Zu der in der Begründung A. Allgemeiner Teil Abschnitt I. angekündigten Anpassung der Asbestregelungen:
- a) Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Bundesregierung, die Vorschriften zur Verwendung und Nutzung asbesthaltiger Materialien auf den Prüfstand zu stellen und unter Berücksichtigung des heutigen Erkenntnisstandes anzupassen. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, diese Anpassung so vorzunehmen, dass sie ein unverändert hohes Schutzniveau gewährleistet und insbesondere den im Folgenden dargelegten Erfordernissen gerecht wird.
Der Bundesrat teilt die Einschätzung, dass die Asbestthematik von breiter gesellschaftlicher Bedeutung ist und über den Regelungsbereich des Gefahrstoffrechts hinausweist.
- b) Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, in Bezug auf gefährliche Stoffe in der Gebäudesubstanz Informationspflichten des Auftraggebers oder Bauherrn gegenüber dem Auftragnehmer vorzuschreiben. Er erinnert in diesem Zusammenhang an die vom Bundesrat zu der Verordnung zur Neufassung der Gefahrstoffverordnung und zur Änderung sprengstoffrechtlicher Verordnungen gefasste Entschließung vom 24. September 2010 (vergleiche BR-Drucksache 456/10(B) Teil II. Ziffer 3).
Der Bundesrat ist der Auffassung, dass es nicht einer zufälligen Kenntnis oder Unkenntnis eines Auftraggebers überlassen bleiben darf, ob ein in Bestandsbauten tätiger Handwerksbetrieb die für seine Gefährdungsbeurteilung notwendigen Informationen über das Vorhandensein von Asbest und anderen Schadstoffen erhält. Stattdessen bedarf es - auch mit Blick auf eine ordnungsgemäße Abfallentsorgung - eindeutiger Informationspflichten des Auftraggebers.
- c) Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, in den gefahrstoffrechtlichen Regelungen zur Durchführung von Tätigkeiten mit asbesthaltigen Materialien auch künftig geeignete administrative Instrumente vorzusehen wie Sachkunde-, Zulassungs- und Anzeigepflichten.
Der Bundesrat weist darauf hin, dass die von den Regelungen zu erfassenden Arbeiten täglich vielmals durchgeführt werden und die Behörden deshalb Ansatzpunkte für schnelles, wirksames und zielgenaues Handeln brauchen. Verbindliche administrative Vorgaben wie zum Beispiel die Sachkundepflicht, die fachbetriebliche Zulassung und die Anzeige von Asbesttätigkeiten gewährleisten dies, ermöglichen kurzfristige und nachdrückliche Reaktionen auf Beschwerden und Missstände und bedarfsweise behördliche Einflussnahme im Vorfeld von Arbeiten.
- d) Der Bundesrat hält es für erforderlich, Anforderungen an die Zuverlässigkeit der an asbesthaltigen Materialien arbeitenden Betriebe und der dort verantwortlichen Personen vorzuschreiben. Dies dient nicht zuletzt auch der Unterstützung verantwortungsbewusst und gesetzeskonform arbeitender Betriebe.
- e) Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die bestehenden Qualifikationsanforderungen der Gefahrstoffverordnung für Tätigkeiten an asbesthaltigen Materialien zu erhalten und unter Berücksichtigung der Diskussion in den europäischen Gremien zu ergänzen.
Tätigkeiten an asbesthaltigen Materialien können mit erheblichen Gesundheitsgefahren für die betroffenen Beschäftigten und andere, unbeteiligte Menschen verbunden sein. Dies zeigen auch die kontinuierlich hohen Fallzahlen asbestbedingter Erkrankungen und Todesfälle. Deshalb ist Aufmerksamkeit für Asbest notwendig - auch bei Arbeiten in Bestandsgebäuden - und eine breite Verankerung der Kompetenz, in entsprechenden Situationen das Richtige zu tun. In diesem Sinne hat etwa das Europäische Parlament in seiner Entschließung vom 14. März 2013 zu asbestbedingten Gefährdungen der Gesundheit am Arbeitsplatz und Aussichten auf Beseitigung von sämtlichem noch vorhandenem Asbest (2012/2065 (INI)) Qualifizierungsmaßnahmen gefordert. Auch die vom Ausschuss hoher
Arbeitsaufsichtsbeamter (SLIC) bereits 2006 in einem Leitfaden beschriebenen Anforderungen zur Umsetzung der europäischen Asbestrichtlinie weisen den Weg zu einer grundlegenden Fachkunde für alle an asbesthaltigen Materialien tätigen Personen.
