Unterrichtung durch die Bundesregierung
Grünbuch der Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Eine europäische Strategie für nachhaltige, wettbewerbsfähige und sichere Energie KOM (2006) 105 endg.; Ratsdok. 7070/06

Übermittelt vom Bundesministerium der Finanzen am 14. März 2006 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (BGBl. I 1993 S. 313 ff.).

Die Vorlage ist von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften am 9. März 2006 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.


Hinweis: vgl.
Drucksache 554/05 (PDF) = AE-Nr. 051825,
Drucksache 914/05 (PDF) = AE-Nr. 053556,
Drucksache 093/06 (PDF) = AE-Nr. 060324 und
Drucksache 138/06 (PDF) = AE-Nr. 060563

Grünbuch
Eine europäische Strategie für nachhaltige, wettbewerbsfähige und sichere Energie (Text von Bedeutung für den EWR)

1. eine Energiestrategie für Europa: AUSGEWOGENES Verhältnis zwischen Entwicklung, Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit

Die Welt ist in ein neues Energiezeitalter eingetreten.

Dies ist die neue Energielandschaft des 21. Jahrhunderts. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass die Wirtschaftsregionen der Welt bei der Gewährleistung der Energieversorgung, stabiler wirtschaftlicher Bedingungen und wirksamer Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels aufeinander angewiesen sind.

Die Auswirkungen dieser Energielandschaft bekommt jeder zu spüren. Der Zugang zu Energie ist für das Alltagsleben aller Europäer von grundlegender Bedeutung. Höhere Preise, eine Bedrohung der Energieversorgungssicherheit und der Klimawandel in Europa wirken sich auf unsere Bürger aus. Eine nachhaltige, wettbewerbsfähige und sichere Energieversorgung ist einer der Grundpfeiler unseres Alltags.

Diese Energielandschaft erfordert eine gemeinsame europäische Antwort. Die Staats- und Regierungschefs haben dies auf ihren Gipfeltreffen im Oktober und Dezember 2005 anerkannt und die Kommission aufgerufen, sich damit zu befassen. Die jüngsten Ereignisse haben deutlich gemacht, dass wir dieser Herausforderung begegnen müssen. Eine Vorgehensweise, die nur auf 25 einzelnen Energiepolitiken beruht, reicht nicht aus.

Die EU verfügt über die Mittel, um Abhilfe zu schaffen. Mit rund 450 Millionen Verbrauchern ist sie der weltweit zweitgrößte Energiemarkt. Ein gemeinsames Handeln verschafft ihr das Gewicht, ihre Interessen zu schützen und durchzusetzen. Die EU ist nicht nur ausreichend groß, sondern verfügt auch über vielfältige politische Möglichkeiten, um sich der neuen Energielandschaft zu stellen. Die EU ist weltweit führend, was die Nachfragesteuerung, die Förderung neuer und erneuerbarer Energieformen und die Entwicklung von Technologien mit geringem oder keinem CO₂-Ausstoß betrifft. Wenn es der EU gelingt, zu einer neuen gemeinsamen Politik in Energiefragen zu finden und diese gemeinsam zu vertreten, kann Europa die globale Suche nach Energielösungen anführen.

Europa muss dringend handeln: Es dauert viele Jahre, bis Innovationen im Energiesektor zum Einsatz gelangen. Ferner muss sich Europa weiter für eine stärkere Diversifizierung der Energieformen, Herkunftsländer und Transitwege einsetzen. Dadurch wird es die Voraussetzungen für Wachstum, Arbeitsplätze, mehr Sicherheit und eine bessere Umwelt schaffen. Die diesbezüglichen Arbeiten haben seit dem Grünbuch der Kommission über die Energieversorgungssicherheit aus dem Jahr 2000 Fortschritte gemacht, in Anbetracht der jüngsten Ereignisse auf den Energiemärkten sind jedoch neue europäische Impulse erforderlich.

In diesem Grünbuch werden Vorschläge und Optionen vorgestellt, die die Grundlage einer neuen umfassenden europäischen Energiepolitik bilden könnten. Die Frühjahrstagung des Europäischen Rats und das Europäische Parlament sind aufgefordert, auf dieses Grünbuch zu reagieren das auch eine breite öffentliche Debatte in Gang setzen sollte. Anschließend wird die Kommission konkrete Vorschläge für Maßnahmen vorlegen.

Im Grünbuch werden sechs zentrale Bereiche aufgezeigt, in denen Maßnahmen erforderlich sind um den Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind, zu begegnen. Die grundlegendste Frage ist die, ob Einvernehmen darüber herrscht, dass eine neue, gemeinsame europäische Energiestrategie entwickelt werden muss, und ob Nachhaltigkeit,

Wettbewerbsfähigkeit und Sicherheit die zentralen Prinzipien sein sollten, die dieser Strategie zugrunde liegen.

Daraus ergeben sich die folgenden Fragen:

Die Entwicklung einer europäischen Energiepolitik wird eine langfristige Aufgabe sein.

Hierfür ist ein klarer, aber flexibler Rahmen erforderlich. Klar insofern, als er eine gemeinsame Vorgehensweise darstellt, die auf höchster Ebene gebilligt wird, flexibel insofern als er in regelmäßigen Abständen aktualisiert werden muss. Als Grundlage für diesen Prozess schlägt die Kommission daher vor, dass dem Rat und dem Parlament regelmäßig ein Bericht über die Überprüfung der EU-Energiestrategie vorgelegt wird, in dem die in diesem Grünbuch aufgezeigten Fragen behandelt werden. Die Überprüfung würde eine Bestandsaufnahme und einen Aktionsplan für die Frühjahrstagung des Europäischen Rats umfassen wobei die erzielten Fortschritte festgestellt und neue Herausforderungen und Antworten zu allen Aspekten der Energiepolitik aufgezeigt würden.

2. SECHS vorrangige Bereiche

2.1. Energie für Wachstum und Beschäftigung in Europa:

Vollendung der europäischen Binnenmärkte für Strom und Gas Nachhaltigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Sicherheit im Energiebereich lassen sich nur mit offenen und wettbewerbsorientierten Märkten erreichen, auf denen Unternehