A. Problem und Ziel
Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise hat strukturelle Probleme im Euroraum - zu hohe Staatsverschuldung und mangelnde Wettbewerbsfähigkeit einiger Eurostaaten - ebenso schonungslos offengelegt wie grundlegende Mängel in der Konstruktion der Wirtschafts- und Währungsunion. Der Gesamtansatz der Bundesregierung zur Krisenbewältigung und zur Schaffung einer nachhaltigen Stabilitätsunion nimmt alle diese Ursachen in den Blick.
Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) ist als dauerhafter Krisenbewältigungsmechanismus integraler Bestandteil dieser umfassenden Strategie. Auf der einen Seite wird das rechtliche Fundament der Wirtschafts- und Währungsunion durch den von 25 Mitgliedstaaten der Europäischen Union am 2. März 2012 unterzeichneten Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (sogenannter Fiskalvertrag) weiter verstärkt, nachdem bereits der Stabilitäts- und Wachstumspakt verschärft, die Überwachung der Wettbewerbsfähigkeit durch das neue Verfahren zur Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte verbessert und eine effizientere europäische Finanzmarktaufsicht eingeführt wurde. Auf der anderen Seite wird als Ergänzung dieser präventiv wirkenden Maßnahmen ein robustes Krisenbewältigungs instrument geschaffen, um Gefahren für die Stabilität der Eurozone insgesamt effektiv abwenden zu können.
Der ESM soll bereits 2012 - ein Jahr früher als geplant - in Kraft treten und mittelfristig die nach Ausbruch der Krise geschaffenen Instrumente zur Stabilisierung des Euro-Währungsgebiets wie den europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) und die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) ablösen.
B. Lösung
Der ESM wird mit dem am 2. Februar 2012 unterzeichneten Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus errichtet. Der dauerhaft eingerichtete ESM soll ab Juli 2012 den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets Stabilitätshilfe zur Verfügung stellen können, wenn es zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist. Mit dem vorliegenden Vertragsgesetz soll der Vertrag die für die Ratifikation erforderliche Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften erlangen.
C. Alternativen
Keine.
D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Das Vertragsgesetz hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte. Die Bereitstellung des deutschen Anteils an der Finanzierung des ESM in Form von einzahlbarem Kapital in Höhe von 21,71712 Milliarden Euro und abrufbarem Kapital in Höhe von 168,30768 Milliarden Euro ist im Gesetz zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus geregelt.
E. Erfüllungsaufwand
E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Es werden keine Vorgaben oder Informationspflichten für Bürgerinnen und Bürger eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.
E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Es werden keine Vorgaben oder Informationspflichten für Unternehmen eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.
E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Es entsteht kein nennenswerter Erfüllungsaufwand für die Verwaltung.
F. Weitere Kosten
Das Gesetz verursacht keine Kosten für Wirtschaftsunternehmen. Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus
Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 30. März 2012
Die Bundeskanzlerin
An den Präsidenten des Bundesrates
Hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus mit Begründung und Vorblatt.
Der Gesetzentwurf ist besonders eilbedürftig, um das Gesetzgebungsverfahren schnellstmöglich zum Abschluss zu bringen.
Federführend ist das Bundesministerium der Finanzen.
Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.
Dr. Angela Merkel
Besonders eilbedürftige Vorlage gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 GG.
Entwurf
Gesetz zu dem Vertrag vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus
Vom ...
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Dem in Brüssel am 2. Februar 2012 von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichneten Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Estland, Irland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, der Italienischen Republik, der Republik Zypern, dem Großherzogtum Luxemburg, Malta, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Portugiesischen Republik, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik und der Republik Finnland wird zugestimmt. Der Vertrag wird nachstehend veröffentlicht.
Artikel 2
- (1) Erhöhungen des genehmigten Stammkapitals nach Artikel 10 Absatz 1 des Vertrags bedürfen zum Inkrafttreten einer bundesgesetzlichen Ermächtigung zur Bereitstellung weiteren Kapitals.
- (2) Der deutsche Gouverneur im Gouverneursrat des Europäischen Stabilitätsmechanismus und im Falle einer Delegation der Entscheidung nach Artikel 5 Absatz 6 Buchstabe m des Vertrags der deutsche Direktor im Direktorium des Europäischen Stabilitätsmechanismus dürfen einem Beschlussvorschlag zur Änderung der Finanzhilfeinstrumente nach Artikel 19 des Vertrags nur zustimmen oder sich bei der Abstimmung über einen solchen Beschlussvorschlag der Stimme enthalten, wenn hierzu zuvor durch Bundesgesetz ermächtigt wurde.
- (3) Änderungen des Stammkapitals nach Artikel 10 Absatz 3 des Vertrags und Änderungen des Beitragsschlüssels nach Artikel 11 Absatz 3 und 4 in Verbindung mit Artikel 11 Absatz 6 und Anhang I des Vertrags sind im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen.
Artikel 3
- (1) Dieses Gesetz tritt mit Inkrafttreten des Gesetzes zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus, frühestens jedoch am Tag nach der Verkündung in Kraft.
- (2) Der Tag, an dem der Vertrag nach seinem Artikel 48 Absatz 1 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft tritt, ist im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben.
Begründung zum Vertragsgesetz
Zu Artikel 1
Auf den Vertrag findet Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes Anwendung, da er sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung bezieht.
Die Zustimmung des Bundesrates ist nach Artikel 105 Absatz 3 des Grundgesetzes erforderlich, da durch die Steuerbefreiung nach Artikel 36 des Vertrags auch Steuern betroffen sind, deren Aufkommen gemäß Artikel 106 Absatz 2, 3 und 6 des Grundgesetzes ganz oder zum Teil den Ländern oder den Gemeinden zusteht.
Zu Artikel 2
Zu Absatz 1
Der Vertrag sieht in Artikel 10 Absatz 1 vor, dass der Gouverneursrat aufgrund einvernehmlicher Entscheidung nach Artikel 5 Absatz 6 Buchstabe d des Vertrags Veränderungen des maximalen Ausleihvolumens und des genehmigten Stammkapitals beschließen kann. Bei einer Erhöhung des Stammkapitals erfolgt eine Änderung von Artikel 8 und Anhang II des Vertrags. Diese Vertragsänderung bedarf der Zustimmung der für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften, was in Artikel 10 Absatz 1 des Vertrags bereits angelegt ist. Dieser bestimmt, dass entsprechende Änderungen erst nach Notifizierung des Abschlusses der nationalen Verfahren in Kraft treten. Die Regelung des Artikels 2 Absatz 1 dieses Gesetzes ist daher rein deklaratorisch.
Zusammen mit der Zustimmung zu einer entsprechenden Vertragsänderung müsste eine bundesgesetzliche Ermächtigung zur Bereitstellung weiteren Kapitals erfolgen.
Zu Absatz 2
In Artikel 19 des Vertrags ist vorgesehen, dass der Gouverneursrat die Liste der vorgesehenen Finanzhilfeinstrumente überprüfen und aufgrund einvernehmlicher Entscheidung nach Artikel 5 Absatz 6 Buchstabe i des Vertrags Änderungen vornehmen kann. Nach Artikel 5 Absatz 6 Buchstabe m des Vertrags kann der Gouverneursrat diese Aufgabe auf das Direktorium übertragen.
Da eine Änderung der Liste der Finanzhilfeinstrumente ihrerseits das Erfordernis eines Vertragsgesetzes auslösen würde, darf der deutsche Vertreter, d.h. das deutsche Mitglied im Gouverneursrat oder Direktorium oder der jeweilige Stellvertreter, einem entsprechenden Beschluss nur zustimmen, wenn eine Änderung der dem ESM zur Verfügung stehenden Finanzhilfeinstrumente zuvor gesetzlich festgelegt wurde. Da gemäß Artikel 4 Absatz 3 des Vertrags die Annahme eines einvernehmlichen Beschlusses durch Enthaltungen nicht verhindert wird, ist auch vor einer Stimmenthaltung des deutschen Vertreters in einer Abstimmung über die Änderung der Finanzhilfeinstrumente die bundesgesetzliche Ermächtigung für eine entsprechende Änderung der Instrumente erforderlich.
Zu Absatz 3
Der Vertrag sieht in Artikel 10 Absatz 3 die automatische Erhöhung des Stammkapitals vor, wenn ein Mitgliedstaat der Europäischen Union neues ESM-Mitglied wird.
Artikel 11 Absatz 3 und 4 in Verbindung mit Artikel 11 Absatz 6 des Vertrags sieht Änderungen des in Anhang I des Vertrags festgelegten Beitragsschlüssels durch einvernehmliche Entscheidung des Gouverneursrats nach Artikel 5 Absatz 6 Buch stabe e des Vertrags vor. Eine Änderung des Beitragsschlüssels erfolgt gemäß Artikel 11 Absatz 4 des Vertrags dann, wenn sich das genehmigte Stammkapital des ESM aufgrund eines Beitritts nach Maßgabe des Artikels 10 Absatz 3 des Vertrags automatisch erhöht oder wenn die zeitweilige Korrekturregel gemäß Artikel 42 des Vertrags für ein ESM-Mitglied endet. Findet eine Änderung des Beitragsschlüssels nach Artikel 11 Absatz 4 des Vertrags statt oder wird das genehmigte Stammkapital nach Maßgabe des Artikels 10 Absatz 1 des Vertrags verändert, kann anlässlich dieser Maßnahmen der Beitragsschlüssel an etwaige Aktualisierungen des EZB-Kapitalschlüssels angepasst werden.
Die Anpassungen sind technischer Natur. Die Maßgaben für die jeweiligen Anpassungen ergeben sich aus den genannten Vorschriften des Vertrags. Aus Gründen der Rechtsklarheit sind die automatische Erhöhung des Stammkapitals und der geänderte Beitragsschlüssel im Bundesgesetzblatt Teil II zu veröffentlichen.
Zu Artikel 3
Die Bestimmung des Absatzes 1 entspricht dem Erfordernis des Artikels 82 Absatz 2 des Grundgesetzes. Das Gesetz tritt erst in Kraft, wenn das Gesetz zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus in Kraft getreten ist.
Nach Absatz 2 ist der Zeitpunkt, zu dem der Vertrag nach seinem Artikel 48 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft tritt, im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben.
Schlussbemerkung
1. Wesentliche Auswirkungen
Der ESM ist integraler Bestandteil einer umfassenden Strategie zur Stabilisierung der Lage im Euro-Währungsgebiet. Diese umfasst den Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion, die Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit durch den Euro-Plus-Pakt und eine effizientere europäische Finanzmarktaufsicht. Als Ergänzung dieser präventiv wirkenden Maßnahmen kann der ESM Stabilitätshilfe zugunsten eines Mitgliedstaats des Euro-Währungsgebiets gewähren, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets als Ganzes unabdingbar ist.
2. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
Das Gesetz hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die öffent lichen Haushalte. Die Bereitstellung des deutschen Anteils an der Finanzierung des ESM erfolgt durch das Gesetz zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus.
Im Vertrag verpflichtet sich die Bundesrepublik Deutschland gegenüber den Vertragsparteien, sich am Gesamtbetrag des einzuzahlenden Kapitals des Europäischen Stabilitätsmechanismus in Höhe von 80 Milliarden Euro ent sprechend dem in Artikel 11 des Vertrags festgelegten Schlüssel mit 21,71712 Milliarden Euro sowie am Gesamtbetrag des abrufbaren Kapitals des Europä ischen Stabilitätsmechanismus in Höhe von 620 Milliarden Euro mit 168,30768 Milliarden Euro zu beteiligen. Das einzuzahlende Kapital wird tranchenweise gezahlt.
Die Auswirkungen auf die Haushalte der Länder wegen eventueller Steuermindereinnahmen aufgrund der in dem Vertrag gewährten Steuerprivilegien sind als gering einzustufen.
3. Erfüllungsaufwand
Es werden keine Vorgaben oder Informationspflichten für Bürgerinnen und Bürger oder Unternehmen eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft. Es entsteht kein Erfüllungsaufwand für die Verwaltung.
4. Sonstige Kosten
Das Gesetz verursacht keine Kosten für Wirtschaftsunternehmen. Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind von dem Gesetz nicht zu erwarten.
Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Estland, Irland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, der Italienischen Republik, der Republik Zypern, dem Großherzogtum Luxemburg, Malta, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Portugiesischen Republik, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik und der Republik Finnland
Die Vertragsparteien, das Königreich Belgien, die Bundesrepublik Deutschland, die Republik Estland, Irland, die Hellenische Republik, das Königreich Spanien, die Französische Republik, die Italienische Republik, die Republik Zypern, das Großherzogtum Luxemburg, Malta, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, die Portugiesische Republik, die Republik Slowenien, die Slowakische Republik und die Republik Finnland ("Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets" oder "ESM-Mitglieder") - in ihrer Verpflichtung zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets, eingedenk der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 25. März 2011 zur Einrichtung eines Europäischen Stabilitätsmechanismus, in Erwägung nachstehender Gründe:
- (1) Der Europäische Rat erzielte am 17. Dezember 2010 Einvernehmen darüber, dass die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets einen ständigen Stabilitätsmechanismus einrichten müssen. Dieser Europäische Stabilitätsmechanismus ("ESM") wird die gegenwärtigen Aufgaben der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität ("EFSF") und des europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus ("EFSM") übernehmen, die darin bestehen, den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets bei Bedarf Finanzhilfe bereitzustellen.
- (2) Am 25. März 2011 nahm der Europäische Rat den Beschluss 2011/199/EU zur Änderung des Artikels 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union hinsichtlich eines Stabilitätsmechanismus für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist1) an, womit Artikel 136 folgender Absatz angefügt wird: "Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen."
- (3) Zur Verbesserung der Wirksamkeit der Finanzhilfe und zur Bekämpfung der Ansteckungsgefahr kamen die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, am 21. Juli 2011 überein, "die Flexibilität [des ESM] unter Bindung an angemessene Auflagen zu erhöhen".
- (4) Die strikte Einhaltung des Rahmens der Europäischen Union, der integrierten makroökonomischen Überwachung, insbesondere des Stabilitäts- und Wachstumspakts, des Rahmens für makroökonomische Ungleichgewichte und der Vorschriften für die wirtschaftspolitische Steuerung der Europäischen Union sollte die erste Verteidigungslinie gegen Vertrauenskrisen bleiben, die die Stabilität des Euro-Währungsgebiets beeinträchtigen.
- (5) Am 9. Dezember 2011 haben die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, vereinbart, Schritte in Richtung auf eine stärkere Wirtschaftsunion zu unternehmen, einschließlich eines neuen fiskalpolitischen Pakts und einer verstärkten wirtschaftspolitischen Koordinierung, die durch einen Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion ("VSKS") umzusetzen ist. Der VSKS wird dazu beitragen, eine engere Koordinierung der Wirtschaftspolitik im Euro-Währungsgebiet zu entwickeln, um eine dauerhafte, gesunde und stabile Verwaltung der öffentlichen Finanzen zu gewährleisten und so eine der Hauptursachen der finanziellen Instabilität anzugehen. Der vorliegende Vertrag und der VSKS ergänzen sich gegenseitig bei der Verstärkung der haushaltspolitischen Verantwortlichkeit und der Solidarität innerhalb der Wirtschafts- und Währungsunion. Es ist anerkannt und vereinbart, dass die Gewährung von Finanzhilfe im Rahmen neuer Programme durch den ESM ab dem 1. März 2013 von der Ratifizierung des VSKS durch das betreffende ESM-Mitglied abhängt, und nach Ablauf der in Artikel 3 Absatz 2 VSKS genannten Frist von der Erfüllung der in diesem Artikel genannten Pflichten.
