Der Bundesrat hat in seiner 857. Sitzung am 3. April 2009 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zur Vorlage allgemein
- 1. Der Bundesrat stimmt der Zielrichtung des Richtlinienvorschlags grundsätzlich zu. Dies betrifft insbesondere die Harmonisierung des Anwendungsbereichs mit dem der Richtlinie zur Beschränkung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten und die Harmonisierung der Registrierungspflichten der Hersteller. Auch die Festlegung von Mindestüberwachungsanforderungen an die Verbringung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten wird begrüßt. Hier hat es in der Vergangenheit eine Reihe von Zweifelsfällen gegeben, bei denen nicht klar war, ob gebrauchte Elektro- und Elektronikgeräte zur weiteren Nutzung oder als Abfälle exportiert werden.
- 2. Der Bundesrat hält in einigen Punkten Korrekturen für notwendig, damit die Umweltziele mit gesamtwirtschaftlich vertretbaren Kosten erreicht werden können. Deshalb bittet der Bundesrat die Bundesregierung, sich bei den anstehenden Verhandlungen für folgende Änderungen einzusetzen:
3. Zu Artikel 3 Buchstabe j
Die Definition des Begriffs "Hersteller" (Artikel 3 Buchstabe j) sollte mit der aus der Richtlinie zur Beschränkung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten harmonisiert werden.
4. Zu Artikel 3 Buchstabe k
Die Definition des Begriffs "Vertreiber" (Artikel 3 Buchstabe k) sollte mit der des Begriffs "Händler" aus der Richtlinie zur Beschränkung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten harmonisiert werden.
5. Zu Artikel 3 Buchstabe q
Die Definition des Begriffs "Entfernen" (Artikel 3 Buchstabe q) sollte klarer gefasst und an die Begriffe aus der REACH-Verordnung angepasst werden. Insbesondere sollte klar gestellt werden, was ein "unterscheidbarer Teil eines Stromes" ist.
6. Zu Artikel 6
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass das im Richtlinienvorschlag enthaltene Verbot der Beseitigung von getrennt gesammelten Elektro- und Elektronik-Altgeräten ohne Behandlung um ein Deponierungsverbot von heizwertreichen Abfällen aus der Behandlung ergänzt wird, um sicherzustellen, dass eine Deponierung von heizwertreichen Abfällen aus Kostengründen und zu Lasten der Umweltbelange (ungünstiges Verhalten auf der Deponie, fehlende Nutzung des Energiegehaltes) europaweit unterbunden wird.
Zu Artikel 7
- 7. Der Bundesrat lehnt die von der Kommission vorgeschlagene Änderung der Zielvorgabe für die Sammlung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten (Artikel 7) ab. Die bisherige Datenbasis ist keine belastbare Grundlage für eine solch weit gehende Änderung.
- 8. Der Bundesrat hält im Grundsatz eine Sammelquote nicht für zielführend, da sie kein geeignetes Instrument ist, um die illegale Abfallverbringung zu unterbinden. Eine hohe Sammelquote ist im Wesentlichen abhängig von Maßnahmen zur Verbraucherberatung durch die verschiedenen Wirtschaftsakteure.
Sofern ein Verzicht auf eine Sammelquote nicht durchsetzbar ist, vertritt der Bundesrat die Auffassung, dass die Mindestsammelquote von 65 Prozent zu hoch ist. Sie ist hinsichtlich der Daten- und Berechnungsgrundlage auch nicht nachvollziehbar. Für Deutschland liegen bislang nur Daten für 2006 zur Erfassung, Wiederverwendung und Behandlung von Altgeräten vor, aus denen sich eine Sammelquote von 41 Prozent (bezogen auf die im selben Jahr in den Verkehr gebrachte Menge) ergibt. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich im weiteren Verfahren für realistische Zielvorgaben einzusetzen.
- 9. Er bittet daher die Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass die Kommission einen Vorschlag für eine Sammelquote erstellt, der auf den vorhandenen Erkenntnissen und statistischen Daten über die Praxis der Elektroaltgeräte-Rücknahme beruht, und der die Verantwortung aller an der Elektroaltgeräteentsorgung beteiligten Akteure konkretisiert.
