Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 28. Oktober 2009 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 21. Oktober 2009 dem Bundesrat zugeleitet.
Die Vorlage ist von der Kommission am 21. Oktober 2009 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.
Hinweis: vgl.
Drucksache 803/07 (PDF) = AE-Nr. 070860 und
Drucksache 498/08 (PDF) = AE-Nr. 080518
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen
Solidarität im Gesundheitswesen: Abbau gesundheitlicher Ungleichheit in der EU (Text von Bedeutung für den EWR
1. Chancengleichheit und Solidarität im Gesundheitswesen
Die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union leben im Durchschnitt länger und gesünder als frühere Generationen. Gleichwohl steht die EU vor einer bedeutenden Herausforderung, nämlich den großen Unterschieden im Gesundheitszustand der Bevölkerung zwischen und in den Mitgliedstaaten. Zudem gibt es Anzeichen dafür, dass diese Schere noch weiter auseinandergeht. Die gestiegene Arbeitslosigkeit und die Ungewissheit, die sich aus der derzeitigen Wirtschaftskrise ergeben, haben diese Situation weiter verschlechtert. Mit der vorliegenden Mitteilung wird die notwendige Diskussion darüber eingeleitet, wie mögliche flankierende Maßnahmen zu definieren sind, mit denen die EU die Maßnahmen der Mitgliedstaaten und Interessengruppen zur Bewältigung dieses Problems unterstützen könnte.
Die EU-Organe und viele Interessengruppen haben sich auch im Rahmen der Konsultation zu dieser Mitteilung über Ausmaß und Folgen der gesundheitlichen Ungleichheit - sowohl in als auch zwischen den Mitgliedstaaten - besorgt geäußert. Im Juni 2008 betonte der Europäische Rat, wie wichtig es ist, die Schere in Bezug auf Gesundheit und Lebenserwartung in und zwischen den Mitgliedstaaten zu schließen.1 In der EU-Gesundheitsstrategie2 von 2007 wurde die Absicht der Kommission dargelegt, die Arbeit zur Verringerung gesundheitlicher Ungleichheit fortzusetzen. Dies wurde auch in der Mitteilung von 2008 über eine erneuerte Sozialagenda3 bekräftigt, in der die sozialen Grundwerte Europas - Chancengleichheit, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität - wiederholt und eine Mitteilung der Kommission zum Thema gesundheitliche Ungleichheit angekündigt wurden.
Die Kommission betrachtet das Ausmaß der gesundheitlichen Ungleichheit zwischen Menschen, die in verschiedenen Teilen der EU leben, sowie zwischen den sozial benachteiligten und den bessergestellten EU-Bürgerinnen und -Bürgern als eine Herausforderung an ihr Engagement für Solidarität, sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhalt, Menschenrechte und Chancengleichheit. Deshalb ist die Kommission entschlossen die Mitgliedstaaten und Interessengruppen bei der Bekämpfung dieser Ungleichheit zu unterstützen und ergänzende Maßnahmen zu treffen.
2. Gesundheitliche Ungleichheit in der EU
Zwar hat sich der Gesundheitszustand der EU-Bürgerinnen und -Bürger im Durchschnitt in den letzten Jahrzehnten stetig verbessert, doch gibt es noch immer gesundheitliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Teilen der EU sowie zwischen den am besten gestellten und den benachteiligtsten Bevölkerungsgruppen. In manchen Fällen haben sich diese sogar vergrößert. Todesfälle bei Kleinkindern unter einem Jahr sind in manchen EUMitgliedstaaten fünfmal so häufig wie in anderen; die Lebenserwartung unterscheidet sich bei Männern um 14 Jahre, bei Frauen um 8 Jahre. Auch zwischen verschiedenen Regionen, städtischen und ländlichen Gebieten bestehen große gesundheitliche Disparitäten.
In der gesamten EU gibt es ein soziales Gefälle in Bezug auf den Gesundheitszustand.
Menschen mit niedrigerem Bildungsstand, geringerer beruflicher Qualifikation und geringerem Einkommen sterben in der Regel jünger und weisen bei den meisten Gesundheitsstörungen eine höhere Prävalenz auf.4 Arbeiter, die vorwiegend manuelle oder repetitive Routineaufgaben ausführen, weisen einen schlechteren Gesundheitszustand auf als diejenigen die keine manuelle und weniger repetitive Arbeit leisten. Die Unterschiede der Lebenserwartung bei der Geburt betragen zwischen den niedrigsten und den höchsten sozioökonomischen Gruppen bei Männern 10 und bei Frauen 6 Jahre. Es gibt auch eine wichtige geschlechtsspezifische Dimension: Frauen leben länger als Männer, verbringen aber einen größeren Teil ihres Lebens in schlechtem Gesundheitszustand.
Benachteiligte und sozial ausgegrenzte Bevölkerungsgruppen, beispielsweise solche mit Migrationshintergrund oder ethnische Minderheiten, behinderte Menschen oder Obdachlose weisen im Durchschnitt einen besonders schlechten Gesundheitszustand auf.5 So haben zum Beispiel Roma eine um schätzungsweise 10 Jahre geringere Lebenserwartung als die Gesamtbevölkerung.6 Zu den Gründen für den schlechten Gesundheitszustand zählen ärmliche Wohnverhältnisse, schlechte Ernährung und mangelndes Gesundheitsbewusstsein sowie Diskriminierung, Stigmatisierung und Hürden beim Zugang zu Gesundheits- und anderen Dienstleistungen.7
Gesundheitliche Ungleichheit beruht auf Unterschieden zwischen Bevölkerungsgruppen bei einer ganzen Reihe von Faktoren, die die Gesundheit beeinflussen. Dazu gehören Lebensbedingungen, Gesundheitsverhalten, Bildungsstand, Beruf und Einkommen, Gesundheitsversorgung, Präventions- und Gesundheitsförderungsleistungen sowie die öffentliche Politik, die die Qualität, Quantität und Verteilung dieser Faktoren beeinflusst.
Gesundheitliche Ungleichheit beginnt bei der Geburt und setzen sich bis ins höhere Lebensalter fort. Ungleichheit, die ein junger Mensch beim Zugang zu Bildung, Beschäftigung und Gesundheitsversorgung erfährt, ebenso wie solche in Bezug auf Geschlecht und Rasse, kann über das ganze Leben entscheidenden Einfluss auf seinen Gesundheitszustand haben. Durch die Verbindung von Armut mit anderen Faktoren wie Alter (Kinder, ältere Menschen), Behinderung oder Zugehörigkeit zu einer Minderheit werden die Gesundheitsrisiken noch verstärkt.
Die Unterschiede beim Gesundheitszustand hängen jedoch von einer ganzen Reihe sozioökonomischer Faktoren ab.8 Die wirtschaftlichen Bedingungen können viele Aspekte der Lebensbedingungen beeinflussen, die sich wiederum auf die Gesundheit auswirken. In manchen Gebieten der EU fehlt es immer noch an grundsätzlichen Dingen wie ausreichender Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung. Auch unterscheiden sich kulturelle Faktoren, die Lebensstil und Gesundheitsverhalten betreffen, deutlich zwischen verschiedenen Regionen und Bevölkerungsgruppen. Viele Regionen, insbesondere in den neuen Mitgliedstaaten, ringen darum, ihrer Bevölkerung die dringend benötigte Gesundheitsversorgung zu bieten. Behindert wird der Zugang zur Gesundheitsversorgung manchmal durch fehlende Krankenversicherung, hohe Kosten für die Versorgung, fehlendes Wissen über angebotene Gesundheitsleistungen sowie durch Sprach- und Kulturbarrieren.
Einigen Studien zufolge nutzen ärmere Schichten bei gleichem medizinischem Bedarf die gesundheitliche Versorgung weniger als Bessergestellte.
Da gesundheitliche Ungleichheit nicht einfach auf Zufall beruht, sondern in hohem Maße vom Handeln von Einzelpersonen, Regierungen, Interessenträgern und Gemeinschaften abhängt, ist sie nicht unvermeidbar. Will man gesundheitliche Ungleichheit verringern, so muss man diejenigen Faktoren in Angriff nehmen, die Ungleichheit im Gesundheitszustand der Bevölkerung fördern, vermeidbar und auf politischer Ebene beeinflussbar sind.
3. Laufende flankierende Massnahmen Der EU
Im Jahre 2006 nahm der Rat Schlussfolgerungen zum Thema "Gemeinsame Werte und Prinzipien in den EU-Gesundheitssystemen" an, in denen er auf das übergeordnete Ziel verweist gesundheitliche Ungleichheit abzubauen.9 Die Verbesserung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung, zu Präventions- und Gesundheitsförderungsleistungen können sicher einen Teil der gesundheitlichen Ungleichheit abmildern, wie dies auch in der EU-Gesundheitsstrategie festgestellt wurde. Der Beitrag zum Abbau gesundheitlicher Ungleichheit sollte über die Umsetzung von Initiativen sichergestellt werden, zu denen die Empfehlung des Rates zur Krebsvorsorge, die Mitteilung über Telemedizin10, die Mitteilung über Sicherheit für die Patienten11 oder der Vorschlag für eine Richtlinie über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung gehören.
Der Abbau gesundheitlicher Ungleichheit gehört zu den Kernaktionen der EU-Gesundheitsstrategie (2008-2013), mit der Gleichheit in der Gesundheit als Grundwert genannt wurde. Dies hat auch zu einer Berücksichtigung gesundheitlicher Ungleichheit in Themenbereichen wie psychische Gesundheit, Tabak, Jugend, Krebs und HIV/AIDS geführt.
Über das EU-Programm für öffentliche Gesundheit wurde die Bestimmung und Entwicklung von Maßnahmen unterstützt, mit denen gesundheitliche Ungleichheit verringert werden soll.
Dazu gehört auch ein europäisches Verzeichnis bewährter Verfahren.12 Es wurden bereits erste Schritte unternommen, um die Datensammlung und die Vernetzung von Mitgliedstaaten und wichtigsten Interessengruppen zu verbessern.
Mittels der offenen Koordinierungsmethode (OKM Soziales)13 für Sozialschutz und soziale Eingliederung haben sich die EU-Mitgliedstaaten auf das Ziel verständigt, Unterschiede im Gesundheitszustand der Bevölkerung in Angriff zu nehmen. Dies wird durch eine Reihe gemeinsamer Indikatoren auf der Grundlage der Arbeiten von Eurostat zu Statistiken zur öffentlichen Gesundheit unterstützt.. Die Auswertung der nationalen Strategieberichte der Mitgliedstaaten über Sozialschutz und soziale Eingliederung auf EU-Ebene hat dazu beigetragen die Debatte und Maßnahmen in den Mitgliedstaaten anzustoßen. Auf EU-Ebene arbeitet seit 2005 eine Sachverständigengruppe daran, die Erkenntnisse zu prüfen und Informationen über Politik und Praxis auszutauschen.14 Im Rahmen der EU-Gesundheitsprogramme wurde eine Reihe von Initiativen zum Thema gesundheitliche Ungleichheit unterstützt. Die Forschungsrahmenprogramme (derzeit 7. RP) liefern wichtige Unterstützung für die Forschung in diesem Bereich. Es gibt eine Vielzahl von Aktionsprogrammen, wie das Gesundheitsprogramm und das Gemeinschaftsprogramm für Beschäftigung und soziale Solidarität PROGRESS15, Finanzierungsstudien, Beispiele bewährter Verfahren und politische Innovationen.
Auch andere Bereiche der EU-Politik können dazu beitragen, gesundheitliche Ungleichheit zu verringern. Darum geht es auch in den Herausforderungen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, die in der EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung genannt werden.16 Das Ziel einer größeren Verteilungsgerechtigkeit im Gesundheitswesen wird durch die in der Lissabon-Strategie verankerten übergeordneten Ziele der EU verstärkt, Wirtschaftswachstum bei gleichzeitiger sozialer Solidarität zu schaffen. Die EU-Rechtsvorschriften in den Bereichen Arbeitsrecht sowie Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz tragen dazu bei, die Zahl der Unfälle am Arbeitsplatz und der berufsbedingten Erkrankungen zu senken. Die EU-Umweltpolitik und die Marktpolitik im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik unterstützen ein breites Spektrum von Initiativen, die zur Verbesserung der Gesundheit beitragen können.
Die EU leistet durch die Kohäsionspolitik und den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums finanzielle Unterstützung, die dazu verwendet werden kann die Unterschiede zwischen den Regionen abzubauen, indem in Faktoren investiert wird, die gesundheitlicher Ungleichheit zugrunde liegen, wie Lebensbedingungen, Ausbildung und Beschäftigung, Verkehr, Technologien, Gesundheitswesen und soziale Infrastruktur. Weitere Erwägungen zu den Beiträgen bestehender EU-Strategien sind in der Folgenabschätzung enthalten die diese Mitteilung begleitet.
