A. Problem und Ziel
- Die zunehmende Mobilität der Menschen über Staatsgrenzen hinweg führt zu einer steigenden Zahl von Kindern in Deutschland mit ausländischen Elternteilen. Die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (Brüssel-IIa-Verordnung, ABl. L 338 vom 23. 12. 2003, S. 1) gilt nicht im Verhältnis zu Dänemark und zu Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaft und enthält keine Vorschriften zum anwendbaren Recht. Das in Deutschland geltende Haager Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (Haager Minderjährigenschutzübereinkommen, BGBl. 1971 II S. 217) hat nur eine begrenzte Zahl von Vertragsstaaten.
- Die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft streben daher die Ratifikation des Haager Übereinkommens vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern (Haager
- Kinderschutzübereinkommen) an. Deutschland hat das Übereinkommen gemeinsam mit anderen Mitgliedstaaten am 1. April 2003 unterzeichnet.
- Am 5. Juni 2008 hat der Rat beschlossen, dass die Mitgliedstaaten (außer Dänemark) das Übereinkommen im Interesse der Gemeinschaft möglichst bis zum 5. Juni 2010 ratifizieren (ABl. L 151 vom 11. 6. 2008, S. 36).
- Das Übereinkommen schafft zum einen einheitliche Regelungen über die internationale Zuständigkeit und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern. Zum anderen enthält das Übereinkommen Regelungen zur Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von Entscheidungen aus anderen Vertragsstaaten. Um die Zusammenarbeit zwischen den Vertragsstaaten zu verbessern, hat jeder Vertragsstaat eine Zentrale Behörde einzurichten.
B. Lösung
- Durch das anliegende Vertragsgesetz sollen die Voraussetzungen nach Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes für die Ratifikation des Übereinkommens geschaffen werden. Der innerstaatlichen Umsetzung des Übereinkommens dient zudem der gleichzeitig vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetzes.
C. Alternativen
D. Finanzielle Auswirkungen
E. Sonstige Kosten
- Kosten bei Wirtschaftsunternehmen entstehen nicht. Die Ausführung des Gesetzes wird keine Auswirkungen auf Einzelpreise oder das allgemeine Preisniveau haben.
F. Bürokratiekosten
- Es werden keine Informationspflichten für die Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaft und die Verwaltung eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zu dem Haager Übereinkommen vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern
Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 2. Januar 2009
Die Bundeskanzlerin
An den
Präsidenten des Bundesrates
Hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen
- Entwurf eines Gesetzes zu dem Haager Übereinkommen vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern
mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium der Justiz.
Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Abs. 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.
Dr. Angela Merkel
Entwurf
Gesetz zu dem Haager Übereinkommen vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern
Vom ...
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
- Dem in Den Haag am 1. April 2003 von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichneten Übereinkommen vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern wird zugestimmt. Das Übereinkommen wird nachstehend mit einer amtlichen deutschen Übersetzung veröffentlicht.
Artikel 2
- (1) Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
- (2) Der Tag, an dem das Übereinkommen nach seinem Artikel 61 Absatz 2 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft tritt, ist im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben.
Begründung zum Vertragsgesetz
Zu Artikel 1
Auf das Übereinkommen findet Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes Anwendung, da es sich, soweit es in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft fällt, auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung bezieht.
Das Gesetz bedarf nach Artikel 84 Absatz 1 Satz 5 und 6 des Grundgesetzes der Zustimmung des Bundesrates, weil der Vertrag, der innerstaatlich in Geltung gesetzt wird, Verfahrensregelungen enthält und insoweit für abweichendes Landesrecht keinen Raum lässt.
Zu Artikel 2
Die Bestimmung des Absatzes 1 entspricht dem Erfordernis des Artikels 82 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes.
Nach Absatz 2 ist der Zeitpunkt, zu dem das Übereinkommen nach seinem Artikel 61 Absatz 2 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft tritt, im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben.
Schlussbemerkung
Das Übereinkommen regelt die internationale Zuständigkeit, das anwendbare Recht sowie die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung. Es schafft ein System Zentraler Behörden, um die Zusammenarbeit zwischen den Vertragsstaaten zu verbessern.
Der gleichzeitig vorgelegte Entwurf eines Ausführungsgesetzes zu dem Übereinkommen enthält die notwendigen Ausführungsvorschriften und weist die Aufgaben der Zentralen Behörde dem Bundesamt für Justiz zu.
Das Bundesamt für Justiz hat eine mehrjährige Erfahrung im Bereich des internationalen Schutzes von Kindern. Insbesondere ist es Zentrale Behörde nach der Brüssel-IIa-Verordnung, nach dem Europäischen Übereinkommen vom 20. Mai 1980 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses (Europäisches Sorgerechtsübereinkommen, BGBl. 1990 II S. 206, 220) und nach dem Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (Haager Kindesentführungsübereinkommen, BGBl. 1990 II S. 206, 207). Dabei erfüllt es gleichgelagerte Aufgaben wie nach dem vorliegenden Übereinkommen. Das Bundesamt für Justiz nimmt ferner die Aufgaben der Zentralen Behörde nach dem Auslandsunterhaltsgesetz vom 19. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2563), dem Übereinkommen vom 20. Juni 1956 über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland (BGBl. 1959 II S. 149; 2006 I S. 3171) und dem Adoptionsübereinkommens-Ausführungsgesetz vom 5. November 2001 (BGBl. I S. 2950) wahr.
Die Nutzung bestehender Strukturen, Erfahrungen und Kontakte beim Bundesamt für Justiz als Zentraler Behörde lässt Synergieeffekte erwarten. Es handelt sich damit um eine sachgerechte und sparsame Lösung.
Die Betrauung des Bundesamts für Justiz mit den Aufgaben der Zentralen Behörde nach dem Übereinkommen bedarf zusätzlicher Haushaltsmittel im Bundeshaushalt, deren Umfang in dem gleichzeitig vorgelegten Entwurf eines Ausführungsgesetzes dargestellt wird.
Auf die Länderhaushalte könnte durch die Ausführung des Übereinkommens ein geringer, nicht quantifizierbarer Mehraufwand zukommen. Auf die Ausführungen zu dem gleichzeitig vorgelegten Entwurf eines Ausführungsgesetzes wird verwiesen.
Kosten bei Wirtschaftsunternehmen entstehen nicht. Die Ausführung des Gesetzes wird keine Auswirkungen auf Einzelpreise oder das allgemeine Preisniveau haben.
Der Entwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar.
Eine gleichstellungspolitische Relevanz ist nicht gegeben. Durch die Regelungen des Übereinkommens sind Mädchen und Jungen sowie Frauen und Männer gleichermaßen betroffen. Eine Ungleichbehandlung findet nicht statt. Es ergeben sich auch keine mittelbar geschlechtsspezifisch wirkenden Unterschiede.
Der innerstaatlichen Umsetzung des Übereinkommens dient der gleichzeitig vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetzes, auf dessen Begründung ergänzend verwiesen wird.
Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern
(Übersetzung)
Die Unterzeichnerstaaten dieses Übereinkommens - in der Erwägung, dass der Schutz von Kindern im internationalen Bereich verbessert werden muss; in dem Wunsch, Konflikte zwischen ihren Rechtssystemen in Bezug auf die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Maßnahmen zum Schutz von Kindern zu vermeiden; eingedenk der Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit für den Schutz von Kindern; bekräftigend dass das Wohl des Kindes vorrangig zu berücksichtigen ist; angesichts der Notwendigkeit, das Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen zu überarbeiten; in dem Wunsch, zu diesem Zweck unter Berücksichtigung des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes gemeinsame Bestimmungen festzulegen - haben die folgenden Bestimmungen vereinbart:
Kapitel I
Anwendungsbereich des Übereinkommens
Artikel 1
- (1) Ziel dieses Übereinkommens ist es,
- a) den Staat zu bestimmen, dessen Behörden zuständig sind, Maßnahmen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes zu treffen;
- b) das von diesen Behörden bei der Ausübung ihrer Zuständigkeit anzuwendende Recht zu bestimmen;
- c) das auf die elterliche Verantwortung anzuwendende Recht zu bestimmen;
- d) die Anerkennung und Vollstreckung der Schutzmaßnahmen in allen Vertragsstaaten sicherzustellen
- e) die zur Verwirklichung der Ziele dieses Übereinkommens notwendige Zusammenarbeit zwischen den Behörden der Vertragsstaaten einzurichten.
- (2) Im Sinn dieses Übereinkommens umfasst der Begriff "elterliche Verantwortung" die elterliche Sorge und jedes andere entsprechende Sorgeverhältnis, das die Rechte, Befugnisse und Pflichten der Eltern, des Vormunds oder eines anderen gesetzlichen Vertreters in Bezug auf die Person oder das Vermögen des Kindes bestimmt.
Artikel 2
- Dieses Übereinkommen ist auf Kinder von ihrer Geburt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs anzuwenden.
Artikel 3
- Die Maßnahmen, auf die in Artikel 1 Bezug genommen wird, können insbesondere Folgendes umfassen:
- a) die Zuweisung, die Ausübung und die vollständige oder teilweise Entziehung der elterlichen Verantwortung sowie deren Übertragung;
- b) das Sorgerecht einschließlich der Sorge für die Person des Kindes und insbesondere des Rechts, den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen, sowie das Recht zum persönlichen Umgang einschließlich des Rechts, das Kind für eine begrenzte Zeit an einen anderen Ort als den seines gewöhnlichen Aufenthalts zu bringen;
- c) die Vormundschaft, die Pflegschaft und entsprechende Einrichtungen;
- d) die Bestimmung und den Aufgabenbereich jeder Person oder Stelle, die für die Person oder das Vermögen des Kindes verantwortlich ist, das Kind vertritt oder ihm beisteht;
- e) die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie oder einem Heim oder seine Betreuung durch Kafala oder eine entsprechende Einrichtung;
- f) die behördliche Aufsicht über die Betreuung eines Kindes durch jede Person, die für das Kind verantwortlich ist
- g) die Verwaltung und Erhaltung des Vermögens des Kindes oder die Verfügung darüber.
Artikel 4
- Dieses Übereinkommen ist nicht anzuwenden
- a) auf die Feststellung und Anfechtung des Eltern-Kind-Verhältnisses;
- b) auf Adoptionsentscheidungen und Maßnahmen zur Vorbereitung einer Adoption sowie auf die Ungültigerklärung und den Widerruf der Adoption;
- c) auf Namen und Vornamen des Kindes;
- d) auf die Volljährigerklärung;
- e) auf Unterhaltspflichten;
- f) auf trusts und Erbschaften;
- g) auf die soziale Sicherheit;
- h) auf öffentliche Maßnahmen allgemeiner Art in Angelegenheiten der Erziehung und Gesundheit;
- i) auf Maßnahmen infolge von Straftaten, die von Kindern begangen wurden;
- j) auf Entscheidungen über Asylrecht und Einwanderung.
Kapitel II
Zuständigkeit
Artikel 5
- (1) Die Behörden, seien es Gerichte oder Verwaltungsbehörden, des Vertragsstaats, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat sind zuständig, Maßnahmen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes zu treffen.
- (2) Vorbehaltlich des Artikels 7 sind bei einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes in einen anderen Vertragsstaat die Behörden des Staates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts zuständig.
Artikel 6
- (1) Über Flüchtlingskinder und Kinder, die infolge von Unruhen in ihrem Land in ein anderes Land gelangt sind, üben die Behörden des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet sich die Kinder demzufolge befinden die in Artikel 5 Absatz 1 vorgesehene Zuständigkeit aus.
- (2) Absatz 1 ist auch auf Kinder anzuwenden, deren gewöhnlicher Aufenthalt nicht festgestellt werden kann.
Artikel 7
Artikel 8
- (1) Ausnahmsweise kann die nach Artikel 5 oder 6 zuständige Behörde eines Vertragsstaats, wenn sie der Auffassung ist, dass die Behörde eines anderen Vertragsstaats besser in der Lage wäre, das Wohl des Kindes im Einzelfall zu beurteilen, - entweder diese Behörde unmittelbar oder mit Unterstützung der Zentralen Behörde dieses Staates ersuchen, die Zuständigkeit zu übernehmen, um die Schutzmaßnahmen zu treffen, die sie für erforderlich hält, - oder das Verfahren aussetzen und die Parteien einladen, bei der Behörde dieses anderen Staates einen solchen Antrag zu stellen.
- (2) Die Vertragsstaaten, deren Behörden nach Absatz 1 ersucht werden können, sind
- a) ein Staat, dem das Kind angehört,
- b) ein Staat, in dem sich Vermögen des Kindes befindet,
- c) ein Staat, bei dessen Behörden ein Antrag der Eltern des Kindes auf Scheidung, Trennung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe anhängig ist,
- d) ein Staat, zu dem das Kind eine enge Verbindung hat.
- (3) Die betreffenden Behörden können einen Meinungsaustausch aufnehmen.
- (4) Die nach Absatz 1 ersuchte Behörde kann die Zuständigkeit anstelle der nach Artikel 5 oder 6 zuständigen Behörde übernehmen, wenn sie der Auffassung ist, dass dies dem Wohl des Kindes dient.
Artikel 9
- (1) Sind die in Artikel 8 Absatz 2 genannten Behörden eines Vertragsstaats der Auffassung, dass sie besser in der Lage sind, das Wohl des Kindes im Einzelfall zu beurteilen, so können sie
- - entweder die zuständige Behörde des Vertragsstaats des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes unmittelbar oder mit Unterstützung der Zentralen Behörde dieses Staates ersuchen, ihnen zu gestatten die Zuständigkeit auszuüben, um die von ihnen für erforderlich gehaltenen Schutzmaßnahmen zu treffen,
- - oder die Parteien einladen, bei der Behörde des Vertragsstaats des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes einen solchen Antrag zu stellen.
- (2) Die betreffenden Behörden können einen Meinungsaustausch aufnehmen.
- (3) Die Behörde, von welcher der Antrag ausgeht darf die Zuständigkeit anstelle der Behörde des Vertragsstaats des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes nur ausüben, wenn diese den Antrag angenommen hat.
Artikel 10
- (1) Unbeschadet der Artikel 5 bis 9 können die Behörden eines Vertragsstaats in Ausübung ihrer Zuständigkeit für die Entscheidung über einen Antrag auf Scheidung, Trennung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe der Eltern eines Kindes, das seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Vertragsstaat hat, sofern das Recht ihres Staates dies zulässt, Maßnahmen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes treffen, wenn
- a) einer der Eltern zu Beginn des Verfahrens seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Staat und ein Elternteil die elterliche Verantwortung für das Kind hat und
- b) die Eltern und jede andere Person, welche die elterliche Verantwortung für das Kind hat, die Zuständigkeit dieser Behörden für das Ergreifen solcher Maßnahmen anerkannt haben und diese Zuständigkeit dem Wohl des Kindes entspricht.
- (2) Die in Absatz 1 vorgesehene Zuständigkeit für das Ergreifen von Maßnahmen zum Schutz des Kindes endet, sobald die stattgebende oder abweisende Entscheidung über den Antrag auf Scheidung, Trennung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe endgültig geworden ist oder das Verfahren aus einem anderen Grund beendet wurde.
Artikel 11
- (1) In allen dringenden Fällen sind die Behörden jedes Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet sich das Kind oder ihm gehörendes Vermögen befindet, zuständig, die erforderlichen Schutzmaßnahmen zu treffen.
- (2) Maßnahmen nach Absatz 1, die in Bezug auf ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Vertragsstaat getroffen wurden treten außer Kraft, sobald die nach den Artikeln 5 bis 10 zuständigen Behörden die durch die Umstände gebotenen Maßnahmen getroffen haben.
- (3) Maßnahmen nach Absatz 1, die in Bezug auf ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Nichtvertragsstaat getroffen wurden treten in jedem Vertragsstaat außer Kraft, sobald dort die durch die Umstände gebotenen und von den Behörden eines anderen Staates getroffenen Maßnahmen anerkannt werden.
Artikel 12
- (1) Vorbehaltlich des Artikels 7 sind die Behörden eines Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet sich das Kind oder ihm gehörendes Vermögen befindet, zuständig, vorläufige und auf das Hoheitsgebiet dieses Staates beschränkte Maßnahmen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes zu treffen, soweit solche Maßnahmen nicht mit den Maßnahmen unvereinbar sind welche die nach den Artikeln 5 bis 10 zuständigen Behörden bereits getroffen haben.
- (2) Maßnahmen nach Absatz 1, die in Bezug auf ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Vertragsstaat getroffen wurden treten außer Kraft, sobald die nach den Artikeln 5 bis 10 zuständigen Behörden eine Entscheidung über die Schutzmaßnahmen getroffen haben, die durch die Umstände geboten sein könnten.
- (3) Maßnahmen nach Absatz 1, die in Bezug auf ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Nichtvertragsstaat getroffen wurden treten in dem Vertragsstaat außer Kraft, in dem sie getroffen worden sind, sobald dort die durch die Umstände gebotenen und von den Behörden eines anderen Staates getroffenen Maßnahmen anerkannt werden.
Artikel 13
- (1) Die Behörden eines Vertragsstaats, die nach den Artikeln 5 bis 10 zuständig sind Maßnahmen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes zu treffen, dürfen diese Zuständigkeit nicht ausüben, wenn bei Einleitung des Verfahrens entsprechende Maßnahmen bei den Behörden eines anderen Vertragsstaats beantragt worden sind, die in jenem Zeitpunkt nach den Artikeln 5 bis 10 zuständig waren, und diese Maßnahmen noch geprüft werden.
- (2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Behörden, bei denen Maßnahmen zuerst beantragt wurden, auf ihre Zuständigkeit verzichtet haben.
Artikel 14
- Selbst wenn durch eine Änderung der Umstände die Grundlage der Zuständigkeit wegfällt bleiben die nach den Artikeln 5 bis 10 getroffenen Maßnahmen innerhalb ihrer Reichweite so lange in Kraft, bis die nach diesem Übereinkommen zuständigen Behörden sie ändern, ersetzen oder aufheben.
Kapitel III
Anzuwendendes Recht
Artikel 15
- (1) Bei der Ausübung ihrer Zuständigkeit nach Kapitel II wenden die Behörden der Vertragsstaaten ihr eigenes Recht an.
- (2) Soweit es der Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes erfordert, können sie jedoch ausnahmsweise das Recht eines anderen Staates anwenden oder berücksichtigen zu dem der Sachverhalt eine enge Verbindung hat.
- (3) Wechselt der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes in einen anderen Vertragsstaat, so bestimmt das Recht dieses anderen Staates vom Zeitpunkt des Wechsels an die Bedingungen, unter denen die im Staat des früheren gewöhnlichen Aufenthalts getroffenen Maßnahmen angewendet werden.
Artikel 16
- (1) Die Zuweisung oder das Erlöschen der elterlichen Verantwortung kraft Gesetzes ohne Einschreiten eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde bestimmt sich nach dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes.
- (2) Die Zuweisung oder das Erlöschen der elterlichen Verantwortung durch eine Vereinbarung oder ein einseitiges Rechtsgeschäft ohne Einschreiten eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde bestimmt sich nach dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes in dem Zeitpunkt, in dem die Vereinbarung oder das einseitige Rechtsgeschäft wirksam wird.
- (3) Die elterliche Verantwortung nach dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes besteht nach dem Wechsel dieses gewöhnlichen Aufenthalts in einen anderen Staat fort.
- (4) Wechselt der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes, so bestimmt sich die Zuweisung der elterlichen Verantwortung kraft Gesetzes an eine Person, die diese Verantwortung nicht bereits hat, nach dem Recht des Staates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts.
Artikel 17
- Die Ausübung der elterlichen Verantwortung bestimmt sich nach dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes. Wechselt der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes, so bestimmt sie sich nach dem Recht des Staates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts.
Artikel 18
- Durch Maßnahmen nach diesem Übereinkommen kann die in Artikel 16 genannte elterliche Verantwortung entzogen oder können die Bedingungen ihrer Ausübung geändert werden.
Artikel 19
- (1) Die Gültigkeit eines Rechtsgeschäfts zwischen einem Dritten und einer anderen Person, die nach dem Recht des Staates, in dem das Rechtsgeschäft abgeschlossen wurde als gesetzlicher Vertreter zu handeln befugt wäre, kann nicht allein deswegen bestritten und der Dritte nicht nur deswegen verantwortlich gemacht werden, weil die andere Person nach dem in diesem Kapitel bestimmten Recht nicht als gesetzlicher Vertreter zu handeln befugt war, es sei denn, der Dritte wusste oder hätte wissen müssen dass sich die elterliche Verantwortung nach diesem Recht bestimmte.
- (2) Absatz 1 ist nur anzuwenden, wenn das Rechtsgeschäft unter Anwesenden im Hoheitsgebiet desselben Staates geschlossen wurde.
Artikel 20
- Dieses Kapitel ist anzuwenden, selbst wenn das darin bestimmte Recht das eines Nichtvertragsstaats ist.
Artikel 21
Artikel 22
- Die Anwendung des in diesem Kapitel bestimmten Rechts darf nur versagt werden, wenn sie der öffentlichen Ordnung (ordre public) offensichtlich widerspricht, wobei das Wohl des Kindes zu berücksichtigen ist.
Kapitel IV
Anerkennung und Vollstreckung
Artikel 23
- (1) Die von den Behörden eines Vertragsstaats getroffenen Maßnahmen werden kraft Gesetzes in den anderen Vertragsstaaten anerkannt.
- (2) Die Anerkennung kann jedoch versagt werden
- a) wenn die Maßnahme von einer Behörde getroffen wurde, die nicht nach Kapitel II zuständig war;
- b) wenn die Maßnahme, außer in dringenden Fällen, im Rahmen eines Gerichts oder Verwaltungsverfahrens getroffen wurde ohne dass dem Kind die Möglichkeit eingeräumt worden war, gehört zu werden, und dadurch gegen wesentliche Verfahrensgrundsätze des ersuchten Staates verstoßen wurde;
- c) auf Antrag jeder Person, die geltend macht dass die Maßnahme ihre elterliche Verantwortung beeinträchtigt, wenn diese Maßnahme, außer in dringenden Fällen, getroffen wurde, ohne dass dieser Person die Möglichkeit eingeräumt worden war, gehört zu werden;
- d) wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des ersuchten Staates offensichtlich widerspricht, wobei das Wohl des Kindes zu berücksichtigen ist
- e) wenn die Maßnahme mit einer später im Nichtvertragsstaat des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes getroffenen Maßnahme unvereinbar ist, sofern die spätere Maßnahme die für ihre Anerkennung im ersuchten Staat erforderlichen Voraussetzungen erfüllt;
- f) wenn das Verfahren nach Artikel 33 nicht eingehalten wurde.
Artikel 24
- Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann jede betroffene Person bei den zuständigen Behörden eines Vertragsstaats beantragen dass über die Anerkennung oder Nichtanerkennung einer in einem anderen Vertragsstaat getroffenen Maßnahme entschieden wird. Das Verfahren bestimmt sich nach dem Recht des ersuchten Staates.
Artikel 25
- Die Behörde des ersuchten Staates ist an die Tatsachenfeststellungen gebunden, auf welche die Behörde des Staates, in dem die Maßnahme getroffen wurde, ihre Zuständigkeit gestützt hat.
Artikel 26
- (1) Erfordern die in einem Vertragsstaat getroffenen und dort vollstreckbaren Maßnahmen in einem anderen Vertragsstaat Vollstreckungshandlungen, so werden sie in diesem anderen Staat auf Antrag jeder betroffenen Partei nach dem im Recht dieses Staates vorgesehenen Verfahren für vollstreckbar erklärt oder zur Vollstreckung registriert.
- (2) Jeder Vertragsstaat wendet auf die Vollstreckbarerklärung oder die Registrierung ein einfaches und schnelles Verfahren an.
- (3) Die Vollstreckbarerklärung oder die Registrierung darf nur aus einem der in Artikel 23 Absatz 2 vorgesehenen Gründe versagt werden.
Artikel 27
- Vorbehaltlich der für die Anwendung der vorstehenden Artikel erforderlichen Überprüfung darf die getroffene Maßnahme in der Sache selbst nicht nachgeprüft werden.
Artikel 28
- Die in einem Vertragsstaat getroffenen und in einem anderen Vertragsstaat für vollstreckbar erklärten oder zur Vollstreckung registrierten Maßnahmen werden dort vollstreckt, als seien sie von den Behörden dieses anderen Staates getroffen worden. Die Vollstreckung richtet sich nach dem Recht des ersuchten Staates unter Beachtung der darin vorgesehenen Grenzen, wobei das Wohl des Kindes zu berücksichtigen ist.
Kapitel V
Zusammenarbeit
Artikel 29
- (1) Jeder Vertragsstaat bestimmt eine Zentrale Behörde, welche die ihr durch dieses Übereinkommen übertragenen Aufgaben wahrnimmt.
- (2) Einem Bundesstaat, einem Staat mit mehreren Rechtssystemen oder einem Staat, der aus autonomen Gebietseinheiten besteht steht es frei, mehrere Zentrale Behörden zu bestimmen und deren räumliche und persönliche Zuständigkeit festzulegen.
Macht ein Staat von dieser Möglichkeit Gebrauch, so bestimmt er die Zentrale Behörde, an welche Mitteilungen zur Übermittlung an die zuständige Zentrale Behörde in diesem Staat gerichtet werden können.
Artikel 30
- (1) Die Zentralen Behörden arbeiten zusammen und fördern die Zusammenarbeit der zuständigen Behörden ihrer Staaten, um die Ziele dieses Übereinkommens zu verwirklichen.
- (2) Im Zusammenhang mit der Anwendung dieses Übereinkommens treffen sie die geeigneten Maßnahmen, um Auskünfte über das Recht ihrer Staaten sowie die in ihren Staaten für den Schutz von Kindern verfügbaren Dienste zu erteilen.
Artikel 31
- Die Zentrale Behörde eines Vertragsstaats trifft unmittelbar oder mit Hilfe staatlicher Behörden oder sonstiger Stellen alle geeigneten Vorkehrungen, um
- a) die Mitteilungen zu erleichtern und die Unterstützung anzubieten, die in den Artikeln 8 und 9 und in diesem Kapitel vorgesehen sind;
- b) durch Vermittlung, Schlichtung oder ähnliche Mittel gütliche Einigungen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes bei Sachverhalten zu erleichtern auf die dieses Übereinkommen anzuwenden ist;
- c) auf Ersuchen der zuständigen Behörde eines anderen Vertragsstaats bei der Ermittlung des Aufenthaltsorts des Kindes Unterstützung zu leisten, wenn der Anschein besteht, dass das Kind sich im Hoheitsgebiet des ersuchten Staates befindet und Schutz benötigt.
Artikel 32
- Auf begründetes Ersuchen der Zentralen Behörde oder einer anderen zuständigen Behörde eines Vertragsstaats, zu dem das Kind eine enge Verbindung hat, kann die Zentrale Behörde des Vertragsstaats, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und in dem es sich befindet, unmittelbar oder mit Hilfe staatlicher Behörden oder sonstiger Stellen
- a) einen Bericht über die Lage des Kindes erstatten
- b) die zuständige Behörde ihres Staates ersuchen zu prüfen, ob Maßnahmen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes erforderlich sind.
Artikel 33
- (1) Erwägt die nach den Artikeln 5 bis 10 zuständige Behörde die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie oder einem Heim oder seine Betreuung durch Kafala oder eine entsprechende Einrichtung und soll es in einem anderen Vertragsstaat untergebracht oder betreut werden, so zieht sie vorher die Zentrale Behörde oder eine andere zuständige Behörde dieses Staates zu Rate. Zu diesem Zweck übermittelt sie ihr einen Bericht über das Kind und die Gründe ihres Vorschlags zur Unterbringung oder Betreuung.
- (2) Die Entscheidung über die Unterbringung oder Betreuung kann im ersuchenden Staat nur getroffen werden, wenn die Zentrale Behörde oder eine andere zuständige Behörde des ersuchten Staates dieser Unterbringung oder Betreuung zugestimmt hat wobei das Wohl des Kindes zu berücksichtigen ist.
Artikel 34
- (1) Wird eine Schutzmaßnahme erwogen, so können die nach diesem Übereinkommen zuständigen Behörden, sofern die Lage des Kindes dies erfordert, jede Behörde eines anderen Vertragsstaats, die über sachdienliche Informationen für den Schutz des Kindes verfügt, ersuchen, sie ihnen mitzuteilen.
- (2) Jeder Vertragsstaat kann erklären, dass Ersuchen nach Absatz 1 seinen Behörden nur über seine Zentrale Behörde zu übermitteln sind.
Artikel 35
- (1) Die zuständigen Behörden eines Vertragsstaats können die Behörden eines anderen Vertragsstaats ersuchen, ihnen bei der Durchführung der nach diesem Übereinkommen getroffenen Schutzmaßnahmen Hilfe zu leisten, insbesondere um die wirksame Ausübung des Rechts zum persönlichen Umgang sowie des Rechts sicherzustellen regelmäßige unmittelbare Kontakte aufrechtzuerhalten.
- (2) Die Behörden eines Vertragsstaats, in dem das Kind keinen gewöhnlichen Aufenthalt hat können auf Antrag eines Elternteils, der sich in diesem Staat aufhält und der ein Recht zum persönlichen Umgang zu erhalten oder beizubehalten wünscht, Auskünfte oder Beweise einholen und Feststellungen über die Eignung dieses Elternteils zur Ausübung des Rechts zum persönlichen Umgang und die Bedingungen seiner Ausübung treffen. Eine Behörde, die nach den Artikeln 5 bis 10 für die Entscheidung über das Recht zum persönlichen Umgang zuständig ist, hat vor ihrer Entscheidung diese Auskünfte, Beweise und Feststellungen zuzulassen und zu berücksichtigen.
- (3) Eine Behörde, die nach den Artikeln 5 bis 10 für die Entscheidung über das Recht zum persönlichen Umgang zuständig ist, kann das Verfahren bis zum Vorliegen des Ergebnisses des in Absatz 2 vorgesehenen Verfahrens aussetzen, insbesondere wenn bei ihr ein Antrag auf Änderung oder Aufhebung des Rechts zum persönlichen Umgang anhängig ist, das die Behörden des Staates des früheren gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes eingeräumt haben.
- (4) Dieser Artikel hindert eine nach den Artikeln 5 bis 10 zuständige Behörde nicht, bis zum Vorliegen des Ergebnisses des in Absatz 2 vorgesehenen Verfahrens vorläufige Maßnahmen zu treffen.
Artikel 36
- Ist das Kind einer schweren Gefahr ausgesetzt, so benachrichtigen die zuständigen Behörden des Vertragsstaats, in dem Maßnahmen zum Schutz dieses Kindes getroffen wurden oder in Betracht gezogen werden sofern sie über den Wechsel des Aufenthaltsorts in einen anderen Staat oder die dortige Anwesenheit des Kindes unterrichtet sind die Behörden dieses Staates von der Gefahr und den getroffenen oder in Betracht gezogenen Maßnahmen.
Artikel 37
- Eine Behörde darf nach diesem Kapitel weder um Informationen ersuchen noch solche erteilen, wenn dadurch nach ihrer Auffassung die Person oder das Vermögen des Kindes in Gefahr geraten könnte oder die Freiheit oder das Leben eines Familienangehörigen des Kindes ernsthaft bedroht würde.
Artikel 38
- (1) Unbeschadet der Möglichkeit, für die erbrachten Dienstleistungen angemessene Kosten zu verlangen, tragen die Zentralen Behörden und die anderen staatlichen Behörden der Vertragsstaaten die Kosten, die ihnen durch die Anwendung dieses Kapitels entstehen.
- (2) Jeder Vertragsstaat kann mit einem oder mehreren anderen Vertragsstaaten Vereinbarungen über die Kostenaufteilung treffen.
Artikel 39
- Jeder Vertragsstaat kann mit einem oder mehreren anderen Vertragsstaaten Vereinbarungen treffen um die Anwendung dieses Kapitels in ihren gegenseitigen Beziehungen zu erleichtern. Die Staaten, die solche Vereinbarungen getroffen haben, übermitteln dem Verwahrer dieses Übereinkommens eine Abschrift.
Kapitel VI
Allgemeine Bestimmungen
Artikel 40
- (1) Die Behörden des Vertragsstaats, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder in dem eine Schutzmaßnahme getroffen wurde, können dem Träger der elterlichen Verantwortung oder jedem dem der Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes anvertraut wurde auf dessen Antrag eine Bescheinigung über seine Berechtigung zum Handeln und die ihm übertragenen Befugnisse ausstellen.
- (2) Die Richtigkeit der Berechtigung zum Handeln und der Befugnisse, die bescheinigt sind wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet.
- (3) Jeder Vertragsstaat bestimmt die für die Ausstellung der Bescheinigung zuständigen Behörden.
Artikel 41
- Die nach diesem Übereinkommen gesammelten oder übermittelten personenbezogenen Daten dürfen nur für die Zwecke verwendet werden, zu denen sie gesammelt oder übermittelt wurden.
Artikel 42
- Behörden, denen Informationen übermittelt werden stellen nach dem Recht ihres Staates deren vertrauliche Behandlung sicher.
Artikel 43
- Die nach diesem Übereinkommen übermittelten oder ausgestellten Schriftstücke sind von jeder Legalisation oder entsprechenden Förmlichkeit befreit.
Artikel 44
- Jeder Vertragsstaat kann die Behörden bestimmen an die Ersuchen nach den Artikeln 8, 9 und 33 zu richten sind.
Artikel 45
- (1) Die nach den Artikeln 29 und 44 bestimmten Behörden werden dem Ständigen Büro der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht mitgeteilt.
- (2) Die Erklärung nach Artikel 34 Absatz 2 wird gegenüber dem Verwahrer dieses Übereinkommens abgegeben.
Artikel 46
- Ein Vertragsstaat, in dem verschiedene Rechtssysteme oder Gesamtheiten von Regeln für den Schutz der Person und des Vermögens des Kindes gelten, muss die Regeln dieses Übereinkommens nicht auf Kollisionen anwenden, die allein zwischen diesen verschiedenen Rechtssystemen oder Gesamtheiten von Regeln bestehen.
Artikel 47
- Gelten in einem Staat in Bezug auf die in diesem Übereinkommen geregelten Angelegenheiten zwei oder mehr Rechtssysteme oder Gesamtheiten von Regeln in verschiedenen Gebietseinheiten, so ist jede Verweisung
- 1. auf den gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Staat als Verweisung auf den gewöhnlichen Aufenthalt in einer Gebietseinheit zu verstehen;
- 2. auf die Anwesenheit des Kindes in diesem Staat als Verweisung auf die Anwesenheit des Kindes in einer Gebietseinheit zu verstehen;
- 3. auf die Belegenheit des Vermögens des Kindes in diesem Staat als Verweisung auf die Belegenheit des Vermögens des Kindes in einer Gebietseinheit zu verstehen;
- 4. auf den Staat, dem das Kind angehört, als Verweisung auf die von dem Recht dieses Staates bestimmte Gebietseinheit oder wenn solche Regeln fehlen, als Verweisung auf die Gebietseinheit zu verstehen, mit der das Kind die engste Verbindung hat;
- 5. auf den Staat, bei dessen Behörden ein Antrag auf Scheidung, Trennung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe der Eltern des Kindes anhängig ist als Verweisung auf die Gebietseinheit zu verstehen, bei deren Behörden ein solcher Antrag anhängig ist;
- 6. auf den Staat, mit dem das Kind eine enge Verbindung hat, als Verweisung auf die Gebietseinheit zu verstehen, mit der das Kind eine solche Verbindung hat
- 7. auf den Staat, in den das Kind verbracht oder in dem es zurückgehalten wurde als Verweisung auf die Gebietseinheit zu verstehen, in die das Kind verbracht oder in der es zurückgehalten wurde
- 8. auf Stellen oder Behörden dieses Staates, die nicht Zentrale Behörden sind als Verweisung auf die Stellen oder Behörden zu verstehen, die in der betreffenden Gebietseinheit handlungsbefugt sind
- 9. auf das Recht, das Verfahren oder die Behörde des Staates, in dem eine Maßnahme getroffen wurde, als Verweisung auf das Recht, das Verfahren oder die Behörde der Gebietseinheit zu verstehen, in der diese Maßnahme getroffen wurde;
- 10. auf das Recht, das Verfahren oder die Behörde des ersuchten Staates als Verweisung auf das Recht, das Verfahren oder die Behörde der Gebietseinheit zu verstehen, in der die Anerkennung oder Vollstreckung geltend gemacht wird.
Artikel 48
- Hat ein Staat zwei oder mehr Gebietseinheiten mit eigenen Rechtssystemen oder Gesamtheiten von Regeln für die in diesem Übereinkommen geregelten Angelegenheiten, so gilt zur Bestimmung des nach Kapitel III anzuwendenden Rechts Folgendes:
- a)Sind in diesem Staat Regeln in Kraft, die das Recht einer bestimmten Gebietseinheit für anwendbar erklären, so ist das Recht dieser Einheit anzuwenden;
- b) fehlen solche Regeln, so ist das Recht der in Artikel 47 bestimmten Gebietseinheit anzuwenden.
Artikel 49
- Hat ein Staat zwei oder mehr Rechtssysteme oder Gesamtheiten von Regeln, die auf verschiedene Personengruppen hinsichtlich der in diesem Übereinkommen geregelten Angelegenheiten anzuwenden sind so gilt zur Bestimmung des nach Kapitel III anzuwendenden Rechts Folgendes:
- a) Sind in diesem Staat Regeln in Kraft, die bestimmen, welches dieser Rechte anzuwenden ist, so ist dieses anzuwenden;
- b) fehlen solche Regeln, so ist das Rechtssystem oder die Gesamtheit von Regeln anzuwenden, mit denen das Kind die engste Verbindung hat.
Artikel 50
- Dieses Übereinkommen lässt das Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien beider Übereinkommen unberührt. Einer Berufung auf Bestimmungen dieses Übereinkommens zu dem Zweck, die Rückkehr eines widerrechtlich verbrachten oder zurückgehaltenen Kindes zu erwirken oder das Recht zum persönlichen Umgang durchzuführen, steht jedoch nichts entgegen.
Artikel 51
- Im Verhältnis zwischen den Vertragsstaaten ersetzt dieses Übereinkommen das Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen und das am 12. Juni 1902 in Den Haag unterzeichnete Abkommen zur Regelung der Vormundschaft über Minderjährige, unbeschadet der Anerkennung von Maßnahmen, die nach dem genannten Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 getroffen wurden.
Artikel 52
- (1) Dieses Übereinkommen lässt internationale Übereinkünfte unberührt, denen Vertragsstaaten als Vertragsparteien angehören und die Bestimmungen über die im vorliegenden Übereinkommen geregelten Angelegenheiten enthalten, sofern die durch eine solche Übereinkunft gebundenen Staaten keine gegenteilige Erklärung abgeben.
- (2) Dieses Übereinkommen lässt die Möglichkeit unberührt, dass ein oder mehrere Vertragsstaaten Vereinbarungen treffen, die in Bezug auf Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem der Staaten, die Vertragsparteien solcher Vereinbarungen sind Bestimmungen über die in diesem Übereinkommen geregelten Angelegenheiten enthalten.
- (3) Künftige Vereinbarungen eines oder mehrerer Vertragsstaaten über Angelegenheiten im Anwendungsbereich dieses Übereinkommens lassen im Verhältnis zwischen solchen Staaten und anderen Vertragsstaaten die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens unberührt.
- (4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für Einheitsrecht, das auf besonderen Verbindungen insbesondere regionaler Art zwischen den betroffenen Staaten beruht.
Artikel 53
- (1) Dieses Übereinkommen ist nur auf Maßnahmen anzuwenden, die in einem Staat getroffen werden, nachdem das Übereinkommen für diesen Staat in Kraft getreten ist.
- (2) Dieses Übereinkommen ist auf die Anerkennung und Vollstreckung von Maßnahmen anzuwenden die getroffen wurden, nachdem es im Verhältnis zwischen dem Staat, in dem die Maßnahmen getroffen wurden und dem ersuchten Staat in Kraft getreten ist.
Artikel 54
- (1) Mitteilungen an die Zentrale Behörde oder eine andere Behörde eines Vertragsstaats werden in der Originalsprache zugesandt; sie müssen von einer Übersetzung in die Amtssprache oder eine der Amtssprachen des anderen Staates oder, wenn eine solche Übersetzung nur schwer erhältlich ist, von einer Übersetzung ins Französische oder Englische begleitet sein.
- (2) Ein Vertragsstaat kann jedoch einen Vorbehalt nach Artikel 60 anbringen und darin gegen die Verwendung des Französischen oder Englischen, jedoch nicht beider Sprachen, Einspruch erheben.
Artikel 55
- (1) Ein Vertragsstaat kann sich nach Artikel 60
- a) die Zuständigkeit seiner Behörden vorbehalten, Maßnahmen zum Schutz des in seinem Hoheitsgebiet befindlichen Vermögens eines Kindes zu treffen;
- b) vorbehalten, die elterliche Verantwortung oder eine Maßnahme nicht anzuerkennen, soweit sie mit einer von seinen Behörden in Bezug auf dieses Vermögen getroffenen Maßnahme unvereinbar ist.
- (2) Der Vorbehalt kann auf bestimmte Vermögensarten beschränkt werden.
Artikel 56
- Der Generalsekretär der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht beruft in regelmäßigen Abständen eine Spezialkommission zur Prüfung der praktischen Durchführung dieses Übereinkommens ein.
Kapitel VII
Schlussbestimmungen
Artikel 57
- (1) Dieses Übereinkommen liegt für die Staaten, die zur Zeit der Achtzehnten Tagung der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht Mitglied der Konferenz waren zur Unterzeichnung auf.
- (2) Es bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung; die Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden beim Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten des Königreichs der Niederlande, dem Verwahrer dieses Übereinkommens, hinterlegt.
Artikel 58
- (1) Jeder andere Staat kann diesem Übereinkommen beitreten, sobald es nach Artikel 61 Absatz 1 in Kraft getreten ist.
- (2) Die Beitrittsurkunde wird beim Verwahrer hinterlegt.
- (3) Der Beitritt wirkt nur im Verhältnis zwischen dem beitretenden Staat und den Vertragsstaaten, die innerhalb von sechs Monaten nach Eingang der in Artikel 63 Buchstabe b vorgesehenen Notifikation keinen Einspruch gegen den Beitritt erhoben haben. Nach dem Beitritt kann ein solcher Einspruch auch von jedem Staat in dem Zeitpunkt erhoben werden, in dem er dieses Übereinkommen ratifiziert, annimmt oder genehmigt. Die Einsprüche werden dem Verwahrer notifiziert.
Artikel 59
- (1) Ein Staat, der aus zwei oder mehr Gebietseinheiten besteht, in denen für die in diesem Übereinkommen behandelten Angelegenheiten unterschiedliche Rechtssysteme gelten kann bei der Unterzeichnung, der Ratifikation, der Annahme, der Genehmigung oder dem Beitritt erklären, dass das Übereinkommen auf alle seine Gebietseinheiten oder nur auf eine oder mehrere davon erstreckt wird; er kann diese Erklärung durch Abgabe einer neuen Erklärung jederzeit ändern.
- (2) Jede derartige Erklärung wird dem Verwahrer unter ausdrücklicher Bezeichnung der Gebietseinheiten notifiziert, auf die dieses Übereinkommen angewendet wird.
- (3) Gibt ein Staat keine Erklärung nach diesem Artikel ab, so ist dieses Übereinkommen auf sein gesamtes Hoheitsgebiet anzuwenden.
Artikel 60
- (1) Jeder Staat kann spätestens bei der Ratifikation, der Annahme, der Genehmigung oder dem Beitritt oder bei Abgabe einer Erklärung nach Artikel 59 einen der in Artikel 54 Absatz 2 und Artikel 55 vorgesehenen Vorbehalte oder beide anbringen. Weitere Vorbehalte sind nicht zulässig.
- (2) Jeder Staat kann einen von ihm angebrachten Vorbehalt jederzeit zurücknehmen. Die Rücknahme wird dem Verwahrer notifiziert.
- (3) Die Wirkung des Vorbehalts endet am ersten Tag des dritten Kalendermonats nach der in Absatz 2 genannten Notifikation.
Artikel 61
- (1) Dieses Übereinkommen tritt am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach der in Artikel 57 vorgesehenen Hinterlegung der dritten Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde folgt.
- (2) Danach tritt dieses Übereinkommen in Kraft
- a) für jeden Staat, der es später ratifiziert, annimmt oder genehmigt, am ersten Tag des Monats, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde folgt
- b) für jeden Staat, der ihm beitritt, am ersten Tag des Monats, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Ablauf der in Artikel 58 Absatz 3 vorgesehenen Frist von sechs Monaten folgt;
- c) für die Gebietseinheiten, auf die es nach Artikel 59 erstreckt worden ist, am ersten Tag des Monats, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach der in jenem Artikel vorgesehenen Notifikation folgt.
Artikel 62
Artikel 63
- Der Verwahrer notifiziert den Mitgliedstaaten der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht sowie den Staaten, die nach Artikel 58 beigetreten sind,
- a) jede Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme und Genehmigung nach Artikel 57;
- b) jeden Beitritt und jeden Einspruch gegen einen Beitritt nach Artikel 58;
- c) den Tag, an dem dieses Übereinkommen nach Artikel 61 in Kraft tritt;
- d) jede Erklärung nach Artikel 34 Absatz 2 und Artikel 59;
- e) jede Vereinbarung nach Artikel 39;
- f) jeden Vorbehalt nach Artikel 54 Absatz 2 und Artikel 55 sowie jede Rücknahme eines Vorbehalts nach Artikel 60 Absatz 2;
- g) jede Kündigung nach Artikel 62.
- Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Übereinkommen unterschrieben.
Geschehen in Den Haag am 19. Oktober 1996 in französischer und englischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv der Regierung des Königreichs der Niederlande hinterlegt und von der jedem Staat, der zur Zeit der Achtzehnten Tagung der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht Mitglied der Konferenz war, auf diplomatischem Weg eine beglaubigte Abschrift übermittelt wird.
Denkschrift
A. Allgemeines
I. Hintergrund
Die zunehmende Mobilität der Menschen über Staatsgrenzen hinweg führt zu einer steigenden Zahl binationaler und ausländischer Ehen oder Lebensgemeinschaften mit Kindern. Vor diesem Hintergrund haben sich die Gerichte und Verwaltungsbehörden häufiger mit familienrechtlichen Sachverhalten zu beschäftigen, die internationale Bezüge aufweisen. Fragen der internationalen Zuständigkeit, des anwendbaren Rechts, der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung sowie der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Behörden gewinnen zunehmend an Bedeutung. Diese Fragen sind aber im nationalen Recht der Staaten sehr unterschiedlich geregelt. Umso bedeutender sind die internationale Zusammenarbeit und die internationale Rechtsvereinheitlichung auf diesem Gebiet.
II. Bisherige Rechtslage und ihre Grenzen
Bislang regelt auf internationaler Ebene das Haager Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (Haager Minderjährigenschutzübereinkommen, BGBl. 1971 II S. 217) den grenzüberschreitenden Schutz von Kindern.
Dieses Übereinkommen, dem derzeit 14 Vertragsstaaten angehören hat sich aus vielerlei Gründen als reformbedürftig erwiesen: Es kann zu einer Zuständigkeitskonkurrenz der Behörden am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes im Verhältnis zu den Heimatstaatbehörden des Kindes führen. Es fehlen spezifische Zuständigkeitsregeln für Fälle, in denen eine Kindesentführung vorliegt.
Seine Vorschriften zum anwendbaren Recht sind nicht eindeutig und haben zu komplizierten Auslegungsproblemen geführt. Insbesondere ist umstritten, ob das Minderjährigenschutzübereinkommen auch die Frage regelt, nach welchem Recht eine kraft Gesetzes bestehende elterliche Sorge zu beurteilen ist. In Deutschland überwiegt die Auffassung, dass hierfür grundsätzlich das autonome Recht - das heißt Artikel 21 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) - maßgeblich ist (Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes) und die Anerkennung eines nach dem Heimatrecht des Kindes bestehenden Sorgerechtsverhältnisses nur dann eine Rolle spielt, wenn eine Schutzmaßnahme zu treffen ist. In manchen anderen Vertragsstaaten wird dagegen aus Artikel 3 des Haager Minderjährigenschutzübereinkommens eine Anknüpfung an das Heimatrecht des Kindes hergeleitet. Für Maßnahmen, die in einem anderen Vertragsstaat zu vollstrecken sind fehlen im Haager Minderjährigenschutzübereinkommen Bestimmungen über die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung.
Auch sind die Vorschriften über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Behörden lückenhaft.
Das Europäische Übereinkommen vom 20. Mai 1980 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses (Europäisches Sorgerechtsübereinkommen, BGBl. 1990 II S. 206, 220) enthält zwar Vorschriften über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen zum Sorge- und Umgangsrecht. Es hat jedoch in der Praxis wegen seiner Komplexität eine eher untergeordnete Rolle gespielt und enthält auch weder Vorschriften über die unmittelbare internationale Zuständigkeit noch zum anwendbaren Recht.
Die Schwächen des Haager Minderjährigenschutzübereinkommens veranlassten die Haager Konferenz für Internationales Privatrecht im Jahr 1992, eine Spezialkommission zur Revision des Haager Minderjährigenschutzübereinkommens einzusetzen die drei Jahre später den Vorentwurf eines Übereinkommens über den Schutz von Kindern vorlegte. Auf der 18. Tagung der Haager Konferenz nahmen schließlich die Vertreter von 35 Staaten das Übereinkommen vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern (Haager Kinderschutzübereinkommen) an das die Probleme des Haager Minderjährigenschutzübereinkommens von 1961 gezielt ausräumt.
Parallel zu den Arbeiten der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht arbeitete die Europäische Union auf der Grundlage des Artikels K.3 des Vertrags über die Europäische Union (EU-Vertrag) in der Fassung des Vertrags von Maastricht an einem Übereinkommen über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen (ABl. C 221 vom 16. 7. 1998, S. 1). Dieses Übereinkommen, dessen Text vom Rat am 28. Mai 1998 gebilligt worden war, enthielt auch Bestimmungen zu Entscheidungen über die elterliche Verantwortung, wenn sie im Rahmen eines Scheidungsverfahrens getroffen werden sollten. Diese Vorschriften waren auf die des Haager Kinderschutzübereinkommens von 1996 abgestimmt. Das Übereinkommen vom 28. Mai 1998 trat jedoch nie in Kraft, da die Gesetzgebungskompetenz für die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen am 1. Mai 1999 durch den Vertrag von Amsterdam (BGBl. 1998 II S. 386) in den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag) und damit in die Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft überführt wurde. Anstelle des Übereinkommens verabschiedete die Europäische Gemeinschaft am 29. Mai 2000 die Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten (Brüssel-II-Verordnung, ABl. L 160 vom 30. 6. 2000, S. 19).
Bereits im November 2003 hat die Gemeinschaft diese Verordnung durch die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (Brüssel-IIa-Verordnung, ABl. L 338 vom 23. 12. 2003, S. 1) ersetzt. Diese Verordnung gilt seit 1. März 2005. Sie orientiert sich in großem Umfang an den Regelungen des Übereinkommens, das ihr als Vorbild gedient hat. Die Brüssel-IIa-Verordnung regelt die internationale Zuständigkeit für Maßnahmen betreffend die elterliche Verantwortung, insbesondere Sorge- und Umgangsrecht. In der Regel sind für solche Entscheidungen die Gerichte und Behörden am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes zuständig (Artikel 8 der Brüssel-IIa-Verordnung). Diese Zuständigkeit bleibt grundsätzlich auch im Falle eines widerrechtlichen Verbringens oder Zurückbehaltens des Kindes ("Kindesentführung") erhalten (Artikel 10 der Brüssel-IIa-Verordnung). Darüber hinaus regelt die Verordnung die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (außer Dänemark, das an der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen nicht teilnimmt).
Schließlich sieht sie ein System Zentraler Behörden vor, die die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten der Verordnung bei deren Durchführung erleichtern.
Anders als das Übereinkommen und das Haager Minderjährigenschutzübereinkommen enthält die Verordnung jedoch keine Vorschriften zum Internationalen Privatrecht.
Im Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander ist die Brüssel-IIa-Verordnung an die Stelle des Europäischen Sorgerechtsübereinkommens und der Zuständigkeitsregeln des Haager Minderjährigenschutzübereinkommens getreten (Artikel 60 Buchstabe a und d der Brüssel-IIa-Verordnung). Dagegen gelten in den Vertragsstaaten des Minderjährigenschutzübereinkommens, so auch in Deutschland, weiterhin dessen Vorschriften zum Internationalen Privatrecht. Denn die Verordnung regelt dieses Rechtsgebiet nicht (Artikel 62 Absatz 1 der Brüssel-IIa-Verordnung). In den übrigen Mitgliedstaaten der Brüssel-IIa-Verordnung wird das anwendbare Recht nach dem jeweiligen innerstaatlichen Internationalen Privatrecht bestimmt. Die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus Dänemark und aus Staaten, die nicht der Europäischen Gemeinschaft angehören, richtet sich entweder nach dem Europäischen Sorgerechtsübereinkommen oder - im Verhältnis zu Staaten, die diesem Übereinkommen nicht angehören - nach dem innerstaatlichen Recht (§ 16a des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit [FGG] bzw. diese Vorschrift ablösend §§ 108 bis 110 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit [FamFG]).*)
Es fehlt aus deutscher Sicht also zum einen an einheitlichen Regeln über das Internationale Privatrecht im Bereich der elterlichen Verantwortung sowohl innerhalb der Europäischen Gemeinschaft als auch im Verhältnis zu Staaten, die dem Haager Minderjährigenschutzübereinkommen nicht angehören. Zum anderen kann die Brüssel-IIa-Verordnung nicht die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus Nicht-EG-Staaten und Dänemark (im Folgenden: Brüssel-IIa-Drittstaaten) sowie die Zusammenarbeit mit diesen Staaten regeln.
Das Europäische Sorgerechtsübereinkommen, das die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit im Verhältnis zu Brüssel-IIa-Drittstaaten regelt, hat einen engeren sachlichen Anwendungsbereich als das Haager Kinderschutzübereinkommen und ist an vielen Stellen kompliziert ausgestaltet.
III. Vorteile des neuen Übereinkommens
1. Vorteile gegenüber dem Haager Minderjährigenschutzübereinkommen
Das Haager Kinderschutzübereinkommen enthält wesentliche Verbesserungen gegenüber dem Haager Minderjährigenschutzübereinkommen: Die kraft Gesetzes bestehende elterliche Verantwortung fällt unzweideutig in den Anwendungsbereich des Übereinkommens und unterliegt dem Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes. Die internationale Zuständigkeit am gewöhnlichen Aufenthalt hat klaren Vorrang. Die nach Artikel 4 des Haager Minderjährigenschutzübereinkommens unter bestimmten Voraussetzungen vorgesehene konkurrierende Zuständigkeit im Heimatstaat des Kindes entfällt. Die Vorschriften des neuen Übereinkommens sind mit dem Haager Kindesentführungsübereinkommen abgestimmt und sehen auch im Falle einer Kindesentführung vor dass der Staat, in dem das Kind vor der Entführung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, diese Zuständigkeit grundsätzlich behält. Maßnahmen anderer Vertragsstaaten sind kraft Gesetzes anzuerkennen und falls erforderlich für vollstreckbar zu erklären. Die Anerkennung und die Vollstreckbarerklärung dürfen nur aus den im Übereinkommen abschließend aufgezählten Gründen versagt werden. Schließlich stärkt das Übereinkommen die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Behörden durch einen institutionellen und sachlichen Rahmen.
2. Vorteile gegenüber dem Europäischen Sorgerechtsübereinkommen
Das Haager Kinderschutzübereinkommen baut sowohl auf Regeln über die internationale Zuständigkeit als auch über das anzuwendende Recht auf. Dadurch wird zum einen verhindert, dass die Vertragsstaaten Zuständigkeiten beanspruchen die aus der Sicht anderer Staaten als unangemessen erscheinen (sogenannte "exorbitante Zuständigkeiten"). Zum anderen ist sichergestellt, dass jeder Vertragsstaat das auf die elterliche Verantwortung anwendbare Recht nach denselben Regeln bestimmt.
Auf dieser Grundlage konnten die Vorschriften über die Anerkennung und Vollstreckung entsprechender Entscheidungen deutlich einfacher ausgestaltet werden als die Vorschriften des Europäischen Sorgerechtsübereinkommens.
Daher kann das Übereinkommen selbst im Verhältnis zu Staaten, die sowohl dem Europäischen Sorgerechtsübereinkommen als auch dem Haager Kinderschutzübereinkommen angehören Vorteile bringen.
Darüber hinaus wird es Staaten geben, die dem Europäischen Sorgerechtsübereinkommen nicht beitreten wollen oder können, aber durchaus an dem Haager Kinderschutzübereinkommen Interesse haben.
3. Sinnvolle Ergänzung der Brüssel-IIa-Verordnung
Da die Brüssel-IIa-Verordnung die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus und die Zusammenarbeit mit Brüssel-IIa-Drittstaaten naturgemäß nicht regeln kann, bietet das Haager Kinderschutzübereinkommen die Chance, Entscheidungen aus Mitgliedstaaten der Brüssel-IIa-Verordnung in Drittstaaten anzuerkennen und vollstrecken zu lassen und dabei die Hilfe von Zentralen Behörden dieser Staaten in Anspruch zu nehmen.
Umgekehrt werden auch Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union, welche in Brüssel-IIa-Drittstaaten leben die Vertragsstaaten des Haager Kinderschutzübereinkommens sind von dem Übereinkommen Vorteile haben.
Darüber hinaus ergänzt das Haager Kinderschutzübereinkommen die Brüssel-IIa-Verordnung um einheitliche Vorschriften zu dem auf die elterliche Verantwortung anwendbaren Recht.
IV. Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft
Für die Unterzeichnung und Ratifikation des Haager Kinderschutzübereinkommens durch die EG-Mitgliedstaaten besteht eine gemischte Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und der Europäischen Gemeinschaft. Denn das Übereinkommen regelt teilweise Bereiche, in denen die Europäische Gemeinschaft aufgrund der Artikel 61 und 67 des EG-Vertrages bereits tätig geworden ist. Das galt bereits für die Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (Brüssel-II-Verordnung). Erst recht gilt es jedoch für die Brüssel-IIa-Verordnung, deren Regelungsgegenstand mit dem des Haager Kinderschutzübereinkommens teilweise übereinstimmt. Insoweit fällt dieses Übereinkommen nach den Grundsätzen, die der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft (EuGH) in der Rechtssache AETR aufgestellt hat (Urteil vom 30. März 1971, Rechtssache 022/70 - AETR -, Slg. 1971 S. 263, siehe auch Gutachten vom 2. Februar 2006, Gutachten 001/03 (PDF) - Lugano -, Slg. 2006 S. I-1145), in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft (ungeschriebene Außenkompetenz).
Dagegen hat die Europäische Gemeinschaft bislang keine Regeln über das auf die elterliche Verantwortung anwendbare Recht erlassen. Insoweit bleibt es daher bei einer Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Die Zuständigkeit für den Abschluss des Haager Kinderschutzübereinkommens steht daher teils der Europäischen Gemeinschaft, teils den Mitgliedstaaten zu (sogenanntes "gemischtes Übereinkommen", vgl. Begründungserwägung 6 des Beschlusses des Rates vom 5. Juni 2008, ABl. L 151 vom 11. 6. 2008, S. 36).
Daher musste die Unterzeichnung und Ratifikation des Übereinkommens durch die Mitgliedstaaten der Brüssel-IIa-Verordnung durch die Gemeinschaft beschlossen werden. Es gibt allerdings auch Mitgliedstaaten, die das Übereinkommen bereits (zumeist vor ihrem Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft) ratifiziert haben (Tschechische Republik, Ungarn, Lettland, Slowakei, Slowenien) oder ihm beigetreten sind (Bulgarien, Estland, Litauen).
Schon bei den Beratungen über die Verordnung waren sich die Mitgliedstaaten einig, dass die Gemeinschaft auch die Ratifikation des Übereinkommens anstrebt und daher die Regelungen der Brüssel-IIa-Verordnung mit den Regelungen des Übereinkommens kompatibel sein sollten. Die Brüssel-IIa-Verordnung ist deswegen so konzipiert, dass sie eine künftige Ratifikation des Übereinkommens durch alle Mitgliedstaaten der Verordnung bereits berücksichtigt (siehe insbesondere Artikel 61 und 62 der Verordnung).
Die Europäische Gemeinschaft kann dem Übereinkommen allerdings nicht selbst beitreten, da dieses nur Staaten offensteht (Artikel 57 und 58 des Übereinkommens).
Daher ist das Übereinkommen, soweit es in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft fällt, im Interesse der Gemeinschaft zu ratifizieren.
Der Rat der Europäischen Union hat die Mitgliedstaaten (mit Ausnahme Dänemarks, das an der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen nicht teilnimmt) durch die Entscheidung vom 19. Dezember 2002 ermächtigt, das Übereinkommen auch im Interesse der Europäischen Gemeinschaft zu unterzeichnen und zu ratifizieren (ABl. L 48 vom 21. 2. 2003, S. 1). Deutschland hat das Übereinkommen zeitgleich mit 13 anderen EG-Mitgliedstaaten am 1. April 2003 unterzeichnet.
Am 5. Juni 2008 konnte der Rat endlich auch die Ermächtigung zur Ratifikation beschließen (ABl. L 151 vom 11. 6. 2008, S. 36), nachdem die Beschlussfassung mehrere Jahre durch ein bilaterales Problem des Vereinigten Königreichs und Spaniens in Bezug auf Gibraltar blockiert war. Da alle Mitgliedstaaten, die dem Übereinkommen noch nicht angehören, gemeinsam ratifizieren sollen hat man sich darauf geeinigt, dass die innerstaatlichen Gesetzgebungsverfahren zur Vorbereitung der Ratifikation nach Möglichkeit so rechtzeitig abgeschlossen sein sollen, dass die Ratifikationsurkunden bis zum 5. Juni 2010 hinterlegt werden können.
V. Wesentlicher Inhalt des Übereinkommens und Verhältnis zu anderen Rechtsinstrumenten
1. Zielsetzung; Anwendungsbereich
Das Übereinkommen bezweckt einen besseren Schutz von Kindern im internationalen Bereich und eine verbesserte Zusammenarbeit der für Schutzmaßnahmen zuständigen Gerichte und Verwaltungsbehörden.
Der Anwendungsbereich des Übereinkommens umfasst Maßnahmen zum Schutz der Person und des Vermögens des Kindes. Darunter fallen sowohl zivilrechtliche als auch öffentlichrechtliche Schutzmaßnahmen. Artikel 3 enthält eine nicht abschließende, beispielhafte Aufzählung von Schutzmaßnahmen. Änderungen gegenüber dem Anwendungsbereich des Haager Minderjährigenschutzübereinkommens sind damit nicht beabsichtigt.
Artikel 4 stellt klar, dass u. a. Statusentscheidungen einschließlich der Volljährigerklärung, die Adoption, das Namensrecht und Unterhaltspflichten ausgeschlossen sind. Eine inhaltlich, teilweise sogar wörtlich übereinstimmende Bestimmung des Anwendungsbereichs findet man in Artikel 1 Absatz 2 und 3 der Brüssel-IIa-Verordnung.
Denn bei den Beratungen über die Verordnung wurde angestrebt, dass der sachliche Anwendungsbereich beider Rechtsinstrumente im Hinblick auf die elterliche Verantwortung übereinstimmen sollte (vgl. Rn. 48 bis 50 der Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 20. September 2007 in der Rechtssache C-435/06 - C - zum Urteil des EuGH vom 27. November 2007, Slg. 2007 S. I-10141).
Das Übereinkommen ist auf Kinder von der Geburt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres anzuwenden. Diese klare und einheitliche Anknüpfung an ein konkretes Alter des Kindes erleichtert die Rechtsanwendung. Für Erwachsene gilt das Haager Übereinkommen vom 13. Januar 2000 über den internationalen Schutz von Erwachsenen (BGBl. 2007 II S. 323), das für den Schutz von Erwachsenen eigenständige Regelungen enthält und für Deutschland am 1. Januar 2009 in Kraft tritt.
2. Internationale Zuständigkeit
Das Übereinkommen knüpft die internationale Zuständigkeit der Gerichte und Verwaltungsbehörden der Vertragsstaaten an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes (Artikel 5 Absatz 1). Es verstärkt damit den anerkannten Ansatz, dass Schutzmaßnahmen grundsätzlich am gewöhnlichen Aufenthaltsort eines Kindes ergriffen werden sollen weil die Behörden dort am ehesten in der Lage sind, das Wohl des Kindes zu beurteilen. Die Behörden im Heimatstaat des Kindes sind nur noch in eng begrenzten Fällen zuständig. Dies stellt einen erheblichen Fortschritt gegenüber dem Haager Minderjährigenschutzübereinkommen dar das neben der Zuständigkeit der Aufenthaltsbehörden (Artikel 1 des Minderjährigenschutzübereinkommens) auch eine Zuständigkeit der Heimatstaatbehörden vorsieht (Artikel 4 des Minderjährigenschutzübereinkommens).
Artikel 5 des Kinderschutzübereinkommens entspricht im Wesentlichen Artikel 8 Absatz 1 der Brüssel-IIa-Verordnung. Für Flüchtlinge und Kinder, deren gewöhnlicher Aufenthalt nicht festgestellt werden kann, weist Artikel 6 des Kinderschutzübereinkommens die internationale Zuständigkeit den Behörden des Vertragsstaats zu, in dessen Gebiet sich die Kinder (tatsächlich) aufhalten (ähnlich Artikel 13 der Brüssel-IIa-Verordnung).
Das neue Übereinkommen nimmt sich anders als noch das Haager Minderjährigenschutzübereinkommen auch der Problematik der internationalen Kindesentführung an und fördert deren Lösung in Abstimmung mit dem Haager Kindesentführungsübereinkommen, dessen Vorschriften unberührt bleiben. Artikel 7 des Übereinkommens regelt eine Zuständigkeitsfortdauer am Herkunftsort, um zu verhindern, dass der Entführer aus seinem widerrechtlichen Handeln den Vorteil einer Zuständigkeitsveränderung zu seinen Gunsten zieht. Für einen Zuständigkeitswechsel stellt Artikel 7 des Übereinkommens klar umrissene Bedingungen auf. Vergleichbar - aber nicht identisch - ist Artikel 10 der Brüssel-IIa-Verordnung.
Artikel 8 des Übereinkommens gestattet es den Gerichten und Verwaltungsbehörden im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes, einen anderen Vertragsstaat (in Anlehnung an die Lehre vom forum non conveniens des common law) um Übernahme der Zuständigkeit zu bitten. Die Abgabe an einen anderen Staat setzt voraus, dass dieser einen engen Bezug zu dem Verfahren über die elterliche Verantwortung hat und die Zuständigkeit ausdrücklich übernimmt. Umgekehrt kann der Anstoß für eine Übernahme der Zuständigkeit nach Artikel 9 des Übereinkommens auch von den Gerichten des Staates ausgehen, der einen engen Bezug zu dem Sachverhalt aufweist und daher bei den in erster Linie zuständigen Gerichten des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes die Abgabe des Verfahrens beantragt.
Voraussetzung für die Anwendung der Artikel 8 und 9 des Übereinkommens ist jeweils, dass sich die Zuständigkeit des ersuchten Gerichts (Fall des Artikels 8 des Übereinkommens) bzw. des ersuchenden Gerichts (Fall des Artikels 9 des Übereinkommens) jeweils aus Artikel 5 oder 6 des Übereinkommens ergibt (vgl. hierzu Rn. 55, 57 und 58 des Erläuternden Berichts von Professor Paul Lagarde in der Anlage zu dieser Denkschrift). Eine ähnliche Regelung gibt es bereits in Artikel 15 der Brüssel-IIa-Verordnung.
Das Übereinkommen sieht darüber hinaus unter bestimmten Voraussetzungen eine Zuständigkeit des Scheidungsgerichts (Artikel 10), eine Eilzuständigkeit (Artikel 11) und eine Zuständigkeit für einstweilige Anordnungen (Artikel 12) vor. Ähnliche Vorschriften enthalten Artikel 12 Absatz 1 und 2 sowie Artikel 20 der Brüssel-IIa-Verordnung.
Werden nach dem Übereinkommen parallel Verfahren in mehreren Vertragsstaaten eingeleitet, hat das zuerst eingeleitete Verfahren den Vorrang (Artikel 13).
3. Anwendbares Recht
Das Übereinkommen geht, wie schon das Haager Minderjährigenschutzübereinkommen, von dem Grundsatz aus dass die zuständigen Gerichte und Verwaltungsbehörden ihr eigenes Sachrecht anwenden (Artikel 15 Absatz 1). Dieser Grundsatz des Gleichlaufs von internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht muss nach dem Sinn und Zweck des Haager Kinderschutzübereinkommens und der Brüssel-IIa-Verordnung auch dann gelten, wenn sich die Behörde nicht auf eine Zuständigkeit nach Kapitel II des Übereinkommens stützt sondern auf eine Zuständigkeitsvorschrift der
Brüssel-IIa-Verordnung. Zum einen stimmen die Zuständigkeitsregeln der Brüssel-IIa-Verordnung und des Übereinkommens ohnedies weitgehend überein. Zum anderen hat die Europäische Gemeinschaft bewusst keine eigenen Vorschriften zum anwendbaren Recht erlassen; der Rückgriff auf die Regeln des Übereinkommens war daher gewollt (vgl. Artikel 62 Absatz 1 der Verordnung).
Wie sich aus dem Erläuternden Bericht zu dem Übereinkommen ergibt (siehe Anlage zur Denkschrift, Rn. 86 und 88), sollten die Behörden und Gerichte bei Anordnung einer Schutzmaßnahme jeweils ihr eigenes Recht anwenden können um eine möglichst zügige Behandlung des Falls zu ermöglichen. Diesem Ziel entspricht es am besten, wenn das Übereinkommen so ausgelegt wird, dass Artikel 15 Absatz 1 des Übereinkommens auch dann gilt wenn das Gericht eines Mitgliedstaats eine Zuständigkeit nach der Brüssel-IIa-Verordnung wahrnimmt (vgl. Kropholler, in: Festschrift für Peter Schlosser, 2005, S. 449, 456).
Anders als noch nach Artikel 3 des Haager Minderjährigenschutzübereinkommens ist für die Zuweisung der elterlichen Verantwortung kraft Gesetzes das Recht des Staates maßgeblich, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, gleichgültig ob diese Frage im Rahmen der Anordnung einer Schutzmaßnahme relevant wird oder nicht (Artikel 16). Dieses Recht ist auch dann anzuwenden wenn es nicht das Recht eines Vertragsstaats des Übereinkommens ist (Artikel 20). Das Übereinkommen stellt die Anwendung ausländischen Rechts unter den Vorbehalt des ordre public (Artikel 22). Rückverweisungen sind grundsätzlich nicht zu beachten, Weiterverweisungen im Internationalen Privatrecht eines Drittstaats nur in den in Artikel 21 Absatz 2 vorgesehenen Grenzen.
4. Anerkennung und Vollstreckung
Artikel 23 Absatz 1 des Übereinkommens verpflichtet dazu die in den anderen Vertragsstaaten getroffenen Maßnahmen unmittelbar kraft Gesetzes anzuerkennen, also ohne besonderes Anerkennungsverfahren. Nach Artikel 24 des Übereinkommens kann jedoch die Feststellung beantragt werden, dass eine Maßnahme anzuerkennen oder nicht anzuerkennen ist. Die Anerkennung darf nur aus den in Artikel 23 Absatz 2 des Übereinkommens abschließend aufgezählten Gründen versagt werden. Maßnahmen aus anderen Vertragsstaaten, die im ersuchten Staat der Vornahme von Vollstreckungshandlungen bedürfen sind dort auf Antrag in einem einfachen Verfahren für vollstreckbar zu erklären. Auch hierin liegt ein bedeutender Fortschritt gegenüber dem Haager Minderjährigenschutzübereinkommen, das die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von vollstreckungsbedürftigen Maßnahmen (siehe oben) noch dem autonomen Recht des jeweiligen Vollstreckungsstaats überlässt.
Die eigentliche Zwangsvollstreckung richtet sich weiterhin nach nationalem Recht, in Deutschland nach dem Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetz in Verbindung mit dem FamFG.**)
5. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit
Um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu erleichtern sieht Artikel 29 des Übereinkommens - nach dem Vorbild anderer internationalfamilienrechtlicher Übereinkommen der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht - die Einrichtung Zentraler Behörden in jedem Vertragsstaat vor.
Die Zentralen Behörden haben die Pflicht, untereinander eng zusammenzuarbeiten, die Zusammenarbeit der Gerichte und Verwaltungsbehörden zu verbessern sowie über ihr nationales Recht und die danach zulässigen Schutzmaßnahmen zu informieren (Artikel 30). Insbesondere sollen sie die grenzüberschreitende Kommunikation fördern gütliche Einigungen erleichtern, Hilfe bei der Ermittlung des Aufenthaltsorts des Kindes leisten, über dessen Situation Bericht erstatten sowie die eigenen Behörden auffordern, die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen zu prüfen (Artikel 31 und 32). Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist im Einzelnen für das Verfahren zur Unterbringung eines Kindes (Artikel 33), für die Vorbereitungsphase einer Schutzmaßnahme und für die Hilfe bei der Durchführung getroffener Schutzmaßnahmen (Artikel 34 und 35) geregelt.
Im Interesse einer international einheitlichen und einfachen Kostenerhebung stellt Artikel 38 des Übereinkommens klar dass jede Behörde selbst die Kosten der Zusammenarbeit zu tragen hat. Ungeachtet dessen bleibt allerdings eine Gebührenerhebung für erbrachte Dienstleistungen möglich.
VI. Verhältnis zu anderen internationalen Rechtsinstrumenten
Das neue Übereinkommen, das weltweit angelegt ist, ersetzt bzw. ergänzt die auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern bereits vorhandenen internationalen Rechtsinstrumente.
1. Verhältnis zum (sonstigen) Gemeinschaftsrecht
Da die Ratifikation des Übereinkommens teilweise im Interesse der Europäischen Gemeinschaft vorgenommen wird und das Übereinkommen, jedenfalls soweit sich sein Regelungsgegenstand mit dem der Brüssel-IIa-Verordnung deckt Teil des Gemeinschaftsrechts wird, muss die Gemeinschaft dafür sorgen, dass sie ihre durch das Übereinkommen eingegangenen internationalen Verpflichtungen einhält und ihr Sekundärrecht mit dem Übereinkommen in Einklang steht.
Das Übereinkommen erlaubt es den Vertragsstaaten, Sonderregeln in Bezug auf Kinder zu treffen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines solchen Vertragsstaats haben (Artikel 52 Absatz 2 und 4 des Übereinkommens). Diese Regelung (sogenannte "Trennungsklausel") wurde von den EG-Mitgliedstaaten bei den Verhandlungen zu dem Übereinkommen durchgesetzt.
Die Brüssel-IIa-Verordnung macht von dieser Trennungsklausel Gebrauch und findet dementsprechend in ihrem Anwendungsbereich für die EG-Mitgliedstaaten (außer Dänemark) vorrangig Anwendung, sofern das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat der Brüssel-IIa-Verordnung hat (Artikel 61 Buchstabe a der Brüssel-IIa-Verordnung). Infolgedessen richtet sich die internationale Zuständigkeit nach der Verordnung, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland oder einem anderen Mitgliedstaat der Brüssel-IIa-Verordnung hat. Hält sich dagegen ein deutsches Kind z.B. gewöhnlich in Australien auf, wo das Kinderschutzübereinkommen bereits in Kraft getreten ist, so könnte ein deutsches Gericht in Anwendung des Artikels 9 in Verbindung mit Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe a des Übereinkommens bei den australischen Behörden beantragen, das Verfahren zu übernehmen. Ebenso könnte, falls Deutschland nach der Brüssel-IIa-Verordnung (oder aufgrund einer Restzuständigkeit nach nationalem Recht) für die Scheidung international zuständig ist, Artikel 10 des Haager Kinderschutzübereinkommens eine internationale (Verbund-)Zuständigkeit für eine im Rahmen des Scheidungsverfahrens anhängig gemachte Kindschaftssache eröffnen.
Dagegen bestimmt sich das anwendbare Recht unabhängig vom gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes nach dem Haager Kinderschutzübereinkommen; denn hierzu enthält die Brüssel-IIa-Verordnung - wie bereits erläutert - keine Regelungen.
Die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus einem Mitgliedstaat der Brüssel-IIa-Verordnung in einem anderen Mitgliedstaat der Verordnung richtet sich unabhängig vom gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes nach den Vorschriften der Verordnung (Artikel 61 Buchstabe b der Brüssel-IIa-Verordnung). Das Übereinkommen lässt dies im Ergebnis zu. Denn es gestattet zwar nicht die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus anderen Vertragsstaaten aus Gründen zu versagen die nach dem Übereinkommen nicht vorgesehen sind. Umgekehrt lässt es aber zu, dass eine Entscheidung anerkannt oder vollstreckt wird, obwohl ein Anerkennungshindernis gegeben wäre; die Berufung auf Anerkennungshindernisse ist also nicht zwingend (siehe Artikel 23 Absatz 2 des Übereinkommens: "Die Anerkennung kann jedoch versagt werden, ..."; siehe auch den Hinweis in Rn. 121 des Erläuternden Berichts von Professor Paul Lagarde in der Anlage zu dieser Denkschrift).
Hierzu haben die Mitgliedstaaten der Brüssel-IIa-Verordnung bei der Zeichnung des Übereinkommens eine Interpretationserklärung abgegeben bzw. werden dies bei der Ratifikation nachholen. Die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus sonstigen Vertragsstaaten des Übereinkommens (Brüssel-IIa-Drittstaaten) in einem Mitgliedstaat der Brüssel-IIa-Verordnung unterliegt dagegen den Vorschriften des Übereinkommens.
Für die Zusammenarbeit der Behörden dürfte das Übereinkommen immer dann gelten, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Brüssel-IIa-Drittstaat hat der Vertragsstaat des Übereinkommens ist, selbst wenn der Ansprechpartner durch die Brüssel-IIa-Verordnung gebunden ist (so der Wortlaut des Artikels 61 der Verordnung).
2. Verhältnis zum Haager Minderjährigenschutzübereinkommen von 1961
Im Verhältnis zwischen den Vertragsstaaten beider Übereinkommen löst das neue Übereinkommen das Haager Minderjährigenschutzübereinkommen ab (Artikel 51 des Haager Kinderschutzübereinkommens). Das bedeutet aber auch, dass beispielsweise Artikel 3 und 4 des Haager Minderjährigenschutzübereinkommens nach wie vor zu beachten sind, wenn das Kind einem Vertragsstaat des Minderjährigenschutzübereinkommens angehört, der nicht Vertragsstaat des Haager Kinderschutzübereinkommens ist.
3. Verhältnis zum Haager Kindesentführungsübereinkommen von 1980
Das Haager Kindesentführungsübereinkommen bleibt durch das neue Übereinkommen unberührt (Artikel 50 des Haager Kinderschutzübereinkommens). Es ist ein Rechtshilfeübereinkommen, das in erster Linie der sofortigen Rückführung des Kindes nach einer Kindesentführung in den Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts dient.
Einer Berufung auf die Bestimmungen des Haager Kinderschutzübereinkommens, um die Rückgabe des Kindes zu erreichen, steht jedoch auch nichts entgegen.
4. Verhältnis zum Europäischen Sorgerechtsübereinkommen von 1980
Das Europäische Sorgerechtsübereinkommen regelt die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen zum Sorge- und Umgangsrecht. Es hat grundsätzlich Vorrang vor dem Haager Kinderschutzübereinkommen, soweit die Vertragsstaaten im Verhältnis zueinander keine Erklärung nach Artikel 52 Absatz 1 des Haager Kinderschutzübereinkommens und keine Notifizierung nach Artikel 20 Absatz 2 des Europäischen Sorgerechtsübereinkommens abgeben. Allerdings ist es nach Artikel 19 des Europäischen Sorgerechtsübereinkommens immer möglich die Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung, die nach dem Sorgerechtsübereinkommen nicht anerkannt werden muss, nach anderen Vorschriften zu bewirken. Daher kann die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung auch nach dem Haager Kinderschutzübereinkommen vorgenommen werden.
VII. Inkrafttreten und internationale Akzeptanz des Übereinkommens
Das Übereinkommen ist am 1. Januar 2002 nach der Ratifikation durch Monaco, die Slowakei und die Tschechische Republik in Kraft getreten. Über den Kreis dieser Staaten hinaus hat das Übereinkommen bereits weitere Vertragsstaaten gewonnen (Albanien, Armenien, Australien, Bulgarien, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Marokko, Slowakei und Slowenien). Die angestrebte Ratifikation durch alle EG-Mitgliedstaaten dürfte die internationale Akzeptanz des Übereinkommens weiter erhöhen.
Nach seinem Artikel 61 Absatz 2 tritt das Übereinkommen für Deutschland am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf den Ablauf eines Vierteljahres nach Hinterlegung der Ratifikationsurkunde folgt. Angestrebt wird eine Ratifikation bis zum 5. Juni 2010, sodass das Übereinkommen spätestens zum 1. Oktober 2010 in Kraft treten würde.
Nach Artikel 53 des Haager Kinderschutzübereinkommens ist es auf Maßnahmen anzuwenden, die in Deutschland nach seinem Inkrafttreten für die Bundesrepublik Deutschland getroffen werden. Es gilt für die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen, die getroffen wurden, nachdem es im Verhältnis zwischen Deutschland und dem betroffenen anderen Vertragsstaat in Kraft getreten ist. Von darüber hinausgehenden Übergangsvorschriften in diesem Entwurf wurde abgesehen.
Im Zweifel können dem Artikel 5 Absatz 2 und dem Artikel 13 hinsichtlich der gerichtlichen Zuständigkeit sowie dem Artikel 16 Absatz 3 und 4 des Übereinkommens sowie dem allgemeinen Prozessrecht die erforderlichen Anhaltspunkte für den Umgang mit Übergangsfällen entnommen werden.
B. Besonderes
I. Vorbehalte
Nach Artikel 54 Absatz 1 des Übereinkommens sind Mitteilungen an die Zentrale Behörde oder eine andere Behörde eines Vertragsstaats grundsätzlich in ihrer Originalsprache mit einer Übersetzung in die Amtssprache des ersuchten Staates zu übersenden, hilfsweise - wenn eine solche Übersetzung nur schwer erhältlich ist - mit einer Übersetzung in die englische oder französische Sprache. Artikel 54 Absatz 2 des Übereinkommens gestattet die Einlegung eines Vorbehalts gegen die Verwendung einer der beiden Sprachen Englisch oder Französisch.
Deutschland soll sich bei der Ratifikation des Übereinkommens vorbehalten dass die Zentrale Behörde oder eine andere deutsche Behörde Mitteilungen, die lediglich in französischer Sprache abgefasst oder von einer französischen Übersetzung begleitet sind, zurückweisen darf (Artikel 54 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 60 des Übereinkommens). Von einer Beschränkung auf das Englische als zulässige Fremdsprache sind erhebliche Verwaltungsvereinfachungen und Kosteneinsparungen zu erwarten. Nach der Ratifikation kann der Vorbehalt nicht mehr eingelegt werden.
Sonstige Vorbehalte einzulegen, ist dagegen nicht erforderlich.
Die Regeln des Übereinkommens erscheinen vollkommen befriedigend, sodass von ihnen nicht abgewichen werden sollte.
II. Sonstiges
Die deutsche Übersetzung des Übereinkommens ist mit Österreich und der Schweiz abgestimmt und entspricht dem als Anlage zum Beschluss des Rates vom 5. Juni 2008 veröffentlichten Text (ABl. L 151 vom 11. 6. 2008, S. 36).
Einzelheiten zur Entstehung des Übereinkommens sowie zum Inhalt der einzelnen Vorschriften enthält der Erläuternde Bericht von Professor Paul Lagarde vom 15. Januar 1997, der dieser Denkschrift in deutscher Übersetzung als Anlage beigefügt ist.
Da das Übereinkommen, soweit es in die Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft fällt, Teil des Gemeinschaftsrechts wird ist der EuGH zur Auslegung des Übereinkommens nach Artikel 68 in Verbindung mit Artikel 234 EG-Vertrag berufen.
Hinsichtlich der Umsetzung des Übereinkommens in das deutsche Recht wird auf die Begründung zu dem gleichzeitig vorgelegten Entwurf eines Ausführungsgesetzes verwiesen.
- *) Das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtbarkeit (FamFG) nach Artikel 1 des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-RG) tritt am 1. September 2009 in Kraft.
- **) Das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtbarkeit (FamFG) nach Artikel 1 des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-RG) tritt am 1. September 2009 in Kraft.
Anlage zur Denkschrift
Erläuternder Bericht zu dem Übereinkommen vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern
(Übersetzung)
- 1 Dieses Übereinkommen findet seinen Ursprung in der am 29. Mai 1993 von den bei der Siebzehnten Tagung der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht vertretenen Staaten getroffenen Entscheidung, "die Revision des Übereinkommens vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen und die etwaige Ausdehnung des Anwendungsbereichs des neuen Übereinkommens auf den Schutz volljähriger geschäfts- und handlungsunfähiger Personen auf die Tagesordnung der Achtzehnten Tagung zu setzen"1). In Durchführung dieser Entscheidung berief das Ständige Büro der Konferenz eine Spezialkommission ein, die drei Sitzungen abhielt: vom 26. Mai bis zum 3. Juni 1994, dann vom 6. bis zum 17. Februar 1995, schließlich vom 11. bis zum 22. September 1995. Diese Spezialkommission arbeitete einen Vorentwurf des Übereinkommens aus, der mit dem ihm beigefügten Bericht2) als Diskussionsgrundlage für die Arbeiten der Achtzehnten Tagung der Konferenz, die vom 30. September bis zum 19. Oktober 1996 in Den Haag abgehalten wurde, gedient hat.
Die Achtzehnte Tagung der Konferenz hat die Ausarbeitung des Übereinkommens ihrer Zweiten Kommission übertragen, die 26 Sitzungen abgehalten hat. Neben den Delegierten von 35 Mitgliedstaaten der Konferenz nahmen Beobachter aus 15 weiteren Staaten, von 8 zwischenstaatlichen Organisationen und 9 nichtstaatlichen Organisationen an den Verhandlungen teil.
Die Kommission hat den deutschen Sachverständigen Herrn K.J. Pirrung als Vorsitzenden, den irischen Sachverständigen Herrn W.R. Duncan und die Sachverständige der Vereinigten Staaten Frau G.F. DeHart als stellvertretende Vorsitzende bestimmt, die diese Funktionen bereits in der Spezialkommission innehatten. Sie hat auch den französischen Sachverständigen Herrn P. Lagarde in seinem Amt als Berichterstatter bestätigt. Im Verlauf der Tagung sind ein Redaktionsausschuss unter dem Vorsitz von Herrn W.R. Duncan3) und eine Gruppe zur Prüfung der Bundesstaatsklauseln unter dem Vorsitz der spanischen Sachverständigen Frau Alegría Borrás4) ins Leben gerufen worden.
Die Arbeiten der Zweiten Kommission sind in hohem Maße durch die maßgeblichen Vorbereitenden Dokumente5) und die Beiträge des stellvertretenden Generalsekretärs Herrn Adair Dyer, der die wissenschaftliche Leitung des Sekretariats übernommen hat, erleichtert worden.
- 2 Dieser Bericht befasst sich mit dem Entwurf des Übereinkommens über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern, den die bei der Vollversammlung vom 18. Oktober 1996 vertretenen Mitgliedstaaten einstimmig angenommen haben. Dieser Wortlaut ist unmittelbar nach der Unterzeichnung der Schlussakte der Achtzehnten Tagung am 19. Oktober 1996 für die Staaten zur Unterzeichnung aufgelegt und noch an diesem Tag von Marokko unterzeichnet worden. Daher handelt es sich heute um ein Übereinkommen, welches das Datum seiner ersten Unterzeichnung trägt.
Allgemeiner Rahmen, wesentliche Ausrichtung und Gliederung des Übereinkommens
- 3 Der Schutz gefährdeter Kinder lag der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht stets am Herzen. Ohne auf das Übereinkommen aus dem Jahr 1902 zur Regelung der Vormundschaft über Minderjährige6) zurückzugehen, sind in Bezug auf die erste Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg die Übereinkommen über die Unterhaltspflicht gegenüber Kindern vom 24. Oktober 1956 und 15. April 1958, überarbeitet und erweitert durch die Übereinkommen vom 2. Oktober 1973, das Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen und das Übereinkommen vom 15. November 1965 über die Zuständigkeit der Behörden, das anzuwendende Recht und die Anerkennung von Adoptionen in Erinnerung zu rufen. In jüngerer Zeit hat die Konferenz erfolgreich dieses Werk zum Schutz der Kinder fortgesetzt: annähernd fünfzig Staaten haben das Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung bereits ratifiziert oder sind ihm beigetreten, und das Übereinkommen vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption, das etwa ein Dutzend Staaten bereits ratifiziert und außerdem etwa fünfzehn unterzeichnet haben, ist am 1. Mai 1995 in Kraft getreten. Inzwischen hat das Inkrafttreten des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes in 187 Staaten (im Juni 1996) die Revision zahlreicher innerstaatlicher Rechtsvorschriften und internationaler Übereinkünfte, deren Lösungen mit den neuen Grundsätzen nicht in Einklang stehen, erforderlich gemacht.
Die Revision des Übereinkommens vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen ist in diesem allgemeinen Zusammenhang zu sehen. Sie hat auch noch spezifischere Gründe, die mit dem verhältnismäßig geringen Erfolg dieses Übereinkommens und den im Verlauf mehr als 20jähriger Anwendung zutage getretenen Unzulänglichkeiten zusammenhängen.
- 4 Trotz der Ratifikationen oder Beitritte in jüngerer Zeit durch Spanien (1987), Polen (1993) und Italien (1995) ist das Übereinkommen von 1961 erst zwischen elf Staaten7) in Kraft, die sich alle mit Ausnahme von Polen und der Türkei in Westeuropa befinden. Das Übereinkommen hat ungeachtet seiner geographischen Beschränkung zumindest in den älteren Vertragsstaaten zu einer sehr umfangreichen Rechtsprechung8) geführt, was als Zeichen für eine häufige Anwendung des Übereinkommens und folglich für den tatsächlichen Bedarf, dem es Rechnung trägt, jedoch auch als Zeichen für einige Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Umsetzung oder Auslegung zu werten ist. Arbeiten aus jüngerer Zeit, die im Lauf der Erörterungen der Spezialkommission und der Achtzehnten Tagung häufig angeführt wurden, haben einige Mängel des Übereinkommensherausgestellt und Reformvorschläge9) vorgelegt, die teilweise aufgegriffen wurden.
