946. Sitzung des Bundesrates am 17. Juni 2016
A
Der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV) und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
Zur Vorlage insgesamt
- 1. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich, dass die Kommission mit dem vorgelegten Vorschlag eine Harmonisierung der Anforderungen an Düngeprodukte mit CE-Kennzeichnung
unter Aufnahme von Regelungen zu Schadstoffen (Kontaminanten) vornimmt.
- 2. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass bei der Inverkehrbringung von Düngemitteln die Einhaltung eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit von Menschen, Tieren und Nutzpflanzen sowie die Fruchtbarkeit des Bodens und den Naturhaushalt notwendig ist.
- 3. Der Bundesrat stellt fest, dass mit dem Vorschlag keine vollständige Harmonisierung erreicht wird, da neben diesen EU-Vorgaben weiterhin die unterschiedlichen nationalen düngerechtlichen Regelungen bestehen bleiben. Dies kann zur Umgehung der Anforderungen des europäischen und des nationalen Rechts, insbesondere unter Nutzung der Prinzipien des freien Warenverkehrs und der gegenseitigen Anerkennung, führen. Stattdessen sollte eine Harmonisierung des EU-Düngemittelrechts so realisiert werden, dass die nationalen düngemittelrechtlichen Regelungen entfallen können.
- 4. Der Bundesrat kritisiert, dass die Umsetzung des Vorschlags zu einer Erhöhung des Verwaltungsaufwandes in den Mitgliedstaaten führen wird. Insbesondere an die neu zu schaffenden notifizierenden Stellen (Konformitätsbewertungsstellen) und die notifizierende Behörde werden hohe fachliche und organisatorische Anforderungen gestellt. Beim vorgesehenen Verwaltungsaufwand sind Einsparungen und Vereinfachungen vorzunehmen, damit der entstehende Aufwand zur Umsetzung der Verordnung auf das notwendige Mindestmaß beschränkt wird.
- 5. Der Bundesrat stellt fest, dass die Grenzwerte für Schadstoffe lediglich für das Düngeprodukt, jedoch nicht für die einzelnen Ausgangsstoffe vorgesehen sind. Er befürchtet, dass dies zur Umgehung des "Verschneidungs- bzw. Verdünnungsverbotes" hinsichtlich der Zuführung von Schadstoffen führen wird. Aus Sicht des Bundesrates sollten alle Ausgangsstoffe die Schadstoffgrenzwerte des Endproduktes einhalten.
- 6. Der Bundesrat erachtet die Kenntnis des Anwenders über die in den Düngeprodukten enthaltenen Schadstoffe als grundlegende Voraussetzung für einen vorsorgenden umweltgerechten Einsatz von Düngemitteln. Er sieht es kritisch, dass der Vorschlag keine Kennzeichnung von Schadstoffen vorsieht. Deshalb sollte eine Verpflichtung zur Kennzeichnung der in Düngeprodukten enthaltenen Schadstoffe in die Verordnung aufgenommen werden.
Zu den Anhängen
- 7. Der Bundesrat stellt fest, dass viele der in den Anhängen des Vorschlages enthaltenen stofflichen Anforderungen fehlerhaft oder fachlich inkonsistent sind, zum Beispiel die Festlegung der Grenzwerte für Schadstoffe in Düngeprodukten, wie PFC 1 (A) Organisches Düngemittel, Cadmiumgrenzwert, 1,5 mg/kg TM / PFC 3 (A) Organisches Bodenverbesserungsmittel, Cadmiumgrenzwert: 3 mg/kg TM.
Er befürchtet, dass vor diesem Hintergrund die Akzeptanz der Verordnung gefährdet ist und deshalb verstärkt auf nationale Vorschriften ausgewichen wird. Um dies zu vermeiden, sollten die fachlich erforderlichen Korrekturen der stofflichen Anforderungen in Abstimmung mit den Ländern zeitnah vorgenommen werden.
- 8. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die Bestrebungen, die Anforderungen an Düngeprodukte auf EU-Ebene weiter zu harmonisieren und dabei die Belange des Umweltschutzes durch eine Begrenzung von Schadstoffen in den Düngeprodukten mit CE-Kennzeichnung
zu verbessern. In diesem Zusammenhang wird ausdrücklich die Einführung eines zeitlich gestaffelten Cadmium-Grenzwertes für phosphathaltige Düngemittel unterstützt.
- 9. Der Bundesrat hält jedoch insbesondere aus Gründen des vorsorgenden Bodenschutzes die vorgeschlagenen Grenzwerte für Kontaminanten in Düngeprodukten für zum Teil nicht ausreichend, um damit den Eintrag besonders umweltrelevanter Schadstoffe in das System Boden-Wasser-Pflanze wirkungsvoller zu begrenzen. Auch um zu vermeiden, dass die schadstoffseitigen Anforderungen der deutschen Düngemittelverordnung (DüMV) über einen Marktzugang entsprechender Düngeprodukte mit CE-Kennzeichnung
umgangen werden können, sind diesbezügliche Nachbesserungen erforderlich. Mit Blick auf die DüMV betrifft dies insbesondere den Cadmium-Grenzwert für anorganische und organischmineralische Düngemittel mit einem Gehalt von weniger als fünf Prozent Phosphorpentoxid (P2O5) sowie den Grenzwert für Quecksilber für anorganische Düngemittel. Darüber hinaus sollte vor dem Hintergrund eines unerwünschten Eintrags von perfluorierten Tensiden (PFT) in die Umweltmedien ein Grenzwert für organische und organischmineralische Düngemittel auf dem Niveau der deutschen DüMV verankert werden.