4. Massnahmen zur Verringerung gesundheitlicher Ungleichheit: Ein kooperativer Ansatz
Es besteht weiterer Handlungsbedarf, weil die gesundheitliche Ungleichheit in der EU zunimmt und sich ausweitet wird und weil negative Folgen für Gesundheit, sozialen Zusammenhalt und wirtschaftliche Entwicklung zu befürchten sind, wenn sie nicht wirksam bekämpft wird. Die bisherigen Maßnahmen haben offenbar nur geringe Wirkung gezeigt, und es besteht das Risiko, dass sich die Kluft aufgrund der jüngsten Wirtschaftskrise noch vergrößert. Weiterhin ist ein hohes Gesundheitsniveau in allen Bevölkerungsgruppen im Zusammenhang mit der alternden Bevölkerung der EU von entscheidender Bedeutung, um zur Nachhaltigkeit der Sozialschutzsysteme beizutragen.
Zwar liegt die Zuständigkeit für die Gesundheitspolitik grundsätzlich bei den Mitgliedstaaten, es verfügen aber nicht alle über die gleichen Ressourcen, Instrumente oder Fachkenntnisse, die für die Bekämpfung der verschiedenen Ursachen der gesundheitlichen Ungleichheit erforderlich sind. Die Europäische Kommission kann einen Beitrag leisten, indem sie bei den entsprechenden Politikbereichen und Maßnahmen auf die Berücksichtigung der Faktoren achtet die gesundheitliche Ungleichheit in der EU-Bevölkerung erzeugen oder dazu betragen.
Die EU sollte die verfügbaren Mechanismen und Instrumente möglichst wirksam dafür einsetzen. Sie kann beispielsweise eine wichtige Rolle bei der Sensibilisierung, der Förderung und Unterstützung des Informations- und Wissensaustausches zwischen den betreffenden Mitgliedstaaten spielen. Dies gilt ebenso für die Identifizierung und Verbreitung bewährter Verfahren und Hilfen bei der Konzeption maßgeschneiderter Politikansätze für die spezifischen Probleme in den Mitgliedstaaten oder für bestimmte soziale Gruppen. Die EU sollte auch den Fortschritt bei der Umsetzung solcher politischer Strategien überwachen und bewerten.
5. Hauptprobleme
Die bisherigen Erfahrungen deuten darauf hin, dass wir vor einer Reihe von Herausforderungen stehen, denen wir uns stellen müssen, um die Verringerung gesundheitlicher Ungleichheit verstärkt voranzutreiben.
Verteilungsgerechtigkeit im Gesundheitsbereich als Teil allgemeiner wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung
Im Allgemeinen wird Gesundheit mit Wohlstand in Verbindung gebracht. Nach diversen Indexzahlen verzeichnen wohlhabendere Länder und Regionen im Durchschnitt einen besseren Gesundheitszustand der Bevölkerung. Dies ist jedoch nicht durchgängig der Fall.
Stehen mehr wirtschaftliche Ressourcen bereit, so ist das Potenzial größer, die Gesundheit zu erhalten und zu verbessern. Die trifft allerdings nur dann zu, wenn diese Ressourcen auch wirksam eingesetzt werden. Es ist klar, dass nicht alle Gruppen gleichermaßen vom wirtschaftlichen Fortschritt profitiert haben. Wichtig ist, die Rahmenbedingungen für allgemeine wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu schaffen, die zu größerem Wirtschaftswachstum, mehr Solidarität, besserem Zusammenhalt und besserer Gesundheit führen. Die Strukturfonds der EU müssen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielen.
In der Agenda von Lissabon wurden die Ziele verankert, sowohl Wirtschaftswachstum als auch größeren sozialen Zusammenhalt zu fördern. Derzeitiges Maß für die Überwachung der Fortschritte der Agenda von Lissabon im Gesundheitsbereich ist der Indikator "gesunde Lebensjahre". Es sollte überlegt werden, ob mit einer zuverlässigen Überwachung von Indikatoren für gesundheitliche Ungleichheit die Messung der sozialen Dimension erreicht werden kann.
Verbesserung der Daten- und Wissensbasis sowie der Mechanismen zur Messung, Überwachung und Berichterstattung
Die Messung gesundheitlicher Ungleichheit ist der erste Schritt für wirksame Maßnahmen.
Zwar gibt es in einigen Bereichen zuverlässige Erkenntnisse, doch bedarf es detaillierterer Informationen über Auswirkungen und Bedeutung verschiedener Gesundheitsfaktoren, um in Bezug auf bestimmte Bevölkerungsgruppen und Faktoren wirksame Maßnahmen durchführen zu können.