- (6) Angesichts der starken Interdependenzen innerhalb des Euro-Währungsgebiets können ernsthafte Risiken für die Finanzstabilität der Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, die Finanzstabilität des gesamten Euro-Währungsgebiets gefährden. Daher kann der ESM auf der Grundlage strenger Auflagen, die dem gewählten Finanzinstrument angemessen sind, Stabilitätshilfe gewähren, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist. Das anfängliche maximale Darlehensvolumen des ESM wird auf 500 Milliarden EUR einschließlich der ausstehenden EFSF-Stabilitätshilfe festgesetzt. Die Angemessenheit des konsolidierten maximalen Darlehensvolumens des ESM und der EFSF wird jedoch vor dem Inkrafttreten des vorliegenden Vertrags neu bewertet werden. Falls dies angebracht ist, wird es ab Inkrafttreten des vorliegenden Vertrags gemäß Artikel 10 durch den Gouverneursrat des ESM angepasst.
- (7) Alle Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets werden ESM-Mitglieder werden. Mit dem Beitritt zum Euro-Währungsgebiet sollte ein Mitgliedstaat der Europäischen Union zu einem ESM-Mitglied mit denselben Rechten und Pflichten werden wie die Vertragsparteien.
- (8) Der ESM wird bei der Bereitstellung von Stabilitätshilfe sehr eng mit dem Internationalen Währungsfonds ("IWF") zusammenarbeiten. Eine aktive Beteiligung des IWF, sowohl auf fachlicher als auch auf finanzieller Ebene, wird angestrebt. Von einem Mitgliedstaat des Euro-Währungsgebiets, der um eine Finanzhilfe durch den ESM ersucht, wird erwartet, dass er, wann immer dies möglich ist, ein ähnliches Ersuchen an den IWF richtet.
- (9) Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Währung nicht der Euro ist ("Nichtmitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets") und die sich im Einzelfall neben dem ESM an einer Stabilitätshilfemaßnahme für Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets beteiligen, werden als Beobachter zu den Sitzungen des ESM eingeladen, auf denen diese Stabilitätshilfemaßnahme und ihre Überwachung erörtert werden. Sie erhalten zeitnahen Zugang zu sämtlichen Informationen und werden ordnungsgemäß konsultiert.
- (10) Am 20. Juni 2011 ermächtigten die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Vertragsparteien des vorliegenden Vertrags, die Europäische Kommission und die Europäische Zentralbank ("EZB") dazu aufzufordern, die in dem vorliegenden Vertrag vorgesehenen Aufgaben zu erfüllen.
- (11) In ihrer Erklärung vom 28. November 2010 stellte die Euro-Gruppe fest, dass standardisierte und identische Umschuldungsklauseln ("Collective Action Clauses" - "CAC") in einer die Marktliquidität wahrenden Form in die Vertragsbedingungen aller neuen Staatsanleihen des Euro-Währungsgebiets aufgenommen werden. Wie vom Europäischen Rat am 25. März 2011 gefordert, sind die Einzelheiten der rechtlichen Regelungen für die Aufnahme von Umschuldungsklauseln in Staatsschuldtitel des Euro-Währungsgebiets vom Wirtschafts- und Finanzausschuss festgelegt worden.
- (12) Entsprechend der Praxis des IMF ist in Ausnahmefällen eine Beteiligung des Privatsektors in angemessener und verhältnismäßiger Form in Fällen in Betracht zu ziehen, in denen die Stabilitätshilfe in Verbindung mit Auflagen in Form eines makroökonomischen Anpassungsprogramms gewährt wird.
- (13) Der ESM wird, wie der IWF, einem ESM-Mitglied Stabilitätshilfe gewähren, wenn dessen regulärer Zugang zur Finanzierung über den Markt beeinträchtigt ist oder beeinträchtigt zu werden droht. Eingedenk dessen haben die Staats- und Regierungschefs festgelegt, dass ESM-Darlehen - vergleichbar denen des IWF - den Status eines bevorrechtigten Gläubigers haben werden, wobei akzeptiert wird, dass der IWF gegenüber dem ESM als Gläubiger vorrangig ist. Dieser Status wird ab dem Tag des Inkrafttretens dieses Vertrags gelten. In dem Fall, dass sich die ESM-Finanzhilfe in Form von ESM-Darlehen an ein Finanzhilfeprogramm anschließt, das im Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Vertrags bereits besteht, wird der ESM den gleichen Rang haben, wie alle anderen Darlehen und Verpflichtungen des die Finanzhilfe empfangenden ESM-Mitglieds, ausgenommen die Darlehen des IWF.
- (14) Die dem Euro-Währungsgebiet angehörenden Mitgliedstaaten werden es unterstützen, dass dem ESM und anderen Staaten, die bilateral in Abstimmung mit dem ESM als Darlehensgeber auftreten, ein gleichwertiger Gläubigerstatus zuerkannt wird.
- (15) Die Preisgestaltung des ESM für Mitgliedstaaten, die einem makroökonomischen Anpassungsprogramm, einschließlich der in Artikel 40 dieses Vertrags genannten, unterliegen, muss die Finanzierungs- und Betriebskosten des ESM decken und sollte mit den Bedingungen der zwischen dem EFSF, Irland und der Central Bank of Ireland einerseits und zwischen dem EFSF, der Portugiesischen Republik und der Banco de Portugal andererseits geschlossenen Vereinbarungen über eine Finanzhilfefazilität in Einklang stehen.
- (16) Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung dieses Vertrags zwischen den Vertragsparteien oder zwischen den Vertragsparteien und dem ESM sollten gemäß Artikel 273 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ("AEUV") beim Gerichtshof der Europäischen Union anhängig gemacht werden.
- (17) Die Überwachung nach Abschluss des Programms wird von der Europäischen Kommission und vom Rat der Europäischen Union im Rahmen der Artikel 121 und 136 AEUV durchgeführt - sind wie folgt übereingekommen:
Kapitel 1
Mitgliedschaft und Zweck
Artikel 1
Einrichtung und Mitglieder
- (1) Durch diesen Vertrag richten die Vertragsparteien untereinander eine internationale Finanzinstitution ein, die den Namen "Europäischer Stabilitätsmechanismus" ("ESM") trägt.
- (2) Die Vertragsparteien sind die ESM-Mitglieder.
Artikel 2
Neue Mitglieder
- (1) Die Mitgliedschaft im ESM steht den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union von dem Zeitpunkt an offen, zu dem der gemäß Artikel 140 Absatz 2 AEUV angenommene Beschluss des Rates der Europäischen Union zur Aufhebung der für sie geltenden Ausnahmeregelung bezüglich der Einführung des Euro in Kraft tritt.
- (2) Neue ESM-Mitglieder werden nach Maßgabe des Artikels 44 zu den selben Bedingungen aufgenommen wie die bestehenden ESM-Mitglieder.
- (3) Ein neuer Mitgliedstaat, der dem ESM nach dessen Einrichtung beitritt, erhält für seinen Kapitalbeitrag, der gemäß dem Beitragsschlüssel nach Artikel 11 berechnet wird, Anteile am ESM.
Artikel 3
Zweck
Zweck des ESM ist es, Finanzmittel zu mobilisieren und ESM-Mitgliedern, die schwerwiegende Finanzierungsprobleme haben oder denen solche Probleme drohen, unter strikten, dem gewählten Finanzhilfeinstrument angemessenen Auflagen eine Stabilitätshilfe bereitzustellen, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist.
Zu diesem Zweck ist der ESM berechtigt, Mittel aufzunehmen, indem er Finanzinstrumente begibt oder mit ESM-Mitgliedern, Finanzinstituten oder sonstigen Dritten finanzielle oder sonstige Vereinbarungen oder Übereinkünfte schließt.
Kapitel 2
Geschäftsführung
Artikel 4
Aufbau und Abstimmungsregeln
- (1) Der ESM hat einen Gouverneursrat und ein Direktorium sowie einen Geschäftsführenden Direktor und andere für erforderlich erachtete eigene Bedienstete.
- (2) Der Gouverneursrat und das Direktorium beschließen nach Maßgabe dieses Vertrags in gegenseitigem Einvernehmen, mit qualifizierter Mehrheit oder mit einfacher Mehrheit. Bei allen Beschlüssen ist die Beschlussfähigkeit erreicht, wenn 2/3 der stimmberechtigten Mitglieder, auf die insgesamt mindestens 2/3 der Stimmrechte entfallen, anwesend sind.
- (3) Die Annahme eines Beschlusses in gegenseitigem Einvernehmen erfordert die Einstimmigkeit der an der Abstimmung teilnehmenden Mitglieder. Die Annahme eines Beschlusses in gegenseitigem Einvernehmen wird durch Enthaltungen nicht verhindert.
- (4) Abweichend von Absatz 3 wird in Fällen, in denen die Europäische Kommission und die EZB beide zu dem Schluss gelangen, dass die Unterlassung der dringlichen Annahme eines Beschlusses zur Gewährung oder Durchführung von Finanzhilfe in aller Eile gemäß der Regelung in den Artikeln 13 bis 18 die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität des Euro-Währungsgebiets bedrohen würde, ein Dringlichkeitsabstimmungsverfahren angewandt. Die Annahme eines Beschlusses in gegenseitigem Einvernehmen durch den Gouverneursrat gemäß Artikel 5 Absatz 6 Buchstaben f und g und durch das Direktorium nach diesem Dringlichkeitsverfahren erfordert eine qualifizierte Mehrheit von 85 % der abgegebenen Stimmen.
Wird das in Unterabsatz 1 genannte Dringlichkeitsverfahren angewandt, so wird eine Übertragung vom Reservefonds und/oder vom eingezahlten Kapital in einen Notfallreservefonds vorgenommen, um einen zweckbestimmten Puffer zur Abdeckung der Risiken zu bilden, die sich aus der im Dringlichkeitsverfahren gewährten Finanzhilfe ergeben. Der Gouverneursrat kann beschließen, den Notfallreservefonds aufzulösen und seinen Inhalt auf den Reservefonds und/oder das eingezahlte Kapital rückzuübertragen.
- (5) Für die Annahme eines Beschlusses mit qualifizierter Mehrheit sind 80 % der abgegebenen Stimmen erforderlich.
- (6) Für die Annahme eines Beschlusses mit einfacher Mehrheit ist die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich.
- (7) Die Stimmrechte eines jeden ESM-Mitglieds, die von dessen Beauftragten oder dem Vertreter des Letztgenannten im Gouverneursrat oder im Direktorium ausgeübt werden, entsprechen der Zahl der Anteile, die dem betreffenden Mitglied gemäß Anhang II am genehmigten Stammkapital des ESM zugeteilt wurden.
- (8) Versäumt es ein ESM-Mitglied, den Betrag, der aufgrund seiner Verpflichtungen im Zusammenhang mit eingezahlten Anteilen oder Kapitalabrufen nach Maßgabe der Artikel 8, 9 und 10 oder im Zusammenhang mit der Rückzahlung der Finanzhilfe nach Maßgabe der Artikel 16 oder 17 fällig werden, in voller Höhe zu begleichen, so werden sämtliche Stimmrechte dieses ESM-Mitglieds so lange ausgesetzt, bis die Zahlung erfolgt ist. Die Stimmrechtsschwellen werden entsprechend neu berechnet.
Artikel 5
Gouverneursrat
- (1) Jedes ESM-Mitglied ernennt ein Mitglied des Gouverneursrats und ein stellvertretendes Mitglied des Gouverneursrats. Die Ernennungen können jederzeit widerrufen werden. Das Mitglied des Gouverneursrats ist ein Regierungsmitglied des jeweiligen ESM-Mitglieds mit Zuständigkeit für die Finanzen. Das stellvertretende Mitglied des Gouverneursrats ist bevollmächtigt, bei Abwesenheit des Gouverneursratsmitglieds in dessen Namen zu handeln.
- (2) Der Gouverneursrat beschließt entweder, seinen Vorsitz dem in dem dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokoll (Nr. 14) betreffend die Euro-Gruppe genannten Präsidenten der Euro-Gruppe zu übertragen, oder er wählt aus dem Kreis seiner Mitglieder einen Vorsitzenden und einen stellvertretenden Vorsitzenden für eine Amtszeit von zwei Jahren. Der Vorsitzende und der stellvertretende Vorsitzende können wiedergewählt werden. Hat der amtierende Vorsitzende die für das Amt des Gouverneursratsmitglieds erforderliche Funktion nicht länger inne, so wird unverzüglich eine Neuwahl durchgeführt.
- (3) Das für Wirtschaft und Währung zuständige Mitglied der Europäischen Kommission und der Präsident der EZB sowie der Präsident der Euro-Gruppe (sofern er nicht der Vorsitzende oder ein Mitglied des Gouverneursrats ist) können als Beobachter an den Sitzungen des Gouverneursrats teilnehmen.
- (4) Vertreter der Mitgliedstaaten, die dem Euro-Währungsgebiet nicht angehören und sich auf Adhoc-Basis neben dem ESM an einer Stabilitätshilfemaßnahme für Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets beteiligen, werden ebenfalls als Beobachter zu den Sitzungen des Gouverneursrats eingeladen, auf denen diese Stabilitätshilfe und ihre Überwachung erörtert werden.
- (5) Der Gouverneursrat kann im Einzelfall auch andere Personen als Beobachter zu Sitzungen einladen, darunter auch Vertreter von Institutionen oder Organisationen wie dem IWF.
- (6) Der Gouverneursrat fasst die folgenden Beschlüsse im gegenseitigen Einvernehmen:
- a) Auflösung des Notfallreservefonds und Rückübertragung seines Inhalts auf den Reservefonds und/oder in das eingezahlte Kapital nach Maßgabe des Artikels 4 Absatz 4;
- b) Auflage neuer Anteile zu anderen Konditionen als zum Nennwert nach Maßgabe des Artikels 8 Absatz 2;
- c) Kapitalabrufe nach Maßgabe des Artikels 9 Absatz 1;
- d) Veränderungen des genehmigten Stammkapitals und Anpassung des maximalen Darlehensvolumens des ESM nach Maßgabe des Artikels 10 Absatz 1;
- e) Berücksichtigung einer etwaigen Aktualisierung des Schlüssels für die Zeichnung des EZB-Kapitals nach Maßgabe des Artikels 11 Absatz 3 und die erforderlichen Änderungen an Anhang I gemäß Artikel 11 Absatz 6;
- f) Gewährung von Stabilitätshilfe durch den ESM einschließlich der in dem Memorandum of Understanding nach Artikel 13 Absatz 3 festgelegten wirtschaftspolitischen Auflagen sowie Wahl der Instrumente und Festlegung der Finanzierungsbedingungen nach Maßgabe der Artikel 12 bis 18;
- g) Erteilung des Mandats an die Europäische Kommission, im Benehmen mit der EZB die an jede Finanzhilfe gebundenen wirtschaftspolitischen Auflagen auszuhandeln, nach Maßgabe des Artikels 13 Absatz 3;
- h) Änderungen der Methodik der Preisgestaltung und der Preisgestaltungsleitlinie für Finanzhilfe nach Maßgabe des Artikels 20;
- i) Änderungen an der Liste der Finanzhilfeinstrumente, die der ESM nutzen kann, nach Maßgabe des Artikels 19;
- j) Festlegung der Modalitäten für die Übertragung von EFSF-Hilfen auf den ESM nach Maßgabe des Artikels 40;
- k) Genehmigung des Antrags neuer Mitglieder auf Beitritt zum ESM nach Maßgabe des Artikels 44;
- l) Anpassungen dieses Vertrags, die unmittelbar infolge des Beitritts neuer Mitglieder erforderlich werden, einschließlich Änderungen an der Kapitalverteilung zwischen den ESM-Mitgliedern und an der Berechnung dieser Verteilung als unmittelbare Folge des Beitritts eines neuen Mitglieds zum ESM nach Maßgabe des Artikels 44 und
- m) Übertragung der in diesem Artikel genannten Aufgaben auf das Direktorium.
- (7) Der Gouverneursrat fasst die folgenden Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit:
- a) Festlegung ausführlicher technischer Regelungen für den Beitritt eines neuen Mitglieds zum ESM nach Maßgabe des Artikels 44;
- b) ob der Vorsitz dem Präsidenten der Euro-Gruppe übertragen wird oder ob - mit qualifizierter Mehrheit - eine Wahl eines Vorsitzenden und eines stellvertretenden Vorsitzenden des Gouverneursrats nach Maßgabe des Absatzes 2 stattfindet;
- c) Festlegung der Satzung des ESM und der Geschäftsordnung des Gouverneursrats und des Direktoriums (einschließlich des Rechts zur Einsetzung von Ausschüssen und nachgeordneten Gremien) nach Maßgabe des Absatzes 9;
- d) Aufstellung der Liste der mit den Pflichten eines Direktoriumsmitglieds oder eines stellvertretenden Direktoriumsmitglieds unvereinbaren Tätigkeiten nach Maßgabe des Artikels 6 Absatz 8;
- e) Ernennung und Beendigung der Amtszeit des Geschäftsführenden Direktors nach Maßgabe des Artikels 7;
- f) Einrichtung anderer Fonds nach Maßgabe des Artikels 24;
- g) Maßnahmen, die zur Beitreibung einer Schuld eines ESM-Mitglieds nach Maßgabe des Artikels 25 Absätze 2 und 3 zu treffen sind;
- h) Feststellung des Jahresabschlusses des ESM nach Maßgabe des Artikels 27 Absatz 1;
- i) Ernennung der Mitglieder des Prüfungsausschusses nach Maßgabe des Artikels 30 Absatz 1;
- j) Billigung externer Abschlussprüfer nach Maßgabe des Artikels 29;
- k) Aufhebung der Immunität des Vorsitzenden des Gouverneursrats, eines Mitglieds des Gouverneursrats, eines stellvertretenden Mitglieds des Gouverneursrats, eines Mitglieds des Direktoriums, eines stellvertretenden Mitglieds des Direktoriums oder des Geschäftsführenden Direktors nach Maßgabe des Artikels 35 Absatz 2;
- l) Festlegung der für Bedienstete des ESM geltenden Steuerregelung nach Maßgabe des Artikels 36 Absatz 5;
- m) Entscheidung über Streitigkeiten nach Maßgabe des Artikels 37 Absatz 2 und
- n) sonstige erforderliche Beschlüsse, die in diesem Vertrag nicht ausdrücklich genannt sind.
- (8) Der Vorsitzende beruft die Sitzungen des Gouverneursrats ein und führt in ihnen den Vorsitz. Ist der Vorsitzende an der Teilnahme verhindert, so führt der stellvertretende Vorsitzende in den Sitzungen den Vorsitz.
- (9) Der Gouverneursrat nimmt seine Geschäftsordnung und die Satzung des ESM an.
Artikel 6
Direktorium
- (1) Jedes Mitglied des Gouverneursrats ernennt aus einem Personenkreis mit großem Sachverstand im Bereich der Wirtschaft und der Finanzen ein Mitglied und ein stellvertretendes Mitglied des Direktoriums. Diese Ernennungen können jederzeit widerrufen werden. Das stellvertretende Mitglied des Direktoriums ist bevollmächtigt, bei Abwesenheit des Mitglieds des Direktoriums in dessen Namen zu handeln.
- (2) Das für Wirtschaft und Finanzen zuständige Mitglied der Europäischen Kommission und der Präsident der EZB können jeweils einen Beobachter ernennen.
- (3) Vertreter der Mitgliedstaaten, die dem Euro-Währungsgebiet nicht angehören und sich im Einzelfall neben dem ESM an einer Finanzhilfemaßnahme für einen Mitgliedstaat des Euro-Währungsgebiets beteiligen, werden ebenfalls als Beobachter zu den Sitzungen des Direktoriums eingeladen, auf denen diese Finanzhilfemaßnahme und ihre Überwachung erörtert werden.
- (4) Der Gouverneursrat kann im Einzelfall auch andere Personen als Beobachter zu den Sitzungen einladen, darunter auch Vertreter von Institutionen oder Organisationen.
- (5) Soweit in diesem Vertrag nicht anders vorgesehen, beschließt das Direktorium mit qualifizierter Mehrheit. Beschlüsse, die auf Grundlage von Befugnissen, die der Gouverneursrat delegiert hat, zu fassen sind, werden gemäß den einschlägigen Abstimmungsregeln in Artikel 5 Absätze 6 und 7 angenommen.
- (6) Unbeschadet der Befugnisse des Gouverneursrats nach Maßgabe des Artikels 5 gewährleistet das Direktorium, dass der ESM gemäß diesem Vertrag und gemäß der vom Gouverneursrat beschlossenen Satzung des ESM geführt wird. Es fasst die Beschlüsse, die ihm nach Maßgabe dieses Vertrags obliegen oder die ihm vom Gouverneursrat übertragen werden.
- (7) Nicht besetzte Positionen im Direktorium werden nach Maßgabe des Absatzes 1 unverzüglich besetzt.
- (8) Der Gouverneursrat beschließt, welche Tätigkeiten mit den Pflichten eines Mitglieds des Direktoriums oder eines stellvertretenden Mitglieds des Direktoriums unvereinbar sind, die Satzung des ESM und die Geschäftsordnung des Direktoriums.
Artikel 7
Geschäftsführender Direktor
- (1) Der Geschäftsführende Direktor wird vom Gouverneursrat aus einem Kreis von Kandidaten ernannt, die die Staatsangehörigkeit eines ESM-Mitglieds, einschlägige internationale Erfahrung und großen Sachverstand im Bereich der Wirtschaft und der Finanzen besitzen. Der Geschäftsführende Direktor darf während seiner Amtszeit weder Mitglied noch stellvertretendes Mitglied des Gouverneursrats oder des Direktoriums sein.
- (2) Die Amtszeit des Geschäftsführenden Direktors beträgt fünf Jahre. Eine einmalige Wiederernennung ist möglich. Durch Beschluss des Gouverneursrats kann die Amtszeit des Geschäftsführenden Direktors jedoch vorzeitig beendet werden.
- (3) Der Geschäftsführende Direktor führt in den Sitzungen des Direktoriums den Vorsitz und nimmt an den Sitzungen des Gouverneursrats teil.
- (4) Der Geschäftsführende Direktor steht den Bediensteten des ESM vor. Er ist für die Organisation, Ernennung und Entlassung der Bediensteten nach Maßgabe der vom Direktorium zu beschließenden Beschäftigungsbedingungen zuständig.
- (5) Der Geschäftsführende Direktor ist der gesetzliche Vertreter des ESM und führt nach den Weisungen des Direktoriums die laufenden Geschäfte des ESM.
Kapitel 3
Kapital
Artikel 8
Genehmigtes Stammkapital
- (1) Das genehmigte Stammkapital beträgt 700 Milliarden EUR. Es ist aufgeteilt in sieben Millionen Anteile mit einem Nennwert von je 100 000 EUR, die gemäß dem in Artikel 11 vorgesehenen und in Anhang I berechneten Erstbeitragsschlüssel zur Zeichnung zur Verfügung stehen.
- (2) Das genehmigte Stammkapital wird in eingezahlte Anteile und abrufbare Anteile unterteilt. Der anfängliche Gesamtnennwert der eingezahlten Anteile beläuft sich auf 80 Milliarden EUR. Die Anteile des genehmigten Stammkapitals am anfänglich gezeichneten Stammkapital werden zum Nennwert ausgegeben. Andere Anteile werden zum Nennwert ausgegeben, sofern der Gouverneursrat nicht unter besonderen Umständen eine anderweitige Ausgabe beschließt.
- (3) Die Anteile am genehmigten Stammkapital werden in keiner Weise belastet oder verpfändet und sind nicht übertragbar, außer im Falle einer Übertragung zur Durchführung von Anpassungen des in Artikel 11 vorgesehenen Beitragsschlüssels in dem Umfang, der erforderlich ist, um zu gewährleisten, dass die Verteilung der Anteile dem angepassten Schlüssel entspricht.
- (4) Die ESM-Mitglieder verpflichten sich unwiderruflich und uneingeschränkt, ihren Beitrag zum genehmigten Stammkapital gemäß ihrem Beitragsschlüssel in Anhang I zu leisten. Sie kommen sämtlichen Kapitalabrufen gemäß den Bedingungen dieses Vertrages fristgerecht nach.
- (5) Die Haftung eines jeden ESM-Mitglieds bleibt unter allen Umständen auf seinen Anteil am genehmigten Stammkapital zum Ausgabekurs begrenzt. Kein ESM-Mitglied haftet aufgrund seiner Mitgliedschaft für die Verpflichtungen des ESM. Die Verpflichtung der ESM-Mitglieder zur Leistung von Kapitalbeiträgen zum genehmigten Stammkapital gemäß diesem Vertrag bleibt unberührt, falls ein ESM-Mitglied Finanzhilfe vom ESM erhält oder die Voraussetzungen dafür erfüllt.
Artikel 9
Kapitalabrufe
- (1) Der Gouverneursrat kann genehmigtes nicht eingezahltes Kapital jederzeit abrufen und den ESM-Mitgliedern eine angemessene Frist für dessen Einzahlung setzen.
- (2) Das Direktorium kann genehmigtes nicht eingezahltes Kapital durch Beschluss mit einfacher Mehrheit abrufen, um die Höhe des eingezahlten Kapitals wiederherzustellen, wenn diese durch das Auffangen von Verlusten unter den in Artikel 8 Absatz 2 festgelegten Betrag - der vom Gouverneursrat gemäß dem Verfahren nach Artikel 10 geändert werden kann - abgesunken ist, und den ESM-Mitgliedern eine angemessene Frist für dessen Einzahlung setzen.
- (3) Der Geschäftsführende Direktor ruft genehmigtes nicht eingezahltes Kapital rechtzeitig ab, falls dies notwendig ist, damit der ESM bei planmäßigen oder sonstigen fälligen Zahlungsverpflichtungen gegenüber Gläubigern des ESM nicht in Verzug gerät. Der Geschäftsführende Direktor setzt das Direktorium und den Gouverneursrat über jeden derartigen Abruf in Kenntnis. Wird ein potenzieller Fehlbetrag in den Mitteln des ESM entdeckt, so führt der Geschäftsführende Direktor (einen) entsprechende(n) Abruf(e) baldmöglichst durch, um sicherzustellen, dass der ESM über ausreichende Mittel verfügt, um fällige Zahlungen an Gläubiger fristgerecht und in voller Höhe leisten zu können. Die ESM-Mitglieder verpflichten sich unwiderruflich und uneingeschränkt, Kapital, das der Geschäftsführende Direktor gemäß diesem Absatz von ihnen abruft, innerhalb von sieben Tagen ab Erhalt der Aufforderung einzuzahlen.
- (4) Das Direktorium beschließt die ausführlichen Regelungen und Bedingungen, die für Kapitalabrufe nach Maßgabe dieses Artikels gelten.
Artikel 10
Veränderungen des genehmigten Stammkapitals
- (1) Der Gouverneursrat überprüft das maximale Darlehensvolumen und die Angemessenheit des genehmigten Stammkapitals des ESM regelmäßig, mindestens jedoch alle fünf Jahre. Er kann beschließen, das genehmigte Stammkapital zu verändern und Artikel 8 und Anhang II entsprechend zu ändern. Dieser Beschluss tritt in Kraft, nachdem die ESM-Mitglieder dem Verwahrer den Abschluss ihrer jeweiligen nationalen Verfahren notifiziert haben. Die neuen Anteile werden den ESM-Mitgliedern nach dem in Artikel 11 und Anhang I vorgesehenen Beitragsschlüssel zugeteilt.
- (2) Das Direktorium beschließt die ausführlichen Regelungen und Bedingungen, die für sämtliche oder etwaige gemäß Absatz 1 vorgenommene Kapitalveränderungen gelten.
- (3) Wird ein Mitgliedstaat der Europäischen Union neues ESM-Mitglied, so wird das genehmigte Stammkapital des ESM automatisch erhöht, indem die zum betreffenden Zeitpunkt geltenden Beträge mit der Verhältniszahl aus dem Gewichtsanteil des neuen ESM-Mitglieds und dem Gewichtsanteil der bestehenden ESM-Mitglieder im Rahmen des in Artikel 11 vorgesehenen angepassten Beitragsschlüssels multipliziert werden.
Artikel 11
Beitragsschlüssel
- (1) Der Beitragsschlüssel für die Zeichnung des genehmigten Stammkapitals des ESM stützt sich vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 auf den Schlüssel für die Zeichnung des EZB-Kapitals durch die nationalen Zentralbanken der ESM-Mitglieder gemäß Artikel 29 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls (Nr. 4) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank ("ESZB-Satzung").
- (2) Der Beitragsschlüssel für die Zeichnung des genehmigten Stammkapitals des ESM ist in Anhang I niedergelegt.
- (3) Der Beitragsschlüssel für die Zeichnung des genehmigten Stammkapitals des ESM wird angepasst, wenn
- a) ein Mitgliedstaat der Europäischen Union neues ESM-Mitglied wird und sich das genehmigte Stammkapital des ESM nach Maßgabe des Artikels 10 Absatz 3 automatisch erhöht oder
- b) die gemäß Artikel 42 ermittelte zwölfjährige zeitweilige Korrektur, die für ein ESM-Mitglied gilt, endet.
- (4) Der Gouverneursrat kann beschließen, etwaige Aktualisierungen des in Absatz 1 genannten Schlüssels für die Zeichnung des EZB-Kapitals zu berücksichtigen, wenn der Beitragsschlüssel gemäß Absatz 3 angepasst wird oder wenn sich das genehmigte Stammkapital nach Maßgabe des Artikels 10 Absatz 1 verändert.
- (5) Wird der Beitragsschlüssel für die Zeichnung des genehmigten Stammkapitals des ESM angepasst, übertragen die ESM-Mitglieder einander genehmigtes Stammkapital in dem Umfang, der erforderlich ist, damit die Verteilung des genehmigten Stammkapitals dem angepassten Schlüssel entspricht.
- (6) Bei jeder Anpassung im Sinne dieses Artikels wird Anhang I durch Beschluss des Gouverneursrats geändert.
- (7) Das Direktorium trifft alle weiteren Maßnahmen, die zur Anwendung dieses Artikels erforderlich sind.
Kapitel 4
Tätigkeit
Artikel 12
Grundsätze
- (1) Ist dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar, so kann der ESM einem ESM-Mitglied unter strengen, dem gewählten Finanzhilfeinstrument angemessenen Auflagen Stabilitätshilfe gewähren. Diese Auflagen können von einem makroökonomischen Anpassungsprogramm bis zur kontinuierlichen Erfüllung zuvor festgelegter Anspruchsvoraussetzungen reichen.
- (2) Unbeschadet des Artikels 19 kann die ESM-Stabilitätshilfe mittels der in den Artikeln 14 bis 18 vorgesehenen Instrumente gewährt werden.
- (3) Ab 1. Januar 2013 enthalten alle neuen Staatsschuldtitel des Euro-Währungsgebiets mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr Umschuldungsklauseln, die so ausgestaltet sind, dass gewährleistet wird, dass ihre rechtliche Wirkung in allen Rechtsordnungen des Euro-Währungsgebiets gleich ist.