- 5 Eine der Hauptschwierigkeiten, die das Übereinkommen von 1961 bereitet hat, rührt daher, dass es auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen die konkurrierende Zuständigkeit der Behörden des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes und derjenigen seiner Staatsangehörigkeit (Artikel 1 und 4) ohne Berücksichtigung der Behörden des Staates, in dem das Kind anwesend oder sein Vermögen belegen ist (Artikel 8), geregelt und dass es im Konfliktfall den Behörden des Staates den Vorrang gegeben hat, dem das Kind angehört (Artikel 4 Abs. 4). Diese Lösung hat zwei Kategorien von Nachteilen zum Vorschein gebracht. Einerseits haben die Behörden der Staatsangehörigkeit gelegentlich Entscheidungen getroffen, die von den Behörden des gewöhnlichen Aufenthalts des Minderjährigen, die diesem prinzipiell viel näher stehen und häufig seine Lage und seine Bedürfnisse viel besser beurteilen können, nicht bedenkenlos angenommen wurden; andererseits hat im sehr oft auftretenden Fall eines Minderjährigen mit zwei Staatsangehörigkeiten der Konflikt zwischen den Behörden eines jeden der Staaten, dessen Staatsangehörigkeit der Minderjährige hatte, die Lähmung des Übereinkommens bewirkt.10)
Eine weitere Schwierigkeit ergab sich aus der unscharfen Bedeutung von Artikel 3 über das Gewaltverhältnis kraft Gesetzes (Kollisionsnorm oder Anerkennungsnorm) und der problematischen Formulierung des auf dieses Verhältnis anzuwendenden innerstaatlichen Rechts und des grundsätzlich auf die Schutzmaßnahmen anzuwendenden Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts11). Zu diesen Kritikpunkten kam hinzu, dass die vom Übereinkommen vorhergesehene Zusammenarbeit zwischen Behörden schlecht funktionierte und Bestimmungen fehlten über die Vollstreckung von Schutzmaßnahmen in einem Vertragsstaat, die in einem anderen getroffen worden sind. 6 Die Konferenz hat sich bemüht, diesen Einwänden Rechnung zu tragen. Das neue Übereinkommen ist gegenüber dem von 1961 ausgebaut, auch besser strukturiert und hoffentlich verständlicher formuliert. Es umfasst 63 Artikel (gegenüber 25 in dem Übereinkommen von 1961), die in die sieben folgenden Kapitel aufgeteilt sind: Anwendungsbereich des Übereinkommens;
Zuständigkeit; anzuwendendes Recht;
Anerkennung und Vollstreckung;
Zusammenarbeit; allgemeine Bestimmungen, Schlussbestimmungen.
Kapitel I (Artikel 1 bis 4) bestimmt die Zielsetzung des Übereinkommens und die Kinder, auf die es Anwendung findet, es zählt ziemlich umfassend Beispiele für Schutzmaßnahmen auf, die in den Bereich des Übereinkommens fallen, und nennt die von ihm ausgeschlossenen Bereiche.
Kapitel II über die Zuständigkeit bringt im Vergleich zu dem Übereinkommen von 1961 viele Neuerungen. Die Grundidee besteht darin, dass die Vertragsstaaten eine erhebliche Einschränkung der Zuständigkeit ihrer Behörden akzeptieren. Das neue Übereinkommen will grundsätzlich jegliche Konkurrenz der Behörden verschiedener Staaten beim Ergreifen von Maßnahmen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes aus dem Weg räumen.
Die zuständigen Behörden sind grundsätzlich die Behörden des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes (Artikel 5), vorbehaltlich der wesentlichen Spezifizierungen, die für den Fall hinzugefügt wurden, dass ein ständiger Aufenthalt fehlt (Artikel 6) oder das Kind widerrechtlich verbracht worden ist (Artikel 7). Zwar können die Behörden anderer Staaten in bestimmten Fällen veranlasst werden, sich am Schutz des Kindes zu beteiligen (Artikel 8 und 9); doch hat dies stets - mit Ausnahme eines vorübergehenden dringenden Falles oder des Falles, in dem auf ein bestimmtes Hoheitsgebiet beschränkte Maßnahmen getroffen werden (Artikel 11 und 12) - im Einvernehmen oder auf Antrag der Behörden des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes zu geschehen. Dies trifft insbesondere für die Behörden des Staates, dem das Kind angehört, zu, deren Zuständigkeit wie im Übrigen die Zuständigkeit eines jeden anderen Staates, zu dem das Kind eine enge Verbindung hat, nur noch unter der Kontrolle der Behörden des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes ausgeübt werden kann. Auf diese Weise werden meistens mit einem Schlag die Risiken im Zusammenhang mit der doppelten Staatsangehörigkeit des Kindes aus dem Weg geräumt. Im Falle der Scheidung der Eltern des Kindes verhält es sich jedoch anders. Im Unterschied zu dem Vorentwurf der Spezialkommission lässt das Übereinkommen tatsächlich eine konkurrierende Zuständigkeit des Gerichtsstands der Ehescheidung unter recht eng gefassten Voraussetzungen zu, um Maßnahmen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes zu treffen (Artikel 10).
Kapitel III über das anzuwendende Recht greift in abgemilderter Form den Grundsatz des Übereinkommens von 1961 auf, demzufolge jede Behörde, die eine Schutzmaßnahme trifft, ihr innerstaatliches Recht anwendet (Artikel 15). In diesem Kapitel finden sich ebenfalls die Bestimmungen über das gesetzliche Gewaltverhältnis (Artikel 16 bis 18). Das Übereinkommen klärt und aktualisiert den Begriff, indem es von der Zuweisung und dem Erlöschen der elterlichen Verantwortung kraft Gesetzes spricht. Vor allem unterstellt es sie dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes (und nicht mehr dem Recht des Staates, dem es angehört); auf diese Weise wird das auf die elterliche Verantwortung und die Schutzmaßnahmen anzuwendende Recht vereinheitlicht. Dieses Kapitel strebt schließlich eine Lösung für die Folgen des Verbringens eines Kindes in Bezug auf das auf die elterliche Verantwortung anzuwendende Recht (Statutenwechsel) an.
Kapitel IV (Artikel 23 bis 28) enthält eine eingehende Regelung der Anerkennung und Vollstreckung von Schutzmaßnahmen in einem Vertragsstaat, die in einem anderen Vertragsstaat getroffen wurden; diese Regelung fehlte im Übereinkommen von 1961. Es unterscheidet eindeutig die Anerkennung, die Vollstreckbarerklärung oder Registrierung zwecks Vollstreckung und die Vollstreckung. Die auffälligsten Bestimmungen sind Artikel 23, der - erschöpfend - die Gründe für die Nichtanerkennung aufzählt, und Artikel 24, der die Zulässigkeit einer Klage auf Anerkennung oder Nichtanerkennung einer Schutzmaßnahme ermöglicht.
Kapitel V führt die Zusammenarbeit zwischen Vertragsstaaten ein, die ebenfalls in dem Übereinkommen von 1961 fehlte. Diese Zusammenarbeit beruht, dem Beispiel zahlreicher anderer Haager Übereinkünfte folgend, auf der Einrichtung einer Zentralen Behörde in jedem Vertragsstaat (Artikel 29), deren Verpflichtungen und Befugnisse in den Artikeln 30 bis 38 festgelegt sind.
Kapitel VI (Artikel 40 bis 56) enthält insbesondere einige allgemeine Bestimmungen, welche die Durchführung (Artikel 40) und die weitere Anwendung (Artikel 56) des Übereinkommens erleichtern sowie die Vertraulichkeit der gemäß seinen Bestimmungen gesammelten Daten und Informationen schützen sollen (Artikel 41 und 42). Es regelt auch die Anwendung des Übereinkommens hinsichtlich von Staaten mit verschiedenen Rechtssystemen (Artikel 46 bis 49), seine zeitliche Anwendung (Artikel 53), die Kollisionen mit anderen Übereinkommen (Artikel 50 bis 52) und die zulässigen Vorbehalte (Artikel 55).
Kapitel VII (Artikel 57 bis 63) enthält die üblichen Schlussbestimmungen der Haager Übereinkünfte.
Kommentar zum Übereinkommen
- Artikel für Artikel -
Überschrift des Übereinkommens
- 7 Die Überschrift "Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern" greift die vier maßgeblichen Kapitel des Übereinkommens auf und gibt keinen Anlass zu Verwirrung. Einige Delegationen hätten eine kürzere und elegantere Überschrift, nämlich die von der Spezialkommission vorgeschlagene: "Übereinkommen über den Schutz von Kindern" bevorzugt, jedoch war diese Formulierung bereits in dem Übereinkommen vom 29. Mai 1993 über die Adoption enthalten und wäre insofern zweideutig gewesen, als sie den Eindruck hätte entstehen lassen können, dass das Übereinkommen materiellrechtliche Fragen behandele.
Präambel
- 8 Die für eine Haager Übereinkunft recht lange Präambel12) ist ein Kompromiss zwischen den Delegationen, die eine kurze Präambel wünschten, die nur das Ziel des Übereinkommens nennt und dieses als Folge des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes sieht, und denjenigen, die in der Präambel bestimmte Grundsätze des zuletzt genannten Übereinkommens ausführlicher nennen wollten, auf die Gefahr hin, dass die eigentliche Zielsetzung des auszuarbeitenden Übereinkommens, bei dem es sich um ein Übereinkommen des Internationalen Privatrechts und nicht des materiellen Rechts handelt, missverstanden wird. Die drei ersten Absätze der Präambel tragen der ersten Bestrebung Rechnung und nennen den Bereich und die Zielsetzung des Übereinkommens. Der vierte Absatz spiegelt die zweite Bestrebung wider, indem er darauf hinweist, dass das Wohl des Kindes vorrangig zu berücksichtigen ist, wobei dieser Begriff im Übrigen mehrfach in dem Übereinkommen selbst Erwähnung findet. Der fünfte Absatz stellt das Übereinkommen in die Kontinuität der früheren Arbeiten der Haager Konferenz, indem er das Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 anführt, das einer Überarbeitung bedurfte, und der letzte Absatz nimmt auf das vorerwähnte Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes Bezug.
Kapitel I Anwendungsbereich des Übereinkommens
Artikel 1 (Ziel des Übereinkommens13))
Absatz 1
- 9 Dieser Absatz beschreibt das Ziel des Übereinkommens und stellt in gewisser Weise ein Inhaltsverzeichnis des Übereinkommens dar.
Buchstabe a
- 10 Das Übereinkommen bestimmt den Staat, dessen Behörden zuständig sind, jedoch nicht die zuständigen Behörden selbst, bei denen es sich um Gerichte oder Verwaltungsbehörden handeln kann und die ihren Sitz an dem einen oder anderen Ort des Hoheitsgebiets dieses Staates haben können. In der Ausdrucksweise des internationalen Verfahrensrechts würde man sagen, dass das Übereinkommen die internationale Zuständigkeit, nicht aber die innerstaatliche Zuständigkeit bestimmt.
Bereits in diesem ersten Absatz stellt das Übereinkommen klar, dass es sich mit dem Schutz des Kindes und seines Vermögens befasst. Die Spezialkommission hat die Entscheidung, sich mit dem Vermögen des Kindes zu befassen, getroffen, nachdem sie die Erläuterungen von Frau Revillard, Juristin im CRIDON in Lyon, gehört hatte, die das Ständige Büro als Sachverständige zu Rate gezogen hatte.
Diese hatte anhand zahlreicher Fälle aus der notariellen Praxis gezeigt, dass es zweckmäßig ist, über genaue Vorschriften für die Bestimmung und die Befugnisse des gesetzlichen Vertreters des Kindes bei der Verwaltung des in einem fremden Staat belegenen Vermögens zu verfügen, insbesondere wenn es darum geht, die Auseinandersetzung des dem Kind zugefallenen Erbes sicherzustellen.
Die Achtzehnte Tagung hat diese Entscheidung bestätigt, musste jedoch dem etwaigen Wunsch des Staates, in dessen Hoheitsgebiet Vermögen eines Kindes belegen ist, Rechnung tragen, sich die Zuständigkeit seiner Behörden vorzubehalten, Maßnahmen zum Schutz dieses gesamten Vermögens oder eines Teils davon zu treffen. Daher wurde in diesem Sinn in Artikel 55 ein Vorbehalt vorgesehen, der es diesem Staat auch erlaubt, "sich vorzubehalten, die elterliche Verantwortung oder eine Maßnahme nicht anzuerkennen, soweit sie mit einer von seinen Behörden in Bezug auf dieses Vermögen getroffenen Maßnahme unvereinbar ist".
- 11 Der Vorentwurf enthält hingegen keine Bestimmungen über den Schutz volljähriger geschäfts- und handlungsunfähiger Personen. Die schweizerische Delegation hatte der Spezialkommission zwei Dokumente vorgelegt, die verdeutlichten, dass das Problem formal entweder so behandelt werden könnte, dass in einem allgemeinen Übereinkommen über den Schutz der Person ein eigenes Kapitel für Volljährige hinzugefügt würde, oder die Frage in einem gesonderten Übereinkommen geregelt würde, indem das Übereinkommen über den Schutz von Minderjährigen mit den erforderlichen Anpassungen wiederholt würde. Die Achtzehnte Tagung hat die Auffassung vertreten, dass die Frage des Schutzes Volljähriger einer eingehenden Untersuchung bedürfe, und beschlossen, sie auf die Tagesordnung der Neunzehnten Tagung zu setzen.14)
Buchstaben b und c
- 12 Diese beiden Absätze kündigen die Bestimmungen von Kapitel III über das anzuwendende Recht an. Dadurch, dass das Übereinkommen schon in Artikel 1 die Bestimmung des auf die elterliche Verantwortung anzuwendenden Rechts erwähnt, weist es darauf hin, dass es sich bei der diesbezüglichen Vorschrift (Artikel 16) um eine Kollisionsnorm und nicht um eine einfache Anerkennungsvorschrift handelt.
Buchstaben d und e
- 13 Diese beiden Absätze sind klar formuliert und bedürfen keiner weiteren Erläuterung. Sie kündigen die Kapitel IV (Anerkennung und Vollstreckung) und V (Zusammenarbeit) des Übereinkommens an.
Absatz 2
- 14 Der Ausdruck "elterliche Verantwortung" ist in Anlehnung an das Übereinkommen über die Rechte des Kindes (Artikel 18) an die Stelle des in dem Übereinkommen von 1961 verwendeten Ausdrucks "Gewaltverhältnis" getreten. Dieser Begriff der elterlichen Verantwortung, der bereits in dem Haager Übereinkommen vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption15) Verwendung fand, schien einigen Delegationen, die eine möglichst vollständige Definition gewünscht hätten, nicht genau genug zu sein.
Artikel 1 Abs. 2 strebt daher an, diesen Begriff der elterlichen Verantwortung klar zu definieren. Die Erörterungen hierüber haben gezeigt, dass ihn nicht alle Delegationen in der gleichen Weise verstanden haben. Die gelieferte Definition ist weit gefasst. Sie umfasst gleichzeitig die Verantwortung für die Person des Kindes, die Verantwortung für sein Vermögen und allgemein die gesetzliche Vertretung des Kindes, wie auch immer diese Einrichtung genannt werden mag: elterliche Verantwortung, elterliche Gewalt, väterliche Gewalt, aber auch Vormundschaft, Pflegschaft, Vermögenssorge, custody, guardianship. Bei den Rechten und Pflichten, auf die Bezug genommen wird, handelt es sich um diejenigen, die dem Vater und der Mutter kraft Gesetzes obliegen, um ihre Kinder aufzuziehen und ihre Entwicklung sicherzustellen,16) sei es Sorge, Erziehung, Bestimmung des Aufenthalts, Überwachung der Person des Kindes, insbesondere seiner Beziehungen. Der Begriff Befugnisse bezieht sich mehr auf die Vertretung des Kindes. Diese Verantwortung wird normalerweise von den Eltern ausgeübt; jedoch kann sie auch ganz oder teilweise durch Dritte unter den vom innerstaatlichen Recht festgelegten Bedingungen im Fall des Todes, der Geschäfts- und Handlungsunfähigkeit, Untauglichkeit oder Unwürdigkeit der Eltern oder im Fall des Verlassens des Kindes durch seine Eltern ausgeübt werden.
Artikel 2 (Kinder, auf die das Übereinkommen anzuwenden
ist)
- 15 Dieser Artikel legt fest, auf welche Kinder das Übereinkommen anzuwenden ist. Statt seine Anwendung auf "Minderjährige" zu bestimmen, was die Ausarbeitung einer besonderen Kollisionsnorm erfordert hätte, um das auf die Definition dieses Begriffs anzuwendende Recht zu bestimmen,17) ist in Artikel 2 der Begriff "Kinder" gewählt worden, wobei unmittelbar darauf hingewiesen wird, dass "das Übereinkommen auf Kinder von ihrer Geburt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres anzuwenden ist". Ausgangspunkt ist demnach die Geburt und nicht die Empfängnis des Kindes. Im Verlauf der Erörterungen der Spezialkommission hätten es einige Delegationen und insbesondere die Union des Lateinischen Notariats gern gesehen, wenn sich das Übereinkommen - zumindest hinsichtlich des Schutzes des Vermögens des Kindes - auch auf die Leibesfrucht erstrecken würde. Die Diskussion lebte in der Diplomatischen Konferenz wieder auf, als eine Delegation vorschlug, den Satzteil "von ihrer Geburt" zu streichen, um es den Staaten, die es gewünscht hätten, zu ermöglichen, das Übereinkommen bereits auf die Leibesfrucht anzuwenden. Dieser Vorschlag wurde mit einer sehr großen Mehrheit (21 Ja-Stimmen gegen 5 Nein-Stimmen bei einer Enthaltung) abgelehnt. Durch die Anwendung des Übereinkommens daher nur auf Kinder von ihrer Geburt an sollte vermieden werden, zu dem dahinter verborgenen ethischen Problem der Rechtmäßigkeit freiwilliger Schwangerschaftsunterbrechung und der internationalen Rechtsstellung des Embryos Stellung zu nehmen. Jedem Staat steht es weiterhin frei, nach seinem allgemeinen Recht Maßnahmen zum Schutz der Leibesfrucht zu ergreifen, und den anderen Staaten steht es frei, solche Maßnahmen anzuerkennen. Das Übereinkommen übt folglich in dieser heiklen Frage sehr große Zurückhaltung und überlässt es einerseits den Vertragsstaaten, ihre eigenen Vorstellungen umzusetzen, weigert sich jedoch, sie zur Anerkennung der Auffassungen der anderen Vertragsstaaten zu verpflichten.
- 16 Das Übereinkommen ist anzuwenden, bis das Kind das 18. Lebensjahr vollendet hat. Dies bedeutet nicht, dass das Übereinkommen die Volljährigkeit in allen Vertragsstaaten aufgrund einer materiellen Vorschrift auf 18 Jahre festlegt. Durch den Wortlaut wird lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die im Übereinkommen enthaltenen Zuständigkeitsvorschriften, Kollisionsnormen usw. für Kinder bis zu diesem Alter gelten, selbst in dem Fall, in dem sie aufgrund des für ihre Person maßgeblichen Rechts vorher geschäfts- und handlungsfähig geworden sein sollten, entweder weil die Volljährigkeit nach diesem Recht auf unter 18 Jahre festgelegt ist, was wohl eher die Ausnahme sein dürfte,18) oder sie - was wahrscheinlicher ist - insbesondere infolge einer Eheschließung für mündig erklärt worden sind.
Wenn die nach dem Übereinkommen zuständige Behörde feststellt, dass das Kind nach dem Recht, das die Rechtsund Geschäftsfähigkeit nach ihrem Internationalen Privatrecht regelt, volljährig oder mündig ist, entscheidet sie nach eigenem Ermessen, ob eine Schutzmaßnahme dennoch geboten ist. Hier handelt es sich um eine Frage des materiellen Rechts, die nicht unmittelbar auf den Bestimmungen des Übereinkommens beruht19). Wenn das auf die Rechts- und Geschäftsfähigkeit anzuwendende Recht es dem Kind erlaubt, bestimmte Handlungen ohne Beiziehung seines gesetzlichen Vertreters vorzunehmen - etwa einen Arzt aufzusuchen oder Verhütungsmittel zu kaufen -, ist es Aufgabe der befassten Behörde, dieses Recht im Rahmen ihrer öffentlichen Ordnung (ordre public) anzuwenden. Das Übereinkommen enthält keinen Hinweis auf die in derartigen Fällen zu ergreifenden Maßnahmen. Es beschränkt sich darauf, die Behörde zu bestimmen, die zuständig ist, sie zu treffen, und die Bedingungen für die Anerkennung und Vollstreckung dieser Maßnahmen in den anderen Vertragsstaaten festzulegen. Aus diesen Beispielen ergibt sich jedenfalls, dass das Übereinkommen mit einer gewissen Flexibilität auf "ältere Kinder" angewandt werden soll, zumal sie das Recht haben, in allen sie berührenden Gerichts- oder Verwaltungsverfahren gehört zu werden (Artikel 12 Abs. 2 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes und Artikel 23 Abs. 2 Buchstabe d des Übereinkommens, siehe unten).
Das Übereinkommen ist nicht mehr anzuwenden, sobald das Kind das 18. Lebensjahr vollendet hat. Es kann jedoch vorkommen, dass es nach Vollendung dieses Lebensjahres noch schutzbedürftig ist, weil es entweder nach dem auf die Rechts- und Geschäftsfähigkeit anzuwendenden Recht noch nicht volljährig ist oder sein Gesundheitszustand eine Schutzmaßnahme verlangt. Da kein Übereinkommen über den Schutz Volljähriger besteht, obliegt es jedem Staat, diesen Schutz nach seinem innerstaatlichen Recht vorzusehen.
Selbstverständlich muss die vertrauliche Behandlung der gemäß dem Übereinkommen zusammengetragenen Daten und Informationen, die Artikel 41 und 42 des Übereinkommens vorschreiben, auch weiterhin gewährleistet sein, nachdem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet hat.
- 17 Im Unterschied zu dem Übereinkommen von 1961, das in Artikel 13 die Anwendbarkeit auf alle Minderjährigen bestimmt, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem der Vertragsstaaten haben, enthält das neue Übereinkommen keine Bestimmung, welche die Kinder, auf die es anwendbar ist, geographisch beschränkt. Nach langwierigen Erörterungen wurde erkannt, dass der geographische Anwendungsbereich sich mit jeder Bestimmung des Übereinkommens ändert. Wenn eine Vorschrift des Übereinkommens den Behörden des gewöhnlichen Aufenthalts eines Kindes Zuständigkeit verleiht, gilt sie für alle Kinder, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat haben. Wenn eine Vorschrift des Übereinkommens den Behörden des Aufenthalts eines Kindes Zuständigkeit verleiht, ist sie auf alle Kinder anwendbar, die ihren Aufenthalt in einem Vertragsstaat haben. Wenn eine Vorschrift des Übereinkommens eine Kollisionsnorm für die elterliche Verantwortung aufstellt, ist dies wie in allen neueren Haager Übereinkommen auf dem Gebiet des Internationalen Privatrechts eine allseitige Kollisionsnorm, die unabhängig von der Staatsangehörigkeit oder dem Aufenthalt auf alle Kinder anwendbar ist.
Artikel 3 (Aufzählung der Schutzmaßnahmen)
- 18 Das Übereinkommen von 1961 verwendet den Begriff Schutzmaßnahme, ohne ihn zu bestimmen. Die Delegationen der Staaten, die nicht Parteien dieses Übereinkommens sind, wünschten zwar nicht unbedingt eine Begriffsbestimmung, doch zumindest eine Aufzählung der Angelegenheiten, auf die sich diese Maßnahmen beziehen können. Da sie sich von Rechtsordnung zu Rechtsordnung unterscheiden, konnte die Aufzählung in diesem Artikel nur beispielhaft sein. Sie bemüht sich dennoch, einen sehr umfassenden Bereich abzudecken, und bestimmte Elemente der Aufzählung können sich überschneiden; dies ist jedoch unerheblich, weil sie alle demselben Regelungssystem unterliegen.
Buchstabe a
- 19 Durch den Hinweis, dass die Maßnahmen sich auf die Zuweisung, die Ausübung, die vollständige oder teilweise Entziehung der elterlichen Verantwortung sowie deren Übertragung beziehen können, erfasst der Wortlaut wohl alle Sachverhalte, die diese Verantwortung berühren können.
Buchstabe b
- 20 Das Sorgerecht und das Recht zum persönlichen Umgang stellen häufig Streitpunkte zwischen Eltern dar, die sich trennen. Um diese Ausdrücke, die nicht in allen Rechtsordnungen in gleicher Weise verstanden werden, zu veranschaulichen, greift Buchstabe b den Wortlaut von Artikel 5 des Haager Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung auf. Der Begriff des "Rechts" der Eltern in Sorge- oder Umgangssachen ist in dem neuen Zusammenhang der elterlichen Verantwortung selbst in Frage gestellt worden, den das Übereinkommen über die Rechte des Kindes hergestellt hat. Der Begriff ist jedoch beibehalten worden, sowohl aus Gründen der Zweckmäßigkeit als auch, um den immer noch zahlreichen Rechtsordnungen gerecht zu werden, welche die elterliche Verantwortung nach wie vor als ein Gewaltverhältnis verstehen.
Bestimmte englischsprachige Delegationen neben derjenigen des Vereinigten Königreichs haben vorgebracht, dass die Begriffe custody und access in ihren Rechtsordnungen durch andere Ausdrücke ersetzt worden sind, und zwar residence order für custody, contact bzw. sogar visitation für access. Das Übereinkommen kann nicht den Anspruch erheben, einen Begriff zu verwenden, der den sprachlichen Besonderheiten aller vertretenen Staaten entspricht. Ausschlaggebend ist der Sinn, den die Vertragsstaaten den verwendeten Begriffen geben wollten, und alle Delegationen waren sich einig, dass die Begriffe access oder "Recht zum persönlichen Umgang" so zu verstehen sind, dass sie Kontakte einschließen, die ein Elternteil aus der Ferne im Weg des Briefverkehrs, fernmündlich oder per Telefax zu seinem Kind unterhalten darf.
Buchstabe c
- 21 Die Schutzmaßnahmen können sich auf die Vormundschaft, Pflegschaft und entsprechende Einrichtungen erstrecken. Dabei handelt es sich um Schutzsysteme (Vertretung im Fall der Vormundschaft, Unterstützung bei der Pflegschaft), die in der Regel zugunsten der Kinder greifen, wenn ihre Eltern verstorben sind oder es ihnen nicht mehr zusteht, das Kind zu vertreten.20)
Buchstabe d
- 22 Die verwendeten Begriffe sind sehr weit gefasst. Die "Person oder Stelle, die für die Person oder das Vermögen des Kindes verantwortlich ist, das Kind vertritt oder ihm beisteht", kann nach Maßgabe der vorstehenden Absätze ein Vormund, Sorgeberechtigter oder eine Person sein, der die elterliche Verantwortung übertragen wurde; es kann sich aber auch um einen Ergänzungspfleger handeln, der ad hoc bestellt wird, um das Kind in einem Verfahren im Fall einer Interessenkollision mit dem gesetzlichen Vertreter zu vertreten, um eine Schule oder einen Betreuer in einem Ferienlager, der bei Abwesenheit des gesetzlichen Vertreters aufgerufen ist, Entscheidungen über medizinische Maßnahmen zu treffen, usw.
Buchstabe e
- 23 Die Maßnahmen zur Unterbringung eines Kindes in einer Pflegefamilie oder einem Heim stellen mehr oder weniger die klassischen Schutzmaßnahmen dar und fallen selbstverständlich unter das Übereinkommen, sofern sie nicht ausdrücklich ausgenommen sind wie die Unterbringung in einer Familie mit dem Ziel der Adoption oder die Unterbringung infolge einer von dem Kind begangenen Straftat (Artikel 4 Buchstaben b und i unten).
Buchstabe e erwähnt insbesondere "die Betreuung durch Kafala oder eine entsprechende Einrichtung". Die marokkanische Delegation hat der Spezialkommission eine ausführliche Note über das Institut der Kafala21) nach islamischem Recht unterbreitet, und auf der Diplomatischen Konferenz wurde ein neues Dokument (Arbeitsdokument Nr. 10) erstellt, das das im marokkanischen Gesetz vom 10. September 1993 geregelte Verfahren der Kafala darstellt. Daraus geht hervor, dass das schutzbedürftige Kind entweder aufgrund einer Entscheidung des Vormundschaftsrichters oder eines Verwaltungsausschusses in einer öffentlichen oder sozialen Einrichtung untergebracht oder in eine islamische Familie aufgenommen werden kann, die für die Person (Unterkunft, Versorgung, Erziehung) und ggf. das Vermögen des Kindes zu sorgen hat und der, wenn nötig, die Vormundschaft über das Kind übertragen wird. Kafala ist keine Adoption, die nach islamischem Recht verboten ist; sie entfaltet keine Wirkung im Hinblick auf das Eltern-Kind-Verhältnis. Das Kind, das in den Genuss dieser Maßnahme kommt, wird nicht Mitglied der Familie des Kafil; aus diesem Grund fällt Kafala auch nicht unter das Adoptionsübereinkommen vom 29. Mai 1993. Es handelt sich aber unzweifelhaft um eine Schutzmaßnahme, die aus diesem Grund in den Anwendungsbereich eines Übereinkommens über den Schutz von Kindern fallen muss.
Buchstabe f
- 24 Dieser Buchstabe ist auf Ersuchen der australischen Delegation eingeführt worden, um die Fälle abzudecken, in denen das Sorgerecht für das Kind einem oder beiden Elternteilen bzw. einem Dritten übertragen worden ist - jedoch vorbehaltlich der Aufsicht durch eine Behörde, deren Ausgestaltung mit einer "Maßnahme" im Sinn des Übereinkommens festgelegt worden sein kann.
Buchstabe g
- 25 Die Schutzmaßnahmen können sich auf die "Verwaltung und Erhaltung des Vermögens des Kindes oder die Verfügung darüber" erstrecken. Diese sehr weit gefasste Formulierung umfasst alle Vorgänge, die das Vermögen der Minderjährigen betreffen, einschließlich des Erwerbs, der als Vermögensanlage oder als Verfügung über Vermögen angesehen wird, das als Gegenleistung für den Erwerb überlassen wird.
Artikel 4 (Vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgeschlossene Gebiete)
- 26 Dieser Artikel führt bestimmte Gebiete oder Fragen an, die vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgeschlossen sind. Diese Aufzählung ist erschöpfend. Jede Vorschrift oder Maßnahme zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes, die nicht nach Artikel 4 ausgeschlossen ist, fällt in den Anwendungsbereich des Übereinkommens. 22) Dagegen ist die Aufzählung der Schutzmaßnahmen in Artikel 3 (der den Ausdruck "insbesondere" enthält) nicht erschöpfend. Auf diese Weise besteht nicht die Gefahr, dass das Zusammenspiel der Artikel 3 und 4 Lücken hinterlässt.
Die Ausschlüsse nach Artikel 4 haben unterschiedliche Rechtfertigungsgründe. Z. B. kann man im Hinblick auf das Eltern-Kind-Verhältnis nicht davon ausgehen, dass dessen Feststellung oder Anfechtung für sich genommen das Kind schützt. Dies trifft auch auf den Namen, die Erbfolge oder sogar die Volljährigerklärung zu. Darüber hinaus würden die Bestimmungen des Übereinkommens, insbesondere der Grundsatz, forum und jus nicht zu trennen, nicht passen. Bei der Adoption und der Unterhaltspflicht sind vor allem Überschneidungen von Übereinkommen zu vermeiden. Im Hinblick auf die anderen Ausschlüsse, die das öffentliche Recht berühren, erschien es nicht möglich, die Zuständigkeit der Vertragsstaaten auf Gebieten, die wesentliche Belange (Strafrecht, Einwanderung) betreffen, durch das Übereinkommen zu beschränken.
Buchstabe a
- 27 Der Ausschluss bezieht sich nur auf die Feststellung und Anfechtung des Eltern-Kind-Verhältnisses. Insoweit besteht kein entscheidender Grund, zugunsten der Behörden des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes auf die allgemeine internationale Zuständigkeit der Gerichte zu verzichten, die meistens auf dem Wohnsitz des Beklagten beruht.
Der Ausschluss erstreckt sich auf die Frage, ob die Parteien des Eltern-Kind-Verhältnisses die Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters einholen müssen, weil dies eine Frage des Eltern-Kind-Verhältnisses ist. Somit bestimmt das Personalstatut, das vom Internationalen Privatrecht der befassten Behörde und nicht vom Übereinkommen bestimmt wird, ob ein Minderjähriger, der ein nichteheliches Kind anerkennen will, von seinem gesetzlichen Vertreter dazu ermächtigt werden muss, ob das Kind, das anerkannt wird, dieser Anerkennung zustimmen muss und zu diesem Zweck bis zu einer bestimmten Altersgrenze einer Vertretung bedarf, ob ein Pfleger ad hoc zur Vertretung oder Unterstützung des Kindes in einem Verfahren zur Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Eltern-Kind-Verhältnisses zu bestellen ist oder ob die minderjährige Mutter eines Kindes im Rahmen von Rechtshandlungen oder Verfahren, die sich auf die Rechtsstellung ihres Kindes beziehen, selbst zu vertreten ist.
In all diesen Fällen wird jedoch die Frage, wer gesetzlicher Vertreter des Betroffenen ist und ob seine Bestellung z.B. kraft Gesetzes erfolgt oder des Einschreitens einer Behörde bedarf, durch das Übereinkommen geregelt.
Buchstabe b
- 28 Der Ausschluss der Adoption, die Gegenstand des kürzlich geschlossenen Übereinkommens vom 29. Mai 1993 ist, verstand sich von selbst. Er ist sehr weit gefasst, und um Missverständnisse auszuschließen, weist der Wortlaut darauf hin, dass der Ausschluss sich auf die Ungültigerklärung und den Widerruf der Adoption bezieht, selbst wenn der Widerruf zum Schutz des Kindes beschlossen werden sollte.
Der Ausschluss erstreckt sich auch auf Maßnahmen, die die Adoption vorbereiten, und insbesondere auf die Unterbringung des Kindes in einer Familie mit dem Ziel der Adoption. Die Spezialkommission, der bewusst war, dass die Unterbringung in einer Familie selbst eine Schutzmaßnahme darstellt, die sogar dann oft weiterbesteht, wenn die Adoption nicht ausgesprochen wird, hatte vorgesehen, dass diese Maßnahme zumindest in den anderen Vertragsstaaten anzuerkennen sei, sofern sie von einer nach Kapitel II des Übereinkommens zuständigen Behörde, also meist von den Behörden des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes, getroffen worden ist. Die in sich schlüssige Lösung barg jedoch die Gefahr einer schwierigen Anwendung, und die Konferenz hat aus Gründen der Klarheit und Einfachheit an dem vollständigen Ausschluss der Maßnahmen, die die Adoption vorbereiten, festgehalten.
Buchstabe c
- 29 Der Ausschluss des Namens und der Vornamen des Kindes verstand sich wohl von selbst, weil diese Bereiche nicht den Schutz des Kindes betreffen. Ihre ausdrückliche Erwähnung in dem Ausschlussverzeichnis ist zur Klarstellung beschlossen worden, um Qualifikationsprobleme zu vermeiden, die auf die zunehmende Komplexität bestimmter Rechtsordnungen auf dem Gebiet des Namensrechts zurückzuführen sind.
Buchstabe d
- 30 Die Volljährigerklärung ist das Rechtsinstitut, mit dem ein Minderjähriger entweder auf Ersuchen der Eltern oder kraft Gesetzes infolge der Eheschließung von der elterlichen Gewalt befreit, ihm also der Schutz, der ihm zuteil wurde, entzogen werden soll. Sie stellt demnach gewissermaßen das Gegenteil einer Schutzmaßnahme dar, und ihr Ausschluss von dem Anwendungsbereich des Übereinkommens ist daher gerechtfertigt. Der Volljährigerklärung kann - obwohl dies nicht ausdrücklich im Wortlaut aufgeführt ist - die Erklärung gleichgesetzt werden, mit der eine minderjährige Mutter aufgrund eines Urteils für volljährig erklärt wird, damit sie die elterliche Verantwortung gegenüber ihrem Kind selbst ausüben kann. Dagegen hat die Konferenz einen Vorschlag verworfen, der darauf abzielte, die Rechts- und Geschäftsfähigkeit von dem Anwendungsbereich des Übereinkommens ausdrücklich auszunehmen. Sie wollte die Festlegung der Rechts- und Geschäftsfähigkeit einer Person unter 18 Jahren auf diese Weise nicht dem Regelwerk des Übereinkommens unterwerfen. Wenn etwa ein Gericht in einem Vertragsstaat über die Rechtsgültigkeit eines ohne Genehmigung von einem Minderjährigen unter 18 Jahren geschlossenen Vertrags über dessen Rechts- und Geschäftsfähigkeit zu erkennen hat, entscheidet es diese Frage, ohne auf das Übereinkommen Bezug zu nehmen.23) Die Rechts- und Geschäftsfähigkeit kann aber mittelbar in den Anwendungsbereich des Übereinkommens einfließen, weil sie als Vorfrage zu einer dem Anwendungsbereich des Übereinkommens unterliegenden Grundsatzfrage - etwa der Entscheidung über eine gesetzliche Vertretung oder der Anordnung einer Schutzmaßnahme - aufgeworfen werden kann. Diese Vorfrage der Rechts- und Geschäftsfähigkeit wird nach dem Internationalen Privatrecht des Staates der befassten Behörde entschieden, aber deren Entscheidung über die Hauptfrage, die - gesetzt den Fall - in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fällt, profitiert von dessen Bestimmungen, und zwar insbesondere von dem darin vorgesehenen System der Anerkennung und Vollstreckung.
Buchstabe e
- 31 Die beiden Haager Übereinkommen vom 2. Oktober 1973, welche die Übereinkommen vom 24. Oktober 1956 und 15. April 1958 nach und nach ablösen, regeln das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht sowie die Anerkennung und Vollstreckung der einschlägigen Entscheidungen. Darüber hinaus regeln die Übereinkommen von Brüssel und Lugano zwischen den Staaten der Europäischen Union und der Europäischen Freihandelszone die direkte Zuständigkeit in Bezug auf die Unterhaltspflicht sowie die Anerkennung und Vollstreckung. Das neue Übereinkommen wäre demnach auf diesen Gebieten unnötig. Der Ausschluss der Unterhaltspflichten drängte sich daher auf.
Buchstabe f
- 32 Der Ausschluss der trusts ist verständlich, weil das Übereinkommen nicht in das Eigentumsrecht eingreifen und darüber hinaus die Anwendbarkeit des Rechts des Orts der belegenen Sache nicht beeinträchtigen soll.24) Außerdem wurde angemerkt, dass die Schaffung eines trusts in Bezug auf das Vermögen eines Kindes für dieses nicht zwangsläufig eine Schutzmaßnahme darstellt und die trusts betreffenden Fragen des Internationalen Privatrechts Gegenstand eines gesonderten Übereinkommens sind.25) Im Einzelfall hat der Ausschluss der trusts etwa zur Folge, dass, sollte der trustee versterben und seine Nachfolge in der Gründungsurkunde nicht geregelt sein, die Bestellung eines anderen trustees durch das Gericht nicht als unter das Übereinkommen fallende Schutzmaßnahme angesehen werden könnte.
Der Ausschluss von Erbschaften, der auf Vorschlag der Delegationen des Vereinigten Königreichs und Kanadas beschlossen wurde, hat noch mehr Fragen aufgeworfen. Diese waren auf die Schwierigkeit, die Reichweite des Erbstatuts zu regeln, zurückzuführen, welche im Zuge der Verhandlung des Haager Übereinkommens vom 1. August 1989 über das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht aufgetreten war.
Einige Delegationen hätten den Ausschluss gemäß einem Vorschlag der Internationalen Union des Lateinischen Notariats (Arbeitsdokument Nr. 41) gern auf die Nachlassverwaltung beschränkt. Ein derartiger Vorschlag verstand sich aus gutem Grund. Sollte der Erbfall nämlich dem Recht eines Staates unterliegen, der die Sache einem personal representative überträgt, der beauftragt ist, die Schulden zu begleichen und den Erben den Restbetrag auszuzahlen, der minderjährige Erbe seinen gewöhnlichen Aufenthalt jedoch in einem Staat haben, dessen Recht vorschreibt, dass der Erbe, der im Falle der Rechts- und Geschäftsunfähigkeit von seinem gesetzlichen Vertreter vertreten wird, den Erbfall selbst regelt, würde der Nichtausschluss der Nachlassverwaltung unweigerlich einen Konflikt zwischen dem personal representative und dem gesetzlichen Vertreter des minderjährigen Erben zur Folge haben.
Mit knapper Mehrheit (12 gegen 11 Stimmen bei 7 Enthaltungen) hat die Konferenz beschlossen, noch weiter zu gehen und Erbfälle, also nicht nur die Nachlassverwaltung, insgesamt von dem Übereinkommen auszunehmen. Dies bedeutet etwa, dass das Übereinkommen in einem Fall, in dem das Erbstatut bestimmt, dass ein minderjähriger Erbe wegen der Gefahren, die er aufgrund einer schuldrechtlichen Zahlungsverpflichtung laufen könnte, eine Erbschaft nur im Wege bestimmter Schutzmaßnahmen annehmen kann, auf diese Schutzmaßnahmen nicht Anwendung findet. Allenfalls wäre es entsprechend dem im Zusammenhang mit dem Eltern-Kind-Verhältnis vorerwähnten Beispiel zulässig, sofern das Erbstatut das Eingreifen des gesetzlichen Vertreters des Kindes vorsieht, diesen nach Maßgabe des Übereinkommens zu bestimmen.
Buchstabe g
- 33 Der Ausschluss der sozialen Sicherheit beruht auf der Tatsache, dass die Leistungen von Einrichtungen erbracht werden, deren Bestimmung von genauen Anknüpfungsmerkmalen abhängt, die den Arbeitsplatz oder den gewöhnlichen Aufenthalt der Sozialversicherten berücksichtigen, der nicht zwangsläufig dem der Kinder, die lediglich leistungsberechtigt sind, entspricht. Die Vorschriften des Übereinkommens wären dieser Lage demnach wenig angemessen.
Buchstabe h
- 34 Das Erziehungs- und Gesundheitswesen ist nicht insgesamt von dem Übereinkommen ausgeschlossen; auf diesem Gebiet sind nur öffentlichrechtliche Maßnahmen allgemeiner Art - etwa im Hinblick auf die Schulpflicht oder Pflichtimpfungen - ausgenommen. Die Unterbringung eines bestimmten Kindes in einer bestimmten Schule oder die Entscheidung, es einem chirurgischen Eingriff zu unterziehen, stellen zum Beispiel Entscheidungen dar, die unter das Übereinkommen fallen.
Buchstabe i
- 35 Der Schutz der Kinder ist Gegenstand des Übereinkommens, nicht das Jugendstrafrecht. Es ist jedoch schwer, eine Trennlinie zu ziehen. Das Übereinkommen hat darauf verzichtet, eine Unterscheidung zwischen Strafmaßnahmen und Erziehungsmaßregeln vorzunehmen. Eine derartige Unterscheidung hätte heikle Qualifikationsprobleme zur Folge gehabt. Darüber hinaus wäre es bei einem Kind, das nach den Kriterien des Strafrechts objektiv straffällig geworden ist (etwa bei Totschlag, Vergewaltigung oder Raubüberfall), nicht angebracht, dass der Staat, in dem die Straftat begangen worden ist, zwar nach dem allgemeinen Recht die Strafgewalt ausüben, aber, wenn er dies als angemessener erachten sollte, eine Maßnahme der Unterbringung in einer spezialisierten Einrichtung nicht ergreifen könnte, weil er aufgrund des Übereinkommens nicht zuständig wäre, Maßnahmen zum Schutze des Kindes zu treffen. Der Ausschluss der "Maßnahmen infolge von Straftaten, die von Kindern begangen wurden", von dem Anwendungsbereich des Übereinkommens bringt die Absicht der Konferenz zum Ausdruck, die Zuständigkeit der Vertragsstaaten in keiner Weise zu beschränken, mit Maßnahmen, die sie als geeignet erachten - seien es Strafmaßnahmen oder Erziehungsmaßregeln - auf von Kindern begangene Straftaten zu reagieren.
Der Ausdruck "infolge von Straftaten, die von Kindern begangen wurden" impliziert nicht, dass das Kind im Einzelfall strafrechtlich verfolgt werden kann. Es ist durchaus möglich, dass es aufgrund seines niedrigen Alters vor derartiger Verfolgung geschützt ist. Für die Anwendbarkeit des Ausschlusses ist es nötig und ausreichend, dass die Handlung des Kindes, wenn sie von einer beliebigen Person begangen wird, nach dem Strafrecht strafbar ist. Dagegen deuten abweichende Verhaltensweisen, die aber nicht den Tatbestand einer strafbaren Handlung erfüllen, wie Ausreißen, Schulschwänzen oder auch die Zugehörigkeit zu einer Bande auf eine Krise des Kindes hin und müssen selbstverständlich unter das Übereinkommen fallen. Die Konferenz ist einem Vorschlag Japans (Arbeitsdokument Nr. 31) nicht gefolgt, der den Ausschluss auf "Formen der Jugendkriminalität", verstanden als Grenzverhalten, mit dem die Schwelle zur Kriminalität nur beinahe überschritten wird, erstrecken wollte.
Buchstabe j
- 36 Dieser letzte Absatz von Artikel 4 schließt "Entscheidungen über Asylrecht und Einwanderung" von dem Übereinkommen aus, weil es sich hier um Entscheidungen handelt, die der Hoheitsgewalt der Staaten unterliegen. Es sind lediglich die einschlägigen Entscheidungen, d. h. die Asylgewährung oder die Aufenthaltsgenehmigung, ausgeschlossen. Dagegen fallen der Schutz und die Vertretung der Kinder, die Asyl begehren oder um eine Aufenthaltsgenehmigung ersuchen, in den Anwendungsbereich des Übereinkommens.