Auch werden mehr Informationen über die Wirksamkeit der Strategien zur Bekämpfung der Ungleichheiten benötigt. Obwohl umfangreiche Forschungsarbeiten über die Wirksamkeit von Interventionen im Bereich der öffentlichen Gesundheit bzw. über die Wirkung anderer Politikbereiche und Maßnahmen auf die Gesundheit vorliegen, ist nur ein kleiner Teil speziell darauf überprüft worden, welche unterschiedlichen gesundheitlichen Auswirkungen die Interventionen auf verschiedene soziale Gruppen oder Gebiete haben. Noch begrenzter sind Angaben zur Bewertung der Auswirkungen der politischen Maßnahmen außerhalb des Bereichs der öffentlichen Gesundheit.
Das Fehlen allgemein verfügbarer und vergleichbarer EU-Daten und Forschungsergebnisse für die gesamte EU stellt ein Hindernis dar für die Bewertung der aktuellen Sachlage, das Überdenken politischer Prioritäten, das Erstellen von Vergleichen, das Ableiten vorbildlicher Verfahren und die Umschichtung von Mitteln in Bereiche, in denen sie am dringendsten gebraucht werden. Jetzt und künftig auf EU-Ebene vorliegende Daten - insbesondere aufgrund der vollständigen Durchführung von EU-Erhebungen wie der EU-Erhebung über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC), der Europäischen Gesundheitsumfrage und der EU-Umfrage über Behinderung sowie der Verordnungen in allen Bereichen der Gesundheitsstatistik - sollten dazu verwendet werden, Maßzahlen für gesundheitliche Ungleichheit zu entwickeln, die zeitliche und geografische Vergleiche in der ganzen EU ermöglichen. Auch sollte für die Kohärenz mit anderen internationalen Datenbeständen gesorgt werden.
Die Ursachen gesundheitlicher Ungleichheit unterscheiden sich zwischen den Mitgliedstaaten und den einzelnen Bevölkerungsgruppen. Die Mitgliedstaaten sollten sich darum bemühen, in enger Zusammenarbeit mit der Kommission eine Reihe gemeinsamer allgemeiner Indikatoren zur Überwachung gesundheitlicher Ungleichheit und ein Verfahren zur Prüfung des Gesundheitszustandes in den Mitgliedstaaten zu entwickeln, mit dem verbesserungswürdige Bereiche und bewährte Verfahren bestimmt und die erforderlichen Schwerpunkte gesetzt werden können. Die Kommission könnte die Mitgliedstaaten unterstützen, indem sie auf der Grundlage der vorhandenen Informationen Analysen und Unterstützung anbietet. Dies könnte den Mitgliedstaaten bei der Konzeption, Schwerpunktsetzung und Umsetzung effizienterer und wirksamerer Strategien helfen, die ihrer jeweiligen Situation angepasst sind. Weiterhin könnten sie die bestehenden EU-Instrumente besser für ihre Maßnahmen nutzen.
Die Unterstützung von Pilot- und Partnerschaftsprojekten sowie Peer-Review-Programmen könnte den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung solcher Strategien helfen. Peer Reviews sollten die Überprüfung bestehender Strategien, Programme und institutioneller Regelungen umfassen die als bewährte Verfahren erkannt wurden.
Maßnahmen auf EU-Ebene:
Engagement in allen Bereichen der Gesellschaft Gesundheitliche Ungleichheit abzubauen bedeutet, die Gesundheit der Menschen im Alltag, am Arbeitsplatz, in der Schule und in der Freizeit zu beeinflussen. Darüber hinaus spielen in vielen Ländern neben den nationalen auch regionale Behörden eine wichtige Rolle im Gesundheitswesen und bei den Gesundheitsleistungen; sie müssen deshalb aktiv eingebunden werden. Das Gesundheitswesen muss eine Schlüsselrolle spielen, indem es einen gerechten Zugang zur Gesundheitsversorgung sicherstellt und Angehörige der Gesundheitsberufe und aus anderen Bereichen beim Wissenserwerb und in der Weiterbildung unterstützt. Auch lokale Regierungsstellen, das Arbeitsumfeld und andere Interessengruppen können einen entscheidenden Beitrag leisten.