Artikel 13
Verfahren für die Gewährung von Stabilitätshilfe
- (1) Ein ESM-Mitglied kann an den Vorsitzenden des Gouverneursrats ein Stabilitätshilfeersuchen richten. In diesem Ersuchen wird angegeben, welche(s) Finanzhilfeinstrument(e) zu erwägen ist/sind. Bei Erhalt eines solchen Ersuchens überträgt der Vorsitzende des Gouverneursrats der Europäischen Kommission, im Benehmen mit der EZB, die folgenden Aufgaben:
- a) das Bestehen einer Gefahr für die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt oder seiner Mitgliedstaaten zu bewerten, es sei denn, die EZB hat bereits eine Analyse nach Artikel 18 Absatz 2 vorgelegt;
- b) zu bewerten, ob die Staatsverschuldung tragfähig ist. Es wird erwartet, dass diese Bewertung, wann immer dies angemessen und möglich ist, zusammen mit dem IWF durchgeführt wird;
- c) den tatsächlichen oder potenziellen Finanzierungsbedarf des betreffenden ESM-Mitglieds zu bewerten.
- (2) Auf der Grundlage des Ersuchens des ESM-Mitglieds und der in Absatz 1 genannten Bewertung kann der Gouverneursrat beschließen, dem betroffenen ESM-Mitglied grundsätzlich Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität zu gewähren.
- (3) Wird ein Beschluss nach Absatz 2 angenommen, so überträgt der Gouverneursrat der Europäischen Kommission die Aufgabe, - im Benehmen mit der EZB und nach Möglichkeit zusammen mit dem IWF - mit dem betreffenden ESM-Mitglied ein Memorandum of Understanding ("MoU") auszuhandeln, in dem die mit der Finanzhilfefazilität verbundenen Auflagen im Einzelnen ausgeführt werden. Der Inhalt des MoU spiegelt den Schweregrad der zu behebenden Schwachpunkte und das gewählte Finanzhilfeinstrument wider. Gleichzeitig arbeitet der Geschäftsführende Direktor des ESM einen Vorschlag für eine Vereinbarung über eine Finanzhilfefazilität aus, der unter anderem die Finanzierungsbedingungen sowie die gewählten Instrumente enthält und vom Gouverneursrat anzunehmen ist.
Das MoU steht in voller Übereinstimmung mit den im AEUV vorgesehenen Maßnahmen der wirtschaftspolitischen Koordinierung, insbesondere etwaiger Rechtsakte der Europäischen Union, einschließlich etwaiger an das betreffende ESM-Mitglied gerichteter Stellungnahmen, Verwarnungen, Empfehlungen oder Beschlüsse.
- (4) Die Europäische Kommission unterzeichnet das MoU im Namen des ESM, vorbehaltlich der vorherigen Erfüllung der in Absatz 3 ausgeführten Bedingungen und der Zustimmung des Gouverneursrats.
- (5) Das Direktorium billigt die Vereinbarung über eine Finanzhilfefazilität, die die finanziellen Aspekte der zu gewährenden Stabilitätshilfe im Einzelnen regelt und - soweit anwendbar - die Auszahlung der ersten Tranche der Hilfe.
- (6) Der ESM richtet einen angemessenen Warnmechanismus ein, um sicherzustellen, dass er jedwede im Rahmen der Stabilitätshilfe fällige Rückzahlungen des ESM-Mitglieds fristgerecht erhält.
- (7) Die Europäische Kommission wird - im Benehmen mit der EZB und nach Möglichkeit zusammen mit dem IWF - damit betraut, die Einhaltung der mit der Finanzhilfefazilität verbundenen wirtschaftspolitischen Auflagen zu überwachen.
Artikel 14
Vorsorgliche ESM-Finanzhilfe
- (1) Der Gouverneursrat kann beschließen, nach Maßgabe des Artikels 12 Absatz 1 eine vorsorgliche Finanzhilfe in Form einer vorsorglichen bedingten Kreditlinie oder in Form einer Kreditlinie mit erweiterten Bedingungen zu gewähren.
- (2) Die mit der vorsorglichen ESM-Finanzhilfe verbundenen Auflagen werden gemäß Artikel 13 Absatz 3 im MoU im Einzelnen ausgeführt.
- (3) Die Finanzierungsbedingungen der vorsorglichen Finanzhilfe werden in einer Vereinbarung über eine vorsorgliche ESM-Finanzhilfefazilität niedergelegt, die vom Geschäftsführenden Direktor zu unterzeichnen ist.
- (4) Das Direktorium beschließt ausführliche Leitlinien für die Durchführungsmodalitäten der vorsorglichen ESM-Finanzhilfe.
- (5) Das Direktorium entscheidet in gegenseitigem Einvernehmen auf Vorschlag des Geschäftsführenden Direktors und nach Erhalt eines Berichts der Europäischen Kommission gemäß Artikel 13 Absatz 7, ob die Kreditlinie beibehalten werden sollte.
- (6) Nachdem das ESM-Mitglied erstmals Mittel (über ein Darlehen oder einen Primärmarktankauf) gezogen hat, entscheidet das Direktorium in gegenseitigem Einvernehmen auf Vorschlag des Geschäftsführenden Direktors und auf der Grundlage einer von der Europäischen Kommission im Benehmen mit der EZB durchgeführten Untersuchung, ob die Kreditlinie noch angemessen ist oder ob eine andere Form der Finanzhilfe benötigt wird.
Artikel 15
Finanzhilfe zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten eines ESM-Mitglieds
- (1) Der Gouverneursrat kann beschließen, Finanzhilfe mittels Darlehen an ein ESM-Mitglied speziell zum Zwecke der Rekapitalisierung von Finanzinstituten dieses ESM-Mitglieds zu gewähren.
- (2) Die mit der Finanzhilfe zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten eines ESM-Mitglieds verbundenen Auflagen werden gemäß Artikel 13 Absatz 3 im MoU im Einzelnen ausgeführt.
- (3) Unbeschadet der Artikel 107 und 108 AEUV werden die Finanzierungsbedingungen der Finanzhilfe zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten eines ESM-Mitglieds in einer Vereinbarung über eine Finanzhilfefazilität ausgeführt, die vom Geschäftsführenden Direktor zu unterzeichnen ist.
- (4) Das Direktorium beschließt detaillierte Leitlinien für die Durchführungsmodalitäten der Finanzhilfe zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten eines ESM-Mitglieds.
- (5) Sofern anwendbar, beschließt das Direktorium in gegenseitigem Einvernehmen auf Vorschlag des Geschäftsführenden Direktors und nach Erhalt eines Berichts der Europäischen Kommission nach Artikel 13 Absatz 7 die Auszahlung der auf die erste Tranche folgenden Tranchen der Finanzhilfe.
Artikel 16
ESM-Darlehen
- (1) Der Gouverneursrat kann beschließen, einem ESM-Mitglied nach Maßgabe des Artikels 12 Finanzhilfe in Form eines Darlehens zu gewähren.
- (2) Die mit den ESM-Darlehen verbundenen Auflagen sind in einem makroökonomischen Anpassungsprogramm enthalten, das gemäß Artikel 13 Absatz 3 im MoU im Einzelnen ausgeführt wird.
- (3) Die Finanzierungsbedingungen eines jeden ESM-Darlehens werden in einer Vereinbarung über eine Finanzhilfefazilität niedergelegt, die vom Geschäftsführenden Direktor zu unterzeichnen ist.
- (4) Das Direktorium beschließt ausführliche Leitlinien für die Durchführungsmodalitäten der ESM-Darlehen.
- (5) Das Direktorium beschließt in gegenseitigem Einvernehmen auf Vorschlag des Geschäftsführenden Direktors und nach Erhalt eines Berichts der Europäischen Kommission nach Artikel 13 Absatz 7 die Auszahlung der auf die erste Tranche folgenden Tranchen der Finanzhilfe.
Artikel 17
Primärmarkt-Unterstützungsfazilität
- (1) Nach Maßgabe des Artikels 12 und mit dem Ziel, die Kosteneffizienz der Finanzhilfe zu maximieren, kann der Gouverneursrat beschließen, Vorkehrungen für den Ankauf von Anleihen eines ESM-Mitglieds am Primärmarkt zu treffen.
- (2) Die mit der Primärmarkt-Unterstützungsfazilität verbundenen Auflagen werden gemäß Artikel 13 Absatz 3 im MoU im Einzelnen ausgeführt.
- (3) Die Finanzierungsbedingungen, unter denen der Ankauf der Anleihen durchgeführt wird, werden in einer Vereinbarung über eine Finanzhilfefazilität festgelegt, die vom Geschäftsführenden Direktor zu unterzeichnen ist.
- (4) Das Direktorium beschließt ausführliche Leitlinien für die Durchführungsmodalitäten der Primärmarkt-Unterstützungsfazilität.
- (5) Das Direktorium beschließt in gegenseitigem Einvernehmen auf Vorschlag des Geschäftsführenden Direktors und nach Erhalt eines Berichts der Europäischen Kommission nach Artikel 13 Absatz 7, die Auszahlung der Finanzhilfe an einen Empfängermitgliedstaat mittels Primärmarktoperationen.
Artikel 18
Sekundärmarkt-Unterstützungsfazilität
- (1) Der Gouverneursrat kann beschließen, nach Maßgabe des Artikels 12 Absatz 1 Vorkehrungen für Sekundärmarktoperationen in Bezug auf die Anleihen eines ESM-Mitglieds zu treffen.
- (2) Beschlüsse über Sekundärmarktinterventionen zur Verhinderung einer Ansteckung werden auf der Grundlage einer Analyse der EZB gefasst, in der das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände auf dem Finanzmarkt und Gefahren für die Finanzstabilität festgestellt werden.
- (3) Die mit der Sekundärmarkt-Unterstützungsfazilität verbundenen Auflagen werden gemäß Artikel 13 Absatz 3 im MoU im Einzelnen ausgeführt.
- (4) Die Finanzierungsbedingungen, unter denen die Sekundärmarktoperationen durchzuführen sind, werden in einer Vereinbarung über eine Finanzhilfefazilität festgelegt, die vom Geschäftsführenden Direktor zu unterzeichnen ist.
- (5) Das Direktorium beschließt ausführliche Leitlinien für die Durchführungsmodalitäten der Sekundärmarkt-Unterstützungsfazilität.
- (6) Das Direktorium beschließt die Einleitung von Sekundärmarktoperationen in gegenseitigem Einvernehmen auf Vorschlag des Geschäftsführenden Direktors.
Artikel 19
Überprüfung der Liste der Finanzhilfeinstrumente
Der Gouverneursrat kann die in den Artikeln 14 bis 18 vorgesehene Liste der Finanzhilfeinstrumente überprüfen und beschließen, sie zu ändern.
Artikel 20
Preisgestaltung
- (1) Bei der Gewährung von Stabilitätshilfe strebt der ESM die volle Deckung seiner Finanzierungs- und Betriebskosten an und kalkuliert eine angemessene Marge ein.
- (2) Für alle Finanzhilfeinstrumente wird die Preisgestaltung in einer Preisgestaltungsleitlinie, die vom Gouverneursrat beschlossen wird, im Einzelnen geregelt.
- (3) Die Preisgestaltungspolitik kann vom Gouverneursrat überprüft werden.
Artikel 21
Anleiheoperationen
- (1) Der ESM ist befugt, zur Erfüllung seiner Aufgaben an den Kapitalmärkten bei Banken, Finanzinstituten oder sonstigen Personen und Institutionen Kapital aufzunehmen.
- (2) Die Modalitäten der Anleiheoperationen werden vom Geschäftsführenden Direktor in Einklang mit den vom Direktorium zu beschließenden detaillierten Leitlinien festgelegt.
- (3) Der ESM setzt geeignete Mittel für das Risikomanagement ein, die regelmäßig vom Direktorium überprüft werden.
Kapitel 5
Finanzmanagement
Artikel 22
Anlagepolitik
- (1) In Einklang mit den Leitlinien, die vom Direktorium zu beschließen und regelmäßig zu überprüfen sind, führt der Geschäftsführende Direktor für den ESM eine umsichtige Anlagepolitik durch, um diesem die höchste Bonität zu sichern. Der ESM hat das Recht, einen Teil des Ertrags aus seinem Anlageportfolio zur Deckung seiner Betriebs- und Verwaltungskosten zu verwenden.
- (2) Die Operationen des ESM entsprechen den Grundsätzen eines soliden Finanz- und Risikomanagements.
Artikel 23
Dividendenpolitik
- (1) Das Direktorium kann mit einfacher Mehrheit beschließen, eine Dividende an die ESM-Mitglieder auszuschütten, falls die Summe aus eingezahltem Kapital und Reservefonds die für die Aufrechterhaltung der Darlehenskapazität des ESM erforderliche Höhe übersteigt und wenn die Anlageerträge nicht benötigt werden, um einen Zahlungsausfall gegenüber den Gläubigern zu verhindern. Die Dividenden werden im Verhältnis der Beiträge zum eingezahlten Kapital ausgeschüttet, wobei der in Artikel 41 Absatz 3 genannten möglichen Beschleunigung Rechnung getragen wird.
- (2) Solange der ESM keinem seiner Mitglieder Finanzhilfe gewährt hat, fließen die Erträge aus den Anlagen des eingezahlten Kapitals des ESM nach Abzug der Betriebskosten und unter der Voraussetzung, dass die angestrebte effektive Darlehenskapazität in voller Höhe zur Verfügung steht, an die ESM-Mitglieder entsprechend ihren jeweiligen Beiträgen zum eingezahlten Kapital zurück.
- (3) Der Geschäftsführende Direktor führt die Dividendenpolitik für den ESM im Einklang mit den vom Direktorium zu beschließenden Leitlinien durch.
Artikel 24
Reserve- und weitere Fonds
- (1) Der Gouverneursrat richtet einen Reservefonds und gegebenenfalls weitere Fonds ein.
- (2) Unbeschadet des Artikels 23 werden der Reingewinn aus den Operationen des ESM und die Einnahmen aus finanziellen Sanktionen gegen ESM-Mitglieder im Rahmen des Verfahrens der multilateralen Überwachung, des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit und des Verfahrens bei einem übermäßigen makroökonomischen Ungleichgewicht im Rahmen des AEUV in einen Reservefonds eingestellt.
- (3) Die Mittel des Reservefonds werden in Einklang mit den vom Direktorium zu beschließenden Leitlinien angelegt.
- (4) Das Direktorium beschließt erforderlichenfalls Vorschriften für die Einrichtung, Verwaltung und Verwendung weiterer Fonds.
Artikel 25
Deckung von Verlusten
- (1) Verluste aus den Operationen des ESM werden beglichen
- a) zunächst aus dem Reservefonds,
- b) sodann aus dem eingezahlten Kapital und
- c) an letzter Stelle mit einem angemessenen Betrag des genehmigten nicht eingezahlten Kapitals, der nach Maßgabe des Artikels 9 Absatz 3 abgerufen wird.
- (2) Nimmt ein ESM-Mitglied die aufgrund eines Kapitalabrufs gemäß Artikel 9 Absätze 2 oder 3 erforderliche Einzahlung nicht vor, so ergeht an alle ESM-Mitglieder ein revidierter erhöhter Kapitalabruf, um sicherzustellen, dass der ESM die Kapitaleinzahlung in voller Höhe erhält. Der Gouverneursrat beschließt geeignete Schritte, um sicherzustellen, dass das betreffende ESM-Mitglied seine Schuld gegenüber dem ESM innerhalb vertretbarer Zeit begleicht. Der Gouverneursrat hat das Recht, auf den überfälligen Betrag Verzugszinsen zu erheben.
- (3) Begleicht ein ESM-Mitglied eine in Absatz 2 genannte Schuld gegenüber dem ESM, so wird das überschüssige Kapital gemäß den vom Gouverneursrat zu beschließenden Vorschriften an die anderen ESM-Mitglieder zurückgezahlt.
Artikel 26
Haushalt
Das Direktorium billigt den Haushalt des ESM jährlich.