10. Zu Artikel 8 in Verbindung mit Anhang II
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass bei der selektiven Behandlung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten die Entfernung von Stoffen, Zubereitungen und Bauteilen gemäß Anhang II des Richtlinienvorschlags in Abhängigkeit zu den nachfolgenden zugelassenen Behandlungs- und Verwertungsverfahren beurteilt werden (Verwertungskette).
Zu Artikel 11
- 11. Der Bundesrat kann nicht beurteilen, ob die von der Kommission in Artikel 11 vorgeschlagenen Zielvorgaben für die Verwertung realistisch sind. Die Bundesregierung hat bislang keine Daten über die Einhaltung der Verwertungsquote in Deutschland vorgelegt. Die Bundesregierung wird deshalb gebeten, anhand der ihr vorliegenden Daten zu prüfen, ob sie die vorgeschlagenen Verwertungsziele unter Berücksichtigung der derzeit bekannten Verwertungsverfahren und -techniken für erreichbar hält und sich gegebenenfalls für eine Anpassung der Zielvorgaben einzusetzen. Außerdem wird die Bundesregierung gebeten, den Ländern die ihr vorliegenden Daten zur Verfügung zu stellen.
- 12. Die Bundesregierung wird außerdem gebeten, sich für eine rechtlich eindeutige Formulierung in Artikel 11 zur Sicherstellung der Zielvorgaben für die Wiederverwendung und das Recycling einzusetzen. Die derzeitige Formulierung in Artikel 11 Absatz 1 des Richtlinienvorschlags "zu [...] für die Wiederverwendung und das Recycling vorzubereiten" ist missverständlich formuliert. Demnach wäre es dem Wortsinn nach für die Erreichung der Zielvorgaben ausreichend, wenn die getrennt erfassten Elektro- und Elektronikaltgeräte lediglich für die Wiederverwendung und das Recycling vorbereitet werden, ohne dass ein tatsächliches Recycling erfolgt ist.
- 13. Angesichts der stark rückläufigen Marktanteile von Bildröhrengeräten ist davon auszugehen, dass auch die Recyclingoptionen entsprechend zurückgehen und, insbesondere für Bildröhrenglas, künftig Absatzmärkte nicht mehr zur Verfügung stehen werden. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass für Bildröhrengeräte eine eigenständige Regelung geschaffen wird, indem diese Geräte aus den Kategorien 3 und 4 des Anhangs I der RoHS-Richtlinie herausgelöst und die Verwertungsquoten entsprechend der Entsorgungssituation für Bildröhrenglas angepasst werden.
Zu Artikel 12
- 14. Zur Frage der Finanzierung der Entsorgung von Altgeräten aus privaten Haushalten wird zwar in Erwägungsgrund Nummer 19 ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten die Hersteller dazu anhalten sollten, die Sammlung von Altgeräten in der gesamten Abfallkette zu finanzieren. Allerdings findet sich in Artikel 12 der vorgeschlagenen Richtlinie keine entsprechende Änderung. Hier wäre eine klarstellende Änderung im Richtlinientext selbst vorzuziehen. In der jetzigen Fassung ist der Vorschlag nicht geeignet, die Frage der Finanzierung der Altgerätesammlung aus privaten Haushalten eindeutig zu klären.
- 15. Der Bundesrat erinnert an seine Stellungnahme vom 5. November 2004 (BR-Drucksache 664/04(B) , Ziffer 13), in der er darauf hingewiesen hat, dass den entsorgungspflichtigen Körperschaften zugemutet werden könne, die Kosten für die Sammlung und Bereitstellung der Altgeräte den Herstellern nicht in Rechnung zu stellen, solange überwiegend "historische" Altgeräte entsorgt werden müssten. Erst wenn im Wesentlichen nur noch "neue" Altgeräte anfielen, müsse eine Novellierung des ElektroG in Betracht gezogen werden. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung deshalb, neuen Vorgaben zur Finanzierung der Altgerätesammlung durch die EU-Richtlinie (Artikel 12) nur zuzustimmen, wenn der Spielraum für die Mitgliedstaaten erhalten bleibt, länderspezifisch zu prüfen und festzulegen, ab welchem Zeitpunkt es in Betracht gezogen werden muss, den Herstellern gemäß § 22 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz die gesamte Produktverantwortung aufzuerlegen, weil im Wesentlichen nur noch "neue" Altgeräte anfallen.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung in Erinnerung an die Prüfbitte seiner Stellungnahme vom 5. November 2004 (BR-Drucksache 664/04(B) , Ziffer 13), rechtzeitig zu prüfen, ab wann voraussichtlich damit zu rechnen ist, dass im Wesentlichen nur noch "neue" Altgeräte anfallen, und den Bundesrat darüber zu unterrichten.
16. Zu Artikel 12 und 16
Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Anforderungen an die Hersteller bezüglich Registrierung sowie Finanzierung von Sammlung, Behandlung, Verwertung und umweltgerechter Beseitigung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten insbesondere für kleinere Unternehmen mit hohem, überproportionalen Aufwand verbunden sind. Dies führt sogar dazu, dass Unternehmen sich aus dem Markt für Elektro- und Elektronikgeräte zurückziehen oder erst gar nicht eintreten. Um diesen negativen Effekten entgegenzuwirken, hält der Bundesrat Ausnahmeregelungen für Kleinhersteller für erforderlich. Die Bundesregierung wird gebeten, sich in den weiteren Verhandlungen auf europäischer Ebene für eine Kleinmengenregelung einzusetzen, wie sie beispielsweise die Batterie-Richtlinie 2006/66/EG enthält.
17. Zu Artikel 16
Bei der mit dem Richtlinienvorschlag angestrebten Harmonisierung der nationalen Register könnte das Europäische Registernetzwerk EWRN (European WEEE Register Network) eine wichtige Rolle übernehmen. Es wurde mit dem Ziel gegründet, durch Kooperation und - soweit zulässig - gegenseitigen Austausch die Registrierungsprozesse so zu vereinfachen, dass vergleichbare Meldungen in allen Mitgliedstaaten erfolgen können. Bislang sind 20 Mitgliedstaaten im EWRN vertreten; davon haben allerdings nur elf die Charta unterzeichnet.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung sich dafür einzusetzen, dass sich alle Mitgliedstaaten am EWRN beteiligen, um praxisgerechte Lösungen für eine Harmonisierung der Registeranforderung zu entwickeln.
18. Zu Artikel 20
Der Bundesrat vertritt die Auffassung, dass zusätzliche Inspektions- und Überwachungsvorschriften nicht nach dem Komitologie-Verfahren erlassen werden sollten. Diese Reglungen bedingen zusätzliche Vollzugsaufgaben und verursachen Kosten, die die Länderhaushalte belasten.
Zu Anhang II in Verbindung mit Artikel 8
- 19. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass der Richtlinienvorschlag um Anforderungen an die Entsorgung von FCKW-haltigen Kühlgeräten ergänzt wird und die Mengen an behandelten Geräten und zurückgewonnenem FCKW aus Gründen der Transparenz dokumentiert und der Kommission mitgeteilt werden.
- 20. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass europaweit einheitliche Bedingungen für die Entsorgung von Kühlgeräten geschaffen werden sollen. Eine gemeinsame Behandlung von KW- und FCKW-haltigen Kühlgeräten in speziellen Anlagen ist in Deutschland weitgehend üblich. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich für eine entsprechende europaweite Regelung, z.B. in Anhang II des Richtlinienvorschlags einzusetzen. Damit würde darüber hinaus ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz und zur Reduzierung von ozonbildenden Stoffen geschaffen.
- 21. Der Bundesrat ist ferner der Auffassung, dass die nach Anhang II des Vorschlags vorgesehene getrennte Entfernung und selektive Behandlung von externen elektrischen Leitungen nicht praktikabel und zur Gewährleistung des angestrebten Umweltschutzniveaus nicht notwendig ist. Die Bundesregierung wird deshalb gebeten, sich für eine Überprüfung dieser Verpflichtung einzusetzen.