KOM (2004) 634 endg.; Ratsdok. 13371/04
Der Bundesrat hat in seiner 807. Sitzung am 17. Dezember gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zur Vorlage insgesamt
Der Bundesrat anerkennt und unterstützt das Hauptziel des Verordnungsvorschlags, das in der Umsetzung des Århus-Übereinkommens zu einem einheitlichen, integrierten Register zur Erfassung der Freisetzung und Übertragung von Schadstoffen (PRTR) liegt. Das Europäische Schadstoffemissionsregister (EPER) ist dabei vollständig in das PRTR zu integrieren.
Der Bundesrat unterstützt die Umsetzung des UN-ECE-Protokolls über Register zur Erfassung der Freisetzung und Übertragung von Schadstoffen (PRTR) in der Gemeinschaft und begrüßt das Ziel, hierbei auf das bereits bestehende Europäische Schadstoffemissionsregister EPER aufzubauen.
Der Bundesrat hält es angesichts der immer weiter ausgreifenden Berichtspflichten gegenüber der Kommission über standort- und anlagenbezogene Umweltinformationen für unverzichtbar, zu einem überschaubaren und vollziehbaren Gesamtkonzept zu kommen, das in sich schlüssig und abgeschlossen ist. Dies ist auch im Hinblick auf die Zielsetzung, der breiten Öffentlichkeit einen schnellen und einfachen Zugang zu Umweltinformationen zu ermöglichen, notwendig. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich für ein solches Gesamtkonzept einzusetzen.
Der Verordnungsvorschlag erfordert einen wesentlich erhöhten Aufwand für Betriebe und Verwaltungen gegenüber den bestehenden Regelungen des Europäischen Schadstoffemissionsregisters (EPER) für die nationale Umsetzung. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich bei den weiteren Beratungen dafür einzusetzen, dass der Verordnungsvorschlag an die bestehenden Regelungen des EPER angepasst und damit die Kompatibilität des Verordnungsvorschlags zu den vorhandenen nationalen Regelungen verbessert und der Aufwand für Betreiber und Behörden reduziert wird. Hierbei ist auf eine 1 : 1-Umsetzung des zu Grunde liegenden UN-ECE-Protokolls über ein Register zur Erfassung der Freisetzung und Übertragung von Schadstoffen (PRTR) vom Mai 2003 zu achten.
Die Verschärfung des EU-PRTR gegenüber dem EPER - z.B. bezüglich Inhalt und Fristen - führt zu einer Belastung von Betreiber und Behörden durch erhöhten Verwaltungsaufwand. Die Einführung neuer und die Erweiterung vorhandener Berichtspflichten stehen nicht im Einklang mit den Deregulierungsbemühungen von Bund und Ländern.
Der Umfang der Datenerhebung soll auf das notwendige Maß beschränkt werden. Die Häufigkeit der Berichterstattung (Artikel 5, 7 und 16) durch die Betreiber und die Mitgliedstaaten soll über bereits bestehende nationale Regelungen nicht hinausgehen.
