KOM (2004) 718 endg.; Ratsdok. 13852/04
Der Bundesrat hat in seiner 807. Sitzung am 17. Dezember
gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende
Stellungnahme beschlossen:
1. Der Bundesrat weist darauf hin, dass für die
vorgeschlagene Richtlinie über bestimmte Aspekte der
Mediation in Zivil- und Handelssachen keine Zuständigkeit
der Europäischen Gemeinschaft besteht. Nach Artikel 61
Buchstabe c EGV erlässt der Rat zum schrittweisen Aufbau
eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts
Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in
Zivilsachen gemäß Artikel 65 EGV. Diese
Maßnahmen müssen nach Artikel 65 EGV Zivilsachen mit
grenzüberschreitenden Bezügen betreffen und für
das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich
sein. Durch die im Richtlinienvorschlag ausdrücklich
vorgesehene Einbeziehung rein innerstaatlicher Sachverhalte wird
der durch die vorgenannten Bestimmungen gezogene Rahmen nicht
mehr gewahrt. Das Merkmal grenzüberschreitender Bezüge
ist ein unabdingbares Erfordernis. Dabei genügen nur
theoretische grenzüberschreitende Wirkungen nicht; vielmehr
muss das grenzüberschreitende Element - wie auch der
Juristische Dienst des Rates zuletzt in seinem Gutachten vom 4.
Juni 2004 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des
Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung
eines Europäischen Mahnverfahrens (Dokument 10107/04, JUR
267 JUSTIV 80 CODEC 800) ausgeführt hat - tatsächlich
und unmittelbar gegeben sein (vgl. hierzu auch das
Gutachten des Juristischen Dienstes vom 17. April 2002 zu dem
Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Verbesserung des
Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem
Bezug durch die Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften
für die Prozesskostenhilfe und andere mit Zivilverfahren
verbundene finanzielle Aspekte, so genannte PKH-Richtlinie -
Dokument 7862/02, JUR 143 JUSTIV 48 -). Die in dem vorliegenden
Vorschlag für eine Richtlinie vorgesehene undifferenzierte
Erstreckung ihres Anwendungsbereichs auch auf rein
innerstaatliche Sachverhalte wird diesen Anforderungen nicht
gerecht.
Im übrigen ist die Einbeziehung rein innerstaatlicher
Sachverhalte in den Anwendungsbereich der vorgeschlagenen
Richtlinie auch nicht für das reibungslose Funktionieren des
Binnenmarkts erforderlich. Es ist nicht dargelegt, dass das
Funktionieren des Binnenmarkts als Raum ohne Binnengrenzen (vgl.
Artikel 14 Abs. 2 EGV) dadurch beeinträchtigt wird, dass den
Beteiligten einer rein innerstaatlichen Streitsache
möglicherweise andere Rechtschutzmöglichkeiten zur
Verfügung stünden.
- Die Bundesregierung möge darauf hinwirken, dass die in
Artikel 3 Abs. 1 Satz 2 auf Verlangen des Gerichts vorgesehene
Teilnahme an einer Informationsveranstaltung herausgenommen wird.
Eine solche verpflichtende Teilnahme ist der Zivilprozessordnung
fremd. Sie könnte als eine Vorstufe zu einer Zwangsmediation
missverstanden werden. Schließlich werden derartige
Informationsveranstaltungen nicht in hinreichender Zahl
angeboten. Die Landesjustizverwaltungen sehen sich nicht in der
Lage, Informationsveranstaltungen zur Mediation an jedem
Gerichtsstandort vorzuhalten.
- Die Bundesregierung möge darauf hinwirken, dass in
Artikel 3 Abs. 2 des Richtlinienvorschlags - Verweis auf die
Mediation - klargestellt wird, dass die Vorschrift nur Fälle
mit Auslandsbezug regelt. Dies könnte beispielsweise durch
Streichung des Wortes "insbesondere" erreicht werden. Durch die
derzeitige Formulierung könnte der Eindruck erweckt werden,
dass auch die Fälle geregelt werden sollen, die keine
grenzüberschreitenden Bezüge aufweisen. Insoweit wird
auf Ziffer 1 dieser Stellungnahme Bezug genommen.
- Die Bundesregierung möge darauf hinwirken, dass in
Artikel 4 Abs. 2 des Richtlinienvorschlags - Sicherstellung der
Qualität der Mediation - der Gefahr
vorgebeugt wird, dass die Förderung der Ausbildung von
Mediatoren auch als finanzielle Unterstützung einer solchen
Ausbildung durch die Mitgliedstaaten verstanden werden
könnte. Die gegenwärtige Formulierung in der deutschen
übersetzung "fördern" könnte eine solche
Interpretation nahe legen. Da Mediatoren im Sinne dieses
Richtlinienvorschlags nicht nur richterliche, sondern
insbesondere auch freiberufliche Mediatoren sind, kann eine
derartige Ausbildungsverpflichtung nicht übernommen
werden.
- Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zu prüfen, ob
nicht klargestellt werden sollte, dass der Anwendungsbereich des
Artikels 5 des Richtlinienvorschlags lediglich
Mediationsvereinbarungen umfasst, die nicht nach innerstaatlichem
Recht bereits vollstreckbar sind, d.h. nicht titulierte,
privatrechtliche Vereinbarungen. Dies könnte etwa dadurch
geschehen, dass gemeinschaftsrechtlich lediglich die Vorgabe
getroffen wird, dass die Mitgliedstaaten den Parteien eine
Möglichkeit eröffnen müssen, durch Mitwirkung
eines Gerichts, einer Behörde oder eines öffentlichen
Amtsträgers einen vollstreckungsfähigen Titel über
das Mediationsergebnis zu schaffen.
-
Ferner bittet der Bundesrat die Bundesregierung zu
prüfen, ob nicht klargestellt werden sollte, dass die
Bestätigung einer Mediationsvereinbarung nach Artikel 5 Abs.
1 des Vorschlags auch durch einen Notar vorgenommen werden kann.
Es erscheint unklar, ob der Notar unter den Begriff der
Behörde im Sinne des Artikels 5 fällt. Sollte dies
nicht der Fall sein, müsste Artikel 5 insoweit ergänzt
bzw. die deutsche übersetzung klarer gefasst werden. Der
Begriff der Behörde wird im englischen Dokument als "public
authority" und in dem französischen als "autorit6 publique"
bezeichnet. Der Begriff des "öffentlichen Amtsträgers"
wäre insoweit eine geeignete übersetzung. Eine weitere
Möglichkeit wäre es, Artikel 5 so zu ergänzen,
dass die Bestätigung auch "durch eine andere von dem
Mitgliedstaat hierzu ermächtigten Stelle" erteilt werden
kann. Diese Formulierung entspricht derjenigen in der Verordnung
des Europäischen Parlaments und des Rates zur
Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels
für unbestrittene Forderungen.
- Der Erfolg von außergerichtlichen
Streitschlichtungsverfahren hängt von der Bereitschaft der
Parteien zur Offenlegung aller relevanten Fakten ab. Dies setzt
voraus, dass die Parteien darauf vertrauen können, dass
ihnen aus der Offenlegung von Informationen im Mediationsprozess
bei einem Scheitern der Ver-
handlungen insbesondere in einem nachfolgenden streitigen
Verfahren keine Nachteile erwachsen. Es ist daher zu
begrüßen, dass die Vertraulichkeit und die Verwendung
von Erkenntnissen aus der Mediation in Gerichtsverfahren
ausdrücklich geregelt werden sollen. Es ist jedoch zu
berücksichtigen, dass zu detaillierte Reglementierungen den
besonderen Vorteil außergerichtlicher
Streitschlichtungsverfahren und damit die Attraktivität
dieser Verfahren für Streitparteien mindern. Mediation
zeichnet sich durch ein hohes Maß an Flexibilität und
Einzelfallbezogenheit aus, dem die starre Regelung der
Geheimhaltungspflicht, die der Richtlinienvorschlag vorsieht,
nicht gerecht wird, zumal der Anwendungsbereich durch Artikel 2
des Richtlinienvorschlags sehr weit gefasst wird. Auch der Grad
der gewünschten Vertraulichkeit kann individuell
unterschiedlich sein und sollte von den Beteiligten autonom
festgelegt und nicht vom Gesetzgeber vorgegeben werden.
Vorzugswürdig wäre daher eine Regelung in Anlehnung
an die Richtlinien der Bundesarbeitsgemeinschaft für
Familien-Mediation (BAFM), nach der die Beteiligten vor Beginn
der Mediation im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten des
jeweiligen Mitgliedstaats eine schriftliche Vereinbarung
über die Vertraulichkeit des Mediationsprozesses zu treffen
haben. Eine solche Regelung würde Raum für eine
individuelle, an die Bedürfnisse der Streitparteien
angepasste Gestaltung lassen und dem Grundgedanken des
außergerichtlichen Streitschlichtungsverfahrens eher
entsprechen.