- 10. Der Bundesrat hält es darüber hinaus für erforderlich, dass sämtliche Bodenverbesserungsmittel mit CE-Kennzeichnung
hinsichtlich ihrer Gehalte für Kontaminanten einheitlich und auf hohem Schutzniveau geregelt werden.
Zu Anhang I Teil II PFC 3
- 11. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich bei der Kommission nachdrücklich dafür einzusetzen, dass bei der CE-Kennzeichnung europäischer Düngeprodukte für den Bereich der Bodenverbesserungsmittel (Kategorie PFC 3) neben den im Verordnungsvorschlag vorgesehenen Grenzwerten für ausgewählte Kontaminanten auch Grenzwerte für die essenziellen Pflanzennährstoffe Kupfer und Zink aufgenommen werden müssen.
Begründung zu Ziffer 11 (nur gegenüber dem Plenum):
Ein europäisches Bodenschutzrecht existiert bislang nicht.
Die Kommission gibt jedoch an, mit dem vorliegenden Verordnungsvorschlag ein hohes Bodenschutzniveau auf EU-Ebene sicherstellen zu wollen.
Der Vorschlag der Kommission sieht im Rahmen der CE-Kennzeichnung von Düngeprodukten für diverse Produktfunktionskategorien (sogenannte PFC) unterschiedliche Grenzwerte bei verschiedenen Parametern vor.
Bei einer Umsetzung des Vorschlages besitzen in erster Linie Komposte und Gärrückstände, die zukünftig als Düngeprodukt mit CE-Kennzeichnung zugelassen werden können, eine mengenmäßige Relevanz.
Komposte und die meisten Gärprodukte werden dabei auf Grund der Mindestanforderungen an den Nährstoffgehalt nicht als organisches Düngemittel, sondern als organisches Bodenverbesserungsmittel zu kennzeichnen sein.
Bodenverbesserungsmittel werden im Verordnungsvorschlag der Produktfunktionskategorie 3 (PFC 3) zugeordnet. Hierbei sind Grenzwerte für die Schwermetalle Cadmium, Chrom, Quecksilber, Nickel und Blei sowie beim organischen Schadstoff PAK (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) einzuhalten.
Für den vorliegend relevanten Wirkungspfad Boden-Nutzpflanze umfasst das deutsche Bodenschutzrecht aber überdies auch Grenzwerte für die essenziellen Pflanzennährstoffe Kupfer und Zink, da ab dem Erreichen einer bestimmten Schwelle mit beiden Schwermetallen durchaus Schadwirkungen verbunden sind (Wachstumsbeeinträchtigungen bei Kulturpflanzen).
Durch die Festlegung eines Mindestgehaltes von Kupfer und/oder Zink in Düngeprodukten wird lediglich der Aspekt der Nährstoffversorgung von Nutzpflanzen betrachtet, nicht aber die mit einem Übermaß des Vorhandenseins beider Schwermetalle in Düngeprodukten verbundenen Schadwirkungen.
Die (einfache) Gehaltsangabe für Kupfer und Zink bei Düngeprodukten reicht dabei nicht aus. Ein Grenzwert für diese Schwermetalle hat ebenso die Akkumulation über eine längere Zeitspanne hinweg und die im Boden ablaufenden Umsetzungsprozesse zu berücksichtigen.
Im Sinne der Harmonisierung auf EU-Ebene sollten zumindest bei der Produktfunktionskategorie 3 ebenfalls Grenzwerte für diese zwei Substanzen in die vorgeschlagene EU-Verordnung aufgenommen werden. Erfolgt dies nicht, sind in der Praxis auf deutschem Staatsgebiet Probleme zu erwarten.
Da eine europäische Regelung zum Bodenschutz nicht existiert, kann und wird bei Verabschiedung des unveränderten Verordungsvorschlags die Situation auftreten, dass ein Düngeprodukt die EU-Vorgaben zwar einhält, ein CE-Kennzeichen bekommt und im gesamten EU-Binnenmarkt vertrieben werden darf, bei Anwendung in Deutschland aber gegebenenfalls gegen Vorgaben des Bodenschutzrechtes verstoßen würde.
Hersteller und Vertreiber, insbesondere jedoch die Anwender von Düngeprodukten, wären daher explizit darauf hinzuweisen, dass in Deutschland, zusätzlich zum CE-Kennzeichen und unabhängig von den EU-Vorgaben, die Grenzwerte des Bodenschutzrechtes auch weiterhin Wirkung entfalten, möglicherweise mit entsprechenden Konsequenzen im Fall der Nichtbeachtung.
