 [21]
22950,1%127 (5,5)PERRENOUD 1994 [37]
21460,1 % #91 (7,2)FUCHS 1993 [17]
21460,1 % *16 (0,75)FUCHS 1993 [17]
* in Vaseline; # in Wasser

Von 1775 Patienten verschiedener Hautkliniken in Deutschland zeigten sich bei 32 Patienten (1,8 %) Befunde im Epikutantest mit 0,1 % Benzalkoniumchlorid, die als eine Sensibilisierung gewertet wurden. Zusätzlich wurden fragliche Reaktionen, die auch im Sinne einer Reizung gedeutet werden können, bei 65 Patienten (3,66 %) beschrieben. Das Verhältnis der allergischen zu den fraglich/irritativen Reaktionen betrug -0,2, womit deutlich wird, daß in einem nicht geringen Anteil auch irritative Reaktionen möglich sind [4, 16]. Von 32 Patienten einer Hautklinik reagierten 5 positiv auf 0,1 % Benzalkoniumchlorid. In einer abklärenden Untersuchung an 3 der Patienten erbrachte der "Use-Test" mit dermaler Applikation auf den Unterarm 5x/Tag über 4 Tage nur bei einem Patienten ein positives Ergebnis [26]. In einer anderen Untersuchung war der Anwendungstest (ROAT) in 27 % positiv [17].

Befunde von ausgewählten Testkollektiven

Beschäftigte im medizinischen Bereich:

Eine Befragung von 1301 Krankenhaus-Beschäftigten ergab in 28,1 % der Fälle klinisch Hinweise auf eine Kontaktdermatitis verschiedenster Ursache. Bei der Epikutantestung dieser Personen zeigte sich in einem Fall eine positive Reaktion mit 0,25 % Benzalkoniumchlorid. Hinweise auf eine reizende Wirkung des Benzalkoniumchlorides durch arbeitsbedingte Anwendung wurde bei 24 Personen festgestellt t48]. In einer weiteren Untersuchung an Beschäftigten des Gesundheitswesens betrug die Reaktionsrate bei Krankenschwestern 18/703 (2,4 %), bei Zahnarzthelferinnen 3/92 (3,3 %) und bei Sprechstundenhilfen 1/150 (0,6 %) [45]. Bei einer getrennten Erfassung von Beschäftigten im Pflegebereich und Ärzten reagierten von 45 Ärzten keiner und von 323 Pflegern 5,5 % [42]. Die Testergebnisse von Ekzempatienten der Hautklinik Ulm von 1981 bis 1989 wurden nach Berufsgruppen ausgewertet. In der Gruppe der Heil- und Pflegeberufe (95 Personen) reagierten 2,1 % auf Benzalkoniumchlorid (0,1 % in Vaseline; keine Angaben zur Relevanz und Exposition) [20]. Von 371 überwiegend in medizinischen Berufen Beschäftigten in der DDR, zeigten 2 eine positive Testreaktion auf Benzalkoniumchlorid (0,1 %). Es wurde eine außerberufliche Sensibilisierung durch Augenmedikamente angenommen [40]. Von 120 Krankenhausangestellten, die Feuchtarbeit verrichteten (71 % Krankenschwestern, 16 % Reinigungskräfte, 12 % Küchenarbeiter) und an Händeekzem erkrankt waren, reagierten 4,1 % im Epikutantest auf Benzalkoniumchlorid (0,1 %, Vehikel nicht angegeben). Der Prick-Test mit 0,1 % Benzalkoniumchlorid war bei 5 von 41 Patienten positiv (Sofortreaktion). In einem Fall wurde Relevanz angenommen, da der Prick-Test mit dem Hautpflegemittel, welches Benzalkoniumchlorid enthielt, ebenfalls positiv war. Für die anderen 4 Fälle sei Relevanz wahrscheinlich [36].

Fallberichte liegen über eine Zahnarzthelferin, die auch auf Glutaraldehyd und andere Stoffe reagierte [8], einen Tierarzt [10] und eine Krankenschwester [29] vor.

Patienten, die Medikamente angewendet hatten:

Bei der Untersuchung von 100 Patienten, die mehrere Monate mit Benzalkoniumchlorid-haltigen Augentropfen behandelt wurden, ergab sich im Epikutantest (0,07 %) bei 6 Personen ein positiver Befund (6 %) [1]. In einer anderen Erhebung waren es von 27 Patienten einer (3,7 %) (Benzalkoniumchlorid 0,1 %) [23] bzw. von 100 Patienten 6 (6 %) [41]. Von 142 Patienten mit Otitis externa zeigten 9 (6,3 %) positive Epikutantest-Reaktionen mit Benzalkoniumchlorid (0,1 %) [15]. Daten von 811 Patienten unter der Diagnose Stauungsdermatitis oder Unterschen]celekzem wurden aus dem Pool des IVDK (11/89 bis 6/93) ausgewertet.