Artikel 27
Jahresabschluss
- (1) Der Gouverneursrat billigt den Jahresabschluss des ESM.
- (2) Der ESM veröffentlicht einen Jahresbericht mit einem geprüften Jahresabschluss und übermittelt den ESM-Mitgliedern einen zusammengefassten Quartalsabschluss und eine Gewinn- und Verlustrechnung, die das Ergebnis seiner Operationen ausweist.
Artikel 28
Interne Revision
In Einklang mit internationalen Standards wird eine Funktion der Internen Revision eingerichtet.
Artikel 29
Externe Prüfung
Der Abschluss des ESM wird von unabhängigen externen Abschlussprüfern geprüft, die mit Zustimmung des Gouverneursrats bestellt werden und für die Bestätigung des Jahresabschlusses verantwortlich sind. Die externen Abschlussprüfer sind befugt, sämtliche Bücher und Konten des ESM zu prüfen und alle Auskünfte über dessen Geschäfte zu verlangen.
Artikel 30
Prüfungsausschuss
- (1) Der Prüfungsausschuss setzt sich aus fünf Mitgliedern zusammen, die vom Gouverneursrat aufgrund ihres Sachverstands im Bereich der Rechnungsprüfung und der Finanzen ernannt werden, und weist zwei - auf Rotationsbasis einander abwechselnde - Mitglieder der obersten Rechnungskontrollbehörden der ESM-Mitglieder und ein Mitglied vom Europäischen Rechnungshof auf.
- (2) Die Mitglieder des Prüfungsausschusses sind unabhängig. Sie holen weder Weisungen der ESM-Leitungsgremien, der ESM-Mitglieder oder anderer öffentlicher oder privater Gremien ein, noch nehmen sie solche Weisungen entgegen.
- (3) Der Prüfungsausschuss erstellt unabhängige Prüfberichte. Er prüft die Konten des ESM und überzeugt sich von der Ordnungsmäßigkeit seiner Gewinn- und Verlustrechnung und seiner Bilanz. Er erhält uneingeschränkten Zugang zu allen Unterlagen des ESM, die er zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt.
- (4) Der Prüfungsausschuss kann das Direktorium jederzeit über seine Feststellungen unterrichten. Er erstellt jährlich einen Bericht, der dem Gouverneursrat vorzulegen ist.
- (5) Der Gouverneursrat macht den jährlichen Bericht den nationalen Parlamenten und obersten Rechnungskontrollbehörden der ESM-Mitglieder sowie dem Europäischen Rechnungshof zugänglich.
- (6) Alle Angelegenheiten in Zusammenhang mit diesem Artikel werden in der Satzung des ESM im Einzelnen geregelt.
Kapitel 6
Allgemeine Bestimmungen
Artikel 31
Sitz
- (1) Der ESM hat seinen Sitz und seine Hauptverwaltung in Luxemburg.
- (2) Der ESM kann ein Verbindungsbüro in Brüssel einrichten.
Artikel 32
Rechtsstatus, Vorrechte und Befreiungen
- (1) Um dem ESM die Erfüllung seines Zwecks zu ermöglichen, werden ihm im Hoheitsgebiet eines jeden ESM-Mitglieds der Rechtsstatus und die Vorrechte und Befreiungen gewährt, die in diesem Artikel dargelegt sind. Der ESM bemüht sich um die Anerkennung seines Rechtsstatus und seiner Vorrechte und Befreiungen in anderen Hoheitsgebieten, in denen er Aufgaben wahrnimmt oder Vermögenswerte hält.
- (2) Der ESM besitzt volle Rechtspersönlichkeit; er besitzt die uneingeschränkte Rechts- und Geschäftsfähigkeit,
- a) bewegliches und unbewegliches Vermögen zu erwerben und zu veräußern,
- b) Verträge abzuschließen,
- c) Partei in Gerichtsverfahren zu sein und
- d) ein Sitzabkommen und/oder Protokolle zu unterzeichnen, soweit dies notwendig ist, um sicherzustellen, dass sein Rechtsstatus und seine Vorrechte und Befreiungen anerkannt und durchgesetzt werden.
- (3) Der ESM, sein Eigentum, seine Mittelausstattung und seine Vermögenswerte genießen unabhängig davon, wo und in wessen Besitz sie sich befinden, Immunität von gerichtlichen Verfahren jeder Art, es sei denn, der ESM verzichtet für ein Gerichtsverfahren oder in den Klauseln eines Vertrags, etwa in der Dokumentation der Finanzierungsinstrumente, ausdrücklich auf seine Immunität.
- (4) Das Eigentum, die Mittelausstattung und die Vermögenswerte des ESM genießen unabhängig davon, wo und in wessen Besitz sie sich befinden, Immunität von Durchsuchung, Beschlagnahme, Einziehung, Enteignung und jeder sonstigen Form des Zugriffs durch vollziehende, gerichtliche, administrative oder gesetzgeberische Maßnahmen.
- (5) Die Archive des ESM und sämtliche Unterlagen, die sich im Eigentum oder im Besitz des ESM befinden, sind unverletzlich.
- (6) Die Geschäftsräume des ESM sind unverletzlich.
- (7) Jedes ESM-Mitglied und jeder Staat, der den Rechtsstatus und die Vorrechte und Befreiungen des ESM anerkannt hat, gewährt dem amtlichen Nachrichtenverkehr des ESM dieselbe Behandlung, die er dem amtlichen Nachrichtenverkehr eines ESM-Mitglieds gewährt.
- (8) Soweit dies zur Durchführung der in diesem Vertrag vorgesehenen Tätigkeiten notwendig ist, sind das gesamte Eigentum, die gesamte Mittelausstattung und alle Vermögenswerte des ESM von Beschränkungen, Verwaltungsvorschriften, Kontrollen und Moratorien jeder Art befreit.
- (9) Der ESM ist von jeglicher Zulassungs- oder Lizenzierungspflicht, die nach dem Recht eines ESM-Mitglieds für Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsunternehmen oder sonstige der Zulassungs- oder Lizenzierungspflicht sowie der Regulierung unterliegende Unternehmen gilt, befreit.
Artikel 33
Bedienstete des ESM
Das Direktorium legt die Beschäftigungsbedingungen für den Geschäftsführenden Direktor und die anderen Bediensteten des ESM fest.
Artikel 34
Berufliche Schweigepflicht
Die Mitglieder und früheren Mitglieder des Gouverneursrats und des Direktoriums sowie alle anderen Personen, die für den ESM oder in Zusammenhang damit tätig sind oder tätig waren, geben keine der beruflichen Schweigepflicht unterliegenden Informationen weiter. Auch nach Beendigung ihrer Tätigkeit dürfen sie keine der beruflichen Schweigepflicht unterliegenden Informationen weitergeben.
Artikel 35
Persönliche Immunitäten
- (1) Im Interesse des ESM genießen der Vorsitzende des Gouverneursrats, die Mitglieder des Gouverneursrats, die stellvertretenden Mitglieder des Gouverneursrats, die Mitglieder des Direktoriums, die stellvertretenden Mitglieder des Direktoriums sowie der Geschäftsführende Direktor und die anderen Bediensteten des ESM Immunität von der Gerichtsbarkeit hinsichtlich ihrer in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen und Unverletzlichkeit hinsichtlich ihrer amtlichen Schriftstücke und Unterlagen.
- (2) Der Gouverneursrat kann die durch diesen Artikel gewährten Immunitäten des Vorsitzenden des Gouverneursrats, der Mitglieder des Gouverneursrats, der stellvertretenden Mitglieder des Gouverneursrats, der Mitglieder des Direktoriums, der stellvertretenden Mitglieder des Direktoriums sowie des Geschäftsführenden Direktors in dem Maße und zu den Bedingungen, die er bestimmt, aufheben.
- (3) Der Geschäftsführende Direktor kann diese Immunität hinsichtlich eines jeden Bediensteten des ESM außer seiner selbst aufheben.
- (4) Jedes ESM-Mitglied trifft unverzüglich alle Maßnahmen, die erforderlich sind, um diesen Artikel in seinem eigenen Recht in Kraft zu setzen, und unterrichtet den ESM entsprechend.
Artikel 36
Steuerbefreiung
- (1) Im Rahmen seiner amtlichen Tätigkeiten sind der ESM, seine Vermögenswerte, sein Gewinn, sein Eigentum sowie seine im Rahmen dieses Vertrags zulässigen Operationen und Geschäfte von allen direkten Steuern befreit.
- (2) Die ESM-Mitglieder treffen in allen Fällen, in denen es ihnen möglich ist, geeignete Maßnahmen für den Erlass oder die Erstattung des Betrages der indirekten Steuern und Verkaufsabgaben, die in den Preisen für bewegliche oder unbewegliche Güter inbegriffen sind, wenn der ESM für seinen Dienstbedarf größere Einkäufe tätigt, bei denen derartige Steuern und Abgaben im Preis enthalten sind.
- (3) Von den Abgaben, die lediglich die Vergütung für Leistungen gemeinnütziger Versorgungsbetriebe darstellen, wird keine Befreiung gewährt.
- (4) Vom ESM eingeführte und für die Ausübung seiner amtlichen Tätigkeiten benötigte Waren sind von allen Einfuhrzöllen und -steuern sowie von allen Einfuhrverboten und -beschränkungen befreit.
- (5) Die Bediensteten des ESM unterliegen für die vom ESM gezahlten Gehälter und sonstigen Bezüge nach Maßgabe der vom Gouverneursrat zu beschließenden Vorschriften einer internen Steuer zugunsten des ESM. Vom Tag der Erhebung dieser Steuer an sind diese Gehälter und Bezüge von der nationalen Einkommensteuer befreit.
- (6) Die vom ESM aufgelegten Schuldverschreibungen oder Wertpapiere, einschließlich dafür anfallender Zinsen oder Dividenden, unterliegen unabhängig davon, in wessen Besitz sie sich befinden, keiner Art von Besteuerung,
- a) die eine solche Schuldverschreibung oder ein solches Wertpapier nur aufgrund ihrer Herkunft benachteiligt oder
- b) deren einzige rechtliche Grundlage der Ort oder die Währung sind, an dem bzw. in der sie ausgegeben werden, zahlbar sind oder bezahlt werden, oder deren einzige rechtliche Grundlage der Sitz eines Büros oder einer Geschäftsstelle des ESM ist.
Artikel 37
Auslegung und Streitbeilegung
- (1) Alle Fragen der Auslegung oder Anwendung der Bestimmungen dieses Vertrages und der Satzung des ESM, die zwischen einem ESM-Mitglied und dem ESM oder zwischen ESM-Mitgliedern auftreten, werden dem Direktorium zur Entscheidung vorgelegt.
- (2) Der Gouverneursrat entscheidet über alle Streitigkeiten zwischen einem ESM-Mitglied und dem ESM oder zwischen ESM-Mitgliedern über die Auslegung und Anwendung dieses Vertrags, einschließlich etwaiger Streitigkeiten über die Vereinbarkeit der vom ESM gefassten Beschlüsse mit diesem Vertrag. Das Stimmrecht des Mitglieds (der Mitglieder) des Gouverneursrats, das das/die betroffene
- (n) ESM-Mitglied(er) vertritt, wird bei der Abstimmung des Gouverneursrats über eine solche Entscheidung ausgesetzt und die zur Abstimmung des Gouverneursrats über diese Entscheidung notwendige Stimmrechtsschwelle wird entsprechend neu berechnet.
- (3) Ficht ein ESM-Mitglied die in Absatz 2 genannte Entscheidung an, so wird die Streitigkeit beim Gerichtshof der Europäischen Union anhängig gemacht. Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union ist für die Parteien dieses Rechtsstreits verbindlich; diese treffen innerhalb der vom Gerichtshof festgelegten Frist die erforderlichen Maßnahmen, um dem Urteil nachzukommen.
Artikel 38
Internationale Zusammenarbeit
Der ESM hat das Recht, zur Beförderung seiner Zwecke nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Vertrages mit dem IWF, mit jedem Staat, der einem ESM-Mitglied auf Adhoc-Basis Finanzhilfe bereitstellt, und mit jeder internationalen Organisation oder Einrichtung mit besonderen Zuständigkeiten in damit zusammenhängenden Bereichen zusammenzuarbeiten.
Kapitel 7
Übergangsregelungen
Artikel 39
Darlehensvergabe des EFSF
In der Übergangsphase vom Inkrafttreten dieses Vertrags bis zur vollständigen Abwicklung der EFSF beläuft sich die konsolidierte Darlehensvergabe von ESM und EFSF unbeschadet der regelmäßigen Überprüfung der Angemessenheit des maximalen Darlehensvolumens nach Maßgabe des Artikels 10 auf höchstens 500 Milliarden EUR. Das Direktorium beschließt ausführ liche Leitlinien für die Berechnung der künftigen Kreditzusagekapazität, um sicherzustellen, dass die Obergrenze für die konsolidierte Darlehensvergabe nicht überschritten wird.
Artikel 40
Übertragung der EFSF-Hilfen
- (1) Abweichend von Artikel 13 kann der Gouverneursrat beschließen, dass die Finanzhilfezusagen der EFSF an ein ESM-Mitglied, die die EFSF in einer Vereinbarung mit diesem Mitglied eingegangen ist, vom ESM übernommen werden, soweit diese Finanzhilfezusagen sich auf noch nicht ausgezahlte und noch nicht finanzierte Teile von Darlehensfazilitäten beziehen.
- (2) Der ESM kann mit Zustimmung des Gouverneursrats die Rechte und Verpflichtungen der EFSF übernehmen, insbesondere in Bezug auf die Gesamtheit oder einen Teil ihrer im Rahmen ihrer bestehenden Darlehensfazilitäten oder in Zusammenhang damit ausstehenden Rechte und Verpflichtungen.
- (3) Der Gouverneursrat nimmt die ausführlichen Modalitäten an, die erforderlich sind, um die in Absatz 1 vorgesehene Übertragung der Verpflichtungen der EFSF auf den ESM sowie etwaige Übertragungen von Rechten und Verpflichtungen im Sinne des Absatzes 2 in Kraft zu setzen.
Artikel 41
Einzahlung des Anfangskapitals
- (1) Unbeschadet des Absatzes 2 erfolgt die Einzahlung des von jedem ESM-Mitglied anfänglich gezeichneten Betrags der eingezahlten Anteile in fünf jährlichen Raten von jeweils 20 % des Gesamtbetrags. Die erste Rate wird von jedem ESM-Mitglied innerhalb von fünfzehn Tagen nach dem Tag des Inkrafttretens dieses Vertrags eingezahlt. Die vier übrigen Raten werden jeweils an dem Tag eingezahlt, an dem sich die Einzahlung der ersten Rate zum ersten, zweiten, dritten und vierten Mal jährt.
- (2) Während des Fünfjahreszeitraums, in dem das Kapital in Raten eingezahlt wird, beschleunigen die ESM-Mitglieder die Zahlung der eingezahlten Anteile rechtzeitig vor dem Ausgabetermin, um das Verhältnis zwischen eingezahltem Kapital und ausstehendem Betrag an ESM-Anleiheemissionen stets bei mindestens 15 % zu halten und eine gemeinsame Mindestdarlehenskapazität des ESM und der EFSF von 500 Milliarden EUR sicherzustellen.
- (3) Ein ESM-Mitglied kann beschließen, die Zahlung seines Anteils am eingezahlten Kapital zu beschleunigen.
Artikel 42
Zeitweilige Korrektur des Beitragsschlüssels
Artikel 43
Ersternennungen
- (1) Jedes ESM-Mitglied ernennt sein Mitglied und sein stellvertretendes Mitglied des Gouverneursrats innerhalb von zwei Wochen nach Inkrafttreten dieses Vertrags.