Die Verbesserung des Informations- und Wissensaustauschs sowie der Koordinierung der Strategien zwischen den verschiedenen staatlichen Ebenen und über mehrere Bereiche (Gesundheitswesen, Beschäftigung, Sozialschutz, Umwelt, Bildung, Jugend und regionale Entwicklung) kann zu wirksameren Maßnahmen sowie zu größeren und nachhaltigeren Effekten führen. Zudem bedarf es wirksamerer Partnerschaften mit den Beteiligten, die dazu beitragen können, Maßnahmen zu verschiedenen sozialen Faktoren zu fördern und damit die Gesundheitsergebnisse zu verbessern.
Dies ist ein Bereich, in dem die Mitgliedstaaten voneinander lernen können, wenn sie ihre eigenen politischen Strategien entwerfen. Die EU kann durch verstärkte Koordinierungsmechanismen helfen und den Austausch von Informationen und bewährten Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten und den Interessengruppen erleichtern. Initiativen wie das EU-Forum zur Gesundheitspolitik, die EU-Partnerschaft gegen Krebs, das Forum für Alkohol und Gesundheit, die EU-Plattform für Ernährung, Bewegung und Gesundheit sind wichtige Instrumente im Rahmen der Agenda zur Bekämpfung gesundheitlicher Ungleichheit.
Die Kommission hat die Absicht geäußert17, im Rahmen der OKM Soziales verstärkt Peer Reviews und die Finanzierung durch PROGRESS einzusetzen sowie Zielvorgaben für den Gesundheitszustand zu prüfen, um durch fortgesetztes Engagement die gemeinsamen Ziele zu erreichen.
Die Kommission wird auch das Interesse aufgreifen, das der Ausschuss der Regionen bei der Anhörung zu dieser Mitteilung geäußert hat, und strebt an, gesundheitliche Ungleichheit in den Mittelpunkt der regionalen Kooperationsvereinbarungen im Gesundheitsbereich zu stellen.
Maßnahmen auf EU-Ebene:
Eingehen auf die Bedürfnisse besonders schutzbedürftiger Gruppen
Die Bewältigung gesundheitlicher Ungleichheit verlangt politische Strategien, die Maßnahmen zum Abbau des Gesundheitsgefälles in der gesamten Gesellschaft enthalten sowie Maßnahmen, die speziell auf besonders schutzbedürftige Gruppen zugeschnitten sind.
Besondere Aufmerksamkeit muss den Bedürfnissen von Menschen in Armut, benachteiligten Einwanderer- und ethnischen Minderheitengruppen, Menschen mit Behinderungen, älteren Menschen und Kindern in Armut geschenkt werden. Bei einigen Gruppen kann die Frage der gesundheitlichen Ungleichheit, mit der ein eingeschränkter Zugang zu adäquater Gesundheitsversorgung einhergeht, als Faktor eingestuft werden, der auch ihre Grundrechte berührt.
In der Charta der Grundrechte der Europäischen Union wird das Recht auf soziale Unterstützung und eine Unterstützung für die Wohnung, die allen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, ein menschenwürdiges Dasein sicherstellen sollen, das Recht auf Zugang zur Gesundheitsvorsorge und auf ärztliche Versorgung und das Recht auf gesunde Arbeitsbedingungen festgehalten. In der Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes werden mehrere zentrale Rechte der Kinder im Hinblick auf Grundbedürfnisse angegeben die wiederum den Gesundheitszustand beeinflussen, und in der UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen wird das Recht des Zugangs dieser Menschen zur Gesundheitsversorgung beschrieben. Das Thema gesundheitliche Ungleichheit gehört ebenfalls zu den vier Prioritäten der Kommissionsinitiative "Jugend und Gesundheit", die 2009 gestartet wurde.
Demografische Veränderungen und die Alterung unserer Gesellschaften bringen neue Herausforderungen im Bereich der Gesundheit mit sich.
Der Rat hat festgestellt, dass zusätzliche Maßnahmen für die Gesundheit von Migranten, Roma18 und benachteiligten Jugendlichen19 erforderlich sind. Die Kommission ist dabei, ein Pilotprojekt zur Einbeziehung der Roma zu starten, in dem es um das Thema Gesundheit gehen und integrierte Maßnahmen in den Bereichen Bildung, Soziales und Wirtschaft sowie eine grenzüberschreitende Kooperation geben wird.
Die Nutzung der Kohäsionspolitik und der damit verbundenen Strukturfonds sollte weiter ausgebaut werden, um die Gesundheit besonders schutzbedürftiger Gruppen wie der Roma zu fördern.