Der Bundesrat bekräftigt seine früheren Forderungen (BR-Drucksache 304/04(B) ) und bittet die Bundesregierung, sich bei den weiteren Beratungen über den Verordnungsvorschlag insbesondere dafür einzusetzen, dass - im Zuge der Umsetzung des Protokolls von Kiew keine weiter gehenden oder zusätzlichen Berichts- und Kontrollpflichten für die betroffenen Unternehmen und Umweltbehörden der Mitgliedstaaten eingeführt werden, als im Protokoll von Kiew über die Errichtung von Schadstofffreisetzungs- und -verbringungsregistern vorgesehen sind (1:1-Umsetzung), - entgegen dem Verordnungsvorschlag keine zusätzlichen Stoffe oder Stoffgruppen in das Register aufgenommen und die im UN-ECE-Protokoll vorgesehenen Berichterstattungszeiträume nicht verkürzt werden.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei den weiteren Beratungen auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass die finanziellen Auswirkungen für die öffentlichen Haushalte und die Wirtschaft durch die erweiterten Berichtspflichten so gering wie möglich gehalten werden.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darauf hinzuwirken, dass Inhalte und Begriffe der Verordnung über die Schaffung eines Europäischen Registers zur Erfassung der Freisetzung und Übertragung von Schadstoffen (EU-PRTR) mit bestehendem EU-Recht, wie z.B. der IVU-Richtlinie (1996/61/EG) oder dem Europäischen Schadstoffregister, harmonisiert werden. Die unterschiedlichen Nomenklaturen, Definitionen und unterschiedlichen Anwendungsbereiche führen zu Abstimmungsproblemen und damit zu deutlicher Mehrarbeit. Synergieeffekte können nicht genutzt werden. Es ist aus Sicht des deutschen Rechts ausreichend, an Freisetzungen von Schadstoffen in Anlagen nach Anhang I der IVU-Richtlinie (1996/61/EG) anzuknüpfen.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darauf hinzuwirken, dass zur Vermeidung von Doppel- und Mehrfacherhebungen relevanter Daten die bei den Behörden bereits vorliegenden Daten weit gehend berücksichtigt werden können. Der Aufwand für zusätzliche bzw. über nationale Rechtsvorschriften hinausgehende Erhebungen soll auf ein Mindestmaß reduziert und die Betreiber sollen vor unnötigen Kosten bewahrt werden.
Der Erlass des Verordnungsvorschlags führt zu erheblichen Mehraufwendungen für die Betriebe und Länderverwaltungen. Die erforderliche jährliche Daten- und Informationserhebung kann nur auf der Basis moderner Datenerfassungs- und Kommunikationssysteme erfolgen. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, zu gegebener Zeit in Abstimmung mit den Ländern eine EDV-Anwendung zu entwickeln und zur Verfügung zu stellen, mit der die Erfassung und Weiterleitung der Daten effizient und unbürokratisch erfolgen kann.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, nach Erlass der Verordnung über die Schaffung eines Europäischen Registers zur Erfassung der Freisetzung und Übertragung von Schadstoffen (EU-PRTR) zu prüfen, ob auf die 11. BImSchV verzichtet werden kann. Durch die Substitution des Europäischen Schadstoffemissionsregisters (EPER) auf Grund der Verordnung über die Schaffung eines Europäischen Registers zur Erfassung der Freisetzung und Übertragung von Schadstoffen (EU-PRTR) werden wesentliche Inhalte des § 27 BImSchG und der Verordnung über Emissionserklärungen und Emissionsberichte (11. BImSchV) bereits durch die direkt wirkende EU-PRTR Verordnung erfüllt.
Die nationale Datenaufbereitung und Datenpräsentation sollen, wie bereits bei EPER bewährt, durch das Umweltbundesamt erfolgen, welches die entsprechenden Hilfsmittel zur Verfügung stellt.
Zu den einzelnen Vorschriften
Vor diesem Hintergrund sollte der Verordnungsvorschlag in den folgenden Punkten überarbeitet werden. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei den weiteren Verhandlungen auf folgende Maßgaben hinzuwirken:
Zu Artikel 2 Nr. 3
Der in Artikel 2 definierte Anlagenbegriff, der auf eine oder mehrere Tätigkeiten sowie andere unmittelbar damit verbundene Tätigkeiten abhebt, kollidiert mit dem deutschen Immissionsschutzrecht. Eine Präzisierung des Anlagenbegriffs (analog BImSchG, 4. BImSchV) ist notwendig.
Zu Artikel 2 Nr. 13
Die Definition der "diffusen Quellen" sollte konkret gefasst werden. Die jetzige Definition der "diffusen Quellen" ist geprägt durch unscharfe Begriffe wie "zahlreich", "verteilt", "erheblich" und "praktikabel". Sie lässt für Auslegungsvarianten zu großen Spielraum und führt zu unterschiedlichster Sachbehandlung. Verschärft wird die Problematik durch die Ermächtigung der Kommission in Artikel 8, bislang nicht abschätzbare Maßnahmen zu ergreifen.