- (2) Der Gouverneursrat ernennt den Geschäftsführenden Direktor und jedes Mitglied des Gouverneursrats ernennt innerhalb von zwei Monaten nach Inkrafttreten dieses Vertrags ein Mitglied des Direktoriums und ein stellvertretendes Mitglied des Direktoriums.
Kapitel 8
Schlussbestimmungen
Artikel 44
Beitritt
Anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union steht der Beitritt zu diesem Vertrag nach Maßgabe des Artikels 2 auf Antrag hin offen; dieser Antrag wird von dem betreffenden Mitgliedstaat der Europäischen Union an den ESM gerichtet, nachdem der Rat der Europäischen Union gemäß Artikel 140 Absatz 2 AEUV beschlossen hat, die für diesen Mitgliedstaat geltende Ausnahmeregelung betreffend die Teilnahme am Euro aufzuheben. Der Gouverneursrat genehmigt den Beitrittsantrag des neuen ESM-Mitglieds und die damit zusammenhängenden ausführlichen technischen Regelungen sowie die Anpassungen, die als unmittelbare Folge des Beitritts an diesem Vertrag vorzunehmen sind. Nach Genehmigung des Antrags auf Beitritt durch den Gouverneursrat treten neue ESM-Mitglieder nach Hinterlegung der Beitrittsurkunde beim Verwahrer bei, der die anderen ESM-Mitglieder davon in Kenntnis setzt.
Artikel 45
Anhänge
Die folgenden Anhänge dieses Vertrags sind Bestandteil des Vertrags:
- 1. Anhang I: Erstbeitragsschlüssel des ESM und
- 2. Anhang II: Zeichnungen des genehmigten Stammkapitals.
Artikel 46
Hinterlegung
Dieser Vertrag wird beim Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union ("Verwahrer") hinterlegt; der Verwahrer übermittelt allen Unterzeichnern beglaubigte Abschriften.
Artikel 47
Ratifikation, Genehmigung oder Annahme
- (1) Dieser Vertrag bedarf der Ratifikation, Genehmigung oder Annahme durch die Unterzeichner. Die Ratifikations-, Genehmigungs- oder Annahmeurkunden werden beim Verwahrer hinterlegt.
- (2) Der Verwahrer setzt die anderen Unterzeichner von jeder Hinterlegung und deren Zeitpunkt in Kenntnis.
Artikel 48
Inkrafttreten
- (1) Dieser Vertrag tritt an dem Tag in Kraft, an dem die Ratifikations-, Genehmigungs- oder Annahmeurkunden von Unterzeichnern hinterlegt wurden, deren Erstzeichnungen mindestens 90 % der gesamten in Anhang II vorgesehenen Zeichnungen ausmachen. Die Liste der ESM-Mitglieder wird gegebenenfalls angepasst. Der Schlüssel in Anhang I wird sodann neu berechnet und das gesamte genehmigte Stammkapital gemäß Artikel 8 Absatz 1 und Anhang II sowie der anfängliche Gesamtnennwert der eingezahlten Anteile gemäß Artikel 8 Absatz 2 werden entsprechend verringert.
- (2) Dieser Vertrag tritt für jeden Unterzeichner, der die Ratifikations-, Genehmigungs- oder Annahmeurkunde danach hinterlegt, am Tag nach dem Tag der Hinterlegung in Kraft.
- (3) Für jeden Staat, der diesem Vertrag nach Maßgabe von dessen Artikel 44 beitritt, tritt dieser Vertrag am zwanzigsten Tag nach dem Tag der Hinterlegung der Beitrittsurkunde in Kraft.
Geschehen zu Brüssel am zweiten Februar zweitausendzwölf in deutscher, englischer, estnischer, finnischer, französischer, griechischer, irischer, italienischer, maltesischer, niederländischer, portugiesischer, schwedischer, slowakischer, slowenischer und spanischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, in einer Urschrift, die in den Archiven des Verwahrers hinterlegt wird; dieser übermittelt den Vertragsparteien je eine beglaubigte Abschrift.
Anhang I
Beitragsschlüssel des ESM
ESM-Mitglied | ESM-Schlüssel (%) |
Königreich Belgien | 3,4771 |
Bundesrepublik Deutschland | 27,1464 |
Republik Estland | 0,1860 |
Irland | 1,5922 |
Hellenische Republik | 2,8167 |
Königreich Spanien | 11,9037 |
Französische Republik | 20,3859 |
Italienische Republik | 17,9137 |
Republik Zypern | 0,1962 |
Großherzogtum Luxemburg | 0,2504 |
Malta | 0,0731 |
Königreich der Niederlande | 5,7170 |
Republik Österreich | 2,7834 |
Portugiesische Republik | 2,5092 |
Republik Slowenien | 0,4276 |
Slowakische Republik | 0,8240 |
Republik Finnland | 1,7974 |
Insgesamt | 100,0000 |
Anhang II
Zeichnungen des genehmigten Stammkapitals
ESM-Mitglied | Anzahl der Anteile | Kapitalzeichnung (EUR) |
Königreich Belgien | 243 397 | 24 339 700 000 |
Bundesrepublik Deutschland | 1 900 248 | 190 024 800 000 |
Republik Estland | 13 020 | 1 302 000 000 |
Irland | 111 454 | 11 145 400 000 |
Hellenische Republik | 197 169 | 19 716 900 000 |
Königreich Spanien | 833 259 | 83 325 900 000 |
Französische Republik | 1 427 013 | 142 701 300 000 |
Italienische Republik | 1 253 959 | 125 395 900 000 |
Republik Zypern | 13 734 | 1 373400 000 |
Großherzogtum Luxemburg | 17 528 | 1 752 800 000 |
Malta | 5 117 | 511 700 000 |
Königreich der Niederlande | 400 190 | 40 019 000 000 |
Republik Österreich | 194 838 | 19 483 800 000 |
Portugiesische Republik | 175 644 | 17 564 400 000 |
Republik Slowenien | 29 932 | 2 993 200 000 |
Slowakische Republik | 57 680 | 5 768 000 000 |
Republik Finnland | 125 818 | 12 581 800 000 |
Insgesamt | 7 000 000 | 700 000 000 000 |
Denkschrift
I. Allgemeines
1. Gesamtansatz der Bundesregierung
Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise hat strukturelle Probleme im Euroraum - zu hohe Staatsverschuldung und mangelnde Wettbewerbsfähigkeit einiger Euro-Mitgliedstaaten - ebenso schonungslos offengelegt wie grundlegende Mängel in der Konstruktion der Wirtschafts- und Währungsunion. Der Gesamtansatz der Bundesregierung zur Krisenbewältigung und zur Schaffung einer nachhaltigen Stabilitätsunion nimmt alle diese Ursachen in den Blick.
Auf der einen Seite wird das rechtliche Fundament der Wirtschafts- und Währungsunion durch den von 25 Mitgliedstaaten der Europäischen Union am 2. März 2012 unterzeichneten Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (sogenannter Fiskalvertrag) weiter verstärkt, nachdem bereits der Stabilitäts- und Wachstumspakt verschärft, die Überwachung der Wettbewerbsfähigkeit durch das neue Verfahren zur Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte verbessert und eine effizientere europäische Finanzmarktaufsicht eingeführt wurden. Auf der anderen Seite wird als Ergänzung dieser präventiv wirkenden Maßnahmen mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ein robustes und dauerhaftes Krisenbewältigungsinstrument geschaffen, um Gefahren für die Stabilität der Eurozone insgesamt effektiv abwenden zu können.
Die dauerhafte Sicherstellung der Finanzstabilität der Währungsunion durch den ESM liegt im elementaren Interesse der Bundesrepublik Deutschland. Für die deutsche Volkswirtschaft, die in hohem Maße mit den anderen Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets wirtschaftlich verflochten ist, sind verlässliche wirtschafts- und währungspolitische Rahmenbedingungen im Binnenmarkt der Europäischen Union und insbesondere im Euro-Währungsgebiet unverzichtbar.
2. Entstehungsgeschichte des ESM
Zur Stabilisierung des Euro-Währungsgebiets als Ganzes wurden zunächst temporäre Instrumente geschaffen: das erste Griechenlandprogramm, der europäische Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) und die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF). Im weiteren Verlauf der Krise wurde deutlich, dass es neben einem Ausbau der vorsorglichen Maßnahmen eines dauerhaften und robusten Kriseninstruments bedarf, um auch für den Fall handlungsfähig zu sein, dass die Regelungen zur Krisenprävention nicht ausreichen und es dadurch zu einer Gefährdung der Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt kommt.
Der Europäische Rat billigte daher am 16./17. Dezember 2010 die zuvor von den Wirtschafts- und Finanzministern des Euro-Währungsgebiets formulierten allgemeinen Merkmale eines "Europäischen Stabilitätsmechanismus", der als internationale Finanzinstitution EFSM und EFSF ablösen soll. Um Rechtssicherheit für diesen dauerhaften Mechanismus zu schaffen, fasste der Europäische Rat zudem am 25. März 2011 den Beschluss 2011/199/EU zur Änderung des Artikels 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) hinsichtlich eines Stabilitätsmechanismus für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist. Damit wird klar gestellt, dass die Euro-Mitgliedstaaten einen Stabilitätsmechanismus errichten können, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen. Den daraufhin er arbeiteten Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM-Vertrag) haben die Wirtschafts- und Finanzminister der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets zunächst am 11. Juli 2011 unterzeichnet.
Allerdings trat auch im Verlauf des Jahres 2011 keine Beruhigung auf den Finanzmärkten ein, die Ansteckungsgefahren stiegen vielmehr deutlich an. Um diesen Risiken wirksamer begegnen zu können, kamen die Staats- und Regierungschefs der Eurozone am 21. Juli 2011 überein, die EFSF deutlich effizienter zu machen und EFSF und ESM mit weiteren Instrumenten auszustatten. Die entsprechenden Nachverhandlungen des ESM-Vertrags wurden am 2. Februar 2012 mit der erneuten Unterzeichnung abgeschlossen.
Die anhaltenden Spannungen an den Finanzmärkten zeigten auch die Notwendigkeit einer vertieften fiskalpolitischen Integration mit strengeren Regeln sowie einer grundlegenden, weitergehenden Stärkung der Wirtschaftsunion. Auf Grundlage entsprechender Beschlüsse der Staats- und Regierungschefs vom 9. Dezember 2011 unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs von 25 Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu diesem Zweck am 2. März 2012 den Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (sogenannter Fiskalvertrag), mit dem die Haushaltsdisziplin durch verbindliche nationale Schuldenbremsen und quasiautomatische Sanktionen im Defizitverfahren deutlich verbessert und die wirtschaftspolitische Koordinierung und Steuerung verstärkt wird. Dabei wird dem Grundprinzip Rechnung getragen, dass Solidität und - durch den ESM gewährte - Solidarität Hand in Hand gehen: Stabilitätshilfen durch den ESM werden - nach Ablauf der entsprechenden Fristen - nur einem Mitgliedstaat gewährt werden, der den Fiskalvertrag ratifiziert und eine entsprechende nationale Schuldenbremse eingeführt hat.
II. Besonderes
1. Ziel und Aufgaben des ESM
Nach Artikel 3 des Vertrags ist es Aufgabe des ESM, einem ESM-Mitglied, d.h. einem Staat des Euroraums, der schwere Finanzierungsprobleme hat oder dem diese drohen, Finanzhilfe unter strengen, dem gewählten Finanzhilfeinstrument angemessenen Auflagen zu gewähren, sofern dies unabdingbar ist, um die Finanzstabilität der Eurozone insgesamt und seiner Mitglieder zu wahren. Zur Erfüllung seiner Aufgaben ist der ESM berechtigt, Finanzmittel zu mobilisieren, indem er Finanzinstrumente begibt oder mit ESM-Mitgliedern, Finanzinstituten oder sonstigen Dritten Vereinbarungen oder Übereinkünfte schließt.
Bei der Bereitstellung von Finanzhilfen wird der ESM eng mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zusammenarbeiten und eine aktive Beteiligung des IWF sowohl auf fachlicher als auch auf finanzieller Ebene anstreben. Von einem Mitgliedstaat des Euro-Währungsgebiets, der um eine Finanzhilfe durch den ESM ersucht, wird erwartet, dass er ein ähnliches Ersuchen an den IWF richtet (Erwägungsgrund 8, Artikel 38). Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Währung nicht der Euro ist, können sich im Einzelfall neben dem ESM an Finanzhilfemaßnahmen für ESM-Mitglieder beteiligen (Erwägungsgrund 9, Artikel 38).
2. Mitgliedschaft
Alle Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets sind (Gründungs-)Mitglieder des ESM. Wenn Mitgliedstaaten der Europäischen Union dem Euro-Währungsgebiet beitreten, sollen diese auch ESM-Mitglied werden (Erwägungsgrund 7). Das Beitrittsverfahren ist in Artikel 44 geregelt. Tritt ein Staat dem ESM bei, so wird der Beitragsschlüssel nach Artikel 11 Absatz 3 entsprechend dem Schlüssel für die Zeichnung des Kapitals der Europäischen Zentralbank (EZB) angepasst. Das genehmigte Stamm kapital des ESM wird gemäß Artikel 10 Absatz 3 automatisch erhöht, indem die zum betreffenden Zeitpunkt geltenden Beträge mit der Verhältniszahl aus dem Gewichtsanteil des neuen ESM-Mitglieds und dem Gewichtsanteil der bestehenden ESM-Mitglieder nach dem in Artikel 11 vorgesehenen angepassten Beitragsschlüssel multipliziert werden. Diese Anpassung führt nicht zu einer Änderung der absoluten Kapitalhöhe der ursprünglichen Mitglieder.
3. Bedingungen und Verfahren für die Gewährung von Stabilitätshilfe
a. Grundsätze
Der Gewährung von Stabilitätshilfe durch den ESM liegen folgende Prinzipien zugrunde:
- - Finanzielle Hilfe ist nur möglich, wenn diese Hilfe zur Sicherung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist (Artikel 12).
- - Finanzielle Hilfe wird nur unter strengen, dem gewählten Finanzhilfeinstrument angemessenen Auflagen gewährt. Angemessene Auflagen können je nach Art der Finanzhilfe zwischen einem vollen makroökonomischen Anpassungsprogramm, spezifischen Auflagen oder der dauerhaften Einhaltung vorformulierter Bedingungen variieren. Die Einhaltung dieser Auflagen wird von der Europäischen Kommission - im Benehmen mit der EZB und nach Möglichkeit zusammen mit dem IWF - überwacht. Über die Auszahlung weiterer Tranchen wird auf Grundlage eines entsprechenden Berichts entschieden (Artikel 12, 13).
- - Entscheidungen über die Gewährung von Finanzhilfen werden einvernehmlich beschlossen. Dies gilt sowohl für die Entscheidungen des Gouverneursrats nach Artikel 13 Absatz 2 bis 4, die die Gewährung der Finanzhilfe betreffen, als auch für die Entscheidung des Direktoriums über die Auszahlung weiterer Tranchen auf der Grundlage der Überwachung der Einhaltung der mit der Finanzhilfe verbundenen wirtschaftspolitischen Auflagen nach Artikel 13 Absatz 7. Für Entscheidungen im Eilverfahren ist nach Artikel 4 Absatz 4 für eine einvernehmliche Entscheidung eine qualifizierte Mehrheit von 85 Prozent der abgegebenen Stimmen erforderlich.
- - Ab dem 1. Januar 2013 enthalten alle neuen Staatsschuldtitel des Euro-Währungsgebiets mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr Umschuldungsklauseln, sogenannte collective action clauses, um zukünftig eine Einigung zwischen einem Staat und seinen privaten Gläubigern zu erleichtern.