Kapitel II Zuständigkeit
- 37 Wie bereits oben ausgeführt, wollte die Konferenz, indem sie aus den Schwierigkeiten bei der Anwendung des Übereinkommens von 1961 Lehren zog, die Zuständigkeit auf die Behörden des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, konzentrieren und eine Konkurrenz gleichermaßen zuständiger Behörden vermeiden (Artikel 5). Sie hat jedoch den Gerichtsstand des gewöhnlichen Aufenthalts angepasst für Fälle, in denen ein Wechsel stattfindet (Artikel 5 Abs. 2 und Artikel 7 und 14) oder das Kind keinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Artikel 6). Die Zuständigkeit anderer Behörden als derjenigen des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts wird von den Behörden dieses Staates grundsätzlich erbeten oder genehmigt werden müssen, wenn es den Anschein hat, dass diese anderen Behörden besser in der Lage wären, das Wohl des Kindes im Einzelfall zu beurteilen (Artikel 8 und 9). Und wenn in bestimmten dringenden Fällen oder sofern vorläufige Maßnahmen mit örtlicher Wirkung zu ergreifen sind eine örtlich beschränkte Zuständigkeit selbständig ausgeübt werden kann, sind dieser Ausübung durch die Maßnahmen Grenzen gesetzt, welche die normalerweise zuständige Behörde getroffen hat oder treffen muss (Artikel 11 und 12). Die einzige wirkliche Ausnahme von der Konzentration der Zuständigkeiten bildet der Gerichtsstand in Scheidungssachen; in diesem Fall kann das Gericht unter äußerst strengen Voraussetzungen berufen sein, Maßnahmen zum Schutz des Kindes zu treffen (Artikel 10); aufgrund dessen hat die Konferenz ein Verfahren zur Lösung etwaiger Kompetenzkonflikte vorgesehen (Artikel 13).
Artikel 5 (Zuständigkeit der Behörden des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes)
- 38 Dieser Artikel erklärt in Absatz 1 die Behörden des Vertragsstaats des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes für hauptsächlich zuständig, Maßnahmen zum Schutze der Person oder des Vermögens des Kindes zu treffen, und weist in Absatz 2 darauf hin, dass vorbehaltlich des Artikels 7 (widerrechtliches Verbringen oder Zurückhalten des Kindes) bei einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes in einen anderen Vertragsstaat die Behörden des Staates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts zuständig sind. Die Frage des Fortbestands der in dem Erststaat getroffenen Maßnahmen ist in Artikel 14 geregelt (siehe unten).
- 39 Artikel 5 setzt voraus, dass das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat hat. Andernfalls greift Artikel 5 nicht, und die Behörden der Vertragsstaaten sind nach dem Übereinkommen nur aufgrund anderer Bestimmungen zuständig (Artikel 11 und 12). Es bleibt ihnen jedoch unbenommen, sich unbeschadet des Übereinkommens auf der Grundlage der Normen des Internationalen Privatrechts ihres Staates als zuständig anzusehen.
Absatz 1
- 40 Dieser Absatz greift den Wortlaut von Artikel 1 des Übereinkommens vom 5. Oktober 1961 wörtlich auf. Die grundsätzliche Zuständigkeit der Behörden des Vertragsstaats des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes wurde tatsächlich einstimmig angenommen.
Die Diskussion hob nur auf die Frage ab, ob es zweckmäßig sei, eine Bestimmung in das Übereinkommen aufzunehmen, die den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinn des Übereinkommens festlegt. Die Internationale Union des Lateinischen Notariats hatte eine positive Begriffsbestimmung vorgeschlagen (Arbeitsdokument Nr. 41), die aber nicht den Gepflogenheiten der Konferenz entsprach und von niemandem unterstützt wurde. Sie hätte nämlich der Auslegung der zahlreichen anderen Übereinkommen, in denen derselbe Begriff verwendet wird, abträglich sein können. Die Konferenz hat sich länger mit einem amerikanischen Vorschlag befasst (Arbeitsdokument Nr. 6), der Sachverhalte aufzählt, die keinen Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts mit sich bringen. Der Vorschlag wurde verworfen, soweit er darauf abzielte, den Wortlaut des Übereinkommens zu verändern; in den Erörterungen hat sich jedoch herausgestellt, das bestimmte Teile Zustimmung der Konferenz fanden. Somit wurde eingeräumt, dass eine vorübergehende Abwesenheit des Kindes von seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort, die z.B. durch Ferien, Schulbesuch oder die Ausübung des Umgangsrechts bedingt ist, den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes grundsätzlich nicht verändere. Diese Gesichtspunkte gelten auch für die Auslegung von Artikel 5 Abs. 2.
Absatz 2
- 41 Die Konferenz hat auch den Grundsatz einstimmig angenommen, wonach die Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes in einen anderen Vertragsstaat - mit Ausnahme des widerrechtlichen Verbringens - zur Folge hat, dass die Behörden dieses anderen Staates von diesem Zeitpunkt an zuständig sind. Der Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts bedeutet gleichzeitig den Wegfall des früheren gewöhnlichen Aufenthalts und die Erlangung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts. Es kann sein, dass zwischen diesen beiden Elementen ein gewisser Zeitabschnitt liegt, jedoch kann der neue gewöhnliche Aufenthalt auch mit sofortiger Wirkung begründet werden wie in dem einfachen Fall eines Umzugs der Familie von einem Staat in einen anderen. Dies ist eine tatsächliche Frage, die von den mit der Entscheidung befassten Behörden zu würdigen ist, weshalb die Konferenz es ablehnte, die für die Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts notwendige Zeitspanne festzulegen.
Nur in den Fällen des widerrechtlichen Verbringens (Artikel 7) oder wenn Kinder infolge von Unruhen im Staat ihres gewöhnlichen Aufenthalts (Artikel 6) in ein anderes Land gelangen, erschienen besondere Vorschriften nötig. Der Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts entzieht den Behörden des früheren gewöhnlichen Aufenthalts ihre Zuständigkeit, Schutzmaßnahmen zugunsten des Kindes zu treffen. Die Konferenz hat einen Vorschlag der amerikanischen Delegation (Arbeitsdokument Nr. 25) verworfen, wonach die Behörden des früheren gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes, die vor dem Weggang des Kindes eine Maßnahme im Hinblick auf das Sorgerecht oder das Recht zum persönlichen Umgang getroffen hätten, für die Dauer von zwei Jahren nach dem Weggang des Kindes in diesen Bereichen ausschließlich zuständig bleiben sollten, solange ein Elternteil sich weiterhin in diesem Staat aufhielte und eine beständige Beziehung zu dem Kind unterhielte. Dieser Vorschlag beruhte auf der Befürchtung, dass die Behörden des neuen gewöhnlichen Aufenthalts, die möglicherweise gegenüber dem anderen Elternteil vorteilhafter gesinnt wären, unverzüglich die Maßnahmen in Frage stellen könnten, die von den Behörden des vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts eben getroffen wurden. Dieser Vorschlag hätte zu einer schwerlich durchführbaren Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Behörden des Erstaufenthalts bezüglich des Sorgerechts und des Rechts zum persönlichen Umgang und den Behörden des neuen Aufenthalts bezüglich der übrigen Aspekte der elterlichen Verantwortung geführt. Es schien, dass den diesem Vorschlag zugrunde liegenden Besorgnissen durch die in Kapitel V des Übereinkommens vorgesehenen Strukturen der Zusammenarbeit abgeholfen werden könnte.26)
- 42 Wechselt der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes von einem Staat in einen anderen in dem Augenblick, in dem die Behörden des ersten gewöhnlichen Aufenthalts mit einem Antrag auf eine Schutzmaßnahme befasst sind, stellt sich die Frage, ob diese Behörden ihre Zuständigkeit zum Treffen dieser Maßnahme beibehalten (perpetuatio fori) oder ob der Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts ihnen diese Zuständigkeit ipso facto nimmt und sie zwingt, diese nicht wahrzunehmen. Die Konferenz hat mit großer Mehrheit27) einen Vorschlag28) der australischen, irischen, britischen und amerikanischen Delegation zugunsten der perpetuatio fori abgewiesen. Einige Delegationen haben ihr ablehnendes Votum mit ihrer negativen Einstellung gegenüber dem Grundsatz der perpetuatio fori in der Sache begründet und den Wunsch geäußert, die Zuständigkeit möge bei einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts automatisch wechseln, andere Delegationen hielten es für einfacher, wenn das Übereinkommen sich diesbezüglich ausschweigt und es dem Verfahrensrecht überlässt, hinsichtlich der perpetuatio fori zu entscheiden. Bei einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts von einem Vertragsstaat in einen anderen Vertragsstaat erscheint die erste Auffassung die genaueste zu sein. Es ist in der Tat nicht hinnehmbar, dass in einer solchen Lage, die gänzlich innerhalb des Anwendungsbereichs des Übereinkommens liegt, die Zuständigkeitsentscheidung dem Recht der einzelnen Vertragsstaaten überlassen bleibt. Diese Lösung überwiegt übrigens derzeit bei der Auslegung des Übereinkommens vom 5. Oktober 1961.29)
Bei einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts von einem Vertragsstaat in einen Nichtvertragsstaat hingegen ist Artikel 5 ab dem Aufenthaltswechsel nicht mehr anwendbar, und es steht dem nichts entgegen, dass die befasste Behörde des Vertragsstaats des ersten gewöhnlichen Aufenthalts ihre Zuständigkeit aufgrund ihres innerstaatlichen Verfahrensrechts beibehält, ohne dass allerdings die übrigen Vertragsstaaten durch das Übereinkommen gebunden sind, die von dieser Behörde getroffenen Maßnahmen anzuerkennen.30)
- 43 Dieser Wechsel der Zuständigkeit von Behörden bei einer Änderung des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes birgt die Gefahr, dass die nunmehr zuständige Behörde sehr rasch eine Maßnahme trifft, welche die gerade vorher von der früher zuständigen Behörde getroffene Maßnahme außer Kraft setzt.31) Sicherlich ist die im Staat des früheren gewöhnlichen Aufenthalts getroffene Maßnahme im Staat des neuen gewöhnlichen Aufenthalts anzuerkennen (Artikel 23, siehe unten) und bleibt dort in Kraft, solange sie nicht geändert oder ersetzt wird (Artikel 14, siehe unten), wobei diese Beibehaltung illusorisch wäre, wenn die Maßnahme allzu leicht geändert oder ersetzt würde. Ein gemeinsamer Vorschlag der deutschen und niederländischen Delegation (Arbeitsdokument Nr. 93) wollte klarstellen: "Der Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts an sich ist keine Änderung von Umständen, die eine Änderung der von einem Vertragsstaat getroffenen Schutzmaßnahmen rechtfertigt."
Der Vorschlag ist nicht angenommen worden, weil die Konferenz die Hände der zuständigen Behörde nicht binden wollte, die eine umfassende Würdigungsbefugnis haben sollte. Im Übrigen besteht die von den Verfassern des Vorschlags befürchtete Gefahr auch in den innerstaatlichen Vorschriften.
Artikel 6 (Flüchtlingskinder, in ein anderes Land gelangte Kinder oder solche ohne gewöhnlichen Aufenthalt)
Absatz 1
- 44 Dieser Absatz behandelt "Flüchtlingskinder und Kinder, die infolge von Unruhen in ihrem Land in ein anderes Land gelangt sind". Dieser Halbsatz greift auf den Wortlaut einer am 21. Oktober 1994 von einer Spezialkommission der Haager Konferenz angenommenen Empfehlung über die Anwendung des Adoptionsübereinkommens vom 29. Mai 1993 auf diese Kinder zurück. Die hier behandelte Gruppe von Kindern beschränkt sich auf diejenigen, die ihr Land infolge der dort vorherrschenden Verhältnisse verlassen haben und oftmals unbegleitet und jedenfalls zeitweilig oder auf Dauer ohne Schutz ihrer Eltern sind. Nicht einbezogen sind die übrigen in ein anderes Land gelangten Kinder, wie etwa entlaufene oder ausgesetzte Kinder, bei denen die übrigen Bestimmungen des Übereinkommens es gestatten sollten, eine Lösung herbeizuführen (siehe unten Artikel 31 Buchstabe
c). Die in diesem Absatz bezeichneten Kinder bedürfen häufig, auch außerhalb von dringlichen Fällen, eines auf Dauer geregelten Schutzes. Sie können sich z.B. genötigt sehen, um Asyl nachzusuchen oder Zielperson eines Adoptionsantrags sein. In diesem Fall ist für sie ein gesetzlicher Vertreter zu bestellen, wobei die normale im Übereinkommen den Behörden des gewöhnlichen Aufenthaltsstaats verliehene Zuständigkeit sich hier als unwirksam erweist, weil diese Kinder typischerweise jegliche Verbindung zum Staat ihres früheren gewöhnlichen Aufenthalts abgebrochen haben und der unsichere Status ihres Aufenthalts im Staat ihrer vorübergehenden Aufnahme die Schlussfolgerung nicht zulässt, sie hätten dort einen gewöhnlichen Aufenthalt erworben. Die Konferenz hat die Lösung verworfen, diese Sachen der Zuständigkeit für dringende Fälle zu unterbreiten und damit die auf der Dringlichkeit beruhende Zuständigkeit zu erweitern. Sie hat darauf abgestellt, dass eine solche Lösung das Übereinkommen schwächen würde, weil die Verleitung groß wäre, die Zuständigkeit für dringende Fälle unter allen Umständen zu nutzen. Sie hat es nahezu einstimmig vorgezogen, die normalerweise den Behörden des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes zugewiesene allgemeine Zuständigkeit in solchen Fällen den Behörden des Staates zu übertragen, in dessen Hoheitsgebiet diese Kinder anwesend sind.
Absatz 2
- 45 Dieser Absatz weitet die Lösung nach Absatz 1 (allgemeine Zuständigkeit der Gerichte des Staates, in dem das Flüchtlingskind oder das dorthin gelangte Kind anwesend
ist) auf Kinder, "deren gewöhnlicher Aufenthalt nicht festgestellt werden kann", aus. Die Zuständigkeit im Staat der Anwesenheit spielt hier die Rolle einer Notzuständigkeit. Sie muss entfallen, wenn der Nachweis erbracht ist, dass das Kind irgendwo einen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Befindet sich dieser gewöhnliche Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats, sind die Behörden dieses Staates nunmehr zuständig. Befindet er sich in einem Nichtvertragsstaat, steht den Behörden des Staates, in dessen Hoheitsgebiet das Kind anwesend ist, nur die ihnen nach den Artikeln 11 und 12 verliehene begrenzte Zuständigkeit zu (siehe unten).
Der Wortlaut deutet nicht darauf hin, ob die Behörden des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet das Kind ohne gewöhnlichen Aufenthalt anwesend ist, die ihnen nach Artikel 6 Abs. 2 zugewiesene Zuständigkeit beibehalten müssen, wenn in einem Nichtvertragsstaat, z.B. in dem Staat, dem das Kind angehört, Schutzmaßnahmen für das Kind getroffen worden sind. Es erscheint vernünftig, davon auszugehen, dass das Übereinkommen die Zuständigkeit der Behörden im Anwesenheitsstaat nicht begrenzt, sondern diesen freistellt, nach ihrem Recht zu beurteilen, ob die in dem Drittstaat getroffenen Maßnahmen anerkannt und vollstreckt werden sollten.
Artikel 7 (Widerrechtliches Verbringen oder Zurückhalten eines Kindes)
- 46 Die Spezialkommission konnte sich nicht über einen Wortlaut einigen in Bezug auf die Zuständigkeit im Falle eines widerrechtlichen Verbringens oder Zurückhaltens des Kindes im Sinn von Artikel 3 des Haager Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung. Die Diplomatische Konferenz hat dies nach langen Erörterungen erreicht.
Der Grundgedanke war, dass der Verursacher des widerrechtlichen Verbringens aus diesem Handeln keinen Vorteil erzielen sollte, um die Zuständigkeit der Behörden, die zum Erlass von Schutzmaßnahmen bezüglich der Person oder sogar des Vermögens des Kindes berufen sind, zu seinen Gunsten zu ändern. Andererseits stellt das widerrechtliche Verbringen, wenn es anhält, eine Tatsache dar, die man nicht außer Acht lassen kann bis zu dem Punkt, den Behörden des Staates, der zum neuen gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes geworden ist, auf Dauer diese Schutzzuständigkeit abzuerkennen. Die Schwierigkeit bestand demnach darin, eine Zeitschwelle festzulegen, ab der die Zuständigkeit der Behörden des Staates, aus dem das Kind widerrechtlich verbracht wurde, auf die Behörden des Landes übergehen sollte, in das es verbracht wurde oder in dem es zurückgehalten wird.
Diese Schwierigkeit wird, zumindest in Bezug auf das Sorgerecht, teilweise durch Artikel 16 des genannten Haager Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 gelöst, in dem es heißt: "Ist den Gerichten oder Verwaltungsbehörden des Vertragsstaats, in den das Kind verbracht oder in dem es zurückgehalten wurde, das widerrechtliche Verbringen oder Zurückhalten des Kindes mitgeteilt worden, so dürfen sie eine Sachentscheidung über das Sorgerecht erst treffen, wenn entschieden ist, dass das Kind aufgrund dieses Übereinkommens nicht zurückzugeben ist, oder wenn innerhalb angemessener Frist nach der Mitteilung kein Antrag nach dem Übereinkommen gestellt wird". Eine Bestimmung des Übereinkommens über den Vorrang desjenigen von 1980 hätte bezüglich des Sorgerechts das Problem gelöst, jedoch nur in den Beziehungen zwischen Vertragsstaaten des künftigen Übereinkommens und Vertragsparteien des Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 (siehe in diesem Sinn Artikel 50, unten). Eine allgemeine spezifische Bestimmung war jedoch erforderlich, um diese Frage einheitlich für alle Vertragsstaaten zu lösen, ob sie nun Partei des Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 sind oder nicht. Diesem Zweck dient Artikel 7.
Absatz 1
- 47 Absatz 1 behält die Zuständigkeit der Behörden des Vertragsstaats, in dem das Kind unmittelbar vor dem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, bis zu dem Zeitpunkt bei, in dem das Kind einen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Staat erlangt hat und gewisse andere Bedingungen erfüllt sind. Durch die Beibehaltung dieser Zuständigkeit geht der Wortlaut nicht davon aus, dass das Kind, mehr oder minder fiktiv, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem Staat, aus dem es widerrechtlich verbracht wurde, beibehalten hat, sondern nimmt im Gegenteil die Möglichkeit eines Wegfalls des gewöhnlichen Aufenthalts in diesem Staat an. Dabei soll jedoch verhindert werden, dass die Zuständigkeit während des Unterbrechungszeitraums zwischen dem Wegfall des früheren und der Erlangung des neuen gewöhnlichen Aufenthalts auf die Behörden des Staates übergeht, in dessen Hoheitsgebiet das Kind gemäß Artikel 6 Abs. 2 einfach nur anwesend ist (siehe oben). Während dieses für das Kind instabilen Zeitraums ist es in der Tat wünschenswert, allzu häufige Wechsel der Zuständigkeiten zu vermeiden.
Es ist ferner nicht ausreichend, dass, damit die Behörden des Staates des früheren gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes ihre Zuständigkeit verlieren, das Kind einen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Staat erlangt hat. Weitere Bedingungen sind zu erfüllen, die in dem Übereinkommen alternativ angeboten werden, wobei man sich möglichst eng an den Gehalt der in dem Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 verankerten Bedingungen angelehnt hat.
- 48 a) Der erste Teil der Alternative lautet, dass "jede sorgeberechtigte Person, Behörde oder sonstige Stelle dem Verbringen oder Zurückhalten zugestimmt [hat]" (Artikel 7 Abs. 1 Buchstabe a). Wenn dies der Fall ist und das Kind, wie soeben dargelegt, einen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Staat erlangt hat, verlieren die Behörden im Staat des früheren gewöhnlichen Aufenthalts die Zuständigkeit, die sie nach Artikel 5 besaßen.
Dieser Umstand ist einer derjenigen, die Artikel 13 des Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 vorsieht, um es dem ersuchten Staat zu gestatten, die Rückkehr des Kindes nicht anzuordnen und ihm gleichzeitig zu erlauben, eine Sachentscheidung über das Sorgerecht zu treffen (Artikel 16, o.a., desselben Übereinkommens).
Es soll jedoch hervorgehoben werden, dass in dem neuen Übereinkommen die Zustimmung zum widerrechtlichen Verbringen, zuzüglich zu den übrigen erforderlichen Bedingungen, den Wegfall der Zuständigkeit der Behörden des früheren gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes begründet und nicht etwa die Entscheidung der Behörden des Staates, in den das Kind verbracht wurde, die Rückgabe zu verweigern. Die Konferenz ist hier den Anmerkungen der amerikanischen Delegation gefolgt und wollte verhindern, dass die Zuständigkeit zum Treffen von Schutzmaßnahmen zugunsten des Kindes, sei es auch in noch so geringem Ausmaß, von der Entscheidung der Behörden des Staates, in den das Kind verbracht wurde, abzuhängen vermag, selbst wenn diese Entscheidung auf der schwerwiegenden Gefahr beruhte, dass die Rückgabe mit einem körperlichen oder seelischen Schaden für das Kind verbunden ist (Artikel 13 Buchstabe b des Übereinkommens von 1980).
Die angenommene Formulierung ("jede Person ...") bedeutet, dass im Falle eines gemeinsamen oder abwechselnden Sorgerechts alle Inhaber des Sorgerechts dem Verbringen oder Zurückhalten zugestimmt haben müssen. Bei diesem Sorgerecht handelt es sich um dasjenige, das "nach dem Recht des Staates zusteht, in dem das Kind unmittelbar vor dem Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte" (Artikel 7 Abs. 2 Buchstabe a).
Einige Delegationen haben im Zuge der Erörterungen, ohne dass dies beanstandet wurde, Wert darauf gelegt, dass nur die rechtmäßige Zustimmung berücksichtigt wird und nicht diejenige, die einen Kinderhandel decken würde, dem unwürdige Betreuer beigepflichtet hätten.
- 49 b) Fehlt eine Zustimmung zum widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten, so setzt sich der zweite Teil der Alternative, bei der es zu einem Verlust der Zuständigkeit der Behörden des früheren gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes kommen kann, aus dem Zusammentreffen der drei folgenden Bedingungen zusammen:
- i) Aufenthalt des Kindes in dem Staat seines neuen gewöhnlichen Aufenthalts über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr, nachdem der Inhaber des Sorgerechts den Aufenthaltsort des Kindes kannte oder hätte kennen müssen;
- ii) Nichtvorliegen eines während dieses Zeitraums gestellten Antrags auf Rückgabe, der noch anhängig ist;
- iii) das Kind hat sich in seinem neuen Umfeld eingelebt (Artikel 7 Abs. 1 Buchstabe b).
Diese Bedingungen erinnern an diejenigen nach Artikel 12 des Übereinkommens vom 25. Oktober 1980, jedoch mit einer geringfügigen Abweichung. Darin ist es der ersuchten Behörde gestattet, die Rückgabe des Kindes nicht anzuordnen, wenn sie erst nach Ablauf der einjährigen Frist damit befasst worden ist und feststeht, dass das Kind sich in seine neue Umgebung eingelebt hat. Die Abweichung ergibt sich daraus, dass in dem Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 die Frist von einem Jahr mit dem Verbringen oder Zurückhalten beginnt, wohingegen in dem neuen Übereinkommen, wie oben dargelegt, dieser Beginn später ist. Deshalb kann man den Fall nicht ausschließen, wonach die Behörden des Staates, in den das Kind verbracht oder in dem es zurückgehalten worden ist, nicht gehalten sind, die Rückgabe des Kindes anzuordnen - was glauben machen könnte, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes in diesen Staat verlagert wurde und dass die Behörden dieses Staates zuständig geworden sind, jedenfalls nach Artikel 5 des Übereinkommens vom 5. Oktober 1961, Schutzmaßnahmen zu treffen und insbesondere über das Sorgerecht und das Recht zum persönlichen Umgang zu entscheiden - während diese Schutzzuständigkeit nach Maßgabe des neuen Übereinkommens weiterhin den Behörden des Staates zustehen würde, in dem das Kind unmittelbar vor seinem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Sollten in einem solchen Fall die Behörden des letztgenannten Staates, die nach Artikel 7 des neuen Übereinkommens zuständig sind, eine Änderung des Sorgerechts beschließen, müssten die Behörden des Staates, in den das Kind widerrechtlich verbracht wurde, scheinbar diese Entscheidung nach Artikel 23 ff. des neuen Übereinkommens anerkennen und vollstrecken. Ist dieser Staat aber nicht Partei des neuen Übereinkommens, sondern nur desjenigen vom 25. Oktober 1980 (oder sogar vom 5. Oktober 1961), ist er nicht verpflichtet, diese Entscheidung anzuerkennen und könnte, wie es scheint, sich als einzig zuständig betrachten.
Absatz 2
- 50 Dieser Absatz gibt wortwörtlich die Begriffsbestimmung des widerrechtlichen Verbringens oder Zurückhaltens in dem Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 wieder. Es genügt hier, auf die äußerst umfassenden Erläuterungen in dem Bericht von Frau Elisa Pérez-Vera zu dem genannten Übereinkommen hinzuweisen (Nr. 64 bis 74).
Absatz 3
- 51 Die Beibehaltung der Zuständigkeit der Behörden des Staates, in dem das Kind unmittelbar vor seinem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, solange die in Absatz 1 verankerten Bedingungen nicht erfüllt sind, darf die Tatsache nicht verschleiern, dass die Behörden des Staates, in den das Kind verbracht oder in dem es zurückgehalten wurde, nunmehr die dem Kind am nächsten stehenden Behörden sind. Deshalb spricht Artikel 7 Abs. 3 ihnen die Zuständigkeit zu, die nach Artikel 11 zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes erforderlichen dringenden Maßnahmen zu treffen (siehe unten). Diese Zuständigkeit erstreckt sich jedoch nicht auf die vorläufigen territorial beschränkten Maßnahmen, die nach Artikel 12 den Behörden des Staates, in dessen Hoheitsgebiet sich das Kind befindet, zugewiesen werden.
Artikel 8 und 9 (Übertragung der Zuständigkeit an einen geeigneten Gerichtsstand oder von diesem eingeforderte Zuständigkeit)
- 52 Mit diesen Artikeln wird ein widerruflicher, von den Begriffen des forum non conveniens und forum conveniens inspirierter Mechanismus in das Übereinkommen aufgenommen, wenn sich herausstellt, dass es dem Wohl des Kindes entspricht, seinen Schutz durch andere Behörden als die des Staates seines gewöhnlichen Aufenthalts zu gewährleisten. Die beiden Artikel sind parallel gestaltet. Artikel 8 gestattet den Behörden des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes, die Sache an die Behörden eines anderen Staates abzugeben, nachdem sie sichergestellt haben, dass diese die ihnen übertragene Zuständigkeit ausüben werden. Artikel 9 gestattet den Behörden eines Staates, der nicht derjenige des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes ist, die zuständige Behörde des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts zu ersuchen, ihnen ihre Zuständigkeit zu übertragen, um die von ihnen für erforderlich erachteten Schutzmaßnahmen zu treffen.
Artikel 8 (Übertragung der Zuständigkeit an einen geeigneten Gerichtsstand)
Absatz 1
- 53 Grundsätzlich liegt die Zuständigkeit bei den Behörden des gewöhnlichen Aufenthalts oder, in den in Artikel 6 genannten Fällen, bei denjenigen des Staates, in dessen Hoheitsgebiet das Kind anwesend ist. Als Ausnahme zu dieser grundsätzlichen Zuständigkeit sieht das Übereinkommen die Möglichkeit vor, dass die normalerweise zuständige Behörde die Zuständigkeit an die Behörde eines anderen Vertragsstaats überträgt, wenn sie meint, dass diese "besser in der Lage wäre, das Wohl des Kindes im Einzelfall zu beurteilen". Dies könnte bei einem Kind der Fall sein, das mit seinen Eltern seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat hat, der nicht der seiner Staatsangehörigkeit ist, und dessen Eltern beide durch einen Unfall ums Leben kommen. Für das Kind dürfte es vermutlich nahe liegen, in das Land zurückzukehren, dem es angehört und wo die übrigen Familienangehörigen sich aufhalten, wobei die Behörden des gewöhnlichen Aufenthalts erwägen könnten, dass es zum Wohl des Kindes notwendig ist, dass sein Schutz von den Behörden des in Rede stehenden Landes übernommen wird.
Diese Einschätzung des Kindeswohls bleibt der Entscheidung der normalerweise zuständigen Behörde überlassen, die infolgedessen eine gewisse Unterscheidungskraft nachweisen muss. Im Zuge der Erörterungen ist angemerkt worden, dass es eher unangemessen erschiene, wenn z.B. die Behörde des Staates, in dem das Kind anwesend ist, und die nach Artikel 6 normalerweise zuständig ist, Schutzmaßnahmen zugunsten eines Flüchtlingskindes zu treffen, dem Staat, dem das Kind angehört, vorschlagen würde, sich um dessen Schutz zu bemühen.
Diese Möglichkeit der Zuständigkeitsübertragung ist im Übereinkommen nur zugunsten der Behörde eines anderen Vertragsstaats vorgesehen. Die Konferenz hat mehrere Vorschläge32) abgewiesen, die darauf zielten, die Übertragung an die Behörde eines Nichtvertragsstaats zu gestatten, wenn dies dem Kindeswohl entspräche. Grund für diese Ablehnung ist, dass die von der Behörde des Drittstaats, dem die Zuständigkeit übertragen wurde, getroffenen Maßnahmen mangels Gegenseitigkeit nicht in Anwendung des Übereinkommens in den Vertragsstaaten anerkannt werden könnten und daraus eine schwerwiegende Lücke beim Schutz entstünde, weil es infolge der Übertragung keine normalerweise zuständige Behörde im Sinne des Übereinkommens mehr gäbe.
- 54 Wenn sie der Auffassung ist, dass es dem Wohl des Kindes dient, die Zuständigkeit auf die Behörde eines anderen Staates zu übertragen, hat die normalerweise zuständige Behörde zwei Möglichkeiten: Entweder kann sie diejenige Behörde, die sie für am besten geeignet erachtet, ersuchen, die Zuständigkeit zu übernehmen, um die von ihr für erforderlich gehaltenen Maßnahmen zu treffen, oder sie kann das Verfahren aussetzen und die Parteien einladen, bei der Behörde dieses anderen Staates einen solchen Antrag zu stellen.
Diese beiden Möglichkeiten stehen auf gleichem Fuß, und die Auswahl bleibt der Entscheidung der normalerweise zuständigen Behörde überlassen. Es besteht auch kein Anlass zu unterscheiden, ob es sich bei den für Kinderschutz zuständigen Behörden um Gerichte oder Verwaltungsbehörden handelt. Sicherlich kann das Verfahren der unmittelbaren Kommunikation zwischen Behörden (erste Wahlmöglichkeit) auf recht einfachem Weg von einer Verwaltungsbehörde betrieben werden, während die Aussetzung des Verfahrens (zweite Wahlmöglichkeit) eher für ein Gericht passend ist. Die Spezialkommission, gefolgt von der Konferenz, hat gleichwohl unter Hinweis darauf, dass die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen Verwaltungs- und Gerichtsbehörden sich je nach Rechtsordnung unterscheide, den Vorschlag verworfen, das Verfahren mit der Art der befassten Behörde zu verknüpfen. Bei der Ratifikation des Übereinkommens wird es folglich Sache des einzelnen Vertragsstaats sein, in seinem Recht die Möglichkeit vorzusehen, dass seine Gerichte die Behörde eines anderen Staates anrufen können, sofern dies nicht ohnehin schon möglich ist (oder wenn sie in seiner Ordnung nicht die automatische Folge des Inkrafttretens des Übereinkommens ist). Da vorgesehen ist, dass diese Anrufung mit Unterstützung der Zentralen Behörde des Staates der zu ersuchenden Behörde geschehen kann, dürfte Artikel 31 Buchstabe a dazu beitragen, diese Schwierigkeit zu überwinden.
Absatz 2
- 55 Dieser Absatz gibt die Staaten an, deren Behörden unter den Bedingungen von Absatz 1 angerufen werden können, also auf Ersuchen oder mit Zustimmung der Behörde des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes nach den Artikeln 5 und 6. Der Wortlaut nennt zuerst einen "Staat, dem das Kind angehört". Die Zuständigkeit der Behörden des Staates, dem das Kind angehört, die - jedenfalls theoretisch - im Übereinkommen von 1961 Vorrang genoss, stellt in dem neuen Übereinkommen nur die zuerst erwähnte einer Reihe von subsidiären Zuständigkeiten dar, die sich aus dem freiwilligen Zurücktreten der Behörden des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes ergeben. Die Abfassung der Bestimmung zeigt eindeutig, dass die subsidiäre Zuständigkeit, sollte das Kind mehreren Staaten angehören, den Behörden des einen oder anderen dieser Staaten verliehen werden kann. Im Wortlaut heißt es weiter "ein Staat, in dem sich Vermögen des Kindes befindet".33) Diese Zuständigkeit erscheint angemessen, wenn es darum geht, eine Schutzmaßnahme bezüglich dieses Vermögens zu treffen. Als Beispiel wurde die Genehmigung zum Verkauf eines in einem anderen als dem Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes befindlichen Grundstücks erwähnt. Der Wortlaut beschränkt gleichwohl die subsidiäre Zuständigkeit der Behörde des Staates, in dem das Vermögen belegen ist, nicht auf Maßnahmen bezüglich dieses Vermögens (vgl. Artikel 11 Abs. 1 unten). Als dritter Staat, dem eine subsidiäre Zuständigkeit zukommen kann, ist derjenige angeführt, "bei dessen Behörden ein Antrag der Eltern des Kindes auf Scheidung, 34)Trennung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe anhängig ist". Die Behörden des Scheidungsstaats, deren Zuständigkeit sich die Vertragsstaaten nach dem Übereinkommen von 1961 vorbehalten konnten (Artikel 15), erhalten nach Artikel 10 (siehe unten) eine konkurrierende Zuständigkeit. Die subsidiäre Zuständigkeit gemäß Artikel 8 ist jedoch nicht nutzlos, zumindest in den Fällen, in denen die Bedingungen nach Artikel 10 hinsichtlich der originären Zuständigkeit nicht erfüllt sind, oder aber es scheint, dass der für die Scheidung zuständige Gerichtsstand am angemessensten wäre.
Absatz 2 erwähnt schließlich einen "Staat, zu dem das Kind eine enge Verbindung hat". Diese Formulierung, deren Flexibilität mit der unterschwelligen forum non conveniens Theorie gut in Einklang zu bringen ist, die Artikel 8 kennzeichnet, umfasst die drei bezeichneten Fälle, die sie veranschaulichen, und reicht über sie hinaus. Somit besteht die Möglichkeit, je nach Fall und stets zum Wohl des Kindes, die Zuständigkeit z.B. der Behörden des Staates des früheren gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes oder aber des Staates zu begründen, in dem Familienangehörige des Kindes leben, die sich des Kindes anzunehmen gewillt sind.
Absätze 3 und 4
- 56 Der in Absatz 3 vorgesehene Meinungsaustausch zwischen den betreffenden Behörden dürfte oft notwendig sein, damit die ersuchte Behörde ihrerseits prüfen kann, ob sie besser als die Behörde des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes in der Lage ist, die Schutzzuständigkeit zum Wohl des Kindes auszuüben. Dieser Meinungsaustausch geschieht im Rahmen des Systems der Zusammenarbeit zwischen Vertragsstaaten nach Kapitel V des Übereinkommens (siehe unten).
Die Beurteilung des Wohls des Kindes durch die ersuchte Behörde wird dabei die Entscheidung bestimmen, ob sie die an sie herangetragene Ausübung der Zuständigkeit annimmt oder ablehnt. Das Wohl des Kindes bedingt demnach eine doppelte Prüfung seitens der anfänglich befassten Behörde und der ersuchten Behörde. Deshalb heißt es in Absatz 4 "kann" und nicht "muss". Falls die ersuchte Behörde auf ein an sie gerichtetes Ersuchen innerhalb einer angemessenen Frist nicht antwortet, wird die zunächst befasste Behörde in diesem Fall ihre Schlüsse daraus ziehen und ihre Zuständigkeit in vollem Umfang wahrnehmen.
Das Wohl des Kindes ist in concreto zu würdigen, "im Einzelfall", so der Wortlaut, d.h. zu dem Zeitpunkt, in dem ein gewisses Schutzbedürfnis offenkundig wird, und um dem zu begegnen. Der Wortlaut ist folglich nicht so zu verstehen, dass die Zuständigkeit endgültig an die ersuchte Behörde übertragen wird. Die Übertragung beschränkt sich je nach Anlass auf das "im Einzelfall", der sie ausgelöst hat, Erforderliche. In der Tat wird man kaum im Voraus behaupten können, dass die nach Artikel 5 oder 6 zuständige Behörde unter zukünftigen Umständen nicht am besten in der Lage wäre, eine Entscheidung zum Wohl des Kindes zu treffen.
Artikel 9 (Eingeforderte Zuständigkeit seitens eines geeigneten Gerichtsstands)
- 57 Artikel 9 gestattet es den Behörden der in Artikel 8 Abs. 2 bezeichneten Staaten, d.h. denjenigen, die von den nach den Artikeln 5 und 6 zuständigen Behörden ersucht werden können, die Schutzzuständigkeit auszuüben, aus eigenem Antrieb die Initiative zu ergreifen und nachzusuchen oder ersuchen zu lassen, dass ihnen diese Zuständigkeit eingeräumt wird.
Das hier vorgesehene Verfahren ist genau symmetrisch zu demjenigen nach Artikel 8. Die ersuchende Behörde, die von einer Partei befasst worden sein kann, müsste sich normalerweise für unzuständig erklären, weil ihre Zuständigkeit in den Artikeln 5 und 6 nicht vorgesehen ist. Sollte sie jedoch der Auffassung sein, dass sie besser in der Lage ist, das Wohl des Kindes im Einzelfall zu beurteilen, so stehen ihr - ähnlich wie der Behörde des normalerweise zuständigen Staates im vorherigen Fall - zwei Möglichkeiten zu Gebote: Sie kann sich entweder selbst an die Behörde des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes wenden, unmittelbar oder mit Unterstützung der Zentralen Behörde dieses Staates, und sie um die Genehmigung ersuchen, die Zuständigkeit auszuüben, um die von ihr für erforderlich gehaltenen Schutzmaßnahmen zu treffen, oder das Verfahren aussetzen und die Parteien auffordern, einen solchen Antrag bei jener Behörde zu stellen.
- 58 Nach Artikel 9 ist das Ersuchen um Übertragung der Zuständigkeit an die Behörden des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes zu richten, was der grundsätzlichen Zuständigkeit nach Artikel 5 entspricht. Artikel 9 sieht nicht vor, dass in den in Artikel 6 bezeichneten Fällen das Ersuchen an die Behörden des Staates zu richten ist, in dessen Hoheitsgebiet sich das Kind befindet. Dieser Mangel an Symmetrie gegenüber Artikel 8 scheint auf ein Versehen zurückzuführen sein. Die Erweiterung von Artikel 8 auf die in Artikel 6 vorgesehenen Fälle gemäß einem Vorschlag der deutschen Delegation (Arbeitsdokument Nr. 62) wurde bei der Erörterung des Artikels 9 übersehen. Der Berichterstatter ist der Auffassung, dass Artikel 9 diesbezüglich dem Artikel 8 angepasst werden muss. Wenn die Behörden des Staates, dem das Kind angehört, berechtigt sind, die Behörden des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts zu ersuchen, ihnen zu gestatten, die Schutzzuständigkeit auszuüben, um so mehr müssten sie dasselbe Ersuchen an die Behörden des Staates richten können, in den das Kind infolge von Unruhen im Land seines gewöhnlichen Aufenthalts vorläufig gelangt ist. Die nachfolgenden Darlegungen, die sich entsprechend dem Wortlaut auf den Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes beziehen, sind im Licht dieser Anmerkung zu verstehen.
- 59 Der Wortlaut ist in der Annahme abgefasst worden, dass die Behörden des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes weder befasst noch von der Schutzbedürftigkeit des betreffenden Kindes unterrichtet worden sind. Das schließt jedoch nicht aus, dass das Verfahren nach Artikel 9 auch in einem Fall greift, in dem die zuständige Behörde des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes bereits befasst worden ist. Diese hätte auf das Verfahren nach Artikel 9 zurückgreifen können oder könnte dies weiterhin tun. Nach Eingang eines auf Artikel 9 gestützten Antrags wird sie über ergänzende Informationen verfügen, und sie sollte die Möglichkeit haben, eine Entscheidung über die Zuständigkeit zum Wohl des Kindes zu treffen. In einem solchen Fall brauchen die herkömmlichen Mechanismen der Rechtshängigkeit nicht eingesetzt zu werden, weil die Zuständigkeit der Behörden des Staates, der nicht der Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes ist, der Zustimmung der zuständigen Behörde des Staates dieses gewöhnlichen Aufenthalts unterliegt. Ähnlich wie in Artikel 8 ist auch in Artikel 9 die Möglichkeit eines Meinungsaustauschs zwischen den betreffenden Behörden vorgesehen.
- 60 Die Lage dürfte gewöhnlich, wie im Falle von Artikel 8, durch eine zustimmende oder ablehnende Entscheidung der ersuchten Behörde bereinigt werden. Die Konferenz hat unter Verwerfung der von der Spezialkommission gebilligten Lösung einen amerikanischen Vorschlag angenommen, der die Ausübung der Zuständigkeit der Behörde, von der der Antrag ausgeht, der ausdrücklichen Bedingung unterwirft, dass die Behörde des Vertragsstaats des gewöhnlichen Aufenthalts das Ersuchen angenommen hat. Mit anderen Worten gilt das Schweigen der Behörde des Vertragsstaats des gewöhnlichen Aufenthalts als Ablehnung des Ersuchens. Die Behörde, von der der Antrag ausgeht, kann nur die in den Artikeln 11 und 12 vorgesehenen dringenden oder vorläufigen Maßnahmen treffen, wenn sie die in diesen Artikeln niedergelegten Zuständigkeitsvoraussetzungen erfüllt. Diese neue Lösung ist in vollem Umfang durch die Besorgnis gerechtfertigt, dass eine gegenteilige Lösung zu konkurrierenden Ersuchen von Behörden verschiedener Vertragsstaaten führt, die geneigt sein würden, angesichts des Schweigens der Behörde des gewöhnlichen Aufenthalts untereinander unvereinbare Maßnahmen zu treffen.
Artikel 10 (Gerichtsstand der Ehescheidung)
- 61 Das Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 hatte für Vertragsstaaten, deren Behörden dazu berufen sind, über den Antrag auf Scheidung, Trennung von Tisch und Bett oder Nichtigerklärung der Ehe der Eltern eines Minderjährigen zu entscheiden, die Möglichkeit vorgesehen, sich die Zuständigkeit dieser Behörden für Maßnahmen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Minderjährigen vorzubehalten (Artikel 15). Die Rücknahme dieses Vorbehalts durch die Mehrzahl der Staaten, die ihn eingelegt hatten,35) führte dazu, dass das Scheidungsgericht für Maßnahmen zum Schutz des Kindes nicht mehr zuständig ist, es sei denn, es ist identisch mit einem im Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 vorgesehenen Gerichtsstand. Die Spezialkommission hatte diese Lösung akzeptiert und der Zuständigkeit des Scheidungsgerichts für Maßnahmen zum Schutz des Kindes nur subsidiäre Bedeutung im beschränkten Rahmen der Artikel 8 und 9 beigemessen (siehe oben). Bei der Diplomatischen Konferenz haben die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die mit der Ausarbeitung eines Übereinkommens unter dem Titel "Brüssel II" befasst sind mit dem Ziel, das Brüsseler Übereinkommen vom 27. September 1968 auf "Ehesachen" auszudehnen, wobei insbesondere unter bestimmten Voraussetzungen dem Gerichtsstand der Ehescheidung die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Ausübung der elterlichen Verantwortung übertragen werden soll, die Befürchtung geäußert, dass es hier allzu große Unterschiede zwischen den beiden in Arbeit befindlichen Übereinkommen gäbe. Sie haben daher die Einbeziehung eines Artikels in das neue Haager Übereinkommen erbeten und durchgesetzt, der dem Gerichtsstand der Ehescheidung die Zuständigkeit verleiht, Maßnahmen zum Schutz der Person und des Vermögens des Minderjährigen zu treffen. Dies ist das Ziel des Artikels 10, der durch eine sogenannte "Entkoppelungsklausel" in Artikel 52 ergänzt wird. Sie gestattet es einem oder mehreren Vertragsstaaten, Vereinbarungen über in diesem Übereinkommen geregelte Angelegenheiten in Bezug auf Kinder zu treffen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem der Staaten haben, die Partei dieser gesonderten Vereinbarungen sind (siehe unten).
Absatz 1
- 62 Dieser Absatz sieht eine konkurrierende Zuständigkeit des Staates des Gerichtsstandes der Scheidung, Trennung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe36) vor, falls bestimmte in den Buchstaben a und b aufgelistete Bedingungen erfüllt sind, Maßnahmen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes zu treffen. Es geht nicht darum, dem Gerichtsstand der Ehescheidung diese Zuständigkeit aufzuzwingen. Sie wird in dem Übereinkommen lediglich anerkannt, wenn sie nach dem innerstaatlichen Recht des Staates besteht, in dem die Scheidung beantragt wird. Sie erstreckt sich aber, wenn das Recht dieses Staates sie vorsieht, auf alle Maßnahmen zum Schutz der Person und des Vermögens des Kindes und nicht nur auf die Maßnahmen bezüglich der Ausübung der elterlichen Verantwortung.
