Europäische Kommission Brüssel, den 18. April 2007
Vizepräsidentin
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Harald Ringstorff
Sehr geehrter Herr Präsident,
vielen Dank für Ihren Brief vom 15. Dezember 2006 mit dem Beschluss des Bundesrates über den
- Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für den Bodenschutz und zur Änderung der Richtlinie 2004/35/EG (KOM (2006) 232 endg.; Ratsdok. 13388/06). *
In Übereinstimmung mit der Entscheidung der Kommission, welche die nationalen Parlamente auffordert, zu ihren Vorschlägen zu reagieren, um die Politikformulierung und Rechtsetzung auf europäischer Ebene zu verbessern, begrüßen wir diese Gelegenheit, auf Ihre Anmerkungen einzugehen. Ich füge die Stellungnahme der Kommission bei. Ich hoffe, dass diese Antwort ein wertvoller Beitrag zu Ihren eigenen Ratsverhandlungen ist.
Ich hoffe, dass wir unseren Politikdialog zukünftig weiter entwickeln.
Mit freundlichen Grüßen
Margot Wallström
Bemerkungen der Europäischen Kommission zu einer Stellungnahme des Bundesrates KOM (2006) 232 - Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für den Bodenschutz und zur Änderung der Richtlinie 2004/35/EG1 ("Vorschlag") und Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über eine "Thematische Strategie für den Bodenschutz2
Zusammenfassung der Stellungnahme des Bundesrates
- (1) Der Vorschlag der Kommission stellt eine Überregulierung dar, die dem Ziel der besseren Rechtsetzung auf EU-Ebene widerspricht und mit dem Subsidiaritätsprinzip unvereinbar ist, da die unterschiedlichen Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten in dem Vorschlag nicht ausreichend berücksichtigt werden.
- (2) Die grenzüberschreitende Wirkung von Schädigungen des Bodens kann von den Mitgliedstaaten besser bilateral geregelt werden; die Einführung von EU-Bodenschutzvorschriften würde - vor allem durch überzogene Berichts- und Kartierungspflichten - erhebliche einmalige und dauerhafte Kosten für die Behörden nach sich ziehen.
- (3) Ferner hat der Bundesrat Einwände gegen einige spezifische Bestimmungen des Kommissionsvorschlags.
Antwort der Kommission
Die Kommission möchte betonen, dass sie nach einer umfassenden Vorbereitungsphase, in der sämtliche vom Bundesrat angesprochenen Aspekte gründlich geprüft wurden, Gemeinschaftsmaßnahmen im Bereich des Bodenschutzes für notwendig erachtet. Da ein flexibles Instrument vorgeschlagen wird, das die unterschiedlichen örtlichen und regionalen Bedingungen berücksichtigt, findet der Kommissionsvorschlag einen Ausgleich zwischen der Notwendigkeit, auf Gemeinschaftsebene tätig zu werden und dem Subsidiaritätsprinzip.
Nach Auffassung der Kommission geht es bei der besseren Rechtsetzung darum, ein hohes Rechtssicherheitsniveau der in der EU zu erzielen, nicht aber in der Gemeinschaft eine Deregulierung zu bewirken oder ihren Tätigkeitsbereich einzuschränken3. Gerade mit dem Ziel einer besseren Rechtsetzung hat die Kommission vorschlagen, die Qualität ihrer Vorschläge für Rechtsakte auf folgende Weise zu verbessern: Definition von Mindestnormen für die Konsultation, Folgenabschätzung für wichtige legislative und politische Initiativen, Verstärkung der Begründung von Legislativvorschlägen und Aufnahme einer Überprüfungsklausel in die Rechtsakte4. Bei der Vorbereitung des Vorschlags hat sich die Kommission streng an diese Grundsätze gehalten. Insbesondere hat sie eine umfassende Anhörung der Beteiligten durchgeführt, deren Gegenstand und Ergebnisse in Abschnitt 1.2 der Folgenabschätzung zusammengefasst sind5.