Maßnahmen auf EU-Ebene:
Weiterentwicklung des Beitrags der EU-Politik
Wie bereits im Abschnitt 3 erwähnt, gibt es eine Reihe von EU-Politikbereichen, die direkt oder indirekt zur Bewältigung gesundheitlicher Ungleichheiten beitragen können. Auf Gemeinschaftsebene existieren einige Instrumente, die für diesen Zweck genutzt werden könnten. Der Beitrag der EU-Politikbereiche ist ausbaufähig: ein besseres Verständnis ihrer Auswirkungen auf die Gesundheit und eine stärkere Verzahnung dieser Bereiche können erreicht werden. Auf diese Weise wären eine bessere Schwerpunktsetzung und eine effizientere Verwendung bestehender Instrumente möglich.
Zwar besteht ein allgemeines Einvernehmen im Hinblick auf das Ziel, gesundheitliche Ungleichheit abzubauen, doch gibt es erhebliche Unterschiede im Grad des Problembewusstseins und im Handlungsumfang. Mehr als die Hälfte der EU-Mitgliedstaaten legt keinen politischen Schwerpunkt auf die Verringerung gesundheitlicher Ungleichheit, und es fehlt an umfassenden sektorübergreifenden Strategien20. Außerdem mangelt es bei den umgesetzten Maßnahmen an Bewertung und Verbreitung, so dass die Kenntnis über die Wirksamkeit der Strategie begrenzt bleibt. Die EU kann dabei die Aufgabe übernehmen, die Koordinierung der politischen Maßnahmen zu verbessern und den Austausch bewährter Verfahren zu fördern.
Mit den verschiedenen politischen Strategien der Kommission sollten die Mitgliedstaaten weiter darin unterstützt werden, einen gerechteren Zugang zu hochwertiger Gesundheitsversorgung bzw. zu hochwertigen Präventions- und Gesundheitsförderungsleistungen zu schaffen. Die EU könnte bei der Förderung einer besseren Kooperation von Gesundheitssystemen eine Rolle spielen, wie dies im Vorschlag für eine Richtlinie über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung vorgesehen wurde. Sie könnte ebenfalls dazu beitragen, die Herausforderungen besser zu verstehen, vor denen die Gesundheitssysteme in der EU im Hinblick auf die in diesem Bereich tätigen Personen stehen, und Lösungen anbieten. Ein weiterer Bereich, in dem die EU einen Beitrag leisten könnte, besteht in der Bewertung des effizienten Einsatzes neuer Technologien im Gesundheitsbereich.
Die EU-Kohäsionspolitik spielt eine wichtige Rolle beim Erreichen der Lissabon-Ziele im Hinblick auf den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt und kann ein wirksames Mittel zur Bewältigung gesundheitlicher Ungleichheit sein. In den strategische Leitlinien der Gemeinschaft werden die Verwendungsmöglichkeiten der Mittel für gesundheitsrelevante Maßnahmen genannt. Die Mitgliedstaaten haben für den Zeitraum 2007-2013 rund 5 Mrd. EUR (1,5 % der verfügbaren Gesamtsumme) aus den Kohäsionsfonds für das Gesundheitswesen zur Verfügung gestellt. Um die Fördermöglichkeiten der Kohäsionspolitik für den Abbau gesundheitlicher Ungleichheit stärker zu nutzen, sind erforderlich: bessere Kenntnisse über die Nutzungsmöglichkeiten der Fonds in diesem Bereich, verbesserte Koordinierung der einzelstaatlichen Dienststellen und bessere fachliche Fähigkeiten zur Entwicklung von Investitionen auf diesem Gebiet. Es sollten Anstrengungen unternommen werden für den nächsten Programmzeitraum die Priorität der Gesundheit auszubauen und die strategischen Dokumente der EU-Kohäsionspolitik besser mit den Schwerpunkten der OKM Soziales abzustimmen.
Die einzelstaatliche Umsetzung des Gemeinschaftsrechts zur Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz und die Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2007-2012 bieten die Möglichkeit, gesundheitliche Ungleichheit in der EU zu verringern, indem die Gesundheit der Arbeitnehmer geschützt und die negativen Auswirkungen einiger Gesundheitsfaktoren gemildert werden. Stärkere Aufmerksamkeit sollte der gesundheitlichen Ungleichheit im Kontext der Förderung der Chancengleichheit von Männern und Frauen geschenkt werden.