- - Die Gewährung von Finanzhilfe im Rahmen neuer Programme durch den ESM wird ab dem 1. März 2013 von der Ratifizierung des Fiskalvertrags durch das betreffende ESM-Mitglied und nach Ablauf der in Artikel 3 Absatz 2 des Fiskalvertrags genannten Frist von der Erfüllung der in diesem Artikel genannten Pflichten abhängen (vgl. Erwägungsgrund 5 des ESM-Vertrags und Erwägungsgrund 25 des Fiskalvertrags).
b. Verfahren
Das Verfahren für die Gewährung von Stabilitätshilfe ist in Artikel 13 niedergelegt. Weitere Regelungen finden sich in den Artikeln betreffend die einzelnen Finanzhilfeinstrumente und in den vom Direktorium für die einzelnen Instrumente zu erlassenden Leitlinien. Das Verfahren gliedert sich in folgende Schritte:
- - Antragstellung eines ESM-Mitglieds
- - Der Vorsitzende des Gouverneursrats beauftragt die Europäische Kommission, im Benehmen mit der EZB das Vorliegen einer Gefahr für die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt oder seiner Mitgliedstaaten festzustellen, die Schuldentragfähigkeit des betreffenden ESM-Mitglieds - nach Möglichkeit zusammen mit dem IWF - zu prüfen und den Finanzbedarf festzustellen. Für den Aufkauf von Staatsanleihen eines Mitgliedstaats des Euro-Währungsgebiets am Sekundärmarkt ist Voraussetzung, dass die Europäische Zentralbank neben der Gefährdung der Finanzstabilität außergewöhnliche Umstände auf dem Finanzmarkt feststellt, Artikel 18 Absatz 2.
- - Auf der Grundlage dieser Bewertungen trifft der Gouverneursrat in gegenseitigem Einvernehmen die grundsätzliche Entscheidung darüber, ob Finanzhilfe gewährt werden soll.
- - Bei positivem Votum beauftragt der Gouverneursrat die Europäische Kommission, im Benehmen mit der EZB und nach Möglichkeit zusammen mit dem IWF ein Memorandum of Understanding ("MoU") mit dem betreffenden ESM-Mitglied auszuhandeln, in dem die mit der Finanzhilfe verbundenen wirtschaftspolitischen Auflagen im Einzelnen ausgeführt werden. Der Geschäftsführende Direktor des ESM arbeitet eine Finanzhilfevereinbarung aus, die unter anderem die Finanzierungsbedingungen sowie die gewählten Instrumente enthält.
- - Der Gouverneursrat nimmt die Finanzhilfevereinbarung an.
- - Das MoU, das in voller Übereinstimmung mit den Maßgaben und Entscheidungen im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts stehen muss, wird vom Gouverneursrat in gegenseitigem Einvernehmen beschlossen und im Anschluss daran von der Kommission im Namen des ESM unterzeichnet.
- - Im Anschluss an die einvernehmlichen Entscheidungen des Gouverneursrats, dass und unter welchen Bedingungen Finanzhilfe gewährt wird, legt das Direktorium die technischen Aspekte der Bereitstellung und die Details der Auszahlung der ersten Tranche der Finanzhilfe fest.
- - Die Europäische Kommission wird - nach Möglichkeit zusammen mit dem IWF und im Benehmen mit der EZB - damit betraut, die Einhaltung der mit der Finanzhilfe verbundenen wirtschaftspolitischen Auflagen zu überwachen und dem Direktorium Bericht zu erstatten. Das Direktorium fällt auf dieser Grundlage in gegenseitigem Einvernehmen eine Entscheidung über die Auszahlung weiterer Tranchen.
- - Der ESM richtet einen Warnmechanismus ein, um sicherzustellen, dass er die im Rahmen der Finanzhilfe fälligen Rückzahlungen eines ESM-Mitglieds fristgerecht erhält.
c. Eilverfahren
Das Eilverfahren (bzw. Dringlichkeitsabstimmungsverfahren) gemäß Artikel 4 Absatz 4 kann für Beschlüsse über die Gewährung und Durchführung von Finanzhilfen nach den Artikeln 13 bis 18 angewendet werden, wenn die Europäische Kommission und die EZB zu dem Schluss gelangen, dass die Unterlassung der dringlichen Annahme eines Beschlusses zur Gewährung oder Durchführung von Finanzhilfe in aller Eile die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität des Euro-Währungsgebiets bedrohen würde. Im Eilverfahren können in den zitierten Artikeln vorgesehene Beschlüsse des Gouverneursrats und des Direktoriums, für die eine Beschlussfassung im gegenseitigem Einvernehmen vorgeschrieben ist, ausnahmsweise mit einer qualifizierten Mehrheit von 85 Prozent der Kapitalanteile getroffen werden. Deutschland, Frankreich und Italien haben aufgrund der Größe ihrer Kapitalanteile ein (faktisches) Vetorecht.
Bei Anwendung des Eilverfahrens wird ein Notfallreservefonds gebildet, der die Funktion hat, eine zweckbestimmte Rückstellung zur Abdeckung der Risiken zu bilden, die sich aus der im Dringlichkeitsverfahren gewährten Finanzhilfe ergeben. Der Gouverneursrat kann einstimmig beschließen, den Notfallreservefonds aufzulösen und seinen Inhalt auf den Reservefonds und/oder das eingezahlte Kapital zurückzuübertragen.
4. Instrumente
Dem ESM stehen die gleichen Instrumente wie der EFSF zur Verfügung. Die Einzelheiten der Ausgestaltung der Instrumente werden jeweils in vom Direktorium zu beschließenden Leitlinien festgeschrieben. Grundvoraussetzung für den Einsatz der Instrumente ist stets, dass die Hilfe zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist (Artikel 12).
Der Gouverneursrat kann die Liste der Finanzinstrumente überprüfen und einvernehmlich beschließen, sie zu ändern (Artikel 19).
a. Vorsorgliche Finanzhilfe
Der ESM kann vorsorgliche Finanzhilfe in Form von Kreditlinien bereitstellen (Artikel 14).
Der Zugang zu einer vorsorglichen konditionierten Kreditlinie (Precautionary Conditioned Credit Line (PCCL)) ist nur bei Erfüllung vorab festgelegter Bedingungen möglich und auf solche Staaten begrenzt, deren wirtschaftliche und finanzielle Situation grundsätzlich solide ist und die an einer soliden Finanz- und Wirtschaftspolitik festhalten. Für Fälle, in denen einzelne der Zugangskriterien einer PCCL nicht erfüllt werden, die wirtschaftliche und finanzielle Situation aber dennoch insgesamt solide ist, kann eine Kreditlinie mit erweiterten Konditionen (Enhanced Conditions Credit Line (ECCL)) gewährt werden. Die Konditionen bestehen in Maßnahmen zur Korrektur identifizierter Schwachpunkte und zur Vermeidung zukünftiger Probleme beim Marktzugang dieses Staates.
Nach Gewährung einer Kreditlinie entsprechend dem Verfahren nach Artikel 13 entscheidet das Direktorium auf Grundlage eines Berichts der Europäischen Kommission nach Artikel 13 Absatz 7 und auf Vorschlag des Geschäftsführenden Direktors darüber, ob die Kreditlinie fortgeführt werden soll. Sofern der unterstützte Mitgliedstaat den Kredit aus der Kreditlinie in Anspruch nimmt, trifft das Direktorium auf Grundlage einer von der Europäischen Kommission durchgeführten Bewertung und auf Vorschlag des Geschäftsführenden Direktors eine Entscheidung darüber, ob ein vorsorgliches Instrument in Form einer Kreditlinie weiterhin angemessen oder eine andere Form der Finanzhilfe erforderlich ist (Artikel 14 Absatz 6).
b. Darlehen zur Rekapitalisierung von Banken
Der ESM kann einem ESM-Mitglied ein Darlehen spezifisch zu dem Zweck gewähren, Finanzinstitute dieses ESM-Mitglieds zu rekapitalisieren (Artikel 15). Dieses Instrument kann eingesetzt werden, wenn die Ursache für die finanzielle Notlage des Staates eng mit dem Finanzsektor verbunden ist und nicht unmittelbar fiskalischer oder struktureller Art ist. Der Schwerpunkt der in einem MoU zu verankernden Konditionalität wird bei diesen Darlehen - unter Beachtung des EU-Beihilfenrechts - auf der Sanierung des Finanzsektors liegen. Sofern die Finanzhilfe in mehreren Tranchen ausgezahlt werden soll, entscheidet das Direktorium entsprechend dem Verfahren nach Artikel 13 auf Grundlage des Berichts der Europäischen Kommission nach Artikel 13 Absatz 7 und auf Vorschlag des Geschäftsführenden Direktors über die Auszahlung weiterer Tranchen.
c. Darlehen
Der ESM kann (allgemeine) Darlehen an ein ESM-Mitglied gewähren (Artikel 16). Voraussetzung für die Gewährung eines Darlehens ist die Vereinbarung eines umfassenden makroökonomischen Anpassungsprogramms, das im MoU festgeschrieben wird. Nach Gewährung dieses Instruments entsprechend dem Verfahren nach Artikel 13 entscheidet das Direktorium auf Grundlage des Berichts der Europäischen Kommission nach Artikel 13 Absatz 7 und auf Vorschlag des Geschäftsführenden Direktors über die Auszahlung weiterer Tranchen eines Darlehens.
d. Primärmarktkäufe
Der ESM kann Anleihen eines ESM-Mitglieds auf dem Primärmarkt ankaufen (Artikel 17). Anleihekäufe auf dem Primärmarkt dienen vor allem dem Ziel, den Mitgliedstaat am Markt zu halten oder ihm die Rückkehr an den Markt zu erleichtern. Sie dienen damit auch dem kosteneffizienten Einsatz von Mitteln des ESM.
Nach Gewährung dieses Instruments entsprechend dem Verfahren nach Artikel 13 entscheidet das Direktorium auf Grundlage des Berichts der Europäischen Kommission nach Artikel 13 Absatz 7 und auf Vorschlag des Geschäftsführenden Direktors über die Tätigung weiterer Ankäufe.
e. Sekundärmarktkäufe
Der ESM kann Anleihen eines ESM-Mitglieds auf dem Sekundärmarkt ankaufen, um Ansteckungsgefahren zu verhindern (Artikel 18). Sekundärmarktkäufe unterstützen das Funktionieren der Anleihemärkte und eine angemessene Preisbildung in außergewöhnlichen Umständen, in denen eine begrenzte Liquidität die Finanzstabilität bedroht. Sekundärmarktinterventionen setzen eine Analyse der EZB voraus, die das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände auf dem Finanzmarkt und eine Gefahr für die Finanzstabilität bestätigt.
Über den Beginn konkreter Ankaufoperationen entscheidet das Direktorium einvernehmlich auf Vorschlag des Geschäftsführenden Direktors.
f. Kosten der Finanzhilfe
Kosten für die Gewährung von Finanzhilfen sind durch den begünstigten Mitgliedstaat zu tragen. Neben der Deckung der Finanzierungs- und Betriebskosten des ESM wird auch eine angemessene Marge einkalkuliert (Artikel 20). Einzelheiten der Preisgestaltung werden in einer Leitlinie festgelegt, die der Gouverneursrat beschließt.
5. Organisation und Entscheidungsprozesse
Organe des ESM sind der Gouverneursrat (Artikel 5), das Direktorium (Artikel 6) und der Geschäftsführende Direktor (Artikel 7).
In den Gouverneursrat entsendet jedes ESM-Mitglied ein Regierungsmitglied mit Zuständigkeit für die Finanzen und ein stellvertretendes Mitglied. Der Gouverneursrat überträgt seinen Vorsitz entweder dem Präsidenten der Euro-Gruppe oder er wählt einen Vorsitzenden aus dem Kreis seiner Mitglieder. Der Gouverneursrat als höchstes Organ des ESM beschließt über Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung. Wesentliche Entscheidungen, die der enumerativen Liste in Artikel 5 Absatz 6 zu entnehmen sind, trifft er im gegenseitigen Einvernehmen (zum Eilverfahren siehe Artikel 4 Absatz 4). Dazu zählen unter anderem Änderungen des genehmigten Stammkapitals und Anpassungen des maximalen Darlehensvolumens, Entscheidungen über die Gewährung von Finanzhilfen einschließlich der wirtschaftspolitischen Auflagen und der Wahl der Instrumente, Änderungen der Zinsstruktur und der Zinsfestsetzungspolitik, Änderungen der Finanzhilfeinstrumente oder die Übertragung von Aufgaben an das Direktorium. Andere Entscheidungen gemäß Artikel 5 Absatz 7 trifft der Gouverneursrat mit qualifizierter Mehrheit. Der Gouverneursrat verabschiedet seine Geschäftsordnung und eine Satzung für den ESM.
Jedes Mitglied des Gouverneursrats ernennt ein Mitglied und ein stellvertretendes Mitglied des Direktoriums. Das Direktorium gewährleistet, dass der ESM gemäß dem Vertrag und gemäß der vom Gouverneursrat beschlossenen Satzung des ESM geführt wird und trifft Beschlüsse, soweit ihm diese Aufgabe durch den Vertrag oder durch den Gouverneursrat übertragen wird (Artikel 6 Absatz 6). Das Direktorium beschließt mit qualifizierter Mehrheit unter anderem ausführliche Regelungen und Leitlinien für Kapitalabrufe (Artikel 9 Absatz 4), Regelungen für die Kapitalveränderungen (Artikel 10 Absatz 2), Leitlinien für die Finanzhilfeinstrumente (Artikel 14 bis 18) sowie für die Anlagepolitik des ESM (Artikel 22). Für Beschlüsse, die das Direktorium auf Grundlage von Befugnissen fasst, die der Gouverneursrat delegiert hat, gelten die jeweiligen Abstimmungsregeln für den Gouverneursrat (Artikel 6 Absatz 5).
Der Geschäftsführende Direktor wird vom Gouverneursrat für eine Amtszeit von fünf Jahren mit qualifizierter Mehrheit ernannt, wobei eine einmalige Wiederernennung möglich ist. Der Geschäftsführende Direktor ist während seiner Amtszeit weder Mitglied noch stellvertretendes Mitglied des Gouverneursrats oder des Direktoriums, er nimmt jedoch an den Sitzungen des Gouverneursrats teil und führt in den Sitzungen des Direktoriums den Vorsitz (Artikel 7 Absatz 1 bis 3). Der Geschäftsführende Direktor ist der gesetzliche Vertreter des ESM, er steht den Bediensteten vor und führt nach den Weisungen des Direktoriums die laufenden Geschäfte des ESM (Artikel 7 Absatz 4 und 5).
Der Gouverneursrat und das Direktorium beschließen nach Maßgabe des Vertrags in gegenseitigem Einvernehmen, mit qualifizierter Mehrheit oder mit einfacher Mehrheit (Artikel 4 Absatz 2). Die Annahme eines Beschlusses in gegenseitigem Einvernehmen erfordert die Einstimmigkeit der an der Abstimmung teilnehmenden Mitglieder und wird durch Enthaltungen nicht verhindert (Artikel 4 Absatz 3). Für Fälle, in denen die Europäische Kommission und die EZB befinden, dass eine Eilentscheidung zur Gewährung oder Durchführung einer Finanzhilfe erforderlich ist, um eine Gefährdung der Finanzstabilität der Eurozone zu verhindern, erfordert ein Beschluss im gegenseitigen Einvernehmen eine qualifizierte Mehrheit von 85 Prozent der Stimmen (Artikel 4 Absatz 4). Für die Annahme eines Beschlusses mit qualifizierter Mehrheit sind im Übrigen 80 Prozent der abgegebenen Stimmen erforderlich (Artikel 4 Absatz 5). Die Stimmrechte der ESM-Mitglieder richten sich nach deren Kapitalanteilen. Für die Annahme eines Beschlusses mit einfacher Mehrheit ist die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich (Artikel 4 Absatz 6). Die Stimmrechte der ESM-Mitglieder im Gouverneursrat und im Direktorium entsprechen ihren Anteilen am genehmigten Stammkapital (Artikel 4 Absatz 7). Kommt ein ESM-Mitglied seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem ESM nicht rechtzeitig nach, so werden sämtliche Stimmrechte dieses ESM-Mitglieds ausgesetzt, bis die Zahlung erfolgt ist (Artikel 4 Absatz 8).