- 63 1. Diese Zuständigkeit ist konkurrierender und nicht ausschließlicher Art. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union hätten eine ausschließliche Zuständigkeit bevorzugt, die für sie den Vorteil gehabt hätte, eben die konkurrierende Ausübung durch mehrere Behörden unterschiedlicher Vertragsstaaten zu vermeiden und somit der bekundeten Zielsetzung des neuen Übereinkommens besser zu entsprechen. Zahlreiche andere Delegationen, hauptsächlich Länder mit common law, haben sich jedoch einer Lösung widersetzt, welche die Behörden des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts über die langen Jahre, die das Scheidungsverfahren dauern könnte, ihrer Schutzzuständigkeit beraubt hätte.
Der Kompromiss wurde durch die Annahme einer konkurrierenden Zuständigkeit gefunden, wie die ersten Worte des Artikels zeigen: "unbeschadet der Artikel 5 bis 9". Die Zuständigkeit des Gerichtsstands der Ehescheidung schließt demnach diejenige der Behörden des Staates des derzeitigen (Artikel 5) oder früheren (Artikel 7) gewöhnlichen Aufenthalts oder der schlichten Anwesenheit des Kindes in den Fällen nach Artikel 6 nicht aus. Sie schließt auch nicht die in den Artikeln 8 und 9 vorgesehenen Mechanismen der Zuständigkeitsübertragung aus. So stellt Artikel 10 z.B. kein Hindernis dafür dar, dass die Behörden des gewöhnlichen Aufenthalts die Schutzzuständigkeit an diejenigen des Staates, dem das Kind angehört, übertragen oder das von diesen gestellte Übertragungsersuchen annehmen.
Diese Konkurrenz mehrerer für Maßnahmen zum Schutz des Kindes zuständiger Behörden schafft ein Problem, das mit dem der Rechtshängigkeit zusammenhängt. Da dieses Problem bei anderen Sachverhalten außer der Scheidung auftreten kann, gilt ihm in dem Übereinkommen eine Bestimmung allgemeiner Natur, die in Artikel 13 niedergelegt ist (siehe unten).
- 64 2. Die Zuständigkeit des Gerichtsstandes der Ehescheidung zum Treffen von Schutzmaßnahmen zugunsten des Kindes wird ihm nur gewährt, wenn dieses Forum bestimmte in den Buchstaben a und b des Absatzes 1 definierte Verbindungen zu dem Kind aufweist, deren Bedingungen kumulativ sind.
Die erste Voraussetzung (Buchstabe a) ist, dass mindestens einer der Eltern des Kindes seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem Land hat, in dem die Scheidung beantragt wird. Dieser gewöhnliche Aufenthalt muss zu Beginn des Verfahrens bestanden haben, wobei aber nicht erforderlich ist, dass er das ganze Scheidungsverfahren hindurch Bestand hat.
Buchstabe a verlangt ebenso, dass einer der Eltern die elterliche Verantwortung für das Kind hat, wobei es nicht unbedingt derjenige Elternteil sein muss, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Scheidungsstaat hat. Die Konferenz war in der Tat der Auffassung, dass das Scheidungsgericht bei zwei Elternteilen, denen beiden die elterliche Verantwortung entzogen wurde, keine Grundlage biete, um die Schutzzuständigkeit bezüglich des Kindes auszuüben.
- 65 Die zweite Reihe von Voraussetzungen (Buchstabe b) ist, dass beide Eltern die Schutzzuständigkeit des Scheidungsgerichts anerkannt haben und diese dem Wohl des Kindes entspricht. Der Wortlaut verlangt nicht die Zustimmung der Eltern hinsichtlich der zu treffenden Maßnahmen, sondern nur hinsichtlich der Zuständigkeit. Der Zusatz lautet, dass diese Zuständigkeit ebenfalls von jeder Person anerkannt wurde, welche die elterliche Verantwortung für das Kind hat. Da Buchstabe a bereits verlangt, dass einer der Eltern diese elterliche Verantwortung hat, muss man sich, um dieser in Buchstabe b gestellten Bedingung Sinn zu geben, einen Sachverhalt vorstellen, bei der die elterliche Verantwortung auf einen der Eltern und einen Dritten verteilt ist. Die Vereinbarkeit dieser Zuständigkeit mit dem Wohl des Kindes wird von dem mit dem Scheidungsantrag befassten Gericht nach freiem Ermessen gewürdigt. Sind eine oder mehrere dieser Bedingungen nicht erfüllt, steht dem Gerichtsstand der Ehescheidung keine Zuständigkeit für Maßnahmen zum Schutz des Kindes zu, es sei denn, er kommt in den Genuss einer Zuständigkeitsübertragung nach den Artikeln 8 und 9. Somit verliert das Gericht der gemeinsamen elterlichen Staatsangehörigkeit, das in zahlreichen Staaten dafür zuständig ist, die Scheidung auszusprechen, und das nach dem Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 eine maßgebliche Zuständigkeit besaß, weil es gleichfalls - bis auf wenige Ausnahmen - das Gericht der Staatsangehörigkeit des Kindes war, in dem neuen Übereinkommen diese Hauptzuständigkeit, wenn die Voraussetzungen nach den Buchstaben a und b in Absatz 1 des Artikels 10 nicht gegeben sind.
Absatz 2
- 66 Dieser Absatz bestimmt die zeitliche Grenze, jenseits derer die Zuständigkeit des Scheidungsgerichtsstands für Maßnahmen zum Schutz des Kindes endet. Diese erlischt, sobald das Scheidungsverfahren beendet wurde, ob durch eine stattgebende oder abweisende Entscheidung über den Antrag auf Scheidung der Ehe, die rechtskräftig geworden ist, oder sobald das Verfahren aus einem anderen Grund beendet wurde, wie Antragsrücknahme oder Einstellung des Verfahrens infolge einer vom Kläger zu vertretenden Verfahrensverzögerung oder wegen Ablebens einer Partei. Das Verfahrensrecht des Staates, vor dessen Behörde der Scheidungsantrag anhängig ist, ist bezüglich der Frage anwendbar, ob das Verfahren beendet wurde oder ob die Entscheidung endgültig geworden ist.
Diese Regelung bedeutet, dass es beispielsweise nach Beendigung des Verfahrens und Aussprache der Scheidung nicht mehr möglich ist, das Scheidungsgericht noch einmal anzurufen und zu ersuchen, die Kinderschutzmaßnahmen, die von ihm getroffen worden sind, als das Scheidungsverfahren noch anhängig war, zu ändern. Einzig die nach den Artikeln 5 und 9 des Übereinkommens normalerweise zuständige Behörde kann nunmehr in der Sache entscheiden. 37) Gleichwohl bleiben die vom Scheidungsgericht während seiner Zuständigkeit getroffenen Maßnahmen unter den in Artikel 14 vorgesehenen Bedingungen weiterhin wirksam (siehe unten).
Artikel 11 und 12 (Konkurrierende Zuständigkeit der Behörden des Staates, in dem das Kind anwesend oder das ihm gehörende Vermögen belegen
ist)
- 67 Diese beiden Artikel verleihen den Behörden jedes Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet sich das Kind oder ihm gehörendes Vermögen befindet, eine begrenzte, aber konkurrierende Zuständigkeit mit dem Ziel, entweder durch Dringlichkeit erforderte oder territorial beschränkte vorläufige Maßnahmen zu treffen.
Der Anwendungsbereich der beiden Artikel ist bezüglich der betroffenen Kinder größer als derjenige der Artikel 5 bis 10, weil er alle in einem Vertragsstaat befindlichen Kinder oder ihnen gehörendes Vermögen umfasst, selbst wenn deren gewöhnlicher Aufenthalt sich in einem Nichtvertragsstaat befindet. Dieser Umstand machte bei jedem der beiden Artikel die Aufnahme einer Bestimmung erforderlich, welche die von den Behörden eines Nichtvertragsstaats getroffenen Entscheidungen berücksichtigt.
Artikel 11 (Zuständigkeit in dringenden Fällen)
Absatz 1
- 68 Dieser Wortlaut ist die nahezu gleichlautende Wiedergabe von Artikel 9 Abs. 1 des Übereinkommens von 1961 und verleiht den Behörden jedes Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet sich das Kind oder ihm gehörendes Vermögen befindet, die Zuständigkeit, in dringenden Fällen die notwendigen Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Ebenso wie das Übereinkommen von 1961 enthält das neue Übereinkommen keine Definition des Begriffs der Dringlichkeit38). Ein Zustand der Dringlichkeit im Sinn von Artikel 11 wird gegeben sein, wenn der Zustand, sollte ihm nur auf gewöhnlichem Weg nach den Artikeln 5 bis 10 abgeholfen werden, möglicherweise einen nicht wiedergutzumachenden Schaden zu Lasten des Kindes verursachen würde. Die Dringlichkeit rechtfertigt demnach ein Abweichen von der üblichen Regel und ist somit eher eng auszulegen.
Die Zuständigkeit nach Artikel 11 ist, abweichend von dem dem Übereinkommen zugrunde liegenden Prinzip, eine konkurrierende Zuständigkeit im Verhältnis zu derjenigen der Behörden des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes. Ihre Rechtfertigung ergibt sich eben aus dem Vorliegen eines dringenden Falles. Wäre diese Zuständigkeit nicht vorgesehen, könnten die durch die zwingend vorgeschriebene Anrufung der Behörden des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes veranlassten Verzögerungen dessen Schutz oder Interessen beeinträchtigen. Diese konkurrierende Zuständigkeit könnte z.B. ausgeübt werden, wenn die Vertretung eines nicht im Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts befindlichen Kindes, bei dem ein dringender chirurgischer Eingriff erforderlich ist, sicherzustellen oder dem Kind gehörendes, von Verfall bedrohtes Vermögen rasch zu veräußern ist.
Die Staaten, deren Behörden aus Gründen der Dringlichkeit befasst werden können, sind diejenigen, in deren Hoheitsgebiet sich das Kind oder ihm gehörendes Vermögen befindet. Was die Behörde des Staates anbelangt, in dem sich das Kind befindet, handelt es sich vom Ansatz her um andere als Flüchtlingskinder oder in ein anderes Land gelangte Kinder im Sinn von Artikel 6 Abs. 1 oder solche ohne gewöhnlichen Aufenthalt nach Artikel 6 Abs. 2. Für jene Kinder steht mangels eines festgestellten oder zugänglichen Staates des gewöhnlichen Aufenthalts den Behörden des Landes, in dem sich das Kind befindet, die allgemeine Zuständigkeit zu. Hier dagegen ist die Zuständigkeit der Behörden des Anwesenheitsstaats auf dringende Fälle begrenzt.
- 69 Die Behörden des Staates, in dessen Hoheitsgebiet Vermögen des Kindes belegen ist, haben in dringenden Fällen eine Zuständigkeit, die nicht nur auf den Schutz dieses Vermögens beschränkt ist. Die Kommission hat einen Vorschlag der Slowakei abgewiesen, der auf diese Weise die beiden Hauptdringlichkeitszuständigkeiten aufgefächert hätte, und während der Diplomatischen Konferenz wurde diese Frage nicht erneut erörtert. Es ist in der Tat vorstellbar, dass die Dringlichkeit den Verkauf von Vermögen des Kindes in einem Land gebietet, um diesem in dem Land seines Aufenthalts die unmittelbar benötigten Ressourcen zu verschaffen.
- 70 Auf Anfrage einer Delegation hat die Spezialkommission, der von der Diplomatischen Konferenz nicht widersprochen wurde, die Auffassung vertreten, ohne dass dies Eingang in den Wortlaut finden müsste, dass die Behörden des Landes, in dem Vermögen des Kindes belegen ist, ebenfalls in dringlichen Fällen zuständig seien, selbst wenn das Eigentumsrecht des Kindes an diesem Vermögen Gegenstand der Streitigkeit sei. Nach ähnlichen Grundgedanken ist unter "biens" (zu deutsch Vermögen) ein Bestandteil des Vermögens des Kindes unabhängig davon zu verstehen, um welches Recht an dem Vermögen es geht, selbst wenn es sich nicht um das "Eigentums-"recht im engen Sinn handelt.
Die Kommission hat bewusst davon abgesehen, klarzustellen, welche Maßnahmen aufgrund der Dringlichkeit in Anwendung des Artikels 11 ergriffen werden können. Es handelt sich hierbei in der Tat um einen funktionalen Begriff, wobei die Dringlichkeit im jeweiligen Einzelfall die erforderlichen Maßnahmen bestimmt.
Absatz 2
- 71 Die Zuständigkeit für dringende Fälle muss, wie konkurrierend sie auch immer gegenüber den gewöhnlichen Zuständigkeiten nach Maßgabe des Übereinkommens sein mag, dieser nachgeordnet bleiben. Demgemäß besagt Artikel 11 Abs. 2, in ähnlichem Wortlaut wie das Übereinkommen von 1961 und begrenzt wie auch dort (aber im Unterschied zu Absatz 1) auf die Fälle, in denen die betroffenen Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat haben, dass die nach Absatz 1 getroffenen Maßnahmen "außer Kraft treten, sobald die nach den Artikeln 5 bis 10 zuständigen Behörden die durch die Umstände gebotenen Maßnahmen getroffen haben". In dem Augenblick ist die Lage unter Kontrolle der normalerweise zuständigen Behörden und es besteht kein Grund mehr, die Zuständigkeit der Behörden des Staates, in dem das Kind anwesend ist, oder die von ihnen wegen der Dringlichkeit getroffenen Maßnahmen beizubehalten.
- 72 Diese Bestimmung setzt voraus, dass die Maßnahmen, die von der für dringende Fälle zuständigen Behörde getroffen wurden, in allen Vertragsstaaten anerkannt werden39). So ist z.B. die Entscheidung, mit der ein Gericht des Staates, in dem das Kind anwesend ist, dem Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind aus Gründen der durch die Gefahr sexuellen Missbrauchs des Kindes hervorgerufenen Dringlichkeit entzieht, in den übrigen Vertragsstaaten anzuerkennen, bis die normalerweise zuständige Behörde nach den Artikeln 5 bis 1040) über die elterliche Verantwortung befunden hat.41)
In dem Wortlaut wollte man der wegen der Dringlichkeit zuständigen Behörde nicht die Verpflichtung auferlegen, die Behörden des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes von der getroffenen Maßnahme zu unterrichten, und zwar aus der Befürchtung heraus, die Wirkung des Übereinkommens zu erschweren und einen Vorwand für die Versagung der Anerkennung dieser Maßnahme in den anderen Vertragsstaaten zu bieten, sollte diese Unterrichtung nicht geschehen sein.
Der entsprechende Absatz in Artikel 9 des Übereinkommens von 1961 besagt, dass die getroffenen Maßnahmen nach dem Tätigwerden der normalerweise zuständigen Behörden außer Kraft treten, jedoch nur, "soweit sie keine endgültigen Wirkungen hervorgebracht haben". In dem Übereinkommen ist dieser Satzteil, der eine Selbstverständlichkeit auszudrücken schien, nicht beibehalten worden. Es ist in der Tat offenkundig, dass man einen chirurgischen Eingriff oder den Verkauf von Vermögen, die bereits geschehen sind, nicht rückgängig machen kann.
Absatz 3
- 73 Dieser Absatz, der keine Entsprechung in dem Übereinkommen von 1961 aufweist, regelt ebenfalls die Frage des Weiterbestands der von dem in dringenden Fällen zuständigen Forum getroffenen Maßnahmen, jedoch für den Fall, dass die betroffenen Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Vertragsstaat haben. Wenn die Behörden des Nichtvertragsstaats des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes oder gegebenenfalls eines anderen Staates, dessen Zuständigkeit anerkannt werden kann, die durch die Lage gebotenen Maßnahmen getroffen haben, besteht kein Anlass, die von dem in dringenden Fällen zuständigen Forum getroffenen Maßnahmen beizubehalten.
Die ratio decidendi ist dieselbe wie in der Lage nach Absatz 2, mit der diesem Sachverhalt eigenen Schwierigkeit, dass die normalerweise zuständige Behörde diejenige eines Nichtvertragsstaats ist, der im Wege der Hypothese in dem Übereinkommen keine Zuständigkeit zuerkannt werden konnte und deren Entscheidungen nicht notwendigerweise in den Vertragsstaaten anerkannt werden. Einige Delegationen42) hatten vorgeschlagen, in dem Übereinkommen die Anerkennung kraft Gesetzes der von einem Nichtvertragsstaat, dessen Zuständigkeit der in den Artikeln 5 bis 10 des Übereinkommens niedergelegten Zuständigkeit entsprechen würde, getroffenen Maßnahmen in den Vertragsstaaten vorzusehen. Dieser sehr innovative Gedanke einer internationalen Verpflichtung zur Anerkennung ohne Gegenseitigkeit kollidierte mit den verfassungsmäßigen Erfordernissen mehrerer Staaten und wurde von der Konferenz nicht beibehalten. Die Anerkennung der von einem Nichtvertragsstaat getroffenen Maßnahmen in einem Vertragsstaat kann nur vom innerstaatlichen Recht der einzelnen betroffenen Vertragsstaaten abhängen, so dass die Wirkungen der vom in dringenden Fällen zuständigen Forum getroffenen Maßnahmen nicht in einheitlicher und gleichzeitiger Form in den einzelnen Vertragsstaaten enden. Dies ist der Grund, warum in Absatz 3 dargelegt wird, dass die vom in dringenden Fällen zuständigen Forum getroffenen Maßnahmen "in jedem Vertragsstaat außer Kraft treten, sobald dort die durch die Umstände gebotenen und von den Behörden eines anderen Staates getroffenen Maßnahmen anerkannt werden"43).
Artikel 12 (Vorläufige territorial beschränkte Maßnahmen)
Absatz 1
- 74 Unabhängig von dringenden Fällen verleiht Artikel 12 ferner den Behörden jedes Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet sich das Kind oder ihm gehörendes Vermögen befindet, eine konkurrierende Zuständigkeit dahingehend, "vorläufige und auf das Hoheitsgebiet dieses Staates beschränkte Maßnahmen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes zu treffen".44) Dieser von der Spezialkommission angenommene Wortlaut entstammt einem Vorschlag des Vereinigten Königreichs, getragen von der Besorgnis, den Schutz von Kindern sicherzustellen, die sich für einen Aufenthalt von begrenzter Dauer (Ferien, kurzer Schulbesuch, Weinlese usw.) im Ausland aufhalten. Ohne dass im eigentlichen Sinn Dringlichkeit vorläge, könnte es zweckmäßig erscheinen, so hieß es, der möglicherweise etwas überforderten Gastfamilie zu helfen, indem man das Kind für die Dauer des Aufenthalts in eine Gastgemeinschaft oder eine andere Familie gibt, jedoch unter Aufsicht der örtlichen Fürsorgebehörden. Sollte sich eine solche Maßnahme als zweckdienlich erweisen, wären die Behörden im Land der Anwesenheit des Kindes am besten geeignet, diese zu ergreifen. Während der Diplomatischen Konferenz wurde erörtert, ob es zweckdienlich sei, diesen Artikel beizubehalten, wobei einige Delegationen befürchteten, er werde von den Behörden des Staates, in dem das Kind anwesend ist, benutzt, um als vorläufig bezeichnete Maßnahmen zu ergreifen, die jedoch wichtige Fragen wie etwa das Sorgerecht berühren könnten, das auf diese Weise in getrennter Form auf das Hoheitsgebiet dieses Staates übergegangen wäre. Diese Befürchtung ist schließlich angesichts der im Wortlaut vorgesehenen Beschränkungen als übertrieben gewertet worden, wobei die Beibehaltung mit einer knappen Mehrheit beschlossen wurde.45)
- 75 Eine erste Beschränkung trifft den Fall des widerrechtlichen Verbringens. Die Einschränkung in Artikel 7 gleich zu Beginn des Absatzes erinnert daran, dass die Behörden des Staates, in den das Kind widerrechtlich verbracht oder in dem es zurückgehalten wurde, wie auch diejenigen des Staates, in dem das Kind unmittelbar vor dem Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, ihre Hauptzuständigkeit beibehalten, nur dringende Maßnahmen treffen dürfen, aber keine vorläufigen, die diese Dringlichkeit nicht aufweisen (siehe oben zu Artikel 7 Abs. 3).
Eine zweite Beschränkung ergibt sich aus dem vorläufigen und territorial beschränkten Charakter der möglichen Maßnahmen. Ferner, und dies ist eine dritte Begrenzung, dürfen diese Maßnahmen nicht unvereinbar sein mit den bereits von den nach den Artikeln 5 bis 10 zuständigen Behörden getroffenen Maßnahmen. Es liegt demnach kein Grund zur Befürchtung vor, dass die nach Artikel 12 zuständigen Behörden in dem Hoheitsgebiet ihres Staates eine Art getrennten Kinderschutz einrichten, weil sie alle von den normalerweise zuständigen Behörden bereits getroffenen Maßnahmen beachten müssen. Diese Eingrenzung unterscheidet Artikel 12 von Artikel 11. Nur in Eilfällen kann der Gerichtsstand, in dem das Kind anwesend ist, die vorher von den normalerweise zuständigen Behörden getroffenen Maßnahmen beseitigen.
Absatz 2
- 76 In ähnlicher Weise wie der Wortlaut von Artikel 11 Abs. 2 und für denselben Fall eines Kindes, das seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat hat, sieht dieser Absatz vor, dass die somit getroffenen vorläufigen Maßnahmen außer Kraft treten, sobald die nach den Artikeln 5 bis 10 zuständigen Behörden "eine Entscheidung über die Schutzmaßnahmen getroffen haben, die durch die Umstände geboten sein könnten". Dieser letzte Satzteil unterscheidet sich von dem in Artikel 11 benutzten Wortlaut. Es kann in der Tat sein, dass nach Prüfung der Umstände die normalerweise zuständigen Behörden erachten, dass keine Maßnahme zu treffen sei. In einem solchen Fall werden die in Anwendung von Artikel 12 getroffenen Maßnahmen hinfällig.
Absatz 3
- 77 Dieser Absatz deckt sich mit Absatz 3 des Artikels 11 mit dem Unterschied, dass die vorläufigen Maßnahmen außer Kraft treten, sobald die in einem Nichtvertragsstaat getroffenen Maßnahmen in dem Vertragsstaat anerkannt werden, der die vorläufigen Maßnahmen getroffen hat. Es besteht hier kein Bedarf einer Anerkennung der in einem Nichtvertragsstaat getroffenen Maßnahmen in den übrigen Vertragsstaaten, weil die vorläufigen Maßnahmen eine auf das Hoheitsgebiet des Staates, in dem sie getroffen wurden, beschränkte Wirksamkeit haben.
Artikel 13 (Konflikte konkurrierender Zuständigkeiten) Absatz 1
- 78 In diesem Artikel, Ergebnis eines gemeinsamen Vorschlags der deutschen und italienischen Delegation,46) wird versucht, die Konflikte zu lösen, die aufgrund der in dem Übereinkommen bestehenden konkurrierenden Zuständigkeiten entstehen können. Die offensichtlichste Hypothese ist die der Ehescheidung. Die in Artikel 10 vorgesehene Zuständigkeit des Scheidungsgerichts für Maßnahmen zum Schutz des Kindes schließt, wie oben dargelegt, die konkurrierende Zuständigkeit der Behörden des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes oder der Behörden eines anderen Staates, denen der Staat des gewöhnlichen Aufenthalts die Zuständigkeit übertragen hat, nicht aus. Es ist demnach angebracht zu verhindern, dass gleichzeitig vor verschiedenen Gerichten Maßnahmen beantragt werden mit dem Ergebnis, dass widersprüchliche Entscheidungen ergehen. Vorstellbar ist, obwohl dies eher selten der Fall sein dürfte, dass Konflikte gleicher Natur zwischen denjenigen Behörden entstehen, deren Zuständigkeit in den Artikeln 5 bis 10 geregelt ist.47) Der Wortlaut schließt bei diesen möglichen Konflikten diejenigen nicht ein, die die gewöhnliche Schutzzuständigkeit (Artikel 5 z.B.) und die Zuständigkeit in dringenden Fällen (Artikel 11) in Konkurrenz treten lassen könnten. Deshalb kann und muss die nach Artikel 11 zuständige Behörde, falls tatsächliche Dringlichkeit besteht, über die beantragte Maßnahme entscheiden, auch wenn ein ähnlicher Antrag vor der normalerweise zuständigen Behörde anhängig ist.
- 79 Artikel 13 sieht eine allgemeine Bestimmung für die anstehenden Konfliktarten vor. Diese Bestimmung hat einen ähnlichen Wortlaut wie diejenige zur Rechtshängigkeit. Die nach den Artikeln 5 bis 10 zuständige Behörde darf über den vor ihr anhängigen Antrag auf Maßnahmen nicht entscheiden, wenn entsprechende Maßnahmen bei den Behörden eines anderen Vertragsstaats beantragt worden sind, die in jenem Zeitpunkt nach den Artikeln 5 bis 10 zuständig waren, und über den Antrag noch nicht entschieden wurde. Wenn z.B. ein Scheidungsverfahren anhängig ist und das Scheidungsgericht ersucht worden ist, über das Sorgerecht des Kindes zu entscheiden, müsste die Behörde des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes, der ein gleicher Antrag von einem der Eltern unterbreitet wurde, davon absehen, über diesen Antrag zu entscheiden. Wenn aber in der gleichen Lage die Behörde des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts gebeten wird, eine Maßnahme zum Schutz des Vermögens des Kindes zu treffen, kann diese Behörde in der Sache entscheiden, nachdem sie festgestellt hat, dass vor dem Scheidungsgericht ein ähnlicher Antrag nicht anhängig ist.
Sollte die ursprünglich befasste Behörde die vor ihr beantragte Maßnahme bereits getroffen haben, wäre dies keine Frage der Rechtshängigkeit mehr, sondern der Wirksamkeit in einem Vertragsstaat der in einem anderen Vertragsstaat getroffenen Maßnahme. Diese Problematik ist in den Artikeln 14 bis 23 geregelt (siehe unten).
Absatz 2
- 80 Ein weiteres Mittel zur Beseitigung von Zuständigkeitskonflikten besteht darin, dass die zuerst befasste Behörde die Zuständigkeit an die danach befasste Behörde überträgt. Sie tut dies, wenn sie der Auffassung ist, dass letztere besser geeignet ist, über das Wohl des Kindes zu befinden. Absatz 2 des Artikels 13 zeigt in diesem Sinn, dass Absatz 1 nicht anzuwenden ist, d.h. dass die als zweite befasste Behörde sich nicht zu enthalten hat, in der Sache zu entscheiden, wenn die Behörde, bei der die Maßnahme zuerst beantragt wurde, auf ihre Zuständigkeit verzichtet hat. Diese Möglichkeit macht die Konfliktlösung flexibler, als es die Technik der Rechtshängigkeit täte. Letztere wirkt immer einseitig zugunsten der zuerst befassten Behörde, während Artikel 13 Abs. 2 es gestattet, die geeignetste Zuständigkeit vorzuziehen, auch wenn diese erst danach angerufen wird.
Dieser Verzicht spiegelt die nach den Artikeln 8 und 9 vorgesehene Zuständigkeitsübertragung wider, aber er unterscheidet sich davon. Die Artikel 8 und 9 sehen in der Tat eine Übertragung der Zuständigkeit auf Behörden vor, die an sich nach Maßgabe des Übereinkommens nicht zuständig sind, Schutzmaßnahmen für das Kind zu treffen. Ihre Zuständigkeitsgrundlage liegt ausschließlich in dieser Übertragung. Bei dem in Artikel 13 zugrunde gelegten Sachverhalt aber ist die als zweite befasste Behörde nach den Artikeln 5 bis 10 zuständig. Der Verzicht, mit dem der Zustand der Rechtshängigkeit beendet wird, gibt ihr die Befugnis zurück, über den Antrag auf Maßnahmen zu entscheiden, muss ihr aber keine Zuständigkeit verleihen, die sie bereits innehatte. Der in Rede stehende Verzicht kann demnach aus einer einseitigen Entscheidung der zuerst befassten Behörde folgen, ohne dass dem Verfahren nach den Artikeln 8 und 9 zu folgen wäre.
Artikel 14 (Beibehaltung der Maßnahmen im Fall veränderter Umstände)
- 81 Dieser Artikel gibt im Wesentlichen Artikel 5 Abs. 1 des Übereinkommens von 1961 wieder. Er stellt sicher, dass die von der zuständigen Behörde ergriffenen Maßnahmen in Kraft bleiben, selbst wenn die Grundlage, auf der die Zuständigkeit dieser Behörde beruhte, durch veränderte Umstände anschließend beseitigt worden ist, solange die nach der Veränderung zuständigen Behörden diese Maßnahmen nicht geändert, ersetzt oder aufgehoben haben.
Die Beibehaltung ist notwendig, um beim Schutz des Minderjährigen ein gewisses Maß an Beständigkeit zu gewährleisten. Wenn beispielsweise von den Behörden des ersten gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes ein Vormund bestellt worden ist, ist es unabdingbar, dass der Vormund weiterhin seine Tätigkeit ausüben kann, falls der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes später in einem anderen Staat liegen sollte. Nach Artikel 5 Abs. 2 sind jetzt zwar die Behörden dieses neuen Staates zuständig, Schutzmaßnahmen für das Kind zu treffen; solange sie jedoch nicht eingeschritten sind, müssen die vor der Änderung des Aufenthalts getroffenen Maßnahmen in Kraft bleiben, um einen Bruch im Fortbestand des Schutzes zu vermeiden.
Gleiches gilt, wenn das Recht des neuen gewöhnlichen Aufenthalts die elterliche Verantwortung kraft Gesetzes einer anderen Person als derjenigen überträgt, der diese Verantwortung durch eine Schutzmaßnahme der zuständigen Behörde des Staates des früheren gewöhnlichen Aufenthalts zugewiesen worden ist. Die Rechtssicherheit verlangt, dass in dem Staat des neuen gewöhnlichen Aufenthalts eine Maßnahme getroffen wird, um die Tätigkeit der Person zu beenden, die durch eine vor der Änderung des gewöhnlichen Aufenthalts getroffene Maßnahme bestimmt worden ist.
Der in Artikel 23 Abs. 1 (siehe unten) niedergelegte Grundsatz, dass von den jeweiligen Behörden getroffene Maßnahmen eines Vertragsstaats in allen Vertragsstaaten kraft Gesetzes anerkannt werden, dürfte zum Erreichen dieses Ziels nicht genügen. Artikel 23 stellt zwar die Anerkennung der in Kraft befindlichen Maßnahmen sicher, aber das in dem hier besprochenen Artikel 14 geregelte Problem besteht eben darin zu erfahren, ob die Maßnahmen nach Änderung der Umstände in Kraft bleiben.48) Artikel 14 ist nur anwendbar auf die nach den Artikeln 5 bis 10 getroffenen Maßnahmen. Wie mit den nach den Artikeln 11 und 12 getroffenen Maßnahmen zu verfahren ist, ist jeweils in Absatz 2 und 3 dieser Artikel geregelt (siehe oben).
- 82 Die behandelte "Änderung der Umstände" ist im Fall der Artikel 5 und 6 entweder die Änderung des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts oder des schlichten Aufenthalts des Kindes. Die getroffenen Maßnahmen bleiben nach Artikel 14 in Kraft, wobei jedoch ihre Durchführungsbedingungen nach Artikel 15 Abs. 3 vom Recht des Staates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts bestimmt werden (siehe unten). Im Fall von Artikel 7 ergibt sich die Änderung der Umstände aus dem Wortlaut selbst, wenn die Zuständigkeit von den Behörden des Staates, in dem das Kind unmittelbar vor dem Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, auf diejenigen des Staates übergeht, in dem es einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt erworben hat. Im Fall der Artikel 8 und 9 liegt die "Änderung der Umstände" in einem Wechsel der Staatsangehörigkeit des Kindes, des Lageorts von Vermögen oder der engen Verbindung, welche die Zuweisung der Zuständigkeit an die Behörde begründet hatte, welche die Maßnahme getroffen hatte. Im Fall von Artikel 10 schließlich ergibt sich die Änderung der Umstände aus der Beendigung des Scheidungsverfahrens (Artikel 10 Abs. 2).
- 83 Die Beibehaltung der getroffenen Maßnahmen wird ausschließlich "innerhalb ihrer Reichweite" sichergestellt. Diese Klarstellung berücksichtigt, dass die zuständige Behörde des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts Maßnahmen getroffen haben kann, die nur anwendbar sein sollten, soweit das Kind seinen Aufenthalt in diesem Staat hatte. Sie kann z.B. vorgesehen haben, dass von jeder Änderung des Aufenthalts Mitteilung an die staatlichen Behörden des neuen Aufenthalts gemacht werden soll. Eine solche Verpflichtung kann keine über das Hoheitsgebiet hinausgehende Tragweite haben und wird bei der Änderung des gewöhnlichen Aufenthalts in einem anderen Staat keinen Bestand haben. Auch wenn ein Kind von derselben Behörde dem Schutz seitens eines verwaltungsrechtlichen Kinderschutzorgans anvertraut worden ist, ist offensichtlich, dass diese Maßnahme im Falle einer Änderung des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes in einem anderen Staat keinen Bestand haben wird, weil die staatliche Schutzeinrichtung ihre Befugnisse nur in dem Hoheitsgebiet ihres eigenen Staates ausüben kann.
Schlussbemerkung
- 84 Die in Kapitel II enthaltenen und im Vorstehenden analysierten Kollisionsnormen bilden ein umfassendes und in sich geschlossenes System, das als Ganzes die Vertragsstaaten bindet, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem Hoheitsgebiet eines der Staaten hat. Insbesondere ist es einem Vertragsstaat nicht gestattet, seine Zuständigkeit über eines dieser Kinder auszuüben, wenn diese in dem Übereinkommen nicht vorgesehen ist. Dieselbe Lösung ist für die in Artikel 6 vorgesehenen Fälle vorherrschend, wenn das Kind seinen Aufenthalt in einem Vertragsstaat hat. In den anderen Fällen führt die Anwesenheit des Kindes zur Anwendung der Artikel 11 und 12, aber diese Artikel schließen die weiterreichende Zuständigkeit nicht aus, welche die Vertragsstaaten ihren Behörden in Anwendung ihres innerstaatlichen Rechts übertragen könnten; nur sind in diesem Fall die übrigen Vertragsstaaten keineswegs gehalten, diese erweiterten Zuständigkeiten, die außerhalb des Bereichs des Übereinkommens liegen, anzuerkennen. Gleiches gilt umso mehr für die Kinder, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Vertragsstaat haben und dort nicht einmal anwesend sind. Die Konferenz hat es abgelehnt, in den Wortlaut des Übereinkommens einen Vorschlag des Redaktionsausschusses49) aufzunehmen, der ähnlich wie Artikel 4 der Übereinkommen von Brüssel und Lugano vorgesehen hätte, dass, sollte das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Vertragsstaat haben, die Zuständigkeit in jedem Vertragsstaat sich nach dem nationalen Recht dieses Staates richtete. Dieser Vorschlag wurde als Wiedergabe der richtigen Auslegung von Kapitel II des Übereinkommens gewertet, ist aber nicht übernommen worden aus Angst, dass diese dann wiederum anhand des Wortlauts der Übereinkommen von Brüssel und Lugano interpretiert würde dahingehend, dass die übrigen Vertragsstaaten verpflichtet seien, die somit in Anwendung der innerstaatlichen - zuweilen exorbitanten - Zuständigkeitsvorschriften der Vertragsstaaten getroffenen Maßnahmen anzuerkennen.
Kapitel III Anzuwendendes Recht
- 85 Im Interesse der Übersichtlichkeit fasst dieses Kapitel die gesamten Kollisionsnormen zusammen, die im Übereinkommen von 1961 unter den Vorschriften zur internationalen Zuständigkeit der Behörden verstreut waren. Diese Kollisionsnormen betreffen nacheinander die Schutzmaßnahmen, die kraft Gesetzes bestehende elterliche Verantwortung und den Schutz Dritter. Vervollständigt werden sie durch einige allgemeine Bestimmungen zum universalen Charakter dieser Bestimmungen, zum Renvoi und zu Kollisionen unterschiedlicher Kollisionsnormsysteme sowie die Ausnahme der öffentlichen Ordnung (ordre public).
Artikel 15 (Auf Schutzmaßnahmen anzuwendendes Recht)
Absatz 1
- 86 Das neue Übereinkommen behält den im Übereinkommen von 1961 niedergelegten Grundsatz bei, der da lautet: "Bei der Ausübung ihrer Zuständigkeit nach Kapitel II wenden die Behörden der Vertragsstaaten ihr eigenes Recht an."50) Die Grunderwägung, die man zur Rechtfertigung dieser Norm geltend machen kann, ist es, die Aufgabe der befassten Behörde zu erleichtern, die somit das Recht anwendet, mit dem sie am besten vertraut ist. Da die Zuständigkeit ferner in aller Regel der dem Kind nächsten Behörde zugewiesen wird (Behörde des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts oder des Aufenthalts im Fall der Artikel 5 bis 7, angemessenste Zuständigkeit im Fall der Artikel 8 und 9, Zuständigkeit im Staat der Anwesenheit des Kindes bei dringenden oder in ihrer Wirkung streng auf das Hoheitsgebiet beschränkten Maßnahmen im Fall der Artikel 11 und 12), sind die Maßnahmen im Wesentlichen im Staat der Behörde zu vollziehen, die sie getroffen hat. Ihre Durchführung dürfte demnach leichter fallen, wenn sie den Rechtsvorschriften dieses Staates entsprechen. Würde man von der befassten Behörde unter allen Umständen verlangen, das Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes anzuwenden, wie dies in der Spezialkommission vergeblich vorgeschlagen worden war, hätte dies den Schutz des Kindes unnötigerweise kompliziert.
Sollte dieses Recht beispielsweise in der Tat die Errichtung eines trusts verlangen, dessen Begünstigter das Kind wäre, hätte die befasste Behörde beträchtliche Mühe bei der Durchführung, wenn ihr eigenes Recht diese Einrichtung nicht vorsähe und das Vermögen des Kindes sich im Hoheitsgebiet ihres Staates befände.
- 87 Derselbe Vorschlag wurde während der Diplomatischen Konferenz wiederholt, jedoch beschränkt auf den Gerichtsstand der Ehescheidung (Arbeitsdokument Nr. 76), welcher in der Tat in dem in Artikel 10 vorgesehenen Fall nicht in dem Staat liegt, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Der Vorschlag ist ebenfalls mit sehr großer Mehrheit abgelehnt worden wegen der vorsehbaren Schwierigkeiten bei seiner Anwendung, insbesondere im Fall von Kindern, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in unterschiedlichen Staaten haben.
Die Spezialkommission und dann die Konferenz haben ebenfalls Vorschläge (Arbeitsdokument Nr. 78) abgewiesen, wonach der befassten Behörde die Beachtung bestimmter materieller Normen aufgezwungen werden sollte, die in dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes erwähnt werden, wie die Zustimmung des Kindes bezüglich seine Person betreffender Maßnahmen oder die Berücksichtigung des sozialen Umfelds des Kindes sowie der ethnischen, kulturellen und religiösen Herkunft seiner Eltern. Sie hat vorgezogen, hier nur eine Kollisionsnorm aufzustellen. Ferner war sie der Auffassung, dass diese Elemente zusammen mit anderen im Begriff des Kindeswohls aufgehen sollten und ihre besondere Hervorhebung zu Missverständnissen führen könnte.
- 88 Die Anwendung des innerstaatlichen Rechts der befassten Behörde auf die Schutzmaßnahmen ist allgemeiner Natur und gilt, worauf auch immer die Zuständigkeit dieser Behörde beruht. Die Neuordnung der Zuständigkeiten zugunsten der Behörden des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes wird wesentlich häufiger zur Anwendung des Rechts dieses Staates führen als nach dem Übereinkommen von 1961, das den Behörden des Staates, dem das Kind angehört, und somit dem Recht der Staatsangehörigkeit des Kindes weiten Raum lässt. Dies gilt umso mehr, als die Fassung der Vorschrift ("wenden die Behörden ... an") darauf schließen lässt, dass sie zwingender Natur ist. Um die größere Strenge der Zuständigkeitsnormen auszugleichen, lässt das Übereinkommen jedoch bei der Festlegung des auf Schutzmaßnahmen anzuwendenden Rechts mehr Flexibilität walten. Dies geht aus Absatz 2 hervor.
Absatz 2
- 89 Dieser Absatz stellt eine Ausnahmeregelung dar, die nicht auf dem Grundsatz der Nähe (engste Verbindung) beruht, sondern auf dem Kindeswohl. Am häufigsten wird als Beispiel das an die Behörden des gewöhnlichen Aufenthalts gerichtete Ersuchen um Genehmigung der Veräußerung von im Ausland befindlichem Vermögen des Minderjährigen angeführt. Sicherlich ist es hier vorzuziehen, dass die befasste Behörde in diesem Fall das Belegenheitsrecht anwenden und die nach diesem Recht vorgesehene Genehmigung erteilen kann, selbst wenn das Recht der befassten Behörde hier keine Genehmigung vorsieht. Es könnte ebenfalls angezeigt sein, beim Schutz ausländischer Kinder das Recht ihrer Staatsangehörigkeit anzuwenden, wenn es schiene, dass diese Kinder bald in ihr Herkunftsland zurückkehren sollen. Jedenfalls wäre es zweckdienlich, dieses Recht zu berücksichtigen, wie es Absatz 2 auch regelt, um nicht eine Schutzmaßnahme zu treffen, die in jenem Land nicht vollstreckt werden könnte. Von dieser Ausnahmeregelung sollte jedoch nicht zu einfach Gebrauch gemacht werden. Es wurde während der Spezialkommission der Fall eines Kindes erwähnt, das seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Staat A hat, sich jedoch im Staat B, wo sich eine sehr renommierte Spezialklinik befindet, einem chirurgischen Eingriff unterziehen muss. Das angerufene Krankenhaus wird vor dem Eingriff um eine Genehmigung nachsuchen. Diese Genehmigung ist bei den Behörden des Staates A, dem Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes, zu beantragen, weil die Behörden des Staates B bei fehlender Dringlichkeit nicht zuständig sind. Die Behörden des Staates A müssen nach Artikel 15 Abs. 1 ihr eigenes Recht anwenden, und Absatz 2 desselben Artikels scheint die Anwendung des Rechts des Staates B nicht zu gestatten, es sei denn, es handele sich um international zwingende Vorschriften, die unabhängig davon anzuwenden sind, auf welches Recht das Kollisionsrecht verweist.
Absatz 3
- 90 Die Änderung des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes führt wie gesagt zu einer Änderung der Zuständigkeit der Behörden, die nach dieser Änderung Schutzmaßnahmen treffen können (Artikel 5 Abs. 2), lässt jedoch die bereits getroffenen Maßnahmen weiterhin bestehen (Artikel 14). Gleichwohl berührt sie die Bedingungen für die Anwendung dieser Maßnahmen. Ebenso wie die elterliche Verantwortung, die sich kraft Gesetzes aus dem Recht des früheren gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes ergibt, nach der Änderung fortbesteht, aber nunmehr nach dem Recht des neuen gewöhnlichen Aufenthalts ausgeübt wird (Artikel 17, siehe unten), besteht die vor der Änderung getroffene Maßnahme danach fort, aber ihre "Anwendungsbedingungen" bestimmen sich vom Zeitpunkt der Änderung an nach dem Recht des Staates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts.
- 91 Zweifel wurden geäußert bezüglich der Möglichkeit einer Unterscheidung zwischen dem Vorliegen der Maßnahme, die gewöhnlich vorbehaltlich des Absatzes 2 nach dem Recht des früheren gewöhnlichen Aufenthalts getroffen worden ist, und ihren Anwendungsbedingungen, die sich nach dem Recht des neuen gewöhnlichen Aufenthalts richten.
Es besteht in der Tat die Gefahr einer Verfälschung oder zumindest Schwächung der Maßnahme für den Fall, dass das Recht des neuen Aufenthalts die Anwendungsbedingungen allzu deutlich erleichtern sollte. Ist z.B. für das Kind in dem Land seines früheren gewöhnlichen Aufenthalts ein Sorgeberechtigter bestellt worden, der die Verpflichtung hat, bei Gericht die Genehmigung zur Vornahme bestimmter Rechtsgeschäfte zu beantragen, so dürfte der Sorgeberechtigte nach Artikel 15 Abs. 3 diese Geschäfte selbständig vornehmen, sollte ihm das nach dem Recht des neuen Aufenthalts gestattet sein. Das Erfordernis oder Nichterfordernis einer Genehmigung ist tatsächlich eine "Anwendungsbedingung" der Maßnahme nach Absatz 3. Hervorgehoben wurde auch die Hypothese einer Schutzmaßnahme, die in dem Staat des früheren gewöhnlichen Aufenthalts bis zum 18. Lebensjahr andauern würde, jedoch in dem Staat des neuen gewöhnlichen Aufenthalts mit dem 16. Lebensjahr enden würde (oder andersherum), und es stellte sich die Frage, ob die Dauer der Maßnahme zu ihrem Bestand oder den Anwendungsbedingungen gehörte. Es hat sich gezeigt, dass keine allgemeine Formulierung es gestatten würde, die außergewöhnliche Vielfalt der Umstände zu berücksichtigen, und dass alle diese Probleme nur fallbezogen gelöst werden könnten durch Anpassung, oder sollte dies nicht durchführbar sein, den Erlass neuer, von den Behörden des Staates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts zu treffender Maßnahmen.
