Der Bundesrat hat in seiner 977. Sitzung am 17. Mai 2019 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe c (§ 1 Absatz 25 Satz 3 ERegG)
In Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe c sind in § 1 Absatz 25 Satz 3 nach dem Wort "Eisenbahnverkehrsunternehmen" die Wörter ",die völlig voneinander unabhängig sind," einzufügen.
Begründung:
Die Ergänzung dient der 1:1 Umsetzung der Richtlinie (EU) Nr. 2016/2370
. Dort heißt es in Artikel 3, Nummer 31:
"Sind ein Infrastrukturbetreiber und ein Eisenbahnunternehmen völlig voneinander unabhängig, werden jedoch beide unmittelbar von einem Mitgliedstaat ohne zwischengeschaltete Stelle kontrolliert, so gelten sie für die Zwecke dieser Richtlinie nicht als vertikal integriertes Unternehmen;". Im Gesetzentwurf der Bundesregierung entfällt dagegen die Anforderung, dass Betreiber von Schienenwegen und Eisenbahnunternehmen "völlig voneinander unabhängig sind", um als nicht vertikal integriert zu gelten. Damit würde jedes Unternehmen, das sowohl Betreiber der Schienenwege als auch Eisenbahnverkehrsunternehmen ist, nicht den Bedingungen für vertikal integrierte Unternehmen unterliegen, wenn nur die Bedingung erfüllt ist, dass es vom Bund oder von einem Land direkt kontrolliert wird. Es bedarf insofern der Ergänzung um die Anforderung der Unabhängigkeit im Sinne der Richtlinie (EU) Nr. 2016/2370
.
2. Zu Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe cc (§ 2 Absatz 3 Nummer 3 ERegG)
In Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe cc sind in § 2 Absatz 3 Nummer 3 die Wörter "einer Länge von" durch die Wörter "einer Streckenlänge von jeweils" zu ersetzen.
Begründung:
Die neu in § 2 Absatz 3 Nummer 3 ERegG aufgenommene Ausnahme für Betreiber von örtlichen Schienennetzen wird auf Schienennetze von höchstens 100 Kilometer Länge begrenzt. Damit wären entgegen der europarechtlichen Ausnahme insbesondere auch einzelne Strecken eines nicht zum nationalen Haupteisenbahnbetreiber gehörenden Eisenbahninfrastrukturunternehmens, die kein zusammenhängendes Netz bilden, von der Ausnahme ausgeschlossen.
Die in deutsches Recht übernommene Ausnahme des Artikels 2 Absatz 3a der Richtlinie 2012/34/EU in der Fassung der Richtlinie (EU) Nr. 2016/2370
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2016 zur Änderung der Richtlinie 2012/34/EU bezüglich der Öffnung des Marktes für inländische Schienenpersonenverkehrsdienste und der Verwaltung der Eisenbahninfrastruktur knüpft anders als die deutsche Umsetzungsregelung gerade nicht an Schienennetze, sondern an Strecken an und legt eine maximale Streckenlänge von 100 Kilometer fest. Diese Regelung ist nach der Formulierung der Richtlinie auch auf eine Vielzahl von Strecken mit einer Länge von jeweils höchstens 100 Kilometer anwendbar, die von einem Unternehmen betrieben werden. Genau dies schließt jedoch die vorgesehene Fassung des § 2 Absatz 3 Nummer 3 ERegG aus und widerspricht damit der umzusetzenden Richtlinie der Europäischen Union.
Nach der Begründung dieser Vorschrift soll die Befreiung für ganze Schienennetze gelten, um einen Flickenteppich befreiter Einzelstrecken zu vermeiden und auf jedes Eisenbahninfrastrukturunternehmen einheitliche Regelungen anwenden zu können. Diese Zielsetzung wird ausdrücklich begrüßt. Allerdings führt die derzeit im § 2 Absatz 3 Nummer 3 ERegG geplante Umsetzung zu einer Einschränkung der europarechtlichen Ausnahme, die in der Richtlinie nicht vorgesehen ist und somit über das geltende Europarecht hinausgeht. Das vom Gesetzgeber selbst intendierte Ziel, "... soweit wie möglich eine 1:1-Umsetzung der Regelungen der Richtlinie ..." zu erreichen, wird damit verfehlt, obwohl diese übermäßige Einschränkung des europäischen Rechts nicht notwendig ist, um die angestrebten Ziele zu erreichen.