6. Kapital
a. Stammkapital
Das genehmigte Stammkapital des ESM beträgt 700 Milliarden Euro und wird in eingezahlte Anteile und abruf bare Anteile unterteilt (Artikel 8). Der anfängliche Gesamtnennwert der eingezahlten Anteile beläuft sich auf 80 Milliarden Euro; 620 Milliarden Euro werden von den Mitgliedstaaten als abrufbares Kapital bereitgestellt.
Nach Artikel 41 erfolgt die Einzahlung des Anfangskapitals in fünf jährlichen Raten von jeweils 20 Prozent des Gesamtbetrags. Die erste Rate ist innerhalb von 15 Tagen nach dem Tag des Inkrafttretens des Vertrags zu zahlen. Die restlichen vier Raten werden jeweils an dem Tag eingezahlt, an dem sich die Einzahlung der ersten Rate zum ersten, zweiten, dritten und vierten Mal jährt. Sofern es erforderlich wird, beschleunigen die Mitglieder des ESM während des Fünfjahreszeitraums die Einzahlung der Tranchen, wenn dies bei Bedarf notwendig ist, um das Verhältnis zwischen eingezahltem Kapital und ausstehendem Betrag an ESM-Anleiheemissionen bei mindestens 15 Prozent zu halten und eine konsolidierte Darlehenskapazität von insgesamt 500 Milliarden Euro für ESM und EFSF sicherzustellen (Artikel 41 Absatz 2). Abgesehen von dieser Regelung kann sich jedes ESM-Mitglied entschließen, seinen Anteil am einzuzahlenden Kapital schneller bereitzustellen (Artikel 41 Absatz 3).
Die Anteile der Mitgliedstaaten am Kapital des ESM orientieren sich an dem Schlüssel für die Zeichnung des EZB-Kapitals (Artikel 11), modifiziert um eine befristete Korrektur für ESM-Mitglieder mit einem besonders niedrigen Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt (Artikel 42). Der Beitragsschlüssel wird in Anhang I des Vertrags niedergelegt. Der Schlüssel wird gemäß Artikel 41 Absatz 3 angepasst, wenn ein Mitgliedstaat der EU als neues Mitglied Anteile am ESM erhält und sich das genehmigte Stammkapital des ESM automatisch erhöht oder wenn die befristete Korrektur für ein ESM-Mitglied endet. Wird der Beitragsschlüssel angepasst, so kann der Gouverneursrat beschließen, etwaige zwischenzeitliche Aktualisierungen des Schlüssels für die Zeichnung des EZB-Kapitals zu berücksichtigen (Artikel 11 Absatz 4). Die letztgenannte Anpassungsmöglichkeit des Beitragsschlüssels besteht auch, wenn das Stammkapital des ESM nach Artikel 10 Absatz 1 erhöht wird (Artikel 11 Absatz 4).
Der Kapitalanteil der Bundesrepublik Deutschland gemäß dem Erstbeitragsschlüssel beträgt 27,1464 Prozent. Die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland beläuft sich somit auf 1 900 248 Anteile am genehmigten Stammkapital des ESM. Der Nennwert eines ESM-Anteils beträgt 100 000 Euro. Demzufolge verpflichtet sich die Bundesrepublik Deutschland gegenüber den Vertragsparteien, sich am genehmigten Stammkapital des ESM mit einem Gesamtbetrag in Höhe von 190,0248 Milliarden Euro zu beteiligen, der sich aus einem Beitrag zum eingezahlten Gesamtkapital des ESM (80 Milliarden Euro) in Höhe von 21,71712 Milliarden Euro und einem Beitrag zum abrufbaren Gesamtkapital des ESM (620 Milliarden Euro) in Höhe von 168,30768 Milliarden Euro zusammensetzt.
Der Gouverneursrat überprüft die Angemessenheit des genehmigten Stammkapitals und des maximalen Ausleihvolumens des ESM mindestens alle fünf Jahre. Er kann einvernehmlich beschließen, das genehmigte Stammkapital zu ändern. Ein solcher Beschluss tritt jedoch erst in Kraft, nachdem die ESM-Mitglieder den Abschluss ihrer jeweiligen nationalen Verfahren notifiziert haben (Artikel 10 Absatz 1). In Deutschland ist für eine Erhöhung des Kapitalanteils eine Ermächtigung durch Bundesgesetz zur Bereitstellung weiteren Kapitals erforderlich.
Solange der ESM keinem seiner Mitglieder Finanzhilfe gewährt hat, fließen die Erträge aus den Anlagen des eingezahlten Kapitals des ESM nach Abzug der Betriebskosten und unter der Voraussetzung, dass die angestrebte effektive Darlehenskapazität in voller Höhe zur Verfügung steht, an die Mitglieder des ESM entsprechend ihren jeweiligen Anteilen zurück. Nach Aktivierung des ESM kann das Direktorium mit einfacher Mehrheit über die Auszahlung einer Dividende beschließen, falls die Summe aus eingezahltem Kapital und Reservefonds die für die Aufrechterhaltung der Darlehenskapazität erforderliche Höhe übersteigt (Artikel 23).
Die Mitglieder des ESM haften nicht für Verbindlichkeiten des ESM. Ihre Haftung gegenüber dem ESM ist unter allen Umständen auf ihren Anteil am genehmigten Stammkapital begrenzt (Artikel 8 Absatz 5).
b. Kapitalabruf
Muss der ESM einen Zahlungsausfall ausgleichen, weil insbesondere ein begünstigtes ESM-Mitglied seinen Rückzahlungsverpflichtungen gegenüber dem ESM nicht rechtzeitig nachkommt, so werden entsprechende Verluste vorrangig aus einem Reservefonds ausgeglichen, in den neben dem Reingewinn der Operationen des ESM die finanziellen Sanktionen gegen ESM-Mitglieder im Rahmen des verschärften Stabilitäts- und Wachstumspakts und des Fiskalvertrags fließen (Artikel 24, 25 sowie 8 Absatz 2 des Fiskalvertrags). Auf diese Weise werden diejenigen Staaten, die den gemeinsamen Vorgaben zur Fiskaldisziplin und zur Vermeidung makroökonomischer Ungleichgewichte nicht nachkommen, vorrangig an den Kosten der Finanzhilfen beteiligt.
Reicht der Reservefonds zum Ausgleich des Verlustes nicht aus, muss nach Artikel 25 Absatz 1 auf das eingezahlte Kapital zurückgegriffen werden. In diesem Fall kann das Direktorium des ESM mit einfacher Mehrheit einen Kapitalabruf beschließen, um die vereinbarte Höhe des eingezahlten Kapitals wieder herzustellen (Artikel 9 Absatz 2). Die Bildung eines Notfallreservefonds nach Artikel 4 Absatz 4 führt auch bei einer Speisung aus dem eingezahlten Kapital nicht zur Auslösung eines Kapitalabrufs nach Artikel 9 Absatz 2, da die Bildung des Notfallreservefonds keinen Ausgleich von Verlusten, sondern eine spezielle Rückstellung für Verluste darstellt.
Reicht das eingezahlte Kapital zum Ausgleich eines Zahlungsausfalls gegenüber dem ESM nicht aus und droht dadurch ein Zahlungsverzug des ESM, so erfolgt der Kapitalabruf automatisch durch den Geschäftsführenden Direktor (Artikel 9 Absatz 3).
Kapitalabrufe erfolgen gegenüber allen Mitgliedern des ESM entsprechend ihrem Beteiligungsschlüssel. Kommt ein ESM-Mitglied einem Kapitalabruf zum Ausgleich eines Zahlungsausfalls nicht rechtzeitig nach, so ergeht erforderlichenfalls ein vorübergehend revidierter erhöhter Kapitalabruf an alle übrigen ESM-Mitglieder. In einem solchen Fall beschließt der Gouverneursrat geeignete Schritte, um sicherzustellen, dass das ESM-Mitglied seine Schuld gegenüber dem ESM begleicht und das überschüssige Kapital an die anderen ESM-Mitglieder zurückgezahlt wird (Artikel 25 Absatz 2).
Diese Fallkonstellationen des Kapitalabrufs erfordern nach der Konstruktion des ESM als Internationale Finanzinstitution eine unbedingte zusätzliche Kapitaleinzahlung unter Anrechnung auf das abrufbare Kapital, da das eingezahlte Kapital maßgeblich zur Absicherung einer erstklassigen Bonität des ESM und zur Absicherung des Ausleihvolumens beiträgt.
Neben diesen Fallkonstellationen kann ein Abruf von genehmigtem, nicht eingezahltem Kapital auch aus sonstigen Gründen durch einvernehmlichen Beschluss des Gouverneursrats erfolgen (Artikel 9 Absatz 1). Ein solcher
Kapitalabruf ist etwa im Zusammenhang mit einer Änderung des genehmigten Stammkapitals denkbar.
c. Anlagepolitik/Finanzmanagement
Für die Anlage des eingezahlten Kapitals wendet der ESM eine umsichtige Anlagepolitik an, um die höchste Bonität zu sichern (Artikel 22). Hierzu wird das Direktorium Leitlinien erstellen und regelmäßig überprüfen.
Der ESM handelt nach den Grundsätzen eines soliden Finanz- und Risikomanagements (Artikel 22 Absatz 2). Die Abschlussprüfung des ESM erfolgt durch unabhängige, externe Prüfer, die Einsicht in sämtliche Bücher und Konten des ESM haben und alle Auskünfte über dessen Geschäfte verlangen können (Artikel 29, 30). Der ESM veröffentlicht einen Jahresbericht mit dem geprüften Jahresabschluss und übermittelt den ESM-Mitgliedern einen Quartalsabschluss und eine Gewinn- und Verlustrechnung (Artikel 27). Darüber hinaus kontrolliert ein unabhängiger Prüfungsausschuss, dem unter anderem zwei Mitglieder aus obersten Rechnungsprüfungsorganen der Mitgliedstaaten sowie ein Mitglied des Europäischen Rechnungshofes angehören, die Konten des ESM und prüft die Ordnungsmäßigkeit seiner Gewinn- und Verlustrechnung sowie seiner Bilanz. Die jährlichen Berichte dieses Prüfungsausschusses werden den nationalen Parlamenten, den obersten Rechnungskontrollbehörden der ESM-Mitglieder sowie dem Europäischen Rechnungshof zugänglich gemacht.
d. Ausleihvolumen des ESM
Der ESM verwendet sein Kapital als Absicherung, um am Markt die erforderlichen Mittel für die Vergabe von Stabilitätshilfen aufzunehmen. Das effektive Kreditvergabevolumen des ESM hängt demnach von seiner Kapitalstruktur ab, wird aber von der konkreten Marktsituation beeinflusst.
In der Übergangsphase vom Inkrafttreten des ESM bis zur vollständigen Abwicklung der EFSF wird das konsolidierte Ausleihvolumen von ESM und EFSF auf höchstens 500 Milliarden Euro begrenzt (Artikel 39). Die Angemessenheit dieser Obergrenze des gemeinsamen maximalen Ausleihvolumens von ESM und EFSF wird jedoch vor dem Inkrafttreten des Vertrags neu bewertet. Falls dies angebracht ist, wird das Ausleihvolumen ab Inkrafttreten des Vertrags gemäß Artikel 10 durch den Gouverneursrat des ESM angepasst (Erwägungsgrund 6).
Das Direktorium beschließt ausführliche Leitlinien für die Berechnung der künftigen Kreditzusagekapazität, um sicherzustellen, dass die Obergrenze für die konsolidierte Darlehensvergabe nicht überschritten wird.
Der Gouverneursrat kann beschließen, dass der ESM Rechte und Pflichten der EFSF, insbesondere in Bezug auf die Gesamtheit oder Teile bestehender Darlehensfazilitäten, übernimmt (Artikel 40).
7. Sonstige Vorschriften
Der ESM hat seinen Sitz in Luxemburg (Artikel 31).
Dem ESM als Institution und seinen Bediensteten werden zur Gewährleistung seiner Funktionsfähigkeit bestimmte Vorrechte und Befreiungen in dem auch bei anderen internationalen Organisationen üblichen Umfang gewährt (Artikel 32, 35, 36).
Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung des Vertrags zwischen den Vertragsparteien oder zwischen den Vertragsparteien und dem ESM werden nach erfolglosem Durchlaufen des ESM-internen Streitbeilegungsverfahrens gemäß Artikel 273 AEUV beim Gerichtshof der Europäischen Union anhängig gemacht (Artikel 37).
8. Voraussetzungen für das Inkrafttreten
Der Vertrag bedarf der Ratifikation, Genehmigung oder Annahme durch die Unterzeichner. Der Vertrag tritt an dem Tag in Kraft, an dem die Ratifikations-, Genehmigungs- oder Annahmeurkunden von Unterzeichnern hinterlegt wurden, deren Erstzeichnungen mindestens 90 Prozent der gesamten in Anhang II des Vertrags vorgesehenen Zeichnungen ausmachen (Artikel 48).
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Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz:
NKR-Nr. 2084:
Gesetz zu dem Vertrag vom 2. März 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus
Der Nationale Normenkontrollrat hat den Entwurf des o.g. Gesetzes geprüft.
Mit dem Gesetz erklären der Deutsche Bundestag und der Bundesrat ihre Zustimmung zum völkerrechtlichen Vertrag, mit dem der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) errichtet wird. Der Vertrag regelt u.a. Sitz, Aufgabe, Organe des ESM, das Kapital sowie die Voraussetzungen und Verfahren für die Gewährung von Stabilitätshilfe durch den ESM an ein ESM-Mitglied. Die Kosten des ESM einschließlich der Kosten der Verwaltung werden aus den Erträgen des Kapitals gedeckt.
Im ESM-Vertrag verpflichtet sich Deutschland, sich am Gesamtbetrag des einzuzahlenden Kapitals des ESM in Höhe von 80 Milliarden Euro mit rund 22 Milliarden Euro zu beteiligen. Darüber hinaus wird eine Beteiligung am Gesamtbetrag des abrufbaren Kapitals des ESM in Höhe von 620 Milliarden Euro mit rund 168 Milliarden Euro zugesagt. Das einzuzahlende Kapital wird tranchenweise gezahlt.
Der ESM-Vertrag sieht zudem die Möglichkeit der Vertragsänderung vor, die innerstaatlich ein erneutes Ratifizierungsgesetz erfordert. Das vorliegende Ratifizierungsgesetz regelt deshalb, dass eine Erhöhung des genehmigten Kapitals des ESM und eine Änderung der dem ESM zur Verfügung stehenden Finanzhilfeinstrumente eine bundesgesetzliche Ermächtigung voraussetzen.
Die Höhe der Zahlungen Deutschlands an den ESM unterliegt nicht der Bewertung durch den Nationalen Normenkontrollrat. Von der Ratifizierung des Vertrags sind jedoch wesentliche Strukturen der Wirtschafts- und Finanzbereiche betroffen. Die Auswirkungen auf den Erfüllungsaufwand der Verwaltung können jedoch zurzeit naturgemäß nicht quantifiziert werden, da sie vom Zeitpunkt und Umfang der Inanspruchnahme des ESM abhängen.
Der Nationale Normenkontrollrat hat insoweit im Rahmen seines gesetzlichen Prüfauftrags keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben.
Dr. Ludewig Funke
Vorsitzender Berichterstatter