- 92 Die Konferenz hat einen amerikanischen Vorschlag (Arbeitsdokument Nr. 4) angenommen, mit dem die Anwendung des Absatzes 3 auf den Fall beschränkt wird, bei dem der Staat des neuen gewöhnlichen Aufenthalts ein anderer Vertragsstaat ist, mit dem Gedanken, dass dieser Wortlaut dazu bestimmt ist, nur von dem Staat des neuen gewöhnlichen Aufenthalts angewandt zu werden und dass es nicht zweckdienlich erscheine, Nichtvertragsstaaten Verpflichtungen aufzuerlegen. Sollte sich jedoch der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes in einen Nichtvertragsstaat ändern und sich die Frage der Anwendung von Maßnahmen in einem Vertragsstaat stellen, müsste sie dieser in Anwendung seines eigenen Systems des Internationalen Privatrechts lösen. Aus denselben Erwägungen heraus wäre es vernünftig, dieselbe Vorschrift anzuwenden wie diejenige für den Fall eines Wechsels des gewöhnlichen Aufenthalts in einen Vertragsstaat.
Artikel 16 bis 18 (Elterliche Verantwortung kraft Gesetzes)
- 93 Diese Artikel waren Anlass zu gewichtigen Erörterungen und Grundsatzentscheidungen, die vor einer Kommentierung der einzelnen Absätze darzustellen sind. Diese Grundsatzfragen sind mit den Schwierigkeiten bei der Auslegung und Anwendung von Artikel 3 des Übereinkommens von 1961 verbunden, wonach "ein Gewaltverhältnis, das nach dem innerstaatlichen Recht des Staates, dem der Minderjährige angehört, kraft Gesetzes besteht, (...) in allen Vertragsstaaten anzuerkennen (ist)".
Dieser Wortlaut betraf eindeutig die Zuweisung der elterlichen Sorge kraft Gesetzes ohne jede Einschaltung staatlicher Behörden, seien es Gerichte oder Verwaltungsbehörden. Die Gerichte der Vertragsstaaten waren allerdings unterschiedlicher Auffassung, ob damit eine Kollisionsnorm oder, wie der Wortlaut es vermuten ließ, einfach eine Anerkennungsnorm erlassen worden sei. Nach der ersten Auslegung war die Bestimmung (und somit auch das Recht der Staatsangehörigkeit des Kindes) anwendbar, um z.B. festzulegen, ob - unabhängig von jeglicher Schutzmaßnahme - die zum Abschluss eines Rechtsgeschäfts im Namen des Kindes notwendige Genehmigung von dem Vater oder der Mutter des Kindes oder von beiden gemeinsam erteilt werden muss. Nach der zweiten Auslegung war die Bestimmung nur anwendbar, wenn die befasste Behörde um eine Schutzmaßnahme ersucht wurde, die dann nach dem Recht der Staatsangehörigkeit des Kindes feststellen musste, ob ein Gewaltverhältnis kraft Gesetzes bestand, und bejahendenfalls dieses Verhältnis anerkennen und prüfen musste, wie die erbetene Maßnahme hieran anzupassen wäre. Bei diesem Stand der Dinge sind weitere Divergenzen aufgetreten. Nach einer Auffassung würde das Bestehen eines solchen Verhältnisses das Einschreiten der Behörden des gewöhnlichen Aufenthalts ganz ausschließen. Nach anderer Auffassung wäre es ihnen nur erlaubt, ihre Zuständigkeit in den Fällen auszuüben, in denen das Recht der Staatsangehörigkeit des Minderjährigen es gestattete, Schutzmaßnahmen zu treffen. Einer dritten Auffassung zufolge hinderte schließlich das Bestehen dieses Gewaltverhältnisses die Behörden des gewöhnlichen Aufenthalts keineswegs daran, die von ihnen für notwendig erachteten Schutzmaßnahmen zu treffen51).
Eine weitere Schwierigkeit bei der Anwendung des Artikels 3 des Übereinkommens von 1961 ergab sich aus der Anknüpfung des Gewaltverhältnisses ex lege an das Recht der Staatsangehörigkeit des Minderjährigen. Abgesehen von der bereits erwähnten Gefahr der Blockierung im Fall der doppelten Staatsangehörigkeit des Kindes hat die unterschiedliche Anknüpfung des Gewaltverhältnisses kraft Gesetzes und der Schutzmaßnahme zuweilen unlösbar erscheinende Sachverhalte heraufbeschworen. Um diese Schwierigkeiten zu unterbinden, neigten einige Verfasser dazu, das künftige Übereinkommen nur noch auf Schutzmaßnahmen zu beschränken und jede Bestimmung zum ex lege-Verhältnis zu streichen52).
- 94 Angesichts dieser Schwierigkeiten hat die Konferenz sehr wichtige Grundsatzentscheidungen getroffen. Sie hat sich zunächst dafür ausgesprochen, eine Bestimmung über die elterliche Verantwortung ex lege in dem künftigen Übereinkommen beizubehalten. Sie war für den Hinweis aufgeschlossen, dass eine solche Verantwortung in den meisten Fällen ausreicht, um den Schutz der Kinder zu gewährleisten, insbesondere was die Verwaltung ihres Vermögens anbelangt. Es wäre demnach bedauerlich gewesen, insoweit über keine einheitliche Kollisionsnorm zu verfügen. Außerdem muss jede Behörde, die angerufen ist, eine Schutzmaßnahme zu treffen, wissen, in welchen rechtlichen Rahmen diese Maßnahme einzuordnen ist.
- 95 Die Konferenz hat sich in zweiter Linie eindeutig für eine Kollisionsnorm statt einer einfachen Anerkennungsregel ausgesprochen. Diese Option erweitert somit den Bereich der vertraglichen Vereinheitlichung. Sie bietet den Vertragsstaaten zugleich den Vorteil einer Vereinfachung, indem das schwierige Nebeneinander von zwei unterschiedlichen Anknüpfungen hinsichtlich der elterlichen Verantwortung kraft Gesetzes in ihren Rechtsordnungen unterbunden wird, von denen eine bei der Anerkennung dieser Verantwortung im Vorfeld einer Schutzmaßnahme vertraglicher Herkunft wäre und die andere aus ihrem innerstaatlichen Recht in Bezug auf das auf diese Verantwortung außerhalb einer Schutzmaßnahme anzuwendende Recht herrührt.
- 96 Die Konferenz hat drittens die Anknüpfung an das Recht der Staatsangehörigkeit zugunsten des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes aufgegeben. Das auf die Schutzmaßnahme anzuwendende Recht wird so meistens mit dem auf das ex lege-Verhältnis anzuwendenden Recht übereinstimmen, eine beachtliche Vereinfachung. Diese letzte Entscheidung hat jedoch eine neue Schwierigkeit in Bezug auf das Schicksal dieses ex lege-Verhältnisses bei einer Veränderung des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes hervorgerufen. Die Konferenz hat sich bemüht, das Bedürfnis nach Kontinuität des Schutzes, das den Fortbestand dieses Verhältnisses nach der Änderung des gewöhnlichen Aufenthalts verlangte, und das Erfordernis der Rechtssicherheit für Dritte und des raschen Vorgehens miteinander zu vereinbaren, die im Gegenteil für eine unverzügliche Ersetzung des Rechts des früheren gewöhnlichen Aufenthalts durch dasjenige des neuen Aufenthalts sprachen.
- 97 Formal gesehen sind die Bestimmungen zum anzuwendenden Recht bei der elterlichen Verantwortung aus Gründen der Lesbarkeit auf drei Artikel verteilt worden. Artikel 16 behandelt die Zuweisung und das Erlöschen der elterlichen Verantwortung sowie den Statutenwechsel aufgrund des Wechsels des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes;
Artikel 17 behandelt die Ausübung der elterlichen Verantwortung und Artikel 18 den Entzug oder die Änderung der Bedingungen bei der Ausübung der elterlichen Verantwortung.
Artikel 16 (Zuweisung oder Erlöschen der elterlichen Verantwortung)
Absatz 1
- 98 In diesem Absatz ist bezüglich der elterlichen Verantwortung eine Kollisionsnorm mit Verweisung auf das Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes niedergelegt. Der beschlossene Wortlaut enthält einige Besonderheiten zum Gegenstand dieser Kollisionsnorm. Darin ist nicht mehr von einem Gewaltverhältnis die Rede, sondern entsprechend der neuen Terminologie von der elterlichen Verantwortung (siehe oben Nr. 14 zu Artikel 1 Abs. 2). Der Wortlaut beschränkt sich nicht auf die Zuweisung dieser Verantwortung, sondern erstreckt sich auch auf ihr Erlöschen. Im Verhältnis zu Artikel 3 des Übereinkommens von 1961 wird insbesondere versucht, den Ausdruck "kraft Gesetzes ... nach dem Recht" zu verdeutlichen, indem er durch "ohne Einschreiten eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde" ersetzt wird. Die Schwelle, an der der zu beurteilende Sachverhalt aus dem Anwendungsbereich des Artikels 12 in denjenigen der Artikel 5 ff. übergeht, ist in der Tat das Einschreiten einer Behörde. Dies bezieht sich nur auf ein aktives Eingreifen der Behörde, mit dem sie tatsächlich die Entscheidung über die Zuweisung oder das Erlöschen der elterlichen Verantwortung trifft. Erwähnt worden ist während der Spezialkommission der Fall einiger Rechtsordnungen, insbesondere in skandinavischen Ländern, wonach die gemeinsame elterliche Verantwortung nicht verheirateter Eltern, die sich aus dem Gesetz ergibt, Gegenstand einer Eintragung oder Benachrichtigung bestimmter Behörden, z.B. von Finanzämtern, sein muss. Die Behörde, die die Eintragung vornimmt oder eine solche Mitteilung erhält, greift nicht ein, um irgendeine Entscheidung zu treffen, und es sollte klar sein, dass diese Fälle in Artikel 12 geregelt sind.
- 99 Der Text gibt an, dass das "Recht" des Staates anwendbar ist, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Was darunter zu verstehen ist, ist Gegenstand des Artikels 21, der sich auf die Weiterverweisung und die Kollision von Systemen bezieht (siehe unten). Dieses Recht kann ebenso das eines Vertragsstaats wie das eines Nichtvertragsstaats sein (siehe unten, Artikel 20).
- 100 Um die elterliche Verantwortung zuzuweisen oder für erloschen zu erklären, stützt sich das anzuwendende Recht im Allgemeinen auf bestimmte Vorgänge wie etwa eine Eheschließung, eine Anerkennung oder einen Todesfall. Der von der Spezialkommission angenommene Vorentwurf verdeutlichte, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes zum Zeitpunkt der Vorgänge, auf die sich die Zuweisung oder das Erlöschen der elterlichen Verantwortung gründete, derjenige ist, der für die Feststellung des anzuwendenden Rechts zu berücksichtigen ist. Die Diplomatische Konferenz hat diese zeitliche Klarstellung gestrichen. Daher ist es Sache des Rechts des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, zu entscheiden, ob es die Vorgänge berücksichtigt oder nicht, die sich ereignet haben, bevor das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Staat hatte.
- 101 Diese vertragliche Kollisionsnorm, welche die elterliche Verantwortung dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes unterstellt, ist mit der Kollisionsnorm in Verbindung zu bringen, die in jedem Vertragsstaat auf das Personalstatut anzuwenden ist (vgl. oben Nr. 30 ad Artikel 4 Buchstabe d). Die Abgrenzung der Kategorien "elterliche Verantwortung" und "Personalstatut" dürfte keine großen Schwierigkeiten bereiten, jedenfalls in der Theorie. Wenn die elterliche Verantwortung beispielsweise mit Sicherheit die Fragen der Vertretung des Kindes, dagegen nicht Fragen der Geschäfts- und Handlungsfähigkeit erfasst, so steht ebenso fest, dass das Übereinkommen, dessen Bestimmungen erklärtermaßen auf alle Kinder bis zum Alter von 18 Jahren anzuwenden sind (Artikel 2, siehe oben Nr. 16), auf den Schutz solcher Kinder auch dann anzuwenden ist, wenn diese nach dem auf ihr Personalstatut anzuwendenden Recht geschäftsfähig sind. In der Praxis sind die Lösungen nicht immer so deutlich, jedoch eröffnet das Übereinkommen der befassten Behörde die Möglichkeiten, sie zu finden. Die niederländische Delegation hat das Beispiel eines Kindes angeführt, das nach dem auf sein Personalstatut anzuwendenden Recht minderjährig ist, das jedoch nach demselben Recht fähig ist, bestimmte Handlungen in seinem täglichen Leben vorzunehmen, ohne dass es einer Erlaubnis bedarf. Man kann zögern, ob diese teilweise Geschäftsfähigkeit in die Kategorie "Geschäftsfähigkeit", für die das Übereinkommen keine Kollisionsnorm vorsieht, oder in die Kategorie "Schutz des Kindes" einzuordnen ist. Die Antwort könnte lauten, dass, wenn die Gültigkeit eines von dem Minderjährigen allein vorgenommenen Rechtsgeschäfts zu bewerten wäre, die Frage zu entscheiden wäre, ob der Minderjährige die Geschäftsfähigkeit zur Vornahme dieses Rechtsgeschäfts besaß; diese Frage wird von der befassten Behörde in Anwendung ihres eigenen Internationalen Privatrechts entschieden. Wird dagegen von der Behörde eines Vertragsstaats eine Erlaubnis für die Vornahme dieses Rechtsgeschäfts verlangt, entscheidet die Behörde gemäß ihren Rechtsvorschriften, ob eine solche Schutzmaßnahme zu treffen ist; hierzu kann sie jedoch, wie es ihr Artikel 15 Abs. 2 ermöglicht, das Recht berücksichtigen, das nach ihrem eigenen Internationalen Privatrecht für die Geschäftsfähigkeit dieses Minderjährigen maßgeblich ist.
- 102 Der angenommene Wortlaut sieht für die dem Vorliegen elterlicher Verantwortung kraft Gesetzes vorausgehenden Fragen des Personalstatuts keine Lösung vor. Wenn beispielsweise das nach Artikel 16 anzuwendende Recht des gewöhnlichen Aufenthalts die Zuweisung der elterlichen Verantwortung kraft Gesetzes von der Wirksamkeit der Anerkennung des Kindes abhängig macht, ist die Annahme nicht unvernünftig, dass diese Wirksamkeit eher nach dem vom Kollisionsrecht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes bezeichneten Recht als nach dem des zuständigen Gerichts zu beurteilen ist; jedoch schreibt der Wortlaut des Übereinkommens diese Lösung nicht vor, und die Konferenz zog vor, es den Vertragsstaaten zu überlassen, für die Lösung dieses Problems Sorge zu tragen.
Absatz 2
- 103 Dieser Absatz erweitert die Lösung des Absatzes 1 auf die von einer Vereinbarung oder einem einseitigen Rechtsgeschäft abhängige elterliche Verantwortung. Die hier erwähnte "Vereinbarung", auf die sich auch Artikel 3 am Ende des Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung bezieht,53) ist beispielsweise eine solche, die Eltern untereinander über das Sorge- oder Umgangsrecht hätten schließen können. "Einseitiges Rechtsgeschäft" kann ein Testament oder eine letztwillige Verfügung sein, mit welcher der letzte Elternteil des Kindes einen Vormund für das Kind bestimmt. Falls die Zuweisung oder das Erlöschen einer elterlichen Verantwortung durch eine Vereinbarung oder ein einseitiges Rechtsgeschäft von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde bestätigt oder geprüft werden muss, ist dies als Schutzmaßnahme zu qualifizieren und Sache der Behörden, deren Zuständigkeit sich aus Kapitel II des Übereinkommens ergibt. Artikel 16 Abs. 2 ist in den Fällen von Nutzen, in denen das Rechtsgeschäft oder die Vereinbarung nach dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes "ohne Einschreiten eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde"54) wirksam wird. Fehlte Absatz 2, so stünde eine Zuweisung (oder ein Erlöschen), die sich aus diesem Rechtsgeschäft oder dieser Vereinbarung ergibt, außerhalb des Übereinkommens; denn sie geschähe nicht "kraft Gesetzes" im Sinn von Absatz 1. Die Bedeutung von Absatz 2 besteht darin, sie demselben Recht zu unterstellen wie die Zuweisung (oder das Erlöschen) kraft Gesetzes.
- 104 Absatz 2 stellt klar, dass der für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts zu berücksichtigende Zeitpunkt derjenige ist, in dem das Rechtsgeschäft oder die Vereinbarung wirksam wird; dieser Zeitpunkt kann später liegen als der Abschluss der Vereinbarung oder die Abfassung des Testaments. In den genannten Beispielen wird dieser Zeitpunkt regelmäßig für die hinsichtlich der Scheidung getroffene Vereinbarung derjenige sein, an dem die Scheidung wirksam wird, sowie für das Testament der des Todes des Erblassers. Es könnte verwunderlich sein, dass Absatz 2 einen Bezug auf das zeitliche Element enthält, während dieser Bezug in Absatz 1 gestrichen wurde. Der Unterschied findet seine Rechtfertigung in der Erwägung, dass in Absatz 2 die elterliche Verantwortung im Hinblick auf ein bestimmtes Rechtsgeschäft zugewiesen wird, das einen Platz im Zeitablauf hat.
Absätze 3 und 4
- 105 Diese beiden Absätze versuchen, das sehr heikle Problem der Auswirkungen einer Änderung des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes auf die kraft Gesetzes zugewiesene elterliche Verantwortung zu regeln. Sie sind Ergebnis einer Annäherung zwischen zwei zunächst sehr unterschiedlichen Auffassungen, die beide nicht alle Seiten des Problems berücksichtigt hatten.
Die erste Auffassung nahm Wandelbarkeit der Anknüpfung an. Ausgehend davon, dass die elterliche Verantwortung dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts unterliegt, ist danach zuzugeben, dass jeder Änderung des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts eine Änderung des auf die Zuweisung oder das Erlöschen der elterlichen Verantwortung kraft Gesetzes anzuwendenden Rechts entsprechen muss. Die Vorteile, auf die sich die Verfechter dieser Lösung beriefen, lagen in ihrer Einfachheit und Sicherheit. Einfachheit für die befassten Behörden - normalerweise diejenigen des neuen gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes -, die bei der Prüfung des Vorliegens elterlicher Verantwortung kraft Gesetzes ihr eigenes Recht anwenden. Einfachheit ebenfalls und Sicherheit für Dritte, die mit dem gesetzlichen Vertreter des Kindes verhandeln wollen, denn sie brauchen weder den Staat oder die Staaten des oder der früheren gewöhnlichen Aufenthalte des Kindes noch den Inhalt des Rechts dieser Staaten zu ermitteln. Einfachheit weiterhin für die Familie, wenn mehrere Kinder vorhanden sind. Die systematische Anwendung des Rechts des Staates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts bietet den Vorteil, dass die Zuweisung der elterlichen Verantwortung gegenüber allen Kindern - jedenfalls all den Kindern, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat haben - demselben Recht unterliegt.
Die zweite Auffassung berief sich auf die nötige Fortdauer des Schutzes. Ihr zufolge besteht die von dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts kraft Gesetzes zugewiesene Verantwortung ungeachtet der Änderung des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes fort. Sie bietet den Vorteil, einen Bruch in der Fortdauer des Schutzes beispielsweise in dem Fall zu vermeiden, dass das Recht des Staates des neuen Aufenthalts keine Zuweisung der elterlichen Verantwortung kraft Gesetzes vorsieht und diese Zuweisung vom Erlass der Maßnahme einer öffentlichen Behörde abhängig macht. Die These der Fortdauer würde es dem Träger der elterlichen Verantwortung nach dem Recht des früheren gewöhnlichen Aufenthalts ermöglichen, im Staat des neuen gewöhnlichen Aufenthalts weiterhin für das Kind zu sorgen und es in Geschäften des täglichen Lebens, namentlich in Beziehung zu Banken, ohne die Geld- und Zeitverluste zu vertreten, die ein vor den Behörden des neuen Staates zu führendes Einsetzungsverfahren verursachen würde.
- 106 Es gelang der durch einen Beitrag der italienischen Delegation unterstützten Spezialkommission, die besten Lösungen für die verschiedenen vorstellbaren Fälle zu finden, und ihr Vorentwurf wurde im Wesentlichen von der Diplomatischen Konferenz übernommen. In dem Fall, in dem das Recht des früheren gewöhnlichen Aufenthalts keinerlei elterliche Verantwortung kraft Gesetzes, das Recht des neuen gewöhnlichen Aufenthalts jedoch eine solche vorsieht, erscheint es zwingend, nur das zweite Recht anzuwenden. Die Konferenz, die diese Lösung für selbstverständlich hielt, fand es nicht angezeigt, sie im Wortlaut festzuhalten, ergibt sie sich doch implizit aus Absatz 1.
In dem Fall, dass das Recht des früheren gewöhnlichen Aufenthalts elterliche Verantwortung kraft Gesetzes bestimmte und das Recht des neuen gewöhnlichen Aufenthalts diese nicht vorsieht, ist das Erfordernis, die Fortdauer des Schutzes zu berücksichtigen, am stärksten, und Artikel 16 Abs. 3 gibt an: "Die elterliche Verantwortung nach dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes besteht nach dem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts in einen anderen Staat fort."
- 107 In einem dritten Fall sehen die beiden Rechte jeweils elterliche Verantwortung kraft Gesetzes vor, bestimmen jedoch unterschiedliche Träger dieser Verantwortung. Artikel 16 Abs. 3 ist ebenfalls auf diesen Sachverhalt anzuwenden, indem er die sich aus dem Recht des ersten Staates ergebende elterliche Verantwortung fortbestehen lässt; er ist dann jedoch zusammen mit Absatz 4 zu lesen. Dieser hängt sozusagen an den Zug des ersten Staates den zusätzlichen Wagen des zweiten Staates an. In der Tat entscheidet er sinngemäß, ohne die Lösung von Absatz 3 rückgängig zu machen, dass das innerstaatliche Recht des zweiten Staates anzuwenden ist, wenn es die elterliche Verantwortung kraft Gesetzes einer Person zuweist, der das aufgrund der Absätze 1 und 2 anzuwendende Recht des ersten Staates diese Verantwortung nicht zugewiesen hatte. Wenn beispielsweise das Recht des ersten Staates kraft Gesetzes die elterliche Verantwortung der Mutter des nichtehelichen Kindes und das Recht des zweiten Staates diese Verantwortung kraft Gesetzes dem Vater und der Mutter oder sogar nur dem Vater zuweist, ist das Recht des zweiten Staates anzuwenden, soweit es einem Träger elterlicher Verantwortung nach dem Recht des ersten Staates einen weiteren zur Seite stellt. Im umgekehrten Fall, wenn z.B. das Recht des ersten Staates die elterliche Verantwortung Vater und Mutter gemeinschaftlich und das Recht des zweiten Staates sie nur der Mutter zuweist, bleibt das Recht des zweiten Staates ohne Wirkung auf die Rechte des Vaters, der nach Absatz 3 die ihm von dem ersten Recht zugewiesene elterliche Verantwortung behält.
- 108 In gewisser Weise enthält Absatz 4 eine materiellrechtliche Regel, da er das Nebeneinander der als unterschiedlich angenommenen Zuweisungsempfänger der elterlichen Verantwortung nach dem Recht des alten und alsdann des neuen gewöhnlichen Aufenthalts vorschreibt. Wie von den skandinavischen und britischen Delegationen vorgeschlagen (Arbeitsdokument Nr. 36), wäre eine Kollisionsnorm vorstellbar gewesen, die dem Recht des Staates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts die Entscheidung über dieses etwaige Nebeneinander überlassen hätte. Gleichwohl wurde dieser Vorschlag mit der Bemerkung verworfen, dass die Rechtsvorschriften der Vertragsstaaten wahrscheinlich keine Regelung einer so besonderen Frage enthalten, die sich nur für die Anwendung dieses Übereinkommensartikels stellt.
Dieses Nebeneinander mehrerer in Anwendung der unterschiedlichen Rechte eingesetzten Träger der elterlichen Verantwortung kann nur funktionieren, wenn diese sich untereinander verstehen. Ist dies nicht der Fall, kann der Konflikt durch eine Maßnahme entschieden werden, um die einer von ihnen die zuständige Behörde des Staates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts ersucht (vgl. Artikel 5 Abs. 2).
Artikel 17 (Ausübung der elterlichen Verantwortung)
- 109 Dieser Artikel führt eine Unterscheidung ähnlich der für Artikel 15 Abs. 3 beschlossenen ein zwischen der Artikel 16 unterliegenden Zuweisung der elterlichen Verantwortung und ihrer Ausübung, die dem Recht des Staates des aktuellen Aufenthalts des Kindes unterliegt. Die Unterscheidung gewinnt offensichtlich bei einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes an Bedeutung, denn die Ausübung der elterlichen Verantwortung folgt dem Grundsatz der Wandelbarkeit. Somit behält der Träger der elterlichen Verantwortung nach dem Recht des Staates des früheren gewöhnlichen Aufenthalts diese Verantwortung, übt sie jedoch ab dem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes unter den Voraussetzungen aus, die das innerstaatliche Recht des zweiten Staates vorsieht. Sieht beispielsweise dieses Recht vor, dass bestimmte Rechtsgeschäfte, die der Träger der elterlichen Verantwortung nach dem Recht des ersten Staates allein vornehmen konnte, nur mit behördlicher Zustimmung vorgenommen werden können, ist diese Zustimmung einzuholen.
Artikel 18 (Entzug oder Änderung der elterlichen Verantwortung)
- 110 Dieser Artikel bestimmt: "Durch Maßnahmen nach diesem Übereinkommen kann die in Artikel 16 genannte elterliche Verantwortung entzogen oder können die Bedingungen ihrer Ausübung geändert werden." Dieser Wortlaut löst ein Auslegungsproblem von Artikel 3 des Übereinkommens von 1961, auf das bereits hingewiesen wurde (siehe oben). Das Bestehen elterlicher Verantwortung kraft Gesetzes kann nun nicht mehr länger Schutzmaßnahmen ausschließen, die sich als erforderlich erweisen. Dieser Artikel 18 kann im Übrigen im Anschluss an einen Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes herangezogen werden, wenn die zuständigen Behörden der Auffassung sind, dass die kumulierende Anwendung der Rechtsordnungen der aufeinander folgenden gewöhnlichen Aufenthalte auf die elterliche Verantwortung kraft Gesetzes zu einer Lähmung des Schutzes führt.
Artikel 19 (Schutz Dritter)
- 111 Wenn sich das Übereinkommen bei einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes für den Grundsatz entscheidet, dass die nach dem Recht des Staates des früheren gewöhnlichen Aufenthalts kraft Gesetzes zugewiesene elterliche Verantwortung fortbestehen soll, so birgt es für im Staat des neuen gewöhnlichen Aufenthalts handelnde Dritte die Gefahr, sich über die Person oder die Befugnisse des gesetzlichen Vertreters des Kindes zu täuschen. Ein gutgläubiger Dritter kann bei Verhandlungen mit einer Person, die nach örtlichem Recht gesetzlicher Vertreter des Kindes wäre, möglicherweise nicht wissen, dass der befugte gesetzliche Vertreter des Kindes die Person ist, der das Recht des Staates des früheren gewöhnlichen Aufenthalts diese Funktion kraft Gesetzes zugewiesen oder der sie eine Maßnahme der im Rahmen ihrer Zuständigkeit handelnden Behörden eines anderen Staates ordnungsgemäß übertragen hatte. Artikel 19, dessen Grundidee an den berühmten französischen Fall Lizardi55) sowie an Artikel 11 des Römischen Übereinkommens vom 19. Juni 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht erinnert, bestätigt die Anscheinstheorie zugunsten des gutgläubigen Dritten, der mit "einer anderen Person, die nach dem Recht des Staates, in dem das Rechtsgeschäft abgeschlossen wurde, als gesetzlicher Vertreter [des Kindes] zu handeln befugt wäre", verhandelt hat. Der Dritte ist geschützt, es sei denn, dass er wusste oder hätte wissen müssen, dass die elterliche Verantwortung nach den Bestimmungen dieses Kapitels einem anderen Recht unterlag. Demnach wird von dem Dritten eine durch eine Sorgfaltspflicht verstärkte Gutgläubigkeit verlangt.
- 112 Der Schutz besteht darin, dass "die Gültigkeit [des] Rechtsgeschäfts ... nicht allein deswegen bestritten und der Dritte nicht nur deswegen verantwortlich gemacht werden kann", weil das Rechtsgeschäft mit der Person geschlossen wurde, die unter den angegebenen Umständen zu Unrecht als gesetzlicher Vertreter des Kindes angesehen wurde. So wäre eine Bank, die dem Kind gehörende Gelder innehatte und sie seinem scheinbaren Vertreter ausgehändigt haben sollte, nicht verpflichtet, dem befugten Vertreter des Kindes erneut den Gegenwert zu zahlen. Ebenso kann der Dritte, der Vermögen des Kindes von derselben Person erworben haben sollte, dieses behalten.
- 113 Der Anschein der elterlichen Verantwortung, auf den sich der Dritte verlassen kann, ist derjenige, welcher sich aus dem "Recht des Staates, in dem das Rechtsgeschäft abgeschlossen wurde", ergibt. Absatz 2 stellt klar, dass die Vorschrift nur greift, "wenn das Rechtsgeschäft unter Anwesenden im Hoheitsgebiet desselben Staates geschlossen wurde". Von dem Dritten wird namentlich dann mehr Sorgfalt verlangt, wenn er ein Distanzgeschäft mit einer Person abschließt, die sich als gesetzlicher Vertreter des Kindes ausgibt.
- 114 Die Vorschrift des Artikels 19 ist anzuwenden, wie auch immer das zwischen dem Dritten und dem scheinbaren Vertreter des Kindes geschlossene Rechtsgeschäft aussehen mag. Die Konferenz hat Vorschläge abgelehnt (Arbeitsdokumente Nr. 81 und 141), die Artikel 19 für familienrechtliche Rechtsgeschäfte, Nachlassangelegenheiten oder Immobiliarsachenrechte ausgeschlossen hätten. Der Gedanke ist jedoch erlaubt, dass, um in den Genuss von Artikel 19 zu kommen, die vom Dritten verlangte Sorgfalt im Verhältnis zu der Bedeutung des von ihm geschlossenen Rechtsgeschäft stehen muss, insbesondere, wenn dieses Immobiliarrechte betrifft.
Artikel 20 (Allseitiger Charakter der Kollisionsnormen)
- 115 Dieser Artikel ist in den Haager Übereinkommen über Kollisionsrecht üblich geworden. Wie bereits gesagt findet er jedoch in dem in Artikel 15 Abs. 3 vorgesehenen Fall keine Anwendung.
Artikel 21 (Rück- und Weiterverweisung und Kollision von Systemen)
- 116 Absatz 1 dieses ebenfalls in Haager Übereinkommen über Kollisionsrecht üblichen Artikels übernimmt den Grundsatz des Ausschlusses der Rück- und Weiterverweisung. Absatz 2, dessen auf einen spanischen Vorschlag zurückgehender Satz 1 wörtlich Artikel 4 des Haager Übereinkommens vom 1. August 1989 über das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht übernimmt, liefert eine Ausnahme zu dem Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung in Fällen, in denen der Ausschluss ohne merklichen Nutzen die Harmonie zerstören könnte, die zwischen den Nichtvertragsstaaten, die mit dem Sachverhalt in Beziehung stehen, hätte entstehen können. Hat das Kind beispielsweise seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Nichtvertragsstaat, der die elterliche Verantwortung dem Recht des Staates unterstellt, dem das Kind angehört, und nimmt dieses Recht - angenommen, es ist das Recht eines anderen Nichtvertragsstaats - seine eigene Zuständigkeit an, so ist es nur von Vorteil, wenn die sich aus diesem Recht ergebende elterliche Verantwortung in den Vertragsstaaten anerkannt wird. Dies wird von Absatz 2 Satz 1 klargestellt.
Nimmt das Recht dieses anderen Nichtvertragsstaats seine Zuständigkeit nicht an, so besteht keine zu bewahrende Harmonie zwischen Nichtvertragsstaaten, und Absatz 2 Satz 2 bestimmt, dass somit das Recht anzuwenden ist, das unmittelbar in Artikel 16 bezeichnet ist, unter Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung. Im Laufe der Diskussion wurde bemerkt, dass Artikel 21 keine Regelung für den Fall bietet, in dem das von dem Übereinkommen bezeichnete Recht eines Nichtvertragsstaats auf das Recht eines Vertragsstaats verweist. Da Absatz 2 aber mit dem Adverb "jedoch" anfängt, ist von dem Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung nur in dem in diesem Absatz genannten eindeutigen Fall abzuweichen.
Artikel 22 (ordre public)
- 117 Dieser Artikel enthält die in den Haager Übereinkommen übliche Bestimmung über die Ausnahme der öffentlichen Ordnung. Er stellt jedoch klar, dass bei einem Rückgriff auf die öffentliche Ordnung das Wohl des Kindes zu berücksichtigen ist, das im Übrigen die Anwendung aller Artikel des Übereinkommens beeinflussen muss.
Kapitel IV Anerkennung und Vollstreckung
- 118 Wie oben erwähnt, schließt dieses Kapitel eine Lücke des Übereinkommens von 1961, das sich damit zufrieden gab, den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der getroffenen Maßnahmen in den Vertragsstaaten aufzustellen, für die Vollstreckung jedoch auf das innerstaatliche Recht des ersuchten Staates oder die in diesem Staat geltenden internationalen Verträge verwies. Unter dem Einfluss jüngerer Übereinkommen, vor allem derjenigen von Brüssel und Lugano über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, unterscheidet das Übereinkommen die Anerkennung (Artikel 23 bis 25), die Vollstreckbarerklärung oder Registrierung zum Zweck der Vollstreckung (Artikel 26 und 27) und schließlich die Vollstreckung (Artikel 28).
Artikel 23 (Anerkennung und Gründe für die Versagung der Anerkennung)
Absatz 1
- 119 Dieser Absatz stellt den Grundsatz auf, dass die in einem Vertragsstaat getroffenen Maßnahmen kraft Gesetzes in jedem anderen Vertragsstaat anerkannt werden. In einer "Convention double", die auf Gegenseitigkeit gründet, war es nicht möglich, noch weiter zu gehen, wie dies von einigen Delegationen56) gewünscht worden wäre, und unter bestimmten Voraussetzungen die Anerkennung kraft Gesetzes von Entscheidungen aus Nichtvertragsstaaten vorzusehen. Die Anerkennung kraft Gesetzes bedeutet, dass sie erreicht wird, ohne dass es erforderlich wäre, auf irgendein Verfahren zurückzugreifen, jedenfalls solange derjenige, der sich auf die Maßnahme beruft, keine Vollstreckung dieser Maßnahme begehrt. Die Partei, der die Maßnahme entgegengehalten wird, beispielsweise während eines Verfahrens, muss einen in Absatz 2 vorgesehenen Grund für die Nichtanerkennung geltend machen. Das Übereinkommen schließt indessen ein auf die Anerkennung oder Nichtanerkennung der Maßnahme beschränktes vorsorgliches Verfahren nicht aus (siehe Artikel 24 unten).
- 120 Um anerkannt zu werden, muss eine Maßnahme selbstverständlich nachgewiesen sein. Dieser Nachweis ergibt sich normalerweise aus dem Schriftstück der Ursprungsbehörde, in dem die von ihr getroffene Entscheidung enthalten ist. In dringenden Fällen kann es jedoch geschehen, dass die Maßnahme telefonisch getroffen und lediglich handschriftlich in den Akten vermerkt wird. Um bürokratische Auswüchse zu vermeiden, verzichtet das Übereinkommen darauf, die Anerkennung von der Vorlage eines schriftlichen, von der Ursprungsbehörde datierten und unterzeichneten Dokuments abhängig zu machen. Daher kann im Hinblick auf eine Anerkennung beispielsweise ein Telefax den Nachweis der Maßnahme erbringen.
Absatz 2
- 121 Absatz 2 zählt die Gründe, aus denen die Anerkennung versagt werden kann, abschließend auf. Es ist darauf hinzuweisen, dass Absatz 2 die Ablehnung der Anerkennung ermöglicht, jedoch nicht vorschreibt. Buchstabe a
- 122 Die Anerkennung kann versagt werden, wenn die Maßnahme von einer Behörde getroffen wurde, die nicht nach Kapitel II zuständig war. Das Übereinkommen schließt die Anerkennung von Schutzmaßnahmen, die in einem Vertragsstaat getroffen wurden, in Fällen nicht aus, in denen das Übereinkommen nicht anwendbar war, aber diese Anerkennung liegt selbst außerhalb des Anwendungsbereichs des Übereinkommens, so wie dies aus der Ablehnung der Konferenz hervorgeht, eine auf die Anregung des Artikels 4 der Übereinkommen von Brüssel und Lugano zurückgehende Bestimmung zu beschließen.57) In diesem Sinn hatte bereits die Spezialkommission einen niederländischen Vorschlag abgewiesen, der auf die Anerkennung der indirekten Zuständigkeit der Behörden des Vertragsstaats abzielte, dem ein Kind angehört, das seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Nichtvertragsstaat hat. Buchstabe a impliziert, dass die ersuchte Behörde die Befugnis hat, die indirekte Zuständigkeit der Ursprungsbehörde zu überprüfen. Bei dieser Prüfung ist sie jedoch an die Tatsachenfeststellungen gebunden, auf die die Ursprungsbehörde ihre Zuständigkeit gestützt hat (Artikel 25, siehe unten).
Buchstabe b
- 123 Die Anerkennung kann versagt werden, wenn die Maßnahme, außer in dringenden Fällen, getroffen wurde, ohne dass dem Kind die Möglichkeit eingeräumt worden war, gehört zu werden, und dadurch gegen wesentliche Verfahrensgrundsätze des ersuchten Staates verstoßen wurde.
Dieser Versagungsgrund geht unmittelbar auf Artikel 12 Abs. 2 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes zurück. Er hat nicht zur Folge, dass das Kind in allen Fällen angehört werden muss. Zu Recht wurde bemerkt, dass es nicht immer im Interesse des Kindes liegt, eine Meinung äußern zu müssen, namentlich, wenn beide Elternteile über die zu treffende Maßnahme übereinstimmen. Nur wenn die Nichtanhörung gegen wesentliche Verfahrensgrundsätze des ersuchten Staates verstößt, kann sie eine Versagung der Anerkennung rechtfertigen. Es sollte jedoch in diesem Punkt nicht unterschieden werden, ob die Maßnahme im Zuge eines Gerichts- oder Verwaltungsverfahrens erfolgte. Es handelt sich der Sache nach um eine Spezialvorschrift des verfahrensrechtlichen ordre public. Diese ist in dringenden Fällen, in denen die Verfahrenserfordernisse des ordre public flexibler zu verstehen sind, nicht anzuwenden.
Buchstabe c
- 124 Hier handelt es sich um einen weiteren Ausdruck des verfahrensrechtlichen ordre public, der die Verletzung der Rechte der Verteidigung ahndet. Die Anerkennung kann versagt werden "auf Antrag jeder Person, die geltend macht, dass die Maßnahme ihre elterliche Verantwortung beeinträchtigt, wenn diese Maßnahme, außer in dringenden Fällen, getroffen wurde, ohne dass dieser Person die Möglichkeit eingeräumt worden war, gehört zu werden". Wenn die zuständige Behörde beispielsweise im Rahmen von Artikel 18 die elterliche Verantwortung ihrem gesetzlichen Träger ohne dessen Anhörung entzieht, kann dieser eine Verletzung seiner elterlichen Verantwortung geltend machen, um sich der Anerkennung der Maßnahme zu widersetzen.
Buchstabe d
- 125 Der Wortlaut legt offensichtliche Unvereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung des ersuchten Staates als Grund für die Nichtanerkennung fest, fügt jedoch wie Artikel 24 des Übereinkommens vom 29. Mai 1993 über die Adoption hinzu, dass der ordre public unter Berücksichtigung des Kindeswohls zu würdigen ist.
Buchstabe e
- 126 Dieser Absatz, dessen Fassung sich eng an Artikel 27 Nummer 5 der Übereinkommen von Brüssel und Lugano58) anlehnt, betrifft den Konflikt zwischen der in einem Vertragsstaat getroffenen anzuerkennenden Maßnahme und einer anderen Maßnahme, die später in einem Nichtvertragsstaat, in dem das Kind sich gewöhnlich aufhält, getroffen wurde und die für ihre Anerkennung im ersuchten Staat erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Wenn die beiden Maßnahmen unvereinbar sind, erhält in einem solchen Fall die zweite Maßnahme den Vorzug, die eine dem Kind näherstehende und für die Beurteilung seines Wohls besser geeignete Behörde getroffen hat.
Dieser Vorrang, welcher der nachträglich in einem Nichtvertragsstaat getroffenen Maßnahme eingeräumt wird, ist auf die Maßnahmen beschränkt, die in dem Nichtvertragsstaat des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes getroffen werden. Er erstreckt sich beispielsweise nicht auf die Maßnahmen, die von den Behörden des Staates getroffen werden, dem das Kind angehört, da diese hinsichtlich des Begriffs der Nähe als weniger angemessen für die Beurteilung des Wohls des Kindes angesehen werden als die Behörden des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes.
Diese Beschränkung hat zur Folge, dass ein Vertragsstaat an der Anerkennung der in einem Nichtvertragsstaat
- - außer demjenigen des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes
- - getroffenen Maßnahme gehindert wird, wenn sie mit einer zuvor in einem nach Kapitel II zuständigen Vertragsstaat getroffenen Maßnahme unvereinbar ist59).
- Es wäre anders, wenn der ersuchte Vertragsstaat vertraglich zur Anerkennung der von dem Nichtvertragsstaat getroffenen Maßnahme verpflichtet wäre. Der Konflikt zwischen den Maßnahmen wäre alsdann ein Konflikt zwischen diesem Übereinkommen und dem Vertrag, der den ersuchten Vertragsstaat mit dem Ursprungsstaat, der Nichtvertragsstaat ist, verbindet. Dieser Konflikt zwischen Übereinkommen wird in Artikel 52 (siehe unten) gelöst.
Buchstabe f
- 127 Dieser letzte Grund für die Versagung der Anerkennung geht auf einen Vorschlag der niederländischen Delegation zurück (Arbeitsdokument Nr. 89), der ebenfalls Grundlage für Artikel 33 ist, auf den dieser Absatz verweist. Artikel 33 (siehe unten) führt ein obligatorisches Abstimmungsverfahren ein, wenn die Behörde eines Vertragsstaats die Unterbringung eines Kindes, insbesondere durch Kafala, in einem anderen Vertragsstaat erwägt. Artikel 23 Abs. 2 Buchstabe f vermeidet es, den Staat, in dem die Unterbringungsmaßnahme durchgeführt werden soll, vor vollendete Tatsachen zu stellen und erlaubt ihm, die Anerkennung zu versagen, wenn das Abstimmungsverfahren nicht eingehalten wurde.
- 128 Diese Gründe für eine Nichtanerkennung sind die einzigen, die der ersuchte Staat geltend machen kann. Insbesondere ist es der ersuchten Behörde nicht erlaubt, das von der Ursprungsbehörde angewandte Recht zu überprüfen, selbst wenn die Maßnahme in Anbetracht eines im ersuchten Staat nicht anerkannten Familien- oder Verwandtschaftsverhältnisses oder einer solchen ehelichen Beziehung getroffen wurde. Nach dem Beispiel der Lösungen der Übereinkommen vom 2. Oktober 1973 über Unterhaltspflichten betrifft die Anerkennung der Maßnahme ausschließlich die Maßnahme selbst und nicht die Vorfrage des Personenstandes, die ihr zugrunde liegt. Im gleichen Sinn darf die über die Anerkennung befindende Behörde bei Anwendung von Artikel 23 die getroffene Maßnahme in der Sache selbst nicht nachprüfen (Artikel 27, siehe unten).
Artikel 24 (Vorsorglicher Antrag auf Anerkennung oder Nichtanerkennung)
- 129 Da die Anerkennung kraft Gesetzes geschieht, wird über einen etwaigen Streit hinsichtlich des Vorliegens eines Grundes für die Nichtanerkennung erst in dem Zeitpunkt entschieden, in dem die Maßnahme in einem Staat geltend gemacht wird. Dieser Zeitpunkt kann zu spät liegen, und jede interessierte Person kann ein berechtigtes Interesse daran haben, umgehend etwaige Zweifel am Vorliegen eines Grundes für die Nichtanerkennung zu beseitigen. So kann eine Person im folgenden Fall ein Interesse daran haben, in einem gegebenen Staat die Anerkennung einer in einem anderen Staat getroffenen Maßnahme feststellen zu lassen: In einem Staat A ist die Personensorge der Mutter zugesprochen worden, wobei ihr ohne förmliche Zustimmung des Vaters untersagt ist, den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes in einem anderen Land festzulegen. Der Vater will einer Verlegung des Aufenthalts in den Staat B wohl zustimmen, möchte jedoch verhindern, dass die Mutter den Aufenthalt erneut in einen Staat C verlegt. Es liegt daher in seinem Interesse, sich umgehend zu vergewissern, dass der Staat B die in A getroffene Maßnahme anerkennt und eine erneute Verlegung des Aufenthalts des Kindes durch die Mutter nur mit Zustimmung des Vaters gestattet. Im umgekehrten Fall kann ein Vater, dem die elterliche Verantwortung gegen seinen Willen durch eine in A getroffene Entscheidung entzogen und der Mutter des Kindes zugewiesen wurde, ein Interesse haben, feststellen zu lassen, dass diese Maßnahme nicht in B anerkannt wird, wenn er die Mutter daran hindern will, dort im Namen des Kindes ein Rechtsgeschäft vorzunehmen, das nach seiner Auffassung mit den Interessen des Kindes nicht vereinbar ist.
In der Rechtsprechung bestimmter Vertragsstaaten, wie z.B. Frankreich, ist die Zulässigkeit einer vorsorglichen Klage auf Feststellung der Nichtanerkennung eines ausländischen Urteils bereits anerkannt. Artikel 24 des Übereinkommens geht weiter und lässt es zur befriedigenden Lösung der angeführten Fälle zu, dass jeder Interessierte bei den zuständigen Behörden eines Vertragsstaats eine Entscheidung über die Anerkennung oder Nichtanerkennung einer in einem anderen Vertragsstaat getroffenen Maßnahme beantragen kann. Der Wortlaut beschränkt die Zulässigkeit der vorsorglichen Klage auf Anerkennung oder Nichtanerkennung der Maßnahmen. Diese vorsorgliche Klage ist auf die nach dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes kraft Gesetzes bestehende elterliche Verantwortung (Artikel 16) nicht anwendbar, denn sie setzt das Vorliegen einer Entscheidung voraus.