Der Vorschlag stützt sich auf die Erfahrung derjenigen Mitgliedstaaten - einschließlich Deutschlands - die nationale Vorschriften im Bereich des Bodenschutzes erlassen haben. Der Vorschlag ist allgemeiner Natur und erstreckt sich auf die Ziele, Geltungsdauer und wesentliche Aspekte der Rechtsetzung, ohne ins Detail zu gehen; es wird den Mitgliedstaaten überlassen, die Einzelheiten zu regeln, wenn sie die Richtlinie in nationales Recht umsetzen. Es ist zu bedenken, dass weniger als ein Dutzend Mitgliedstaaten in der erweiterten Gemeinschaft auf nationaler Ebene irgendeine Form von Bodenschutzpolitik betreiben (die im Allgemeinen auf Bodenkontamination beschränkt ist). Bei der Mehrheit der Mitgliedstaaten ist dies nicht der Fall. Die großen Unterschiede zwischen den nationalen Bodenschutzregelungen, insbesondere, was die Bodenkontamination anbelangt, führen dazu, dass die Wirtschaftsteilnehmer mit sehr unterschiedlichen Verpflichtungen konfrontiert sind, die das Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigen.
Die Kommission ist der Ansicht, dass die Bodendegradation in einem Mitgliedstaaten oder einer Region grenzübergreifende Auswirkungen haben kann. Zum Beispiel kann der Verlust organischer Bodensubstanz in einem Mitgliedstaat zu CO₂-Emissionen in die Atmosphäre führen und auf diese Weise das Erreichen der Ziele des Kyoto-Protokolls durch die Gemeinschaft behindern. Der Übergang von Schadstoffen aus dem Boden in Lebens- und Futtermittelkulturen kann sich außerdem auf die Qualität von Produkten auswirken, die innerhalb des Binnenmarktes frei gehandelt werden, und somit eine Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier darstellen. Aktionen an der Quelle und auf europäischer Ebene, die die Bodenkontamination verhindern oder ihr Ausmaß reduzieren, stellen eine notwendige Zusatzmaßnahme zu den Kontrollen dar, die zur Gewährleistung der Lebens- und Futtermittelsicherheit durchgeführt werden. Aus diesen und anderen Gründen, die in der Begründung des Vorschlags dargelegt und in der Folgenabschätzung noch genauer erörtert werden (die Schädigung des Bodens wirkt sich auf andere Umweltschutzbereiche aus, in denen Gemeinschaftsvorschriften bestehen; das Eingreifen der Gemeinschaft trägt zum Schutz der Gesundheit der europäischen Bürger bei; durch Erlassen geeigneter und kohärenter Rahmenvorschriften kann die EU international eine führende Rolle übernehmen) ist die Kommission der Auffassung, dass das Problem der Bodendegradation nicht ausschließlich auf Ebene der Mitgliedstaaten gelöst werden kann und dass die Ergänzung nationaler Maßnahmen durch ein Tätigwerden der Gemeinschaft gerechtfertigt ist.
Maßnahmen der Gemeinschaft sind somit unentbehrlich um sicherzustellen, dass sämtliche Mitgliedstaaten einen Weg einschlagen, der - wie dies vom EG-Vertrag gefordert wird - letzten Endes zu einem hohen Umweltschutzniveau für den Boden führt.
In ihrer Folgenabschätzung kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass gegenüber den durch den neuen Rechtsakt bewirkten Verwaltungs- und Durchführungskosten die durch die Bekämpfung der Bodendegradation in der gesamten EU erzielten wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Vorteile deutlich schwerer wiegen Die anhand der verfügbaren Daten geschätzten Gesamtkosten der Bodendegradation durch Erosion, Verluste organischer Substanzen, Versalzung, Erdrutsche und Kontamination würden sich für die Union der 25 auf bis zu 38 Mrd. EUR jährlich belaufen. Zudem wird es den Mitgliedstaaten selbst überlassen, über die Interventionsebene zu beschließen, so dass sie ihre nationalen Verwaltungsressourcen effizienter nutzen können.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Gemeinschaft nach Auffassung der Kommission für den Bereich des Bodenschutzes zuständig ist und dass sowohl das Subsidiaritätsprinzip als auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in dem Vorschlag gewahrt werden. In Anbetracht der Art des Vorschlags ist die gewählte Rechtsgrundlage (Artikel 175 Absatz 1 EG-Vertrag) die geeignete. Darüber hinaus ist die Kommission der Auffassung, dass der Vorschlag hinsichtlich der Einzelheiten und des Anwendungsbereichs der Bestimmungen ausgewogen und zugleich so flexibel ist, dass seine Umsetzung den jeweiligen örtlichen Bedingungen der Mitgliedstaaten angepasst werden kann.
- * siehe Drucksache 696/06(B)
- 1 KOM (2006) 231 vom 22.9.2006.
- 2 KOM (2006) 232 vom 22.9.2006.
- 3 KOM (2002) 278 , 5.6.2002, p. 1.
- 4 KOM (2002) 278 , 5.6.2002, Kapitel 1.1.
- 5 SEK(2006) 620 , S. 6-8.