1. Die geforderten Änderungen im Recht der GKV (§§ 26 und 284 SGB V) lehnt die Bundesregierung aus folgenden Gründen ab:
Zunächst einmal werden mit der vorgeschlagenen Regelung in § 26 SGB V nur familienversicherte Kinder, nicht aber die erreicht, die selbst Mitglieder der GKV sind.
Der konkrete Vorschlag, die Krankenkassen in § 26 Abs. la Satz 1 - neu - SGB V gesetzlich zu verpflichten, ihre Versicherten zur Teilnahme an den jeweiligen Früherkennungsuntersuchungen für Kinder aufzufordern, wird abgelehnt. Das damit verfolgte Ziel der Vorbeugung vor Kindesvernachlässigung und -misshandlung ist keine Aufgabe der GKV. Dementsprechend darf die GKV auch nicht mit den hierfür anfallenden Kosten belastet werden.
Abzulehnen sind auch die in § 26 Abs. la Satz 2 und 3 SGB V - neu - vorgesehenen Regelungen über Datenübermittlungen zwischen Krankenkassen, Leistungserbringern und zuständigen Stellen der Länder. Derartige Mitteilungspflichten verstoßen, unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung entsprechender Normen, gegen das grundgesetzlich geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung, da sie weder geeignet noch erforderlich noch verhältnismäßig zur Erreichung des angestrebten Ziels des Schutzes des Kindeswohls sind. Darüber hinaus wird in den vorgeschlagenen Neuregelungen nicht hinreichend zwischen Einladewesen und Rückmeldesystem unterschieden. Vielmehr werden beide Instrumente vermengt und eine (nicht bestehende) logische Verknüpfung unterstellt.
Entgegen der Auffassung des Bundesrates beinhaltet die Übertragung der Aufgabe des Einladungswesens nicht zugleich die Aufgabe der Rückmeldung (s. unterschiedliche Zielsetzung), ist für das Einladewesen kein Datenaustausch erforderlich, fehlt eine Regelung, die den Krankenkassen die gesetzliche Aufgabe der Rückmeldung explizit überträgt (in § 26 Abs. la Satz 3 SGB V lediglich vorausgesetzt), weil eine Vertragsabschlusskompetenz nicht eine gesetzliche Aufgabenübertragung ersetzen kann.
Dadurch, dass der Gesetzeswortlaut nicht mit dem Gewollten (s. Begründung) übereinstimmt, kann der Regelungsinhalt der Vorschrift allenfalls durch Auslegung und Schlussfolgerung ermittelt werden.
Ohne Aufgabenzuweisungsnorm fehlt es an einer grundlegenden Voraussetzung für eine datenschutzrechtliche Folgeregelung in § 284 SGB V. Aber auch inhaltlich hält die vorgeschlagene Formulierung in § 284 SGB V datenschutzrechtlichen Anforderungen nicht Stand. In dieser bereichsspezifischen Befugnisnorm wird durch enumerative Aufzählung genau festgelegt, welche Daten die Krankenkassen für Zwecke der Krankenversicherung erheben und speichern dürfen. Datenschutzrechtliche Befugnisse und Pflichten aus (krankenversicherungsfremden) Gründen des Schutzes von Kindern vor Vernachlässigung und Misshandlung können nicht in dieser bereichsspezifischen Norm begründet werden, da sich bereichsspezifische Regelungen nur rechtfertigen lassen, wenn sie für ein Funktionieren des Systems der GKV unverzichtbar sind. Darüber hinaus werden in dem Vorschlag neben Erhebungs- und Speicherungsbefugnissen auch systemfremd Übermittlungsbefugnisse geregelt. Dies ist auf die mangelnde Differenzierung zwischen der Datenerhebungsbefugnis nach § 284 Abs. 1 SGB V und der Befugnis nach Absatz 3 dieser Vorschrift, bereits erhobene Daten zu anderen Zwecken zu verarbeiten und zu nutzen, zurückzuführen.
Die folgenden Ausführungen unter 2a) zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Zusammenhang mit dem SGB X gelten gleichermaßen auch für das SGB V.