Der Bundesrat hat in seiner 798. Sitzung am 2. April 2004 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zum Beschlussvorschlag allgemein Der Bundesrat unterstützt weiterhin die Bemühungen, ein Gemeinschaftspatentsystem in Europa zu errichten. Das Europäische Patent ("Bündelpatent") reicht als Schutztitel auf europäischer Ebene in der derzeitigen Ausgestaltung nicht aus. Die derzeitige Notwendigkeit, gegebenenfalls Parallelprozesse in verschiedenen Staaten führen zu müssen, und die Möglichkeit, dass ein Europäisches Patent, gegen dessen Erteilung ohne Erfolg Beschwerde beim Europäischen Patentamt eingelegt worden ist, dennoch von den nationalen Gerichten für nichtig erklärt werden kann, sind für die Praxis wenig erfreulich. Zu einem Gemeinschaftspatentsystem gehört deshalb insbesondere auch eine wirksame Gemeinschaftspatentgerichtsbarkeit. Diese muss aber effizient, das heißt insbesondere schnell und kostengünstig sein. Die Einführung des Gemeinschaftspatents um jeden Preis lehnt der Bundesrat ab.
Der Bundesrat bedauert deshalb die politische Einigung im März 2003. Die dort vorgesehene konkrete Ausprägung der Gemeinschaftspatentgerichtsbarkeit leidet an zwei grundsätzlichen Fehlern, nämlich zum einen der Regelung der Gerichtssprache und zum anderen und vor allem der vorgesehenen Einführung eines einzigen zentralen Gerichts erster Instanz für ganz Europa. Diese Fehler lassen befürchten, dass die gewünschte effiziente und kostengünstige Verfahrensdurchführung nicht erreicht wird.
Der Bundesrat unterstützt die Haltung der Bundesregierung, bei der Gemeinschaftspatentverordnung in den noch strittigen Punkten nicht weiter nachzugeben.
Die von anderen Staaten geforderte kurze Frist für die Einreichung von Übersetzungen und die geforderte rechtliche Verbindlichkeit der übersetzten Fassungen der Patentansprüche in den jeweiligen Staaten würden einen entscheidenden Nachteil für die deutschen Patentanmelder darstellen und die Attraktivität des Gemeinschaftspatents entscheidend schwächen. In Übereinstimmung mit der Bundesregierung widerspricht der Bundesrat einer Ausweitung der Rechtswirkungen der Übersetzungen. Vielmehr dürfen diese im Grundsatz nur eine rechtlich unverbindliche Information darstellen, um nicht das eigentliche Ziel der Harmonisierung des Patentrechts in der EU zu verfehlen.
Ebenso widerspricht der Bundesrat einer Abkürzung der Frist zur Vorlage der Übersetzungen von zwei Jahren.
Im Hinblick auf die noch ausstehenden Rechtsakte bis zu einem - möglichen -In-Kraft-Treten der Gemeinschaftspatentverordnung einschließlich Revision des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) erachtet der Bundesrat die Festlegung auf das Jahr 2010 für die Arbeitsaufnahme des Gemeinschaftspatentgerichts für verfrüht. Es ist derzeit nicht absehbar, ob bis dahin Gemeinschaftspatente überhaupt oder in einem nennenswerten Umfang erteilt sein werden und zu einer Entscheidung vor dem Gericht anstehen.
Der Bundesrat sieht ein Bedürfnis für eine einheitliche Rechtsprechung in Europa auch für die vorhandenen über 500.000 Bündelpatente. In den weit fortgeschrittenen Überlegungen für ein EPÜ-Streitregelungsabkommen (EPLA) sieht der Bundesrat hierzu eine Möglichkeit. Diese könnte im Falle eines Scheiterns oder einer Verzögerung der Gemeinschaftspatentverordnung den Bedürfnissen der Praxis nach einer Vereinheitlichung der Rechtsprechung in einem ersten Schritt Rechnung tragen. Zwar sind beide Projekte nebeneinander möglich, da sich ihre Zuständigkeitsbereiche nicht überschneiden. Auf Dauer erachtet der Bundesrat jedoch ein Nebeneinander von zwei europäischen Patentgerichtsbarkeiten nicht für sinnvoll. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf sich für eine Zusammenführung der Vorhaben einzusetzen und dabei auch die oben genannten Grundfehler des Gemeinschaftspatentgerichts, die das EPLA-Projekt nicht hat, nochmals zu thematisieren.
Zu Artikel 1 Buchstabe c
Gemäß Artikel 1 Buchstabe c soll der Gerichtshof die ausschließliche Zuständigkeit auch für einstweilige Maßnahmen und Maßnahmen zur Beweissicherung im Zusammenhang mit seiner sachlichen Zuständigkeit erhalten. Im Sinne der erforderlichen und gewünschten Effektivität der Durchsetzung des geistigen Eigentums auch im einstweiligen Rechtsschutz fordert der Bundesrat, die Zuständigkeit für einstweilige Maßnahmen bei den nationalen Gerichten - zumindest alternativ - zu belassen. Einstweilige Verfügungen in Patentsachen müssen in klaren Fällen binnen 24 bis 48 Stunden erhältlich sein, sonst machen sie in der Praxis keinen Sinn. Häufig dienen einstweilige Verfügungen beispielsweise zur Unterbindung der Ausstellung eines patentverletzenden Gegenstands auf einer Messe, die oft nur wenige Tage dauert. In diesen Fällen gewinnt der Vorteil der örtlichen Nähe des angerufenen Gerichts besonderes Gewicht. Darüber hinaus erscheint es kaum möglich, dass bei der vorgesehenen Sprachenregelung eine Entscheidung des Gemeinschaftspatentgerichts unter Berücksichtigung der erforderlichen Übersetzungen binnen der notwendigen Frist erzielt werden kann. Hilfsweise müsste für einstweilige Maßnahmen zumindest ein eigenes Sprachenregime beim Gemeinschaftspatentgericht geschaffen werden, das es erlaubt das Verfahren auch in der Sprache des Gemeinschaftspatents (Deutsch, Englisch oder Französisch) zu führen.