Von 302 Patienten, die unter anderem auch mit speziellen Konservierungsmitteln getestet wurden, reagierten 4,3 % auf Benzalkoniumchlorid (0,1 % in Vaseline). Der Verlauf (mind. 72 Stunden Plateau- oder Crescendo, keine Decrescendoreaktionen) ließ auf eine allergische Reaktion schließen. Die Exposition wurde nicht geklärt [28]. Es wurden weitere Einzelfalle von allergischem Kontaktekzem durch Anwendung von Hautdesinfektionsmitteln [49], Augentropfen [7, 12, 13] und Deodoranten [46] dokumentiert. 5 Patienten mit Unverträglichkeit von Pflaster-/Gipsverbänden reagierte im Epikutantest auf Benzalkoniumchlorid (0,1 %) [30]. In einer weiteren Publikation der selben Arbeitsgruppe wurden bei 6 Patienten in 3 Fällen Reaktionen auf Benzalkoniumchlorid 0,1 % beschrieben, wobei diese Patienten auch auf andere Stoffe reagierten [47]. Die Testungen mit Benzalkoniumchlorid erfolgten überwiegend mit 0,1 % oder niedriger.

Kreuzreaktionen wurde mit Cetrimid (Cetyltrimethylammoniumbromid) [30] und dem Muskelrelaxans Suxamethonium [50] beschrieben. Die in Auswertungen des IVDK ermittelte, relativ hohe Kopplung mit einer Stearylalkohol-Allergie (15 %) kann als Gruppenallergie gedeutet werden, obgleich strukturell auch die Möglichkeit einer Kreuzreakton ("langkettige Aliphaten-Allergie") diskutiert wurde [45].

Ein Draize-Test an 186 Freiwilligen (Induktion 10 x 0,5 g 5 % bzw. 1 % über jeweils 48 oder 72 Stunden, Auslösekonzentration 0,1 %) [31] sowie ein Maximierungstest an 24 Freiwilligen (Induktion 25 %, Auslösung 10 %) [27] waren negativ, ebenso Studien an 200 Freiwilligen, die über 5 Tage mit einem nicht näher charakterisierten Benzalkoniumsalz (0,1 %) behandelt wurden (Auslösekonzentration 1 %) [zit. bei 2] und an 50 Freiwilligen, die mehrfach mit Benzalkoniumchlorid 20 % in Wasser behandelt worden waren [11].

Im Mouse Ear Swelling Test (MEST) ergab sich nach Induktion mit 1 % und Auslösung mit 3 % eine geringfügige Zunahme der Ohr-Dicke bei 30 % der Tiere [18]. Dieses Ergebnis ist als fraglich positiv zu bezeichnen, insbesondere unter Berücksichtigung der bekannten Reizwirkung. Ein Maximierungstest (Induktion intradermal mit 1 % und dermaler mit 10 %, Auslösung mit 3 %) war negativ [18]. In einer weiteren Studie (Induktion intradermal und epidermaler mit 0,1 %) zeigten bei Auslösung nach 24 Stunden 4/20 Tieren und nach 48 Stunden 2/20 Tieren schwache Effekte [43].

In einem Bühler-Test (Induktion 10 % und Auslösung 0,5 % in Vaseline) zeigte sich eine schwach positive Reaktion bei 2110 Tieren [22].

In einem Optimierungstest nach Maurer (intradermale Induktion 9 x 0,1 %, davon 6 x mit FCA, intradermale Auslösebehandlung mit 0,1 %) wurden positive Reaktionen bei 11/20 Tieren beschrieben während bei dermaler Auslösebehandlung (0,3 %) bei 4/19 Tieren eine Reaktion zu beobachten war. Dieses Ergebnis wurde als positiv nach intradermaler Auslösung und negativ nach dermaler Auslösung interpretiert [32].

Bewertung:

Die Sensibilisierungsraten in Testkollektiven und speziellen Exponiertengruppen sprechen für eine sensibilisierende Wirkung durch Hautkontakt (R43). Freiwillige Probanden konnten nicht sensibilisiert werden. Tierversuche fielen negativ oder nur fraglich bzw. schwach positiv aus.

In der Allgemeinbevölkerung ist Benzalkoniumchlorid ein seltenes Allergen, das aber in bestimmten (medizinischen) Berufen mit entsprechender Exposition eine Bedeutung hat. Dabei muß beachtet werden, daß aufgrund der niedrigen Reizschwelle von Benzalkoniumchlorid, die mit 0,1 % etwa im Bereich der üblicherweise verwendeten Testkonzentration liegt, die Zahl der tatsächlichen allergischen Reaktionen mit klinischer Relevanz niedriger liegen kann, als die im Epikutantest ermittelten Daten.

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