- 12. Im Zusammenhang mit den Komponentenmaterialien wird zudem insbesondere eine eindeutigere Benennung zulässiger organischer Eingangsmaterialien, zum Beispiel über eine konkretisierende Stoffliste, wie bereits in dem im Januar 2014 von der Gemeinsamen Forschungsstelle der Kommission (JRC) veröffentlichten Bericht "Endofwaste criteria for biodegradable waste subjected to biological treatment" vorgeschlagen, für erforderlich gehalten. Die Benennung von lediglich zulässigen Stoffgruppen wird als nicht ausreichend angesehen, um zu verhindern, dass kritische Ausgangsmaterialien für die Herstellung von Düngeprodukten Verwendung finden.
- 13. Der Bundesrat begrüßt das Ziel, den Zugang von organischen und abfallbasierten Düngemitteln zum EU-Binnenmarkt zu erleichtern und diese den anorganischen Düngemitteln wettbewerbsrechtlich in der EU gleichzustellen. Dadurch können neue Marktchancen für innovative Unternehmen entstehen und gleichzeitig Abfälle, Energieverbrauch und Umweltschäden verringert werden.
- 14. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass bei der Inverkehrbringung von Düngemitteln die Einhaltung eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit von Menschen, Tieren und Nutzpflanzen sowie die Fruchtbarkeit des Bodens und den Naturhaushalt notwendig ist. Der Bundesrat ist daher der Auffassung, dass die durchgehend verwandte Formulierung (so in Artikel 9 Absatz 2, Artikel 39 Absatz 1 oder Artikel 42 Absatz 1 Buchstabe a), wonach es für Düngeprodukte ausreichen soll, kein "unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch, Tier oder Pflanze, für die Sicherheit oder die Umwelt" darzustellen, dem Anspruch eines hohen Schutzniveaus nicht gerecht wird. Ein gerade noch annehmbares Risiko, so wie es die Formulierung impliziert, entspricht nicht dem Vorsorgegrundsatz. In diesem Zusammenhang hält der Bundesrat die zulässigen Verunreinigungen insbesondere mit Kunststoffanteilen in Komposten (CMC 3) und Gärrückständen (CMC 5) sowohl mit Blick auf die Bestrebungen, den Eintrag von Mikrokunststoffen und weiteren nicht erwünschten Stoffen in die Umwelt zu reduzieren, als auch mit Blick auf die Akzeptanz von derartigen Düngeprodukten als zu hoch angesetzt.
- 15. Der Bundesrat sieht es kritisch, dass lediglich Schadstoffkonzentrationen betrachtet und festgelegt werden, jedoch keinerlei Frachtbetrachtungen angestellt werden. Ohne eine Mengenbegrenzung bei der Anwendung insbesondere von organischen Dünge- und Bodenverbesserungsmitteln und Kultursubstraten besteht die Gefahr der Überschreitung von zulässigen Höchstgehalten in Lebens- und Futtermitteln sowie des Entstehens von schädlichen Bodenveränderungen.
- 16. Der Bundesrat hält ein wirksames Überwachungsinstrument zur Nachverfolgbarkeit von Düngemitteln, die nach Artikel 18 des Verordnungsvorschlages nicht mehr als Abfall angesehen werden, für unverzichtbar.
- 17. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei den weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass der zulässige Anteil von Kunststoffen in Komposten und Gärrückständen deutlich unter den bislang vorgesehenen 0,25 Prozent liegt.
- 18. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei den weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass die Kennzeichnung von organischen Dünge- und Bodenverbesserungsmitteln auf maximal zulässige Ausbringungsmengen in einem bestimmten Zeitraum hinweist.
Begründung zu Ziffern 13 bis 18 (nur gegenüber dem Plenum):
Mit Blick auf die Akzeptanz von organischen und abfallbasierten Dünge- und Bodenverbesserungsmitteln am Markt und mit Blick auf die Vorsorge gegen das Entstehen von Beeinträchtigungen des Naturhaushalts und der Gesundheitsfürsorge ist es wichtig, hohe Qualitätsanforderungen zu stellen. Sobald Komposte und Gärrückstände das Enr Abfalleigenschaft erreicht haben, wäre eine Überwachung und Nachverfolgung, wie bislang in der Bioabfallverordnung gefordert, nicht mehr möglich. Deshalb ist ein wirksames Überwachungsinstrument zur Nachverfolgbarkeit dieser Düngemittel unverzichtbar.
Zur Vorlage im Übrigen
- 19. Um Missbrauch und Umgehungstatbeständen vorzubeugen und den Verwaltungsaufwand zu reduzieren, sollten bis zur vollständigen Harmonisierung des EU-Düngemittelrechts ausschließlich Düngemittel, die den Vorgaben der vorgeschlagenen Verordnung entsprechen und eine CE-Kennzeichnung aufweisen, innerhalb der EU grenzüberschreitend gehandelt werden dürfen.
- 20. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei den weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene für eine Berücksichtigung der oben genannten Belange nachdrücklich einzusetzen.
B
- 21. Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.