- 130 Das Übereinkommen überlässt es dem Recht des ersuchten Staates, das Verfahren dieser vorsorglichen Klage zu regeln. Dieses Verfahren soll keine zwangsläufige Nachahmung des auf die Vollstreckbarerklärung anwendbaren Verfahrens sein, und das Übereinkommen schreibt, anders als für die Vollstreckbarerklärung (Artikel 26 Abs. 2), kein "einfaches und schnelles" Verfahren vor. In der Tat muss ein Verfahren der Vollstreckbarerklärung in einem internationalen Übereinkommen, das eine Art Freizügigkeit der Entscheidungen gewährleisten soll, schnell sein und wird in seinem ersten Abschnitt häufig nicht kontradiktorisch sein60). Dagegen zielt das vorsorgliche Verfahren auf die unverzügliche Aufnahme einer Debatte über die internationale Rechtmäßigkeit der Maßnahme sowie im Fall einer Klage auf Feststellung der Nichtanerkennung der Entscheidung darauf ab, deren Freizügigkeit zu beenden. Eine solche Debatte muss folgerichtig kontradiktorisch sein und benötigt daher normalerweise mehr Zeit als ein beschleunigtes Verfahren der Vollstreckbarerklärung.
Artikel 25 (Tatsachenfeststellung zur Zuständigkeit)
- 131 Wie bereits zu Artikel 23 Abs. 2 Buchstabe a bemerkt (siehe oben), ist die Behörde des ersuchten Staates an die Tatsachenfeststellungen gebunden, auf welche die Behörde des Ursprungsstaats ihre Zuständigkeit gestützt hat. Wenn die Ursprungsbehörde beispielsweise als Behörde des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes entschieden hat, kann die Behörde des ersuchten Staates nicht die Tatsachen nachprüfen, die der Bewertung des gewöhnlichen Aufenthalts durch die Ursprungsbehörde zugrunde liegen. Auch wenn die Zuständigkeit auf einer vorherigen Bewertung des Kindeswohls durch die Ursprungsbehörde beruht,61) ist die Behörde des ersuchten Staates an diese Bewertung gebunden62). Diese Regel findet man in weiteren Übereinkommen63). Auf dem Gebiet des Schutzes von Kindern haben einige Delegierte bemerkt, dass diese Regel ins Leere gehen könnte; denn im Unterschied zu einem Gericht, das eine begründete Entscheidung erlässt, macht sich die Behörde, welche die Maßnahme trifft, im Allgemeinen nicht die Mühe, die Tatsachen anzugeben, auf die sie ihre Zuständigkeit stützt.
Selbst wenn diese Bemerkung die praktische Bedeutung der Regel beschränken kann, reicht sie nicht aus, um sie grundsätzlich zu verurteilen, zumal die Maßnahmen, derentwegen ein Anerkennungsproblem auftritt, häufig von einer Justizbehörde getroffen werden, die gewohnt ist, ihre Entscheidungen zu begründen.
Artikel 26 (Vollstreckbarerklärung)
- 132 Dieser Artikel betrifft die Fälle, in denen die in einem Vertragsstaat getroffenen und dort vollstreckbaren Maßnahmen Vollstreckungshandlungen in einem anderen Vertragsstaat erforderlich machen. Ist dies nicht der Fall, so reicht Artikel 23 - d. h. die Anerkennung - aus, um es der Maßnahme zu ermöglichen, ihre Wirkung zu entfalten. Beispielsweise ermöglichen es die Befugnisse, die einem gesetzlichen Vertreter durch eine in einem Vertragsstaat getroffene Maßnahme übertragen worden sind, diesem Vertreter, im Namen des Kindes in einem anderen Vertragsstaat die Handlungen vorzunehmen, die zum Schutz seiner Person oder seines Vermögens erforderlich sind, sofern kein Grund für eine Nichtanerkennung besteht. Erfordert die Maßnahme jedoch Vollstreckungshandlungen, beispielsweise eine Zwangsmaßnahme, um die Rückgabe des Kindes zu erlangen, oder den Zwangsverkauf von Vermögen, so muss die Maßnahme im zweiten Staat Gegenstand einer Vollstreckbarerklärung oder, nach dem in bestimmten Staaten anzuwendenden Verfahren, einer Registrierung zu Vollstreckungszwecken werden. Artikel 26 Abs. 1 weist auf dieses Erfordernis hin und erwähnt, dass das Verfahren im ersuchten Staat "auf Antrag jeder betroffenen Partei nach dem im Recht dieses Staates vorgesehenen Verfahren" in Gang gesetzt wird. Dem Begriff "Antrag" ist nicht der präzise verfahrensrechtliche Sinn beizumessen, den er in der französischen Rechtssprache als Einleitungsschritt eines nicht kontradiktorischen Verfahrens hat, der unmittelbar an das Gericht gerichtet wird; denn der Wortlaut wollte, indem er auf das nach dem Recht des ersuchten Staates bestimmte Verfahren verwies, im Unterschied zum Brüsseler Übereinkommen nicht zu dem anzuwendenden Verfahren Stellung beziehen.
Absatz 2 beschränkt sich darauf, vorzuschreiben, dass der ersuchte Staat "ein einfaches und schnelles Verfahren" anwendet, lässt diesem Staat jedoch dazu bei der Wahl seiner Mittel völlige Freiheit und setzt ihm keine Frist. Es handelt sich hier um eine lex imperfecta. Absatz 3 stellt wie Artikel 34 Abs. 2 des Brüsseler Übereinkommens klar, dass die Vollstreckbarerklärung oder die Registrierung nur aus einem der in Artikel 23 Abs. 2 aufgeführten Gründe versagt werden darf.
Artikel 27 (Verbot einer Nachprüfung in der Sache)
- 133 Das Verbot der Nachprüfung in der Sache selbst ist eine Standardklausel in den Verträgen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen. Sie betrifft sowohl die Anerkennung als auch die Vollstreckbarerklärung oder die Registrierung.
Artikel 28 (Vollstreckung)
- 134 Dieser Artikel stellt den Grundsatz auf, dass die in einem Vertragsstaat getroffenen und in einem anderen für vollstreckbar erklärten Maßnahmen "dort vollstreckt werden, als seien sie von den Behörden dieses anderen Staates getroffen worden". Es handelt sich gewissermaßen um eine Einbürgerung der Maßnahme in den Vertragsstaat, in dem sie zur Vollstreckung gelangt.
Die Bedeutung dieser Bestimmung zeigt sich beispielsweise bei der Vollstreckung einer Entscheidung in Bezug auf ein Kind, das schon über eine gewisse Reife verfügt und sich der Vollstreckung der Maßnahme widersetzt, z.B. weil es sich kategorisch weigert, bei dem Elternteil zu wohnen, dem das Sorgerecht zugewiesen wurde. Die Spezialkommission hat einen Wortlaut abgelehnt, der in diesem Fall die ersuchte Behörde ermächtigte, die Vollstreckung der Maßnahme zu verweigern. Es hat sich nämlich gezeigt, dass das Problem des Widerstandes des Kindes im innerstaatlichen Zusammenhang unter denselben Bedingungen wie bei internationalen Sachverhalten auftritt und dass es vorzuziehen wäre, dass die ersuchte Behörde die Schwierigkeit mit dem Beurteilungsspielraum löst, den ihr das innerstaatliche Recht für innerstaatliche Sachverhalte einräumt. Wenn beispielsweise das innerstaatliche Recht des ersuchten Staates es in einem solchen Fall erlaubt, die Entscheidung eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde nicht zu vollstrecken, kann diese Regel auch auf eine in einem anderen Vertragsstaat getroffene Gerichts- oder Verwaltungsentscheidung angewandt werden.
- 135 Satz 2 des Artikels, der auf einen Vorschlag der kanadischen Delegation zurückgeht (Arbeitsdokument Nr. 77), verstärkt diese Lösung und bestimmt, dass die Vollstreckung "sich nach dem Recht des ersuchten Staates unter Beachtung der darin vorgesehenen Grenzen richtet, wobei das Wohl des Kindes zu berücksichtigen ist". Beispielsweise wenn die Behörde des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes ein Kind bei seiner Familie belassen hat, diese jedoch der Kontrolle durch die örtlichen Fürsorgebehörden unterstellt hat und wenn die Familie sich später in einem anderen Vertragsstaat niederlässt, wird die Vollstreckung der im ersten Staat getroffenen Maßnahme im zweiten Staat nur möglich sein, wenn die Behörden des zweiten Staates nach ihrem Recht ermächtigt sind, die Überwachungsaufgabe, welche den Fürsorgebehörden des ersten Staates oblag, zu erfüllen. Ist dies nicht der Fall, wäre es Sache der Behörden des zweiten Staates, falls möglich nach Beratung mit den Behörden des ersten Staates, nach Artikel 5 Abs. 2 die dort getroffene Maßnahme anzupassen oder zu ändern.
Kapitel V Zusammenarbeit
- 136 Das Übereinkommen von 1961 hatte den Nutzen einer gewissen Zusammenarbeit zwischen den Behörden der verschiedenen Vertragsstaaten erkannt, deren Aufgabe es war, Maßnahmen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes zu treffen. Zu diesem Zweck hatte es verschiedene Fälle vorgesehen, in denen eine Behörde vor einer Entscheidung zunächst die normalerweise zuständige Behörde (Artikel 4 und 11 Abs. 1) oder die Behörde darüber zu unterrichten hatte, die noch in Kraft befindliche Maßnahmen getroffen hatte (Artikel 5 Abs. 2), oder sogar mit einer solchen Behörde in einen Meinungsaustausch zu treten hatte (Artikel 10). Diese nur in Ansätzen ausgebildete Zusammenarbeit hat in der Praxis kaum funktioniert, weil eine mit ihrer Durchführung betraute Organisation nicht vorhanden war. Die Konferenz hat aus diesem Fehlschlag Lehren ziehen müssen. Sie hat den Nutzen erkannt, den sie von der in zahlreichen jüngeren Übereinkommen64) vorgesehenen Einrichtung einer mit dieser Zusammenarbeit betrauten Zentralen Behörde in jedem Vertragsstaat erhoffen konnte; sie hat jedoch auch die Gefahr eines Übermaßes an Bürokratie gesehen, dessen doppelte Wirkung es wäre, den Schutz des Kindes zu lähmen und vor allem die Staaten, auf denen die Last dieser Einrichtungen ruht, zu entmutigen, das künftige Übereinkommen zu ratifizieren. Diese letzte Gefahr war umso ernsthafter, als die Zahl der Kinder, deren Schutz durch das zukünftige Übereinkommen gewährleistet würde, in keinem Verhältnis zu der Zahl der von den Übereinkommen über Kindesentführung oder internationale Adoption betroffenen Kinder stand. 137 Die Konferenz hat sich für die Einrichtung einer gewissermaßen als Fixpunkt anzusehenden Zentralen Behörde in jedem Vertragsstaat entschieden, an die sich die Behörden der anderen Vertragsstaaten wenden, die ihre Anfragen beantworten könnte, der jedoch grundsätzlich keine Initiativverpflichtung, keine dem Treffen von Maßnahmen vorausgehende Informations- oder Abstimmungsverpflichtung vorgeschrieben wird (Artikel 29 bis 32), mit Ausnahme eines Falles (Artikel 33). Parallel zu der so anerkannten Rolle der Zentralen Behörde hat das Übereinkommen ziemlich weit gefasste Mitteilungsmöglichkeiten und unmittelbare Auskunftsersuchen zwischen Behörden verschiedener Vertragsstaaten vorgesehen, die Schutzmaßnahmen zu treffen haben (Artikel 34 bis 37), sowie die Möglichkeit, dass diese zur Erleichterung der Zusammenarbeit untereinander Vereinbarungen treffen können (Artikel 39).
Die Durchführung der im Übereinkommen vorgesehenen Zusammenarbeit wird gewisse Kosten verursachen. Artikel 38, der auf einem Vorschlag Kanadas beruht, der sich an Artikel 26 des Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung anlehnt, sieht vor, dass jede Zentrale Behörde grundsätzlich ihre eigenen Kosten tragen sollte (siehe unten Nr. 152).
Artikel 29 (Einrichtung einer Zentralen Behörde)
- 138 Dieser Artikel verpflichtet die Vertragsstaaten, eine Zentrale Behörde zu bestimmen, welche die ihr durch das Übereinkommen übertragenen Aufgaben wahrnimmt, und sieht für die Staaten, die kein einheitliches Rechtssystem haben, die Möglichkeit vor, mehrere Zentrale Behörden zu benennen. Er ist nach dem Muster von Artikel 6 der Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 und vom 29. Mai 1993 gefasst. Dem Vorschlag, in Staaten mit einheitlichem Rechtssystem die Schaffung mehrerer Zentraler Behörden zu ermöglichen, wurde nicht entsprochen.
Artikel 30 (Allgemeine Pflicht zur Zusammenarbeit)
- 139 Die Zentralen Behörden haben die allgemeine Aufgabe zur Zusammenarbeit und Erteilung von Auskünften. Artikel 30 entspricht Artikel 7 der beiden zuvor genannten Übereinkommen. Die auf Ersuchen zu erteilenden Auskünfte erstrecken sich auf das geltende Recht sowie die in dem betroffenen Staat für den Schutz von Minderjährigen verfügbaren Dienste. Einige Delegierte haben die Befürchtung geäußert, dass die Zentralen Behörden von den Behörden der anderen Staaten als allgemeine Rechtsauskunftsstellen benutzt werden könnten; diese Gefahr scheint sich jedoch bei der Anwendung der anderen Übereinkommen, die dieselbe Bestimmung enthalten, nicht verwirklicht zu haben.
Artikel 31 (Mitteilungen, Vermittlung, Ermittlung des Aufenthaltsorts)
- 140 Der Wortlaut von Artikel 31 ist recht heterogen und zählt bestimmte Aufgaben auf, welche die Zentrale Behörde entweder "unmittelbar oder mit Hilfe staatlicher Behörden oder sonstiger Stellen" erfüllen muss. Der Wortlaut benennt diese Stellen absichtlich nicht. Die Spezialkommission hatte in der Tat einen Vorschlag des Internationalen Sozialdienstes abgelehnt, der die Möglichkeit der Zentralen Behörde zur Delegation auf "bezeichnete professionelle Stellen" beschränkt hätte und sich auch nicht dem Vorschlag einer Beschränkung dieser Möglichkeit auf "in ihrem Staat ordnungsgemäß zugelassene Einrichtungen", wie im Übereinkommen von 1993 über die Adoption (Artikel 9), angeschlossen. Wenn die Voraussetzung einer Zulassung oder eines Professionalismus oder allgemeiner einer förmlichen Kontrolle auf dem Gebiet der Adoption verständlich ist, ist es dagegen im sehr allgemeinen Bereich des Minderjährigenschutzes nicht wünschenswert, im Voraus auf die Dienste von Vereinigungen zu verzichten, die in dem ihnen eigenen Bereich ihren Nutzen bewiesen haben, selbst wenn sie eine Zulassung nicht beantragt haben und selbst wenn sie professionellen Kriterien nicht entsprechen. Selbstverständlich schließt die Ablehnung des Vorschlags keineswegs aus, dass die Zentrale Behörde auf Stellen von so unangefochtener Kompetenz wie den Internationalen Sozialdienst zurückgreift.
- 141 Die erste der Zentralen Behörde im Rahmen dieses Artikels obliegende Aufgabe ist, "(a) die Mitteilungen zu erleichtern und die Unterstützung anzubieten, die in den Artikeln 8 und 9 und in diesem Kapitel vorgesehen sind". Das zweite Element des Satzes "und Unterstützung anzubieten" wurde auf Wunsch des Internationalen Sozialdienstes eingefügt, um die Rolle der Zentralen Behörde dann zu erweitern, wenn sie über Auskünfte verfügt, die sie dann übermitteln könnte, wobei sie gleichzeitig "die Mitteilungen erleichtert".
Die zweite Aufgabe ist, "(b) durch Vermittlung, Schlichtung oder ähnliche Mittel gütliche Einigungen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes bei Sachverhalten zu erleichtern, auf die dieses Übereinkommen anzuwenden ist". Die Förderung von Arten gütlicher Streitbeilegung in Bezug auf Kinder wird durch Buchstabe b letzter Satzteil auf internationale Sachverhalte beschränkt in dem Bestreben, sich nicht in die Lösung staateninterner Sachverhalte einzumischen.
Schließlich weist Artikel 31 der Zentralen Behörde die Aufgabe zu, Maßnahmen zu ergreifen, um "(c) auf Ersuchen der zuständigen Behörde eines anderen Vertragsstaats bei der Ermittlung des Aufenthaltsorts des Kindes Unterstützung zu leisten, wenn der Anschein besteht, dass das Kind sich im Hoheitsgebiet des ersuchten Staates befindet und Schutz benötigt". Diese auf eine kanadische Initiative mit dem Namen "Projet retour international" (Vorhaben internationale Rückkehr) zurückgehende Bestimmung, die sich in Nordamerika bewährt hat, sollte die Ermittlung des Aufenthaltsorts entführter, entlaufener oder allgemein in Schwierigkeiten befindlicher Kinder erleichtern.
Artikel 32 (Ersuchen um Bericht oder Maßnahmen)
- 142 Dieser auf Vorschlag der australischen Delegation eingefügte Artikel (Arbeitsdokument Nr. 30) ist ein wenig die Verkleinerungsform von Artikel 9. Er regelt den Fall, dass eine Zentrale oder andere Behörde eines Staates, mit dem das Kind eng verbunden ist, sich um das Schicksal dieses Kindes sorgt, das seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Vertragsstaat hat oder sich dort befindet, und an die Zentrale Behörde dieses Staates ein begründetes Ersuchen richtet mit dem Ziel, ihr einen Bericht über die Lage des Kindes zu erstatten oder Maßnahmen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes zu treffen. Artikel 32 ermächtigt die ersuchte Zentrale Behörde, unmittelbar oder mittelbar mit Hilfe staatlicher Behörden oder sonstiger Stellen auf dieses Ersuchen zu antworten, verpflichtet sie jedoch nicht dazu.
Artikel 33 (Grenzüberschreitende Unterbringung)
- 143 Dieser bereits im Zusammenhang mit Artikel 23 Abs. 2 Buchstabe f erwähnte Artikel führt das einzige vom Übereinkommen vorgesehene verbindliche Abstimmungsverfahren ein. Es findet statt, wenn die aufgrund der Artikel 5 bis 10 zuständige Behörde die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie oder einem Heim oder seine Betreuung durch Kafala erwägt und das Kind im Ausland in einem anderen Vertragsstaat untergebracht werden soll. Diese Abstimmung gibt der Behörde des Aufnahmestaats eine Befugnis zur Überprüfung der Entscheidung und ermöglicht, im Voraus die Aufenthaltsbedingungen des Kindes im Aufnahmestaat zu regeln, namentlich in Bezug auf die in diesem Staat geltenden Einwanderungsgesetze oder auch die Aufteilung der durch die Vollstreckung der Unterbringungsmaßnahme angefallenen Kosten65). Der Artikel bestimmt, dass die Abstimmung mit der Zentralen Behörde oder einer anderen zuständigen Behörde des Aufnahmestaats erfolgt und durch die Erstattung eines Berichts über die Lage des Kindes und die Gründe ihres Vorschlags zur Unterbringung zum Ausdruck kommt. Artikel 33 Abs. 2 bestimmt, dass die Maßnahme zur Unterbringung vom ersuchenden Staat nur nach Zustimmung der Zentralen oder einer anderen zuständigen Behörde des ersuchten Staates getroffen werden kann. Die Nichtbeachtung dieses vorherigen Abstimmungsverfahrens wird mit der Versagung der Anerkennung der Unterbringungsmaßnahme geahndet (Artikel 23 Abs. 2 Buchstabe f, siehe oben).
Artikel 34 (Erteilung von konkreten Auskünften zu einem bestimmten Kind)
Absatz 1
- 144 Dieser Artikel ermächtigt die zuständige Behörde eines Vertragsstaats, die eine Schutzmaßnahme zu treffen beabsichtigt, jede andere Behörde eines anderen Vertragsstaats, die über sachdienliche Auskünfte für den Schutz des Kindes verfügt, zu ersuchen, sie ihr mitzuteilen. Obwohl im Wortlaut nicht ausdrücklich genannt, ist es klar, dass mit den hier in Rede stehenden Behörden ausschließlich staatliche Behörden gemeint sind, im Übrigen die einzigen, die nach dem Übereinkommen fähig sind, Schutzmaßnahmen zu treffen, und nicht um Vereinigungen oder nichtstaatliche Organisationen.
Diese Möglichkeit, um Auskünfte zu ersuchen, rechtfertigt sich ohne weiteres; einige Vorsichtsmaßregeln wurden jedoch getroffen, um die Gefahren einer unkontrollierten Sammlung von Auskünften zu vermeiden. Auch hier hat das Wohl des Kindes sowohl der ersuchenden als auch der ersuchten Behörde als Leitbild zu dienen. Zunächst ist das Auskunftsersuchen nur gestattet, "sofern die Lage des Kindes dies erfordert". Das Vorliegen dieser Voraussetzung hat die ersuchende Behörde zu beurteilen und in der Begründung ihres Auskunftsersuchens deutlich zu machen, dass sie erfüllt ist. In diesem Sinn untersagt Artikel 37 ein solches Ersuchen, wenn es die Person oder das Vermögen des Kindes in Gefahr bringen könnte oder die Freiheit oder das Leben eines Familienangehörigen ernsthaft bedrohen würde. Derselbe Artikel 37 stellt für die ersuchte Behörde ein symmetrisches Verbot der Übermittlung der erbetenen Auskünfte auf, wenn diese Übermittlung für das Kind oder seine Familienangehörigen die gleiche Gefahr birgt.
Obwohl der Wortlaut dies nicht förmlich ausdrückt, ist zuzugeben, dass die ersuchte Behörde zu keiner Zeit verpflichtet ist, die erbetenen Informationen mitzuteilen. Sie muss über einen eigenen Ermessensspielraum verfügen, und die Konferenz hat einen Vorschlag abgelehnt (Arbeitsdokument Nr. 99), der sie zu einer schriftlichen Begründung ihrer ablehnenden Entscheidung verpflichten wollte. Im Übrigen ist es möglich, dass ihre internen Rechtsvorschriften es ihr nicht gestatten, dem Auskunftsersuchen nachzukommen, insbesondere wenn dies in Konflikt mit den Bestimmungen des entsprechenden Rechts über berufliche Schweigepflichten geraten könnte.
Absatz 2
- 145 Absatz 1 gibt jeder zuständigen Behörde eines Vertragsstaats die Möglichkeit, sich an jede Behörde eines anderen Vertragsstaats zu wenden und diese um die benötigten Informationen zu ersuchen. Diese flexible Methode kann vorteilhaft sein, jedoch auch den Gang der erwünschten Zusammenarbeit beeinträchtigen, wenn die ersuchte Behörde die ersuchende Behörde weder problemlos identifizieren noch ihre Eignung zur Stellung eines solchen Ersuchens bewerten kann. Daher folgt Absatz 2 einem Vorschlag der slowakischen Delegation (Arbeitsdokument Nr. 14) und sieht für einen Vertragsstaat die Möglichkeit vor, eine Erklärung abzugeben, derzufolge die in Absatz 1 vorgesehenen Ersuchen nur über seine Zentrale Behörde zu übermitteln sind.
In den Beziehungen zwischen Vertragsparteien des Haager Übereinkommens vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen könnte die Übermittlung der in diesem Kapitel vorgesehenen Ersuchen den in diesem Übereinkommen vorgesehenen Wegen folgen. Das Ergebnis ist offensichtlich, und die Konferenz urteilte, dass kein Anlass bestehe, es durch eine förmliche Bestimmung im Übereinkommen in Erinnerung zu rufen.
Artikel 35 (Hilfe bei der Durchführung der Maßnahmen, Umgangsrecht)
Absatz 1
- 146 Dieser Absatz sieht vor, dass sich die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten bei der Durchführung der Schutzmaßnahmen gegenseitig Hilfe leisten. Diese Hilfeleistung wird häufig notwendig sein, namentlich im Fall eines Verbringens des Kindes oder seiner Unterbringung in einer angemessenen Einrichtung, die in einem anderen Staat als dem gelegen ist, der die Unterbringung angeordnet hat. Diese Unterstützung ist im Wortlaut besonders erwähnt, um die wirksame Ausübung eines bereits gewährten Umgangsrechts sowie des Rechts auf Aufrechterhaltung regelmäßiger unmittelbarer Kontakte zu gewährleisten. Im Hinblick auf das Umgangsrecht stellt diese Zusammenarbeit zwischen den örtlichen Behörden der Vertragsstaaten gewissermaßen eine Ergänzung und Stärkung der nicht immer wirksamen Zusammenarbeit dar, die zu demselben Zweck zwischen Zentralen Behörden der Vertragsstaaten in Artikel 21 des Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vorgesehen ist. Was die regelmäßigen Kontakte betrifft, so ist deren Aufrechterhaltung in Artikel 10 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes vorgesehen, den somit das zukünftige Übereinkommen umsetzt. Absätze 2 bis 4 (Zuweisung eines Umgangsrechts)
- 147 Diese Absätze, die auf einen Vorschlag des Ständigen Büros zurückgehen, der in der Spezialkommission vorgelegt wurde und während der Diplomatischen Konferenz von Vorschlägen der schweizerischen, amerikanischen und irischen Delegation (Arbeitsdokumente Nr. . 43, 96 und 100) aufgenommen wurde, betrifft die Hilfe bei der Zuweisung eines Umgangsrechts. In Betracht kommt der Fall eines Elternteils, der die Zuweisung eines Umgangsrechts beantragt, sich aber in einem anderen Staat als dem des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes aufhält. Die Behörden des Staates des Aufenthalts dieses Elternteils sind aufgrund der Artikel 5 bis 10 üblicherweise für die Gewährung des Umgangsrechts nicht zuständig, sind jedoch am besten in der Lage, die Informationen über die Fähigkeit dieses Elternteils zur Ausübung des Umgangsrechts zusammenzutragen. Somit ermöglicht Absatz 2 es diesem Elternteil, bei ihnen den Antrag auf Zusammentragen dieser Informationen zu stellen und sich zu seiner Fähigkeit zu äußern, dieses Recht auszuüben, sowie zu den Bedingungen, unter denen er es ausüben könnte. Diese Behörden sind für die Gewährung des Umgangsrechts nicht zuständig, können dem antragstellenden Elternteil jedoch gewissermaßen ein Zeugnis ausstellen, dem die nach den Artikeln 5 bis 10 zuständige Behörde Rechnung zu tragen hat, bevor sie eine Regelung über das Umgangsrecht trifft.
- 148 Diese nach den Artikeln 5 bis 10 zuständige Behörde kann sogar nach Absatz 3 das Verfahren bis zum Ende des im vorherigen Absatz vorgesehenen Verfahrens aussetzen. Diese Möglichkeit der Aussetzung ist besonders nützlich bei einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes in einen anderen Staat sowie bei einem Antrag auf Änderung66) oder Aufhebung des Umgangsrechts, der in dem Staat des neuen gewöhnlichen Aufenthalts gestellt wird. Diese Beratungsmechanismen müssen jedoch freiwillig bleiben, um die Verfahren nicht zu erschweren und unnötig kostspielig zu machen. In diesem Sinn hat die Konferenz abgelehnt, der Behörde des Staates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes, die mit einem Antrag auf Änderung oder Aufhebung des Umgangsrechts befasst ist, eine Aussetzung des Verfahrens vorzuschreiben, um dem in einem anderen Staat aufhältlichen Elternteil die Einleitung des in Absatz 2 vorgesehenen Verfahrens zu ermöglichen.
- 149 Zur Vermeidung jeglicher Lücke beim Schutz des Kindes sieht Absatz 4 vor, dass die nach den Artikeln 5 bis 10 zuständige Behörde bis zum Abschluss des in Absatz 2 vorgesehenen Verfahrens vorläufige Maßnahmen treffen kann.
Artikel 36 (Kind in schwerer Gefahr)
- 150 Dieser auf Vorschlag Irlands eingeführte Artikel betrifft den Fall, dass die zuständigen Behörden eines Vertragsstaats, die eine Maßnahme zum Schutz eines schwerer Gefahr ausgesetzten Kindes (z.B. ständige Behandlung erfordernde Krankheit, Drogen, Einfluss einer Sekte) getroffen haben oder treffen werden, über die Änderung des Aufenthaltsorts oder die Anwesenheit des Kindes in einem anderen Vertragsstaat unterrichtet sind. Diese Behörden sind dann verpflichtet, die Behörden des anderen Staates über die Gefahr und die getroffenen oder in Prüfung befindlichen Maßnahmen zu unterrichten. Auf Vorschlag der Delegation von Burkina Faso (Arbeitsdokument Nr. 83) wurde diese Informationspflicht auf den Fall erweitert, in dem das Kind in einem Nichtvertragsstaat anwesend ist.
Um ihre Aufgaben erfüllen zu können, setzt diese Bestimmung selbstverständlich voraus, dass die Behörden des ersten Staates über die Anwesenheit des Kindes im zweiten Staat unterrichtet sind, was ihre praktische Bedeutung einschränkt. Nichts hindert jedoch die Behörden des ersten Staates daran, zunächst, jedenfalls wenn sich das Kind in einem anderen Vertragsstaat befindet, das Ersuchen um Ermittlung des Aufenthaltsorts des Kindes auf der Grundlage von Artikel 31 Buchstabe c zu stellen und danach die in Artikel 36 vorgesehene Auskunft zu erteilen.
Artikel 37 (Informationen, die das Kind gefährden)
- 151 Mehrfach wurde anlässlich der Diskussion über Artikel dieses Kapitels, die ein Ersuchen oder die Übermittlung von Informationen über das Kind betreffen und namentlich die Artikel 32, 34 und 36 bemerkt, dass dieses Ersuchen oder diese Übermittlung eine Gefahr für die Person oder das Vermögen des Kindes bedeuten oder eine ernsthafte Bedrohung der Freiheit oder des Lebens eines seiner Familienmitglieder darstellen könnten. Artikel 37 trägt diesen Bemerkungen Rechnung und schreibt der Behörde, nach deren Auffassung eine solche Gefahr besteht, vor, weder um Informationen zu ersuchen, noch solche zu erteilen.
Artikel 38 (Kosten)
- 152 Der Gang der Zusammenarbeitsmechanismen ist mit Kosten verbunden, und Artikel 3867) stellt die bereits in leicht abgewandelter Form in dem Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (Artikel 26) zu findende Bestimmung auf, derzufolge die Zentralen und die anderen Behörden der Vertragsstaaten die Kosten tragen, die ihnen durch die Anwendung von Kapitel V entstehen. Der Ausdruck "staatliche Behörden" bezeichnet die Verwaltungsbehörden der Vertragsstaaten und nicht die Gerichte. Somit werden die Gerichtskosten und allgemein die Verfahrenskosten und insbesondere die Anwaltskosten von diesem Artikel nicht erfasst. Dagegen werden - selbstverständlich zusätzlich zu den Fixkosten für den Betrieb der Behörden - die Kosten für Korrespondenz und Übermittlung, die verschiedene Informationssuche und das Auffinden eines Kindes, die Organisation einer Mediation oder einer gütlichen Einigung sowie die Kosten für die Durchführung von Maßnahmen erfasst, die in einem anderen Staat getroffen werden, namentlich Unterbringungsmaßnahmen.68)
Gleichwohl erkennt dieser Absatz den Behörden eines Staates das Recht zu, "für die erbrachten Dienstleistungen angemessene Kosten zu verlangen", die beispielsweise das Auffinden eines Kindes, das Erteilen von Informationen oder Bescheinigungen, Hilfe bei der Rückkehr des Kindes umfassen können. Die benutzte Wortwahl lässt den Schluss zu, dass dieses "Verlangen" eine Forderung nach Erstattung bereits angefallener Kosten oder eine Forderung von Vorlagekosten vor einer Dienstleistung sein kann, wobei jede der beiden Forderungen maßvoll zu formulieren ist. Ferner sieht Absatz 2 für die Vertragsstaaten die Möglichkeit vor, untereinander Vereinbarungen über die Kostenaufteilung zu treffen.
Artikel 39 (Vereinbarungen zwischen Vertragsstaaten)
- 153 Dieser Artikel, der Artikel 39 Abs. 2 des Haager Übereinkommens vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption entspricht, sieht für die Vertragsstaaten die Möglichkeit vor, untereinander Vereinbarungen zu treffen, die die Anwendung des Kapitels über die Zusammenarbeit erleichtern. Im Geist des Wortlauts handelt es sich hier um Vereinbarungen, die die in diesem Kapitel vorgesehene Zusammenarbeit verstärken, beispielsweise indem einige seiner Bestimmungen verbindlich gemacht werden.
Kapitel VI Allgemeine Bestimmungen
Artikel 40 (Internationale Bescheinigung)
- 154 Den Nutzen einer internationalen Bescheinigung, in welcher der Träger der elterlichen Verantwortung und seine Befugnisse aufgeführt sind, für die Praxis verteidigte die Internationale Union des Lateinischen Notariats und führte dazu den Präzedenzfall des Haager Übereinkommens vom 2. Oktober 1973 über die internationale Nachlassverwaltung an. Die Praxis hat Sicherheitsbedarf, sowohl wenn es um die Person des Kindes wie - eher noch verstärkt - wenn es um sein Vermögen geht. Eine Bescheinigung mit Beweiskraft, die in allen Vertragsstaaten anerkannt wird, würde helfen, Kosten und Streitigkeiten zu vermeiden. Die Konferenz hat diesen Gedanken aufgegriffen, wollte die Vertragsstaaten, die dies nicht möchten, jedoch nicht zwingen, eine derartige Bescheinigung auszustellen (Absatz 1). Die in Artikel 40 aufgeführte Bescheinigung hat demnach fakultativen Charakter. Der Staat, dessen Behörden für die Ausstellung der Bescheinigung zuständig sind, ist derjenige des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes oder der Staat, der eine Schutzmaßnahme getroffen hat. Es ist die Sache eines jeden Staates, der den Grundsatz einer Bescheinigung billigt, die Behörden zu bestimmen, die zur Ausstellung ermächtigt sind (Absatz 3). Diese Behörden sind in der Regel nicht diejenigen, welche die Maßnahme getroffen haben. Es kann eine natürliche Person, z.B. ein Notar, oder eine Einrichtung sein.
Die Bescheinigung wird "dem Träger der elterlichen Verantwortung oder jedem, dem der Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes anvertraut wurde, auf dessen Antrag" ausgestellt (Absatz 1). Diese Person wird demnach in der Lage sein, die Bescheinigung vorzulegen, wenn sie gegenüber Dritten ihre Befugnis geltend machen will.
Die Bescheinigung gibt an, wer Träger der elterlichen Verantwortung ist, wobei ohne Bedeutung ist, ob diese sich kraft Gesetzes aus dem nach Artikel 16 anzuwendenden Recht oder aus einer Schutzmaßnahme ergibt, die von einer zuständigen Behörde nach Kapitel II getroffen wurde. Sie gibt ebenfalls die Befugnisse des Trägers der elterlichen Verantwortung an. Gegebenenfalls kann die Bescheinigung auch verneinend die Befugnisse aufführen, die der Träger nicht besitzt. Beispielsweise kann angegeben werden, dass der gesetzliche Vertreter eines Kindes, das seinen gewöhnlichen Aufenthalt in den Vereinigten Staaten hat, nicht die Befugnis hat, das Vermögen zu verwalten, welches das Kind in einem ausländischen Staat besitzt.
- 155 Nach Artikel 40 Abs. 2 wird "die Richtigkeit der Berechtigung zum Handeln und der Befugnisse, die bescheinigt sind, (...) bis zum Beweis des Gegenteils als richtig vermutet". Demnach wird es jedem Betroffenen möglich sein, die Richtigkeit der in der Bescheinigung aufgeführten Angaben zu bestreiten; liegen jedoch keine Einwände vor, so können Dritte in aller Sicherheit mit der in der Bescheinigung genannten Person nach Maßgabe der dort aufgeführten Befugnisbeschränkungen verhandeln.
Artikel 41 (Schutz persönlicher Daten)
- 156 Dieser Artikel übernimmt im Wesentlichen die Bestimmung von Artikel 31 des Übereinkommens vom 29. Mai 1993 über die Adoption.69) Der Schutz persönlicher Daten ist im Übrigen ein allgemeines, allen modernen Staaten gemeinsames Ziel, insbesondere dann, wenn diese Daten computergestützt sind. Wie zu Artikel 2 angeführt (siehe oben), ist der Schutz weiter zu gewährleisten, auch wenn das Kind 18 Jahre alt geworden ist.
Artikel 42 (Vertrauliche Behandlung der Informationen)
- 157 Diese Bestimmung schreibt den Behörden, denen Informationen übermittelt worden sind, vor, diese gemäß ihrem innerstaatlichen Recht vertraulich zu behandeln. Sie geht auf einen Kompromiss zurück. Einige Delegationen hätten gewünscht, hierdurch den Schutz von Informanten zu gewährleisten, von denen man sagen kann, dass sie außerordentlich zurückhaltend wären, wenn sie für die zur Verfügung gestellten Angaben zur Verantwortung gezogen würden. Andere Delegationen haben umgekehrt geltend gemacht, dass man keine Maßnahmen ergreifen kann, die einem der Elternteile seine elterliche Verantwortung oder sogar ein Umgangsrecht auf der Grundlage von Angaben entziehen, gegen die dieser Elternteil sich nicht verteidigen konnte. Der Kompromiss bestand darin, den Grad des Schutzes der Vertraulichkeit dem Recht des Staates zu unterstellen, an dessen Behörden die Angaben übermittelt werden.
Artikel 43 (Verzicht auf Legalisation)
- 158 Den Verzicht auf die Legalisation oder jede entsprechende Förmlichkeit sehen auch andere Übereinkommen vor,70) jedoch nicht das Übereinkommen vom 29. Mai 1993 über die Adoption. Verschiedene Vorschläge, die der Diplomatischen Konferenz unterbreitet wurden und zahlreiche Fälschungen in Bezug auf Personenstandsurkunden betrafen, 71) zielten schlichtweg auf die Streichung dieses Artikels ab oder wenigstens auf die Formulierung von Ausnahmen zum Grundsatz des Verzichts auf Legalisation. Sie wurden allesamt zurückgewiesen, was jedoch in keiner Weise für die Behörde, der die Schriftstücke vorgelegt werden und die ihr verdächtig erscheinen könnten, die Möglichkeit ausschließt, diesbezüglich um Auskünfte zu ersuchen. Der Verzicht auf Legalisation erstreckt sich auf alle "nach diesem Übereinkommen übermittelten oder ausgestellten Schriftstücke", das heißt auf alle zur Verfügung gestellten schriftlichen Unterlagen, auf Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen sowie auf nach Artikel 40 ausgestellte Bescheinigungen.
Artikel 44 (Bestimmung der Behörden)
- 159 Dieser Artikel geht auf einen Vorschlag der britischen Delegation (Arbeitsdokument Nr. 2) mit dem Ziel zurück, die Anwendung der darin genannten Artikel zu erleichtern, indem er der ersuchenden Behörde eines Vertragsstaats ermöglicht, zu wissen, an welche Behörde sie sich im ersuchten Staat wenden muss, wenn eine Übertragung der Zuständigkeit an einen angemessenen Gerichtsstand (Artikel 8 und 9) oder eine Unterbringung im Ausland (Artikel 33) beabsichtigt ist. Diese Bestimmung ist jedoch für die Vertragsstaaten freiwillig, die aufgrund der Verschiedenheit und der hohen Anzahl der Behörden, die je nach Sachverhalt befasst werden können, häufig nicht in der Lage wären, vollständige Listen zu übermitteln.
Artikel 45 (Empfänger von Mitteilungen und Erklärungen)
- 160 Der Wortlaut bestimmt, an wen die in Anwendung des Übereinkommens abgegebenen Erklärungen der Staaten zu übermitteln sind. Er sieht eine Aufteilung der Aufgaben zwischen dem Ständigen Büro der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht und dem Verwahrer dieses Übereinkommens vor.
Artikel 46 bis 49 (Bundesstaatsklauseln)
- 161 Diese Artikel enthalten die sogenannten Bundesstaatsklauseln betreffend die Anwendung des Übereinkommens in den Staaten, die nicht über ein vereinheitlichtes Rechtssystem verfügen. Diese Klauseln sind seit etwa dreißig Jahren in den Haager Übereinkommen üblich, werden jedoch von Übereinkommen zu Übereinkommen ausgereifter und müssen so gefasst sein, dass sie sich dem Zweck des jeweiligen Übereinkommens anpassen. Wie bereits in der Einführung zu diesem Bericht gesagt, wurde eine besondere Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz der spanischen Delegierten, Frau Alegría Borrás, im Laufe der Diplomatischen Konferenz mit der Vorbereitung von Artikelentwürfen (Arbeitsdokument Nr. 111) beauftragt; die Entwürfe wurden fast ohne Änderungen von der Konferenz angenommen. Artikel 46 betrifft die Fälle, die lediglich zu innerstaatlichen Kollisionen in einem Vertragsstaat führen, die Artikel 47 und 48 fassen die Anwendung des Übereinkommens in Bezug auf Staaten ins Auge, in denen es interlokale Gesetzeskollisionen gibt, während Artikel 49 dies für Staaten tut, in denen interpersonale Gesetzeskollisionen auftreten.
Artikel 46 (Nichtanwendung des Übereinkommens bei innerstaatlichen Kollisionen)
- 162 Das Übereinkommen soll zwischenstaatliche Kollisionen zwischen Behörden und Gesetzen auf dem Gebiet des Schutzes von Kindern regeln. Ein Vertragsstaat, in dem diesbezüglich unterschiedliche Rechtssysteme anwendbar sind, könnte, sofern er dies wünschte, das Übereinkommen zur Regelung dieser Kollisionen anwenden; dieser Artikel bestimmt jedoch, dass er dazu keinesfalls verpflichtet ist.72) Es ist klarzustellen, dass die innerstaatlichen Kollisionen in einem Vertragsstaat, auf die sich dieser Artikel bezieht, ebenso interlokale wie interpersonale Kollisionen sein können.
Artikel 47 (Interlokale Kollisionen, allgemeine Bestimmungen)
- 163 Wie der folgende bestimmt dieser Artikel, wie das Übereinkommen in Bezug auf einen Staat anzuwenden ist, der mehrere Gebietseinheiten umfasst, in denen unterschiedliche Rechtssysteme oder Gesamtheiten von Regeln gelten. Der Artikel hat einen rein technischen Zweck. Es geht um die Klarstellung der Anwendungsweise des Übereinkommens in föderalen oder halbföderalen Staaten und nicht darum, wie dies von einigen Delegationen befürchtet worden war, beispielsweise einen Vertragsstaat A, der die Souveränität, die der Vertragsstaat B über eine bestimmte Gebietseinheit auszuüben vorgäbe, nicht anerkennen würde, zu verpflichten, die vom Staat B in dieser Gebietseinheit getroffenen Entscheidungen anzuerkennen. Hier würde es sich um ein völkerrechtliches Problem handeln, das dem Übereinkommen völlig fremd ist.
- 164 Artikel 47 stellt allgemeine Regeln auf, die ebenso auf Fragen der Zuständigkeit der Behörden, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung von Schutzmaßnahmen anwendbar sein können; in Bezug auf die Bestimmung des anzuwendenden Rechts ist sein Anwendungsbereich jedoch stark durch Artikel 48 eingeschränkt, der spezielle Regeln zu diesem Punkt aufstellt.
Die allgemeine Vorstellung, auf der Artikel 47 beruht und von der sich Beispiele in anderen Übereinkommen finden, 73) besteht für föderale und halbföderale Staaten darin, die räumlichen Anknüpfungspunkte, auf die das Übereinkommen abstellt, in der Gebietseinheit der Staaten zu lokalisieren, in der sie tatsächlich belegen sind. Das gilt für den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes, seine Anwesenheit, die Belegenheit seines Vermögens oder weiter für die enge Verbindung, die es mit einem Staat haben kann, oder für den Ort, an den es verbracht oder an dem es zurückgehalten wurde (Nr. . 1, 2, 3, 6 und 7). Ebenso muss die Verweisung auf eine Behörde, ein Gesetz oder ein Verfahren auf die zuständige Behörde, das geltende Recht oder Verfahren in der betreffenden Gebietseinheit bezogen werden (Nr. . 8 bis 10). Die Hauptschwierigkeit war die Verweisung auf den Staat, dessen Staatsangehörigkeit das Kind besitzt (vgl. Artikel 8 Abs. 2 Buchstabe a). Artikel 47 Nr. 4 zeigt an, dass eine solche Verweisung als Verweisung auf "die von dem Recht dieses Staates bestimmte Gebietseinheit oder, wenn solche Regeln fehlen, als Verweisung auf die Gebietseinheit zu verstehen (ist), mit der das Kind die engste Verbindung hat".