- f) Der Bundesrat spricht sich dafür aus, Ausnahmen vom Verbot der Asbesttätigkeiten nicht mehr an den Begriff "ASI-Arbeiten" (Abbruch-SanierungInstandhaltung) oder ähnlich gelagerte Begriffe zu knüpfen. Soweit Ausnahmen vorgesehen werden, dürfen diese ein künftiges Entfernen asbesthaltiger Materialien nicht verhindern.
Im Sinne eines effizienten Verwaltungshandelns sollte nach Auffassung des Bundesrates aus dem Rechtstext einfach und zweifelsfrei erkennbar sein, unter welchen Voraussetzungen bestimmte gefahrstoffrechtliche Pflichten gelten. Hierfür sollten auslegungsfähige Begriffe und Sachverhalte vermieden werden, welche nach dem Alltagsverständnis oder durch Definitionen anderer Rechtsbereiche unterschiedlich interpretiert werden können. Sonst entstehen Zuordnungsprobleme, die das Handeln der Aufsichtsbehörden erschweren. Solche Zuordnungsprobleme gibt es bei den Asbestregelungen der Gefahrstoffverordnung derzeit besonders beim Begriff der "ASI-Arbeiten".
- g) Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, Art und Umfang der gefahrstoffrechtlichen Pflichten bei Tätigkeiten an asbesthaltigen Materialien am Risikopotenzial der Tätigkeiten auszurichten.
Wo viel Asbeststaub freigesetzt werden kann, sind nach Einschätzung des Bundesrates strenge Anforderungen nötig, weil Fehler bei der Ausführung von Tätigkeiten dann schwerwiegende Folgen für die Gesundheit von Menschen hätten. Geringere Anforderungen kann es geben, wenn Arbeiten zuverlässig im Bereich eines akzeptablen Risikos gestaltbar sind. In dieser Weise risikogesteuerte Regelungen unterstützen auch ein verantwortungsbewusstes Handeln der Arbeitgeber.
Der Bundesrat ist der Auffassung, dass der bislang bestehende Regelungsbezug auf die Kategorien "fest gebunden" und "schwach gebunden" nur unzureichend geeignet ist, die Gefährlichkeit einer Tätigkeit an einem asbesthaltigen Material zu beschreiben. Vielmehr kann eine Bearbeitung auch bei sogenannten fest gebundenen Materialien zu einer erheblichen
Freisetzung von Asbestfasern führen. Auch ist das Ziel einer Tätigkeit - zum Beispiel "Instandhaltung" - in der Regel kein geeigneter Anknüpfungspunkt für das Vorschreiben von Schutzmaßnahmen, da das Ausmaß einer Freisetzung von Asbeststaub nicht vom Tätigkeitsziel, sondern vom bearbeiteten Material und vom Bearbeitungsverfahren abhängt.
- h) Der Bundesrat unterstreicht die Notwendigkeit, für Tätigkeiten an asbesthaltigen Materialien an der bestehenden Vorgabe festzuhalten, wonach die Ausbreitung asbesthaltigen Staubs zu verhindern ist und im Arbeitsbereich nach Abschluss der Tätigkeiten keine Gefährdung durch Asbest mehr bestehen darf.
Mit den Schutzvorschriften der Gefahrstoffverordnung soll neben dem Schutz der Beschäftigten auch erreicht werden, dass aus den Tätigkeiten mit Gefahrstoffen keine Gefährdung anderer Personen oder der Umwelt resultieren.
- i) Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die Einhaltung des Standes der Technik zur Verhinderung der Ausbreitung asbesthaltigen Staubes auch dann vorzuschreiben, wenn Privatpersonen Tätigkeiten an asbesthaltigen Materialien durchführen.
Gefahren für Menschen und Umwelt können auch eintreten, wenn solche Tätigkeiten von Privatpersonen durchgeführt werden.