Diese Ziele können in Übereinstimmung mit Unionsrecht viel besser erreicht werden, wenn entsprechend des Artikels 2 Absatz 3a der Richtlinie 2012/34/EU in der Fassung der Änderungsrichtlinie (EU) Nr. 2016/2370
auf Schienennetze mit einer Streckenlänge von jeweils höchstens 100 Kilometer abgestellt wird. So ist gewährleistet, dass - wie im Europarecht verankert - die Länge der jeweiligen Strecken für die Anwendbarkeit der Ausnahme entscheidend ist und dennoch für jeden Betreiber der Schienenwege ein einheitliches Regulierungsregime angewandt wird.
3. Zu Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe e - neu - (§ 2 Absatz 9 ERegG)
In Artikel 1 Nummer 3 ist nach Buchstabe d folgender Buchstabe e anzufügen:
"e) Absatz 9 wird aufgehoben."
Begründung:
Die Ausnahme in § 2 Absatz 9 ERegG ermöglicht es der DB Netz AG, durch die Gründung kleinteiliger Eisenbahninfrastrukturunternehmen große Teile ihrer Nebennetze, aber auch S-Bahn-Netze mit Tunnelstammstrecken (wie beispielsweise Frankfurt, München, Stuttgart, Hamburg, Berlin oder Leipzig) von der Infrastrukturkostenbegrenzung nach § 37 ERegG auszunehmen. Im Gesetzgebungsverfahren zum ERegG im Jahr 2016 hatte die Bundesregierung die Regelung in § 2 Absatz 9 damit begründet, dass mit den Verkehrsdiensten, die die Länder mit den Mitteln nach dem Regionalisierungsgesetz finanzieren und für die eine Infrastrukturkostenbegrenzung nach § 37 ERegG erfolgt, insofern nicht den Vorgaben des § 36 ERegG zur Vollkostendeckung entsprochen werden könne, wenn auf Netzen weder Schienenpersonenfernverkehr noch Schienengüterverkehr in erheblichem Umfang stattfindet. Wenn nun Teile des Netzes der DB AG, auf denen maßgeblich durch Regionalisierungsmittel finanzierte Verkehre abgewickelt werden, aus der Infrastrukturkostenbegren-zung nach § 37 ERegG herausgelöst werden können, widerspricht dies jedoch der Regelung nach § 5 Absatz 10 Regionalisierungsgesetz, wonach die Dynamik des Anstiegs der Infrastrukturentgelte, insbesondere der Stations- und Trassenentgelte im Schienenpersonennahverkehr der bundeseigenen Eisenbahninfrastrukturunternehmen, nach Maßgabe des Eisenbahnregulierungsrechts zu begrenzen ist. Die Möglichkeit der Aushebelung der Trassen- und Stationspreisbremse auf dem Wege der institutionellen Trennung von Teilnetzen widerspricht zudem in Hinblick auf die Planungssicherheit der Länder dem Ansinnen des § 37 ERegG i.V.m. mit der Dynamisierung der Regionalisierungsmittel. Die Einigung mit dem Bund sah gerade vor, sowohl hinsichtlich der Regionalisierungsmittel als auch hinsichtlich der Trassen- und Stationspreise einen langfristigen Entwicklungspfad zu entwickeln, um der Langläufigkeit von Verkehrsverträgen und somit den Planungshorizonten der Länder gerecht zu werden. Da die Länder keine Möglichkeit haben, Einfluss auf mögliche Entscheidungen der DB Netz zur Herauslösung von Teilnetzen zu nehmen, unterliegen sie faktisch einer ständigen Unsicherheit hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 37 ERegG. Da der § 2 Absatz 9 zudem eine "Soll"-Bestimmung ist, besteht nicht einmal die Möglichkeit, dass die Bundesnetzagentur eine behördliche Entscheidung zur Anwendbarkeit des § 37 ERegG trifft.
§ 2 Absatz 9 ist deshalb ersatzlos zu streichen, so wie es der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 18. März 2016 in BR-Drucksache 022/16(B) bereits gefordert hat.
4. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 8c Absatz 1 Satz 3 bis 7 - neu -, Absatz 2 Satz 1a - neu -, Satz 2 und 3 ERegG)
In Artikel 1 Nummer 4 ist § 8c wie folgt zu ändern:
- a) In Absatz 1 sind nach Satz 2 folgende Sätze einzufügen:
"Insbesondere darf die Auslagerung von Funktionen nicht zu einer Beeinträchtigung des Zugangsrechts für andere Zugangsberechtigte führen. Die Auslagerung von Funktionen ist vom Infrastrukturbetreiber unter Angabe des auszuführenden Unternehmens sowie des Zeitraums und der ausgelagerten Funktionen und Aufgaben zu veröffentlichen. Beabsichtigt ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen eine Auslagerung von Funktionen, ist dies vorab bei der Regulierungsbehörde anzuzeigen. Wenn eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs nicht ausgeschlossen werden kann, ist die Auslagerung zu untersagen. Dies gilt auch für bestehende Auslagerungen von Funktionen."
- b) Absatz 2 ist wie folgt zu ändern:
Begründung:
Zu Buchstabe a
Die grundsätzliche Trennung von Aufgaben der Infrastrukturbetreiber von denen der Eisenbahnverkehrsunternehmen wurde durchgesetzt, um jeden Anschein von wettbewerbsbeschränkenden Verflechtungen zwischen Netz und Betrieb zu vermeiden. Für die Länder ist dies die Basis, um allen Eisenbahnverkehrsunternehmen die gleichen Voraussetzungen für die Teilnahme an SPNV-Ausschreibungen zu bieten. Eine Einschränkung des Trennungsgebots für bestimmte Funktionen des Infrastrukturbetriebs kann daher nur in engen Grenzen erfolgen, etwa, wenn zweifelsfrei eine Beeinträchtigung des Zugangsrechts für Dritte ausgeschlossen werden kann. Die Auslagerung von Funktionen des Infrastrukturbetriebs an Eisenbahnverkehrsunternehmen birgt somit die Gefahr von Einschränkungen des Wettbewerbs (insbesondere Zugangsrecht, Diskriminierungsfreiheit). Um dieses Risiko einzudämmen muss zum einen die Auslagerung von Funktionen bekannt gemacht werden. In der Vergangenheit wurden z.B. bei der S-Bahn Berlin Aufgaben der zuständigen Netzbetreiber durch das Eisenbahnverkehrsunternehmen übernommen, ohne dass dies etwa den Aufgabenträgern bekannt war. Erst im Rahmen der Klärung des Zugangsanspruchs wurden diese Sachverhalte bekannt. Zum anderen muss die Regulierungsbehörde die Auslagerung von Funktionen prüfen und diese im Zweifel untersagen können. Dabei gilt der Grundsatz, dass die jeweiligen Unternehmen den Nachweis erbringen müssen, dass keine Beeinträchtigung für Dritte erfolgt. Wird dieser Nachweis nicht erbracht, ist die Genehmigung zu versagen, da somit eine Wettbewerbsbeschränkung möglich ist. In gleicher Weise kann eine einmal genehmigte Auslagerung von Funktionen untersagt werden, wenn sich herausstellt, dass das Zugangsrecht Dritter eingeschränkt wird.
Zu Buchstabe b
Kooperationsvereinbarungen zwischen Infrastrukturbetreiber und Eisenbahnverkehrsunternehmen können eine sinnvolle Möglichkeit sein, basierend auf dem Prinzip von Leistung und Gegenleistung, eine Zusammenarbeit zu vereinbaren. Dies kann zum einen Leistungen des Mindestzugangspakets betreffen (z.B. den Abschluss von Rahmenverträgen) oder aber weitere Leistungen, die vom Infrastrukturbetreiber nur angeboten werden, wenn eine Inanspruchnahme durch mindestens ein Eisenbahnverkehrsunternehmen für einen bestimmten Mindestzeitraum gesichert ist. Dies darf allerdings nicht dazu führen, dass diese Kooperationsvereinbarungen und deren wesentlichen Inhalte nur zwischen den Vertragspartnern bekannt sind. Das Erfordernis der Diskriminierungsfreiheit gebietet es, allen Zugangsberechtigten nicht nur die Möglichkeit einer solchen Kooperationsvereinbarung zu bieten, sondern auch die Rahmenvertragsbedingungen (z.B. Basis der Verrechnungspreise für Material und Personal, Zeiträume) vorab zu veröffentlichen. Ferner muss der Regulierungsbehörde die Möglichkeit eingeräumt werden, die Beendigung derartiger Kooperationsvereinbarungen zu veranlassen. Die bloße Empfehlung zur Beendigung, wie im Gesetzentwurf des Bundes vorgesehen, läuft ins Leere, wenn sich durch eine Kooperationsvereinbarung für die Vertragspartner keine wirtschaftlichen und betrieblichen Nachteile ergeben, aber eine Gefahr für den diskriminierungsfreien Netzzugang besteht. In diesen Fällen muss die Untersagung einer Kooperationsvereinbarung zwingend erfolgen. Wird eine Kooperationsvereinbarung nicht untersagt, sind deren wesentlichen Inhalte allen Zugangsberechtigten gegenüber publik zu machen. Von dieser Veröffentlichungspflicht sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ausdrücklich ausgenommen.
5. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 8d Absatz 5 und Absatz 6 Satz 2 - neu - ERegG) Nummer 15 (§ 80 Absatz 8 ERegG) Nummer 16a - neu - (Anlage 4 zu den §§ 25 bis 27 ERegG)
Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
Begründung:
Zu Buchstabe a und b
Das Eisenbahnregulierungsgesetz (ERegG) enthält an verschiedenen Stellen Regelungen zur Verzinsung (§§ 8d, 80 und Anlage 4 Nummer 5), die vereinheitlicht und in der Anlage 4 Nummer 5 neu gefasst werden. Die Streichung des § 80 Absatz 8 ERegG ist erforderlich, da er in Satz 2 eine sachlich nicht begründbare Übergangsfrist für bestehende Darlehensverträge zwischen verbundenen Unternehmen vorsah.
Zu Buchstabe c
Die Regelung betrifft Eisenbahnen, soweit sie nicht auf Grundlage von § 2 Absatz 3 ERegG und Nummer 3 des vorliegenden Gesetzentwurfes der Bundesregierung ausgenommen sind. Zur Erreichung verkehrspolitischer Ziele muss sich die zulässige Kapitalrendite der Eisenbahninfrastrukturunternehmen an den tatsächlichen Finanzierungskosten orientieren und bei Unternehmen in öffentlichem Eigentum darüber hinausgehende Renditeziele, die preissteigernd auf Infrastrukturnutzungsentgelte wirken, ausschließen. Für den Substanzerhalt der Eisenbahninfrastruktur ist eine marktorientierte Rendite, die derzeit nach dem sogenannten CAPM-Ansatz hergeleitet wird, keine geeignete Stellgröße. Für Unternehmen, die ganz oder überwiegend im Eigentum der Öffentlichen Hand sind und von diesen finanziert werden, sollte der Zinssatz an den Finanzierungskosten des Eigentümers ausgerichtet werden. Dies ist sachgerecht, da sich die Bonitätsbewertungen dieser Unternehmen zu einem erheblichen Teil anhand der Eigentümerschaft sowie gegebenenfalls ergänzend gewährten Sicherheiten (für DB-EIU sogar verfassungsrechtlich abgesichert) bemessen.
Mit der Änderung werden die Aussagen des Koalitionsvertrages der Bundesregierung für die 19. Legislaturperiode, wonach für den Eigentümer nicht die Maximierung des Gewinns der DB AG, sondern eine sinnvolle Maximierung des Verkehrs auf der Schiene im Vordergrund steht, und die Forderung der Verkehrsministerkonferenz nach einer Reduzierung der Rendite für Eisenbahninfrastrukturgesellschaften, die nicht im Wettbewerb stehen, aufgegriffen.
6. Zu Artikel 1 Nummer 13 Buchstabe b (§ 70 Absatz 3 ERegG)
In Artikel 1 Nummer 13 Buchstabe b ist § 70 Absatz 3 wie folgt zu fassen:
(3) Finanzströme im Sinne des § 8d Absatz 1, Darlehen im Sinne des § 8d Absatz 4 und 5, Preise im Sinne des § 8d Absatz 6 Ziffer 2, Verbindlichkeiten im Sinne des § 8d Absatz 7, die Führung der Konten im Sinne des § 8d Absatz 8 sowie die Führung der Aufzeichnungen im Sinne des § 8d Absatz 9 unterliegen der Überprüfung durch die Regulierungsbehörde."
Begründung:
Die genannten Ergänzungen des § 70 ERegG betreffen weitere, bisher nicht enthaltene Regelungstatbestände des § 8d ERegG, die zur Gewährleistung der finanziellen Transparenz einer ausdrücklichen Überprüfung durch die Bundesnetzagentur unterliegen sollten. Im Falle des § 8d Absatz 6 Ziffer 2 ist dies die konzerninterne Leistungsverrechnung.
§ 8d Absatz 8 und 9 ist essentiell für die vorgeschriebene getrennte Buch- und Rechnungsführung und bedarf ebenfalls einer eigenständigen regulierungsbehördlichen Überprüfungsmöglichkeit.