Gegenwärtig werden nur wenige politische Maßnahmen der EU nach ihrer Umsetzung im Hinblick auf Auswirkungen auf die gesundheitliche Ungleichheit bewertet. Auf bestehenden Arbeiten aufbauend muss die Entwicklung von Mechanismen verstärkt gefördert werden, mit denen gesundheitliche Auswirkungen existierender politischer Maßnahmen (ex post) auf die einzelnen Bevölkerungsgruppen bewertet und Schlussfolgerungen für die weitere Entwicklung der Politik gezogen werden können. Solche Mechanismen können jedoch keine Standardlösung bieten und würden auf bewährten Verfahren beruhen, die in den Mitgliedstaaten entwickelt wurden. Weiterhin kann die EU bestehende Berichte wie den Kohäsionsbericht, den Beschäftigungsbericht und den Lissabon-Bericht nutzen, um die Beziehungen zwischen den politischen Maßnahmen und den Gesundheitsergebnissen in der EU und den einzelnen Bevölkerungsgruppen zu analysieren.
Die EU sieht es auch als ihre Aufgabe an, andere Länder in Gesundheitsfragen und verwandten Bereichen zu unterstützen. Der WHO-Ausschuss für soziale Gesundheitsfaktoren21 hat kürzlich die enormen gesundheitlichen Disparitäten zwischen Ländern und sozialen Gruppen weltweit beschrieben und zu gemeinsamen Aktionen auf allen staatlichen Ebenen aufgerufen, um sie zu beseitigen. Die Aktivitäten der EU können die Gesundheit in Drittstaaten auf verschiedene Weise beeinflussen. Dazu zählen auch der Handel, die Entwicklungshilfe, die Arbeit mit internationalen Organisationen und der Austausch von Wissen. Die Erfahrungen der EU aus der Zusammenarbeit mit Bekämpfung gesundheitlicher Ungleichheit können auch außerhalb der EU von Bedeutung sein. Es sollten daher mögliche Synergien untersucht werden, die sich zwischen der Entwicklungshilfe der Kommission und der Arbeit innerhalb der EU zu gesundheitlichen Ungleichheiten ergeben könnten. Die EU sollte in diesem Bereich auch mit den entsprechenden internationalen Organisationen zusammenarbeiten.
Maßnahmen auf EU-Ebene:
6. Weitere Schritte
Der Abbau gesundheitlicher Ungleichheit ist ein langfristiger Prozess. Die Maßnahmen, die in dieser Mitteilung genannt werden, zielen darauf ab, einen Rahmen für ein nachhaltiges Handeln in diesem Bereich zu schaffen. Die Kommission beabsichtigt, auf der Grundlage der vorliegenden Mitteilung und der zukünftigen Erörterungen im Rat, aktiv mit den Mitgliedstaaten und den Interessengruppen zusammenzuarbeiten. Ein erster Fortschrittsbericht zur aktuellen Lage soll 2012 verfasst werden.
- 1 http://tinyurl.com/n2xl6b
- 2 KOM (2007) 630.
- 3 KOM (2008) 412.
- 4 Health inequalities: Europe in profile. Mackenbach J., 2006.
- 5 SEK(2006) 410.
- 6 SEK(2008) 2172.
- 7 Breaking the barriers: Romani women and access to public health care. Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, 2003.
- 8 Bilanz der Fortschritte zur Verwirklichung der Ziele der europäischen Strategie für Sozialschutz und soziale Eingliederung, 2008.
- 9 ABl. C 146 vom 22.6.2006, S. 1.
- 10 KOM (2008) 689.
- 11 KOM (2008) 836.
- 12 European Directory of Good Practices to reduce health inequalities (Europäisches Verzeichnis bewährter Verfahren zur Verringerung gesundheitlicher Ungleichheiten); http://tinyurl.com/ybrpdy2
- 13 KOM (2005) 706.
- 14 http://tinyurl.com/dmycvx
- 15 ABl. L 354 vom 31.12.2008, S. 70.
- 16 Rat der Europäischen Union, Dok. 10117/06 vom 9.6.2006.
- 17 KOM (2008) 418.
- 18 Schlussfolgerungen des Rates zur Einbeziehung der Roma. http://tinyurl.com/kne9s5 (http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/09/st10/st10394.de09.pdf ).
- 19 Entschließung des Rates vom 20. November 2008 zur Gesundheit und zum Wohlbefinden junger Menschen.
- 20 SEK(2006) 410.
- 21 Commission on Social Determinants of Health, Abschlussbericht, WHO, 2008.
- 22 Aktuelles Mandat unter http://ec.europa.eu/regional_policy/sources/docoffic/2007/osc/l_291061021de00110032.pdf