Zu Artikel 5 Abs. 1
Standortinterne Stoffströme zu zentralen Abwasserbehandlungsanlagen sollten nicht berichtspflichtig sein, da diese Stoffströme im Hinblick auf die Umweltbelastung irrelevant sind.
Die in Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c vorgesehene zusätzliche Berichtspflicht für Betriebe, die in zentrale Abwasserbehandlungsanlagen einleiten, ist insbesondere fachlich nicht erforderlich, weil diese indirekten Einleitungen keine Auswirkungen auf die Gewässer haben. Maßgebend für die Belastung der Oberflächengewässer ist die Schadstoffmenge, die aus einer Abwasserbehandlungsanlage in ein Gewässer abgeleitet wird (Direkteinleitung). Die Berichtspflicht der kommunalen Abwasserbehandlungsanlage (Artikel 5 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang I Nr. 5 Buchstabe f) und der eigenständig betriebenen Industrieabwasserbehandlungsanlage (Artikel 5 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang I Nr. 5 Buchstabe g) ist ausreichend.
Dementsprechend sollte in Artikel 5 geregelt werden, dass bei Vorhandensein mehrerer Betriebseinrichtungen an einem Standort, die eine Abwasserbehandlungsanlage gemeinsam nutzen, die Berichterstattung dieser Betriebseinrichtungen über die Abwasserzuleitung zur Behandlungsanlage nicht erforderlich ist; stattdessen berichtet ausschließlich der Betreiber der Betriebseinrichtung, die die Abwasserbehandlungsanlage einschließt, über die Gesamtemissionen in das Gewässer.
Zudem ist der Widerspruch zwischen Artikel 5 Abs. 1 letzter Satz und der Definition und Erläuterung diffuser Quellen im PRTR-Protokoll bzw. im Verordnungstext durch Streichung dieses Satzes aufzulösen. Diese Klarstellung ist auch vor dem Hintergrund erforderlich, dass Artikel 8 Abs. 1 nur die Übermittlung von vorhandenen Informationen über diffuse Quellen verlangt.
Zu Artikel 5 Abs. 2
Der Satzteil "beabsichtigten, zufälligen, routinemäßigen und nicht routinemäßigen" sollte gestrichen werden. Es sollen in der EU-Verordnung Gesamtangaben zu Freisetzungen und Übertragungen von Schadstoffen einer Anlage gemacht werden. Eine Klassifizierung der Tätigkeiten ist nicht vorgesehen. Der Einschub ist daher nicht erforderlich und führt nur zu Auslegungsfragen.
Zu Artikel 5 Abs. 5
In Artikel 5 Abs. 5 sollte die Aufbewahrungsfrist der Betreiber für an die Behörden übermittelte Informationen auf fünf Jahre, wie im PRTR-Protokoll (Artikel 9 Abs. 1) vorgesehen, verkürzt werden.
Zu Artikel 8
Für die Bestimmung der Freisetzungen aus diffusen Quellen gemäß Artikel 8 ist ein erheblicher zusätzlicher Aufwand erforderlich. Für diese Emissionen liegen bisher nur unzureichende Informationen vor. Bei der Ermächtigung zur Festlegung der Einzelheiten zur Ermittlung von Emissionen aus diffusen Quellen (Artikel 8) soll klargestellt werden, dass eine solche Erfassung, zur Einschränkung des Aufwandes, nur in relevanten Fällen erfolgen soll.
Zu Artikel 9 Abs. 2
Artikel 9 Abs. 2 verlangt von den zuständigen Behörden eine umfassende Qualitätskontrolle der von den Betreibern übermittelten Daten. Soweit hierbei Landesbehörden eingebunden werden, führt dies zu einem erheblichen Mehraufwand für die betroffenen Stellen gegenüber der bisherigen Berichterstattung.