Artikel 48 (Interlokale Kollisionen, besondere Regeln für das anzuwendende Recht)
- 165 Eine kurze vergleichende Studie der letzten Haager Übereinkommen würde zeigen, dass für die Bestimmung des anzuwendenden Rechts der Gebietseinheit die unterschiedlichsten Systeme zugrunde gelegt wurden, wenn die Kollisionsnorm des Übereinkommens das Recht eines Staates mit interlokalen Gesetzeskollisionen bestimmt. Einige Übereinkommen nehmen eine unmittelbare Bestimmung der Gebietseinheit vor, deren Recht anzuwenden sein wird.74) Andere verweisen hauptsächlich auf interne Kollisionsnormen des betroffenen Staates, hilfsweise auf das Recht der Gebietseinheit, mit der der Sachverhalt die engste Verbindung hat75), oder auf das Recht einer unmittelbar bestimmten Gebietseinheit.76) Artikel 48 dieses Übereinkommens legt das letztgenannte System zugrunde. Die Gebietseinheit, deren Recht anzuwenden ist, ist die, die durch die in dem betroffenen Staat geltenden Vorschriften bestimmt wird, ansonsten diejenige, die durch die Bestimmungen des Artikels 47 bestimmt wird. Somit ist, wenn Artikel 16 das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes bestimmt, um die Zuweisung der elterlichen Verantwortung kraft Gesetzes zu regeln, und wenn dieser Staat mehrere Gebietseinheiten umfasst, die unterschiedlichen Rechtsvorschriften unterliegen, zunächst nachzuprüfen, ob das Recht dieses Staates Regeln vorsieht, die die Bestimmung der Gebietseinheit, deren Recht anzuwenden ist, ermöglichen, und in Ermangelung solcher Regeln ist nach Artikel 47 Nr. 1 das Recht der Gebietseinheit anzuwenden, in der das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Artikel 49 (Interpersonale Kollisionen, anzuwendendes Recht)
- 166 Im Unterschied zu den Artikeln 47 und 48 hat Artikel 49 die Staaten vor Augen, in denen Kollisionen unter Personen auftreten, d. h. die Staaten mit verschiedenen Rechtssystemen oder Gesamtheiten von Regeln, die auf verschiedene Personengruppen anzuwenden sind. Alle Haager Übereinkommen, welche die Bestimmung des anzuwendenden Rechts behandeln, vertrauen, wenn von ihnen aufgeführte Kollisionsnormen das Recht eines Staates dieses Typus bezeichnen, auf die internen Kollisionsregeln dieses Staates. Einige lassen es dabei bewenden, ohne eine Lösung für den Fall anzubieten, in dem solche Regeln in dem betroffenen Staat nicht bestehen.77) Andere füllen diese Lücke und vertrauen, wenn solche Regeln fehlen, auf das Recht der engsten Verbindungen.78) Artikel 49 dieses Übereinkommens übernimmt letztgenannte Regelung. Fehlen im betroffenen Staat geltende Regeln, die das anzuwendende Recht bestimmen, ist das Recht des Systems oder die Gesamtheit von Regeln anzuwenden, mit denen das Kind die engste Verbindung hat.
Artikel 50 bis 52 (Kollisionen zwischen Übereinkommen)
- 167 Diesen drei Artikeln ist gemeinsam, dass sie bestimmte Kollisionen regeln, die aus dem Nebeneinander dieses Übereinkommens mit älteren und namentlich bezeichneten (Artikel 50 und 51) oder nicht namentlich bezeichneten Übereinkommen (Artikel 52) entstehen können.
Artikel 50 (Vorrang des Kindesentführungsübereinkommens)
- 168 Der Vorrang des Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung über das Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen wurde bereits in Artikel 34 des Übereinkommens von 1980 ausgedrückt, und es war folgerichtig, den Vorrang auf das neue Übereinkommen, welches das Übereinkommen von 1961 ersetzen sollte, auszuweiten. Wenn ein Kind widerrechtlich verbracht wurde, bleibt es vorrangig, seine umgehende Rückkehr sicherzustellen, und erst nach der Rückkehr kann eine Debatte über den Inhalt von Schutzmaßnahmen beginnen. Die Diskussionen, die der Annahme von Artikel 7 (siehe oben) vorausgingen, haben bereits in den ersten Sitzungen der Spezialkommission die Zustimmung der bei der Achtzehnten Tagung vertretenen Staaten zur Beibehaltung dieses Vorrangs des Übereinkommens von 1980 gezeigt.
Artikel 50, der auf einen Vorschlag der schweizerischen Delegation zurückgeht (Arbeitsdokument Nr. 104), bringt dies deutlich zum Ausdruck. Artikel 50 Satz 2 bedeutet, dass gleichwohl dieses Übereinkommen anzuwenden ist, wenn seine Bestimmungen es in einem besonderen Fall besser als die des Übereinkommens von 1980 ermöglichten, die Rückkehr des Kindes oder die Durchführung des Rechts zum persönlichen Umgang sicherzustellen. Dieser Artikel betrifft allein die Beziehungen zwischen Staaten, die Partei sowohl des neuen Übereinkommens als auch des Übereinkommens von 1980 sind. Die Beziehungen zwischen Staaten, die Partei des neuen Übereinkommens, aber nicht Partei des Übereinkommens von 1980 sind, jedoch Partei von Übereinkommen ähnlicher Zielsetzung sind, werden nicht hier ins Auge gefasst, sondern lediglich in Artikel 52 (siehe unten).
Artikel 51 (Ersatz der Übereinkommen von 1902 und 1961)
- 169 Dieser Artikel, der auf einen Vorschlag der schweizerischen Delegation zurückgeht (Arbeitsdokument Nr. 55), drückt in einfachen Worten aus, dass im Verhältnis zwischen Vertragsstaaten die alten Übereinkommen vom 12. Juni 1902 und 5. Oktober 1961 durch dieses Übereinkommen ersetzt werden,79) mit dem Vorbehalt, dass dieser Ersatz eine Anerkennung der zuvor in Anwendung des Übereinkommens vom 5. Oktober 1961 getroffenen Maßnahmen nicht behindern darf. Mit anderen Worten, Maßnahmen, die nach Artikel 4 des Übereinkommens vom 5. Oktober 1961 von den Behörden des Vertragsstaats getroffen wurden, dessen Staatsangehörigkeit das Kind hatte, müssen im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes immer noch angesehen werden, als seien sie von den zuständigen Behörden getroffen worden, selbst wenn die beiden betroffenen Staaten inzwischen Partei des neuen Übereinkommens geworden sind.
Gleichwohl bleibt bestehen, dass der Übergang von einem Übereinkommen zum anderen zu Schwierigkeiten führt, die der Wortlaut nicht löst, auf die jedoch zweckdienlich von einem Dokument des Ständigen Büros (Arbeitsdokument Nr. 159)80) hingewiesen wurde. Wenn beispielsweise der gewöhnliche Aufenthalt eines Kindes von Staat A nach Staat B wechselt und beide Staaten früher Parteien des Übereinkommens von 1961 waren, jedoch zum Zeitpunkt des Wechsels Parteien des neuen Übereinkommens geworden sind, müsste dieses logischerweise in ihren gegenseitigen Beziehungen angewandt werden. Hat das Kind jedoch die Staatsangehörigkeit eines Staates C, der Partei des Übereinkommens von 1961 ist und dem neuen nicht angehört, so bindet das Übereinkommen von 1961 die Staaten A und B weiterhin an den Staat C, der unter Berufung auf die Zuständigkeit seiner Behörden oder die Achtung des sich aus seinem Recht ergebenden Gewaltverhältnisses ex lege die Anwendung des neuen Übereinkommens im Verhältnis zwischen den Staaten A und B blockieren kann. Der einzige Ausweg für diese Staaten wäre möglicherweise die Kündigung des Übereinkommens von 1961, was Artikel 51 mit der Schaffung eines Übergangszeitraums jedoch lieber vermeiden würde.
Artikel 52 (Kollisionen mit anderen Übereinkommen, Entkoppelungsklausel)
- 170 Dieser Artikel ist das Ergebnis sehr langer und schwieriger Diskussionen, die im Verlauf der Diplomatischen Konferenz geführt wurden. Die Schwierigkeit beruhte darauf, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die auch der Haager Konferenz angehören, wie dies bereits oben zu Artikel 10 gesagt wurde, die Möglichkeit behalten wollten, untereinander ein Übereinkommen auszuhandeln, das Regeln zur Zuständigkeit der Behörden und der Anerkennung von Entscheidungen auf dem Gebiet des Schutzes von Kindern, namentlich in Scheidungsfällen, enthalten sollte81). Andererseits wollten die anderen Mitgliedstaaten jedoch vermeiden, dass die bestimmten Vertragsstaaten zuerkannte Freiheit, untereinander sowie mit Drittstaaten ein getrenntes Übereinkommen auszuhandeln, zu einer Schwächung des Haager Übereinkommens und insbesondere der Verpflichtungen, welche die Vertragsstaaten und Parteien des getrennten Übereinkommens ihnen gegenüber aufgrund des Haager Übereinkommens eingegangen wären, führte. Der schließlich beschlossene Wortlaut trägt den Bedürfnissen der europäischen Staaten Rechnung, beruhigt jedoch gleichzeitig die Befürchtungen der anderen Mitgliedstaaten der Konferenz.
Absatz 1
- 171 Dieser Absatz betrifft nur frühere Übereinkünfte. Er entspricht mit Ausnahme des letzten Satzteils den üblichen Vereinbarkeitsklauseln, die sich in zahlreichen Übereinkommen finden. Das neue Übereinkommen behält die Anwendung früher von Vertragsstaaten geschlossener Übereinkünfte vor, sofern die Staaten, die Parteien solcher Übereinkünfte sind, nicht eine gegenteilige Erklärung abgeben.
Absatz 2
- 172 Absatz 2 hat unmittelbar das Übereinkommen im Auge, das derzeit zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union verhandelt wird, ist jedoch allgemein gefasst und kann selbstverständlich andere Staaten betreffen, die Partei des neuen Übereinkommens sind und beispielsweise regionale Übereinkünfte schließen möchten. Die in dem Absatz erwähnten Übereinkünfte betreffen "Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem der Staaten, die Vertragsparteien solcher Vereinbarungen sind". Die europäischen Staaten haben nur für Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines ihrer Staaten die Möglichkeit gefordert, untereinander eine Übereinkunft zu schließen, die insbesondere den Schutz Minderjähriger betrifft. Die Klarstellung im Wortlaut bedeutet, dass die Staaten in jedem Fall die Möglichkeit haben, besondere Übereinkünfte für die genannten Kinder zu schließen. Es scheint jedoch nicht, dass sie als eine Beschränkung der Befugnis der Vertragsstaaten, mit Drittstaaten Übereinkünfte zu schließen, ausgelegt werden kann. Man würde nicht verstehen, dass diese Bestimmung es Vertragsstaaten untersagte, mit Drittstaaten Übereinkünfte zu schließen, die beispielsweise Kinder beträfen, die die Staatsangehörigkeit von Staaten besitzen, die Vertragsparteien dieser besonderen Übereinkünfte sind, wo auch immer sich der gewöhnliche Aufenthaltsort dieser Kinder befinden mag. Im Übrigen erwähnt Absatz 3 diese Beschränkung nicht weiter.
Absatz 3
- 173 Dieser Absatz gibt an, dass künftige Vereinbarungen eines oder mehrerer Vertragsstaaten "im Verhältnis zwischen solchen Staaten und anderen Vertragsstaaten die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens unberührt" lassen. Mit anderen Worten: Die Freiheit zum Abschluss getrennter Übereinkünfte ist uneingeschränkt, aber die Vertragsstaaten, die Parteien solcher getrennter Vereinbarungen sind, können keinesfalls mit diesen Übereinkünften argumentieren, um sich von ihren Verpflichtungen gegenüber den anderen Vertragsstaaten, die nicht Vertragsparteien dieser getrennten Vereinbarungen sind, loszusagen.
- 174 Zugegebenermaßen bleibt eine gewisse Zweideutigkeit - die vielleicht nicht völlig unfreiwillig ist - hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Artikel 52 Abs. 2 und 3 bestehen. Sie kommt eben daher, dass der gewöhnliche Aufenthalt der Kinder im Hoheitsgebiet eines Staates, der Vertragspartei der getrennten Vereinbarung ist, lediglich in Absatz 2 erwähnt wird. Daher sind zwei unterschiedliche Auslegungen von Absatz 3 denkbar. Die erste wäre, dass die in ihm enthaltenen Beschränkungen nur die Vereinbarungen betreffen, die dort genannt sind, d. h. diejenigen, die nicht auf Kinder beschränkt sind, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines der Staaten haben, die Vertragsparteien dieser Vereinbarungen sind. Die zweite, die dem Berichterstatter eindeutiger und dem Wortlaut am besten zu entsprechen scheint, wäre, Absatz 3 als auf alle getrennten Vereinbarungen anwendbar aufzufassen, selbst auf solche, die sich auf Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt im Hoheitsgebiet von Staaten, die Vertragsparteien solcher Vereinbarungen sind, beschränken, aufzufassen.
- 175 Vorbehaltlich dieser Unklarheit kann die Bedeutung von Absatz 3 anhand einiger Beispiele aufgezeigt werden. Wenn aufgrund des Haager Übereinkommens eine Zuständigkeit zugunsten der Behörde eines Staates besteht, der Vertragspartei des Übereinkommens, jedoch nicht der getrennten Vereinbarung ist, müssen die Vertragsstaaten, die ebenfalls Parteien der getrennten Vereinbarung sind, anerkennen, dass die von der genannten Behörde auf der Grundlage dieser Zuständigkeit getroffenen Maßnahmen von einer zuständigen Behörde getroffen wurden, selbst wenn die getrennte Vereinbarung einen solchen Zuständigkeitsgrund ausschloss. Umgekehrt sind die Vertragsstaaten, die nicht Parteien der getrennten Vereinbarung sind, nicht verpflichtet, die Maßnahmen anzuerkennen, die in anderen Vertragsstaaten, die Parteien getrennter Vereinbarungen sind, auf der Grundlage einer in der getrennten Vereinbarung, jedoch nicht im Haager Übereinkommen vorgesehenen Zuständigkeit getroffen wurden. Zudem haben die Vertragsstaaten, die Parteien der getrennten Vereinbarung sind, die Verpflichtungen zur Zusammenarbeit, die das Haager Übereinkommen ihnen aufgibt, zu achten.
Absatz 4
- 176 Dieser Absatz stellt das Einheitsrecht, das auf besonderen Verbindungen zwischen den betroffenen Staaten beruht, den getrennten Vereinbarungen gleich. Diese Bestimmung betrifft insbesondere die skandinavischen Staaten.
Artikel 53 (Zeitliche Anwendung des Übereinkommens)
- 177 Dieser Artikel stellt zwei übergangsrechtliche Regeln auf, die die Zuständigkeit der Behörden und die Anerkennung von Maßnahmen betreffen. Logischerweise ergibt sich aus Absatz 1, dass die Zuständigkeitsregeln in einem Staat nur ab dem Inkrafttreten des Übereinkommens in diesem Staat Anwendung finden. Daher werden die in Anwendung der früher geltenden Zuständigkeitsregeln in einem Vertragsstaat vor Inkrafttreten des Übereinkommens in diesem Staat getroffenen Maßnahmen nicht aufgrund des Inkrafttretens des Übereinkommens ungültig, selbst wenn die Behörden, die sie getroffen haben, nach dem Übereinkommen nicht mehr zuständig sind. Das Schicksal der Verfahren, die anhängig sind, ohne dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Übereinkommens eine Maßnahme getroffen worden wäre, muss von dem innerstaatlichen Recht jedes Vertragsstaats geregelt werden.
- 178 Absatz 2 beschränkt die zeitliche Anwendung des Kapitels IV (Anerkennung und Vollstreckung) auf die Maßnahmen, die nach Inkrafttreten des Übereinkommens sowohl im Ursprungstaat der Maßnahmen als auch im ersuchten Staat getroffen wurden. Selbstverständlich kann der ersuchte Staat stets die früher getroffenen Maßnahmen anerkennen; dies geschieht jedoch aufgrund seines innerstaatlichen Rechts und nicht aufgrund des Übereinkommens.
- 179 Artikel 53 stellt keine Übergangsregel in Bezug auf die Kollisionsnormen des Übereinkommens auf. Gleichwohl folgt die Kollisionsnorm des Artikels 15 (auf Schutzmaßnahmen anzuwendendes Recht) der übergangsrechtlichen Bestimmung von Absatz 1. In der Tat müssen für die Anwendung der Regel des Artikels 15 in einem Vertragsstaat die Behörden dieses Staates nach dem Übereinkommen zuständig sein; dies wird aus übergangsrechtlicher Sicht durch Artikel 53 Abs. 1 geregelt.
Dagegen ist die Lücke vollständig in Bezug auf das Übergangsrecht der Kollisionsnorm zum auf die elterliche Verantwortung kraft Gesetzes anzuwendenden Recht (Artikel 16). Stellt sich das Problem in einem Vertragsstaat nach Inkrafttreten des Übereinkommens in Bezug auf diesen Staat, werden die Behörden dieses Staates die Kollisionsnorm des Artikels 16 anwenden; dies wird jedoch für die Lösung aller Probleme nicht ausreichen. Der Ersatz einer Kollisionsnorm durch eine andere, beispielsweise des Rechts der Staatsangehörigkeit durch das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts, kann z.B. einen Wechsel des Trägers der elterlichen Verantwortung bewirken. Die Probleme des Übergangsrechts, die sich aus dieser Änderung ergeben, sind, da das Übereinkommen dazu schweigt, vom innerstaatlichen Recht jedes Vertragsstaats zu lösen. Man darf annehmen, dass die Gültigkeit der vor Inkrafttreten des Übereinkommens für diesen Staat von demjenigen, der nach dem von der alten Kollisionsnorm bestimmten Recht Träger der elterlichen Verantwortung war, geschlossenen Rechtsgeschäfte in einem Vertragsstaat nicht in Frage gestellt wird. Man kann jedoch nicht wissen, welche Antwort das innerstaatliche Recht jedes Vertragsstaats auf die Frage gibt, ob der neue Träger der elterlichen Verantwortung nach dem von der neuen Kollisionsnorm bezeichneten Recht an die Stelle des früheren tritt, oder ob entsprechend der in Artikel 16 für die "conflits mobiles" aufgeführten Lösung dieser neue Träger bis zur Entscheidung des etwaigen Konfliktes zwischen beiden durch eine von den Behörden des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes ergriffene Maßnahme zu dem früheren hinzutritt.
Artikel 54 (Sprachen, in denen die Mitteilungen verfasst werden)
- 180 Dieser Artikel regelt die Frage, in welcher Sprache die Mitteilungen zwischen den Behörden abgefasst sein müssen oder in welche sie zu übersetzen sind. Er ist die genaue Wiedergabe des Artikels 24 des Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung. Die Mitteilung wird in der Originalsprache übersandt und von einer Übersetzung in die Amtssprache des Staates der Empfangsbehörde, oder wo dies nicht machbar ist, von einer Übersetzung ins Englische oder Französische begleitet. Eine Vorbehaltsmöglichkeit gegen die Verwendung entweder des Französischen oder des Englischen ist vorgesehen.
Artikel 55 (Vorbehalte zum Vermögen)
- 181 Der in diesem Artikel vorgesehene Vorbehalt wurde von der britischen Delegation beantragt und namentlich von den Delegationen Australiens und Kanadas unterstützt. Diese Delegationen brachten ihre Befürchtung zum Ausdruck, ihre jeweiligen Staaten nicht zur Ratifikation des Übereinkommens überzeugen zu können, wenn die Zuständigkeit ihrer Behörden für das Treffen von Maßnahmen zum Schutz des in ihrem Hoheitsgebiet belegenen Vermögens oder bestimmter, insbesondere unbeweglicher Vermögensgegenstände des Kindes nicht vorbehalten wäre sowie die Möglichkeit, eine elterliche Verantwortung oder eine Maßnahme nicht anzuerkennen, die mit einer von ihren Behörden in Bezug auf diese Vermögensgegenstände getroffenen Maßnahme unvereinbar wäre. Man steht hier an der Scheidelinie zwischen dem Sachenrecht und dem Recht des Schutzes von Minderjährigen, dabei sind die Anforderungen der lex situs besonders hoch. Zudem wurde bemerkt, dass in einigen Bundesstaaten und namentlich in Australien das Sachenrecht in die Zuständigkeit der föderierten Staaten fällt und der Bundesstaat für die Ratifikation des Übereinkommens ihre Zustimmung erhalten muss.
Artikel 56 (Überwachung der Anwendung des Übereinkommens)
- 182 Dieser Artikel übernimmt Artikel 42 des Übereinkommens vom 29. Mai 1993 über die Adoption. Es besteht erhebliches Interesse daran, dass die Konferenz in wiederkehrenden Abständen Treffen organisiert, um die praktische Anwendung des Übereinkommens zu prüfen und ggf. Empfehlungen für Verbesserungen zu machen. Die Konferenz hat oft Treffen dieser Art für andere Übereinkommen zusammengerufen, die nicht förmlich vorgesehen waren, aber die Aufnahme einer ausdrücklichen Bestimmung hat den Vorzug, hieraus eine Verpflichtung der Konferenz zu machen.
Kapitel VII Schlussbestimmungen
Artikel 57 bis 63
- 183 Diese vom Ständigen Büro vorbereiteten (Arbeitsdokument Nr. 12) und ohne lange Diskussion beschlossenen Artikel finden sich in früheren Übereinkommen, insbesondere dem Übereinkommen vom 29. Mai 1993 über die Adoption. Sie behandeln die Zeichnung, Ratifikation, Annahme oder Genehmigung (Artikel 57), den Beitritt (Artikel 58), die Möglichkeit für Staaten mit mehreren Gebietseinheiten, in denen unterschiedliche Rechtssysteme gelten, zu erklären, auf welche dieser Einheiten das Übereinkommen Anwendung findet (Artikel 59), die Vorbehalte und ihre Rücknahme (Artikel 60), das Inkrafttreten des Übereinkommens (Artikel 61), die Kündigung (Artikel 62) und schließlich die Notifikationen des Verwahrers des Übereinkommens an die Mitgliedstaaten der Konferenz und die Staaten, die dem Übereinkommen beigetreten sind (Artikel 63). Unterschiede, die nicht mit dem Regelungsgegenstand zusammenhängen, zwischen dem Inhalt dieser Klauseln und den entsprechenden Klauseln des Adoptionsübereinkommens sind sehr gering. Nach Artikel 57 liegt das Übereinkommen nur für die Mitgliedstaaten der Konferenz zur Zeichnung auf und nicht für die Staaten, die an der Achtzehnten Tagung teilgenommen haben. Im Unterschied zu den Vorgängen beim Adoptionsübereinkommen waren diese anderen Staaten lediglich als Beobachter zu der Achtzehnten Tagung eingeladen worden. Sie haben sich aktiv an den Diskussionen beteiligt, jedoch ohne Stimmrecht, und können dem Übereinkommen nach dem in Artikel 58 vorgesehenen Verfahren beitreten. Der Unterschied zwischen den beiden Sachverhalten zeigt sich in Bezug auf das mögliche Beitrittsdatum und den Zeitpunkt, an dem der Beitritt Wirkung erlangt. Der Beitritt ist in der Tat nur möglich nach Inkrafttreten des Übereinkommens (Artikel 58), und der Zeitraum von drei Monaten, nach dessen Ablauf das Übereinkommen für die Staaten in Kraft tritt, die das Übereinkommen ratifizieren oder ihm nach seinem Inkrafttreten beitreten, beginnt für jeden Beitrittsstaat erst nach Ablauf der den Vertragsstaaten für die Erhebung eines Einwands zum Beitritt gewährten Frist von sechs Monaten (siehe Artikel 61 Abs. 2 Buchstabe b, der im Adoptionsübereinkommen fehlt).
Schließlich sieht Artikel 62 im Unterschied zum Adoptionsübereinkommen vor, dass die Kündigung des Übereinkommens sich auf bestimmte Gebietseinheiten, auf die das Übereinkommen angewendet wird, beschränken kann.
Paris, 15. Januar 1997
->
Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz:
NKR-Nr. 710:
Gesetz zur Änderung des internationalen Familienrechtsverfahrensgesetzes (Haager Kinderschutzübereinkommen)
Der Nationale Normenkontrollrat hat den Entwurf des o. g. Gesetzes auf Bürokratiekosten geprüft, die durch Informationspflichten begründet werden.
Durch den Entwurf werden keine Informationspflichten für die Wirtschaft, Verwaltung und Bürgerinnen und Bürger eingeführt, geändert oder aufgehoben. Es entstehen keine neuen Bürokratiekosten für Wirtschaft, Verwaltung und Bürgerinnen und Bürger.
Der Nationale Normenkontrollrat hat daher im Rahmen seines gesetzlichen Prüfauftrags keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben.
Dr. Ludewig | Bachmaier |
Vorsitzender | Berichterstatter |
- 1) Schlussakte der Siebzehnten Tagung, Teil B Nr. 1.
- 2) Der Vorentwurf und der Bericht von Paul Lagarde bilden das für die Achtzehnte Tagung bestimmte Vorbereitete Dokument Nr. 7 von März 1996.
- 3) Mitglieder dieses Ausschusses waren neben seinem Vorsitzenden, dem Berichterstatter und den Mitgliedern des Ständigen Büros: Frau G.F. DeHart (Vereinigte Staaten) und Frau L. Lussier (Kanada) sowie Herr A. Bucher (Schweiz) und Herr E. M. Clive (Vereinigtes Königreich).
- 4) In diesem Ausschuss waren ebenfalls die Delegationen der Vereinigten Staaten, Kanadas, Australiens, Mexikos und Deutschlands vertreten.
- 5) Vorb. Dok. Nr. 1: Bericht über die Revision des Haager Übereinkommens von 1961 auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (April 1994); Vorb. Dok. Nr. 2: Zusammenfassende Liste der Bestimmungen, die möglicherweise in das revidierte Übereinkommen betr. die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (im Hinblick auf den Schutz der Person des Minderjährigen) aufzunehmen sind (April 1994); Vorb. Dok. Nr. 3: Bericht über die Revision des Haager Übereinkommens von 1961 auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen. Zweiter Teil: Der Schutz des Vermögens von Minderjährigen (Mai 1994); Vorb. Dok. Nr. 5: Wesentliche Probleme, die dadurch aufgeworfen werden, dass Maßnahmen zum Schutz des Vermögens von Minderjährigen in den Anwendungsbereich des revidierten Übereinkommens aufgenommen werden (Januar 1995).
- 6) Das offensichtlich nur noch in den Beziehungen zwischen Belgien und Deutschland (s. Staudinger/(Kropholler (1996) Vorbem. 12-13 zu Artikel 24 EGBGB) und vielleicht auch Rumänien (s. Rigaux-Fallon, Droit international privé, Band II, 1993, Nr. 1145) tatsächlich in Kraft ist.
- 7) Zu den drei im Text aufgeführten Staaten sind Deutschland, Österreich, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande, Portugal, die Schweiz und die Türkei hinzuzufügen.
- 8) Siehe die zahlreichen Entscheidungen in den vier erschienenen Bänden der Sammlung von Sumampouw, Les nouvelles Conventions de La Haye, veröffentlicht vom Asser-Institut, Den Haag.
- 9) Siehe J. Kropholler, "Gedanken zur Reform des Haager Minderjährigenschutzabkommens", RabelsZ 58 (1994) 1-19; S. Boelck, Reformüberlegungen zum Haager Minderjährigenschutzabkommen von 1961, Tübingen 1994, und Besprechung von P. Lagarde. Rev. crit. dr. internat. privé, 1995, 230.
- 10) Siehe in Frankreich Cour de Cassation, Civ. 1ère, 16. Dez. 1986, Rev. crit. dr. internat. privé, 1987, 401, Anm. Lagarde; vgl. P. Lagarde, "La protection du mineur double national, talon d"Achille de la Convention de La Haye du 5 octobre 1961" in L"unificazione del diritto internazionale privato e processuale, Studi in memoria di Mario Giuliano, 1989, 529.
- 11) Die Formulierung gestaltet sich in der Tat problematisch, wenn z.B. nach dem innerstaatlichen Recht des Minderjährigen ein Verhältnis kraft Gesetzes nicht oder nicht mehr besteht und folglich ein Bedarf an Schutzmaßnahmen auftritt, wenn aber nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts dieses Verhältnis kraft Gesetzes fortbesteht und demzufolge das Ergreifen von Schutzmaßnahmen überflüssig wird. Siehe hierzu die frühere Kritik von Y. Lequette, erneut formuliert in "Le droit international privé de la famille à l"épreuve des Conventions internationales" RCADI (Recueil des Cours) 246 (1994 II) 11 (82 ff.); siehe bereits G.A.L. Droz, "La protection des mineurs en droit international privé français depuis l"entrée en vigueur de la Convention de La Haye du 5 octobre 1961", Journ. dr. international, 1973, 603 (619 ff.).
- 12) Siehe gleichwohl die Präambel des Übereinkommens vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption.
- 13) Die kursiv gedruckten Überschriften nach jedem kommentierten Artikel, die im Übereinkommen nicht aufgeführt sind, wurden vom Berichterstatter eingefügt, um seinen Bericht verständlicher zu gestalten.
- 14) Schlussakte der Achtzehnten Tagung, Teil B Nr. 2.
- 15) Siehe Artikel 26 Abs. 1 Buchstabe b.
- 16) Siehe Übereinkommen über die Rechte des Kindes, Artikel 18.
- 17) Vgl. Artikel 12 des Übereinkommens von 1961.
- 18) Das Übereinkommen über die Rechte des Kindes sieht diese Möglichkeit in Artikel 1 vor.
- 19) Siehe unten Nr. 30 unter Artikel 4 Buchstabe d.
- 20) Siehe z.B. Artikel 390 des französischen Zivilgesetzbuches sowie § 1773 BGB.
- 21) Kafala wird auch in dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes als andere Form der Betreuung erwähnt (Artikel 20 Abs. 3). Die marokkanische Delegation hat darauf hingewiesen, dass der arabische Begriff ohne den Endbuchstaben h zu transkribieren ist.
- 22) Allerdings ist sicherzustellen, dass es spezifisch um den Schutz des Kindes geht. Dies trifft z.B. nicht auf die Staatsangehörigkeit des Kindes bzw. die Gewährung von Schadensersatz an ein Kind aufgrund der Bestimmungen über die zivilrechtliche Haftung zu. Einige Delegationen hatten im Hinblick auf diese Fragen einen ausdrücklichen Ausschluss vorgeschlagen, der entweder allgemeiner Art (Arbeitsdokument Nr. 52 zu Artikel 4) oder jeweils inhaltsbezogen (Arbeitsdokument Nr. 59) sein sollte; diese Initiativen haben aber nicht zum Erfolg geführt, weil der Ausschluss sich von selbst versteht. Darüber hinaus hätte ein ausdrücklicher Ausschluss Auslegungsprobleme mit sich bringen können. Hätte z.B. der Ausschluss der zivilrechtlichen Haftung auch die zivilrechtliche Haftung des Vormunds gegenüber dem Minderjährigen wegen Veruntreuung von Vermögen des Minderjährigen erfasst?
- 26) Die Konferenz hat ebenfalls einen Vorschlag des Internationalen Sozialdienstes (Arbeitsdokument Nr. 21) abgewiesen, der bei der Erörterung von Artikel 14 (Artikel 10 des Vorentwurfs) unterbreitet wurde und beabsichtigte, im Falle einer Änderung des gewöhnlichen Aufenthalts oder allgemein bei einer Änderung der Begleitumstände den vor der Änderung zuständigen Behörden zu gestatten, den Schutzmaßnahmen ein Ende zu setzen, wenn sie dies für erforderlich hielten.
- 27) 19 Ja-Stimmen gegen 7 Nein-Stimmen bei 4 Enthaltungen.
- 28) Arbeitsdokument Nr. 128 und Erörterung in Protokoll Nr. 22, Nr. 65-75. Die perpetuatio fori ist hingegen ausdrücklich in Artikel 7 des Haager Übereinkommens vom 2. Oktober 1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen erwähnt worden.
- 29) Siehe ganz eindeutig in diesem Sinne Staudinger/Kropholler (1994), Vorbem. 146149 zu Artikel 19 EGBGB sowie die von Sumampouw, Les nouvelles Conventions de La Haye, B. 3, S. 95 ff. erfassten Entscheidungen; siehe ebenfalls, zumindest stillschweigend, Droz, "La protection des mineurs en droit international privé francais depuis l"entrée en vigueur de la Convention de La Haye du 5 octobre 1961", Journ.dr.internat., 1973, S. 603, Nr. 39; Bucher, Droit international privé suisse, II, 1992, Nr. 869.
- 30) In diesem Sinne siehe erneut Staudinger/Kropholler (1994), Vorbem. zu Artikel 19 EGBGB; Sumampouw, op. et loc.cit.
- 31) Dieselbe erschwerte Gefahr kann ebenfalls im Falle der Scheidung auftreten. Die Behörde des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes kann nämlich sofort nach Abschluss des Ehescheidungsverfahrens mit einem Antrag befasst werden mit dem Ziel, die vom Familiengericht getroffene Maßnahme aufzuheben
- 32) Arbeitsdokumente Nr. . 4 und 63, vorgelegt von den Vereinigten Staaten bzw. den Niederlanden.
- 33) Zur Bedeutung des Ausdrucks "Vermögen des Kindes" siehe unten in Artikel 11 Abs. 1.
- 34) Die Konferenz hat einen Vorschlag der niederländischen Delegation (Arbeitsdokument Nr. 69) nicht angenommen, der darauf abzielte, der Scheidung im Sinn dieses Artikels die Auflösung der Vereinbarung einer zivilrechtlichen Gemeinschaft gleichzustellen, die in einigen skandinavischen Rechtsordnungen homosexuelle Paare verbindet. Die Delegationen der skandinavischen Staaten haben angemerkt, dass in ihren Ländern die Norm gelte, die gemeinschaftliche Sorge zugunsten des Paares bezüglich der Kinder eines der Partner abzulehnen.
- 35) Mit Ausnahme von Luxemburg, Polen und der Türkei.
- 36) Nachstehend der Kürze wegen nur als Gerichtsstand der Ehescheidung bzw. Scheidungsgericht bezeichnet.
- 37) Zu der Gefahr eines voreiligen Ersatzes der vom Scheidungsgericht getroffenen Maßnahmen siehe oben Nr. 43 zu Artikel 5 Abs. 2.
- 38) Ein entsprechender Vorschlag der israelischen Delegation (Arbeitsdokument Nr. 73) ist von keiner anderen Delegation unterstützt worden.
- 39) Diese Lösung wird im Übrigen weiter unten, in Artikel 23, ausgesprochen.
- 40) Also je nach Fall die Behörde des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes, diejenige, die von einer Zuständigkeitsübertragung nach den Artikeln 8 und 9 profitiert hat, oder das Scheidungsgericht.
- 41) Beispiel in Anlehnung an dasjenige von Staudinger/Kropholler (1994), Vorbem. 478 zu Artikel 19 EGBGB und nach BayObLG 23.9.1976, IPRspr 1976, Nr. 69.
- 42) Siehe die Vorschläge der amerikanischen (Arbeitsdokument Nr. 4) und der schweizerischen (Arbeitsdokument Nr. 71) Delegation, die übrigens sehr stark voneinander abweichen.
- 43) Eine offensichtliche redaktionelle Abweichung zwischen dem englischen und dem französischen Wortlaut von Absatz 3 konnte bei einigen englischsprachigen Delegationen den Eindruck erwecken, dass die dringende Maßnahme außer Kraft trete, sobald die von einem Nichtvertragsstaat getroffene Maßnahme in dem Vertragsstaat, der die dringende Maßnahme getroffen hat, anerkannt worden ist. In Wirklichkeit deuten der Buchstabe und der Geist des Wortlauts darauf hin, dass die dringende Maßnahme, die in Anwendung von Artikel 23 in allen Vertragsstaaten anerkannt wird, in jedem dieser Staaten in getrennter Form außer Kraft tritt, sobald in jedem dieser Staaten (und nicht nur in dem Staat, dessen Behörde die Maßnahme getroffen hat) die Entscheidungen eines Nichtvertragsstaats anerkannt worden sind.
- 44) Die vorstehenden Anmerkungen in Nr. 70 (zu Artikel 11 Abs. 1) zu dem Begriff "biens" (Vermögen) gelten auch für Artikel 12.
- 45) 13 Ja-Stimmen gegen 11 Nein-Stimmen bei 9 Enthaltungen.
- 46) Arbeitsdokument Nr. 110.
- 47) Beispielsweise im Fall des widerrechtlichen Verbringens zwischen den Behörden des früheren und des neuen gewöhnlichen Aufenthalts (Artikel 7).
- 48) Zur Gefahr einer voreiligen Änderung dieser Maßnahmen siehe oben Nr. 43 zu Artikel 5 Abs. 2.
- 49) Artikel 10bis in Arbeitsdokument Nr. 124, seinerseits in Anlehnung an einen Vorschlag der niederländischen Delegation (Arbeitsdokument Nr. 50).
- 50) Der Begriff "Recht" bezeichnet das innerstaatliche Sachrecht des betroffenen Staates (Artikel 21 Abs. 1) vorbehaltlich der Regel über die Kollision von Kollisionsnormsystemen in Artikel 21 Abs. 2, siehe unten.
- 51) Siehe diesbezüglich S. Boelck, op, cit., Fußnote 9.
- 52) Siehe Kropholler, oben genannter Artikel, RabelsZ 1994, 1 (6).
- 53) Siehe den Bericht von Elisa Pérez-Vera zu diesem Übereinkommen, Actes et Documents de la Quatorzième Session, Bd. III, S. 447 Nr. 70: "Die fraglichen Vereinbarungen können einfache private Abmachungen zwischen den Parteien über das Sorgerecht für Kinder sein." Das Übereinkommen von 1980 zieht Vereinbarungen in Betracht, die "nach dem Recht des betreffenden Staates wirksam sind", d. h. im Zusammenhang dieses Übereinkommens nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes vor seinem Verbringen. Der hier untersuchte Wortlaut erwähnt diese Voraussetzung, nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes "wirksam zu sein", nicht, dies jedoch, weil er eine Kollisionsnorm und nicht eine Anerkennungsnorm aufstellt.
- 54) Wie bei Absatz 1 braucht das rein passive Eingreifen einer Behörde, das sich auf die Registrierung der Vereinbarung oder des einseitigen Rechtsgeschäfts ohne die Ausübung irgendeiner Kontrolle in der Sache selbst beschränkt, nicht als Eingreifen im Sinn von Absatz 2 angesehen zu werden, der somit ohne Zweifel auf eine solche Vereinbarung oder ein solches Rechtsgeschäft anzuwenden ist.
- 55) Cass. Req. (Entscheidung der Kammer des Kassationshofes, die sich bis 1947 mit Revisionsanträgen befasste) vom 16. Januar 1861, D. P. 1861 I. 193, S. 1861.I.305.
- 56) Siehe die in den Arbeitsdokumenten Nr. . 71 und 86 enthaltenen Vorschläge, die von der Konferenz verworfen wurden.
- 57) Siehe oben die Schlussbemerkung betr. Kapitel II des Übereinkommens.
- 58) Mit dem Unterschied, dass diese Übereinkommen der zuvor in einem Nichtvertragsstaat ergangenen Entscheidung, die in dem ersuchten Staat die für ihre Anerkennung erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, den Vorzug geben; denn die dieser ersten Entscheidung zuerkannte Rechtskraft steht der Anerkennung einer mit ihr unvereinbaren späteren Entscheidung entgegen. Dagegen wird in diesem Übereinkommen die spätere im Nichtvertragsstaat getroffene Maßnahme vorgezogen; denn im Geist der Artikel 11 Abs. 2, 12 Abs. 2 und 14 können die Behörden des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes die getroffenen Maßnahmen stets ändern oder ersetzen.
- 59) Um absurde Sachlagen zu vermeiden, sollte der Begriff der Unvereinbarkeit flexibel bewertet werden, wenn zwischen den beiden kollidierenden Maßnahmen ein ziemlich langer Zeitabschnitt liegt. Selbst wenn sie formell einander widersprechen, sind die beiden Maßnahmen nicht zwangsläufig unvereinbar, wenn sich die Sachlage geändert hat.
- 60) Siehe das in den Übereinkommen von Brüssel und Lugano geregelte Antragsverfahren, Artikel 31 f.
- 61) Siehe Artikel 8 Abs. 4; 9 Abs. 1 und 10 Abs. 1 Buchstabe b.
- 62) Die Konferenz hat einen Vorschlag der schweizerischen Delegation (Arbeitsdokument Nr. 91), der diesen Punkt ausdrücklich klarstellte, als selbstverständlich und nicht in den Text passend zurückgewiesen.
- 63) Siehe Artikel 9 des Haager Übereinkommens vom 2. Oktober 1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen; Artikel 28 Abs. 2 der Übereinkommen von Brüssel und Lugano.
- 64) Übereinkommen vom 15. November 1965 (Zustellung von Schriftstücken); 18. März 1970 (Beweisaufnahme); 25. Oktober 1980 (Kindesentführung); 29. Mai 1993 (Adoption). Dieser Mechanismus wurde von anderen internationalen Institutionen, namentlich dem Europarat, übernommen; siehe Übereinkommen vom 20. Mai 1980 (Vollstreckung von Sorgerechtsentscheidungen). Vgl. Droz, "Evolution du rôle des autorités administratives dans les Conventions de droit international privé au cours du premier siècle de la Conférence de La Haye", Etudes offertes à Pierre Bellet, Paris, 1991, S. 129 ff.
- 65) Siehe unten Artikel 38.
- 66) Absatz 3 weist eine leichte Abweichung zwischen dem englischen und französischen Wortlaut auf. Dort, wo der französische Wortlaut von einem Antrag auf Änderung oder Aufhebung (demande tendant à modifer ou supprimer) des Umgangsrechts spricht, benutzt der englische Wortlaut die Verben "to restrict or terminate". Der weitgefasste französische Wortlaut scheint dem Geist der Bestimmung und den Absichten seiner Verfasser besser gerecht zu werden.
- 67) Zurückgehend auf einen Vorschlag der kanadischen Delegation (Arbeitsdokument Nr. 109, geändert durch Arbeitsdokument Nr. 115).
- 68) Die Konferenz hat einen Vorschlag der belgischen Delegation zurückgewiesen (Arbeitsdokument Nr. 116), der darauf abzielte, die Kosten für die in Artikel 3 Buchstabe e vorgesehenen Unterbringungsmaßnahmen dem Staat aufzubürden, der die Maßnahme angeordnet hat und nicht dem Staat, der sie ausführt.
- 69) Siehe zu diesem Artikel den Bericht von Herrn Parra-Aranguren, Actes et Documents de la Dixseptième Session, Bd. II, S. 632.
- 70) Siehe insbesondere Artikel 23 des Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 (Kindesentführung).
- 71) Siehe den von Frau Isabelle Guyon-Renard unter dem Titel "La fraude en matière d"état civil dans les Etats membres de la CIEC" (Rev. crit. dr. intern. privé, 1996. 541 ff.) verfassten Bericht der Internationalen Zivilstandskommission (CIEC).
- 72) Diese Regel findet in verschiedenen Haager Übereinkommen, namentlich in dem Übk. "Intermédiaires" vom 14. März 1978, Artikel 20; Übk. Ehegüterstände vom 14. März 1978, Artikel 18; Übk. Warenkauf vom 22. Dezember 1986, Artikel 20; Übk. Kindesentführung vom 25. Oktober 1980, Artikel 33; Übk. Rechtsnachfolge von Todes wegen vom 1. August 1989, Artikel 21; Übk. Adoption vom 29. Mai 1993, Artikel 38.
- 73) Siehe Übereinkommen Kindesentführung vom 25. Oktober 1980, Artikel 31, und insbesondere Adoptionsübereinkommen vom 29. Mai 1993, Artikel 36.
- 74) Siehe Übereinkommen "Intermédiaires" vom 14. März 1978, Artikel 19; Übk. Ehegüterstände vom 14. März 1978, Artikel 17; Übk. Eheschließung vom 14. März 1978, Artikel 18 und 19; Übk. Warenkauf vom 22. Dezember 1986, Artikel 19; Übk. Kindesentführung vom 25. Oktober 1980, Artikel 31 Buchstabe b; Übk. trust vom 1. Juli 1985, Artikel 23; Übk. Adoption vom 29. Mai 1993, Artikel 36 Buchstabe b.
- 75) Unterhaltsübereinkommen vom 2. Oktober 1973, Artikel 16.
- 76) Siehe Güterstandsübereinkommen vom 14. März 1978, Artikel 16; Übk. Rechtsnachfolge von Todes wegen vom 1. August 1989, Artikel 19 Abs. 2.
- 77) Siehe Eheschließungsübereinkommen vom 14. März 1978, Artikel 20; Kindesentführungsübereinkommen vom 25. Oktober 1980, Artikel 32; Adoptionsübereinkommen vom 29. Mai 1993, Artikel 37.
- 78) Unterhaltsübereinkommen, anzuwendendes Recht, 2 Oktober 1973, Artikel 16; Übk. Rechtsnachfolge von Todes wegen vom 1. August 1989, Artikel 20; vgl. Güterstandsübereinkommen vom 14. März 1978, Artikel 19.
- 79) Siehe zu vergleichbaren Bestimmungen Minderjährigenschutzübereinkommen vom 5. Oktober 1961, Artikel 18; Unterhaltsvollstreckungsübereinkommen vom 2. Oktober 1973, Artikel 29; Unterhaltsübereinkommen, anzuwendendes Recht, vom 2. Oktober 1973, Artikel 18; Warenkaufübereinkommen vom 22. Dezember 1986, Artikel 28.
- 80) Diese Schwierigkeiten können lange andauern, denn es ist nicht auszuschließen, dass das Übereinkommen von 1961 noch von neuen Staaten ratifiziert wird. Die Konferenz hat sich der Möglichkeit des Ausschlusses neuer Ratifikationen nicht angeschlossen.
- 81) Siehe die laufenden Verhandlungen zu dem sogenannten Brüssel-II-Übereinkommen.