Artikel 9 Abs. 2 sollte wie folgt gefasst werden: "Die zuständigen Behörden prüfen die Qualität der von den Betreibern übermittelten Daten insbesondere im Hinblick auf Vollständigkeit, Übereinstimmung und Glaubwürdigkeit". Die Formulierung im "PRTR" ist ausreichend. Eine verbale Verschärfung im EU-PRTR ist weder erforderlich noch zielführend. Eine Konkretisierung der Qualitätssicherung erfolgt gemäß dem Vorschlag für eine EU-Verordnung über einen Leitfaden der Kommission (Artikel 14).
Zu Artikel 18
Auch bei Änderungen der Anhänge des PRTR-Protokolls muss sichergestellt werden, dass eine ausreichende Öffentlichkeitsbeteiligung und Berücksichtigung sich daraus ergebender Stellungnahmen gewährleistet ist. Artikel 18 sollte um eine dementsprechende Klarstellung ergänzt werden.
Zu Anhang I insgesamt
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zu prüfen, inwieweit der Anhang I strukturell und inhaltlich dem Anhang I der IVU-Richtlinie (1996/61/EG) angepasst werden kann. Der Anhang I der EU-Verordnung weicht von der bisherigen Systematik der IVU-Richtlinie (und damit der der 4. BImSchV) ohne sachlichen Grund ab.
Zu Anhang I Nr. 4 Buchstabe d
Die luftemissionsseitige Erfassung von Schädlingsbekämpfungsmitteln aus Anlagen ab der geforderten geringen Mengenschwelle erscheint vor dem Hintergrund des Verwaltungsaufwands im Vergleich zu den bei bestimmungsgemäßer Ausbringung freigesetzten Mengen unverhältnismäßig und sollte daher nicht in die Verordnung aufgenommen werden.
Zu Anhang I Nr. 5 Buchstabe f
Die Berichtspflichten in Anhang I Nr. 5 Buchstabe f sollten entfallen. Für kommunale Abwasseranlagen ergeben sich bereits aus der Richtlinie 91/271/EWG Berichtspflichten. Zusätzliche Berichtspflichten, die sich aus dem PRTR ergeben, sollten in dieses Spezialrecht aufgenommen und zusammengefasst werden. Dies führt zu einer Deregulierung gegenüber der von der EU vorgesehenen Regelung.
Zu Anhang II
In diesem Zusammenhang weist der Bundesrat darauf hin, dass die Mehrzahl der in Anhang II des Verordnungsvorschlags genannten Wasserschadstoffe im Ablauf kommunaler Kläranlagen nur in Konzentrationen unterhalb der Bestimmungsgrenze vorkommen. Für diese Substanzen ist daher nur eine näherungsweise Abschätzung möglich. Er bittet daher die Bundesregierung, geeignete Verfahren zur Abschätzung der Belastung zu entwickeln.
Der im Anhang II des Verordnungsvorschlags aufgeführte Stoffumfang ist erheblich angewachsen. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zu prüfen, inwieweit der Anhang II inhaltlich reduziert werden kann. Für einfach gelagerte Fälle sollte auf jeden Fall ein vereinfachtes Verfahren eingeführt werden. Die Anzahl der zu berichtenden Schadstoffe (Anhang II) ist gegenüber EPER deutlich gestiegen. Einzelne Stoffklassen, z.B. halogenorganische Verbindungen, werden stark aufgeschlüsselt. Umfangreiche Analytik wird erforderlich, um den Nachweis der Schwellenunterschreitung zu führen.
Zu Anhang III
Nach Artikel 5 sind Freisetzungen in Luft, Wasser und Boden für einzelne Anlagen anzugeben; hingegen werden im Anhang III des Vorschlags lediglich Angaben zur Anzahl der Anlagen (wahlweise) verlangt. Eine Klarstellung im Anhang III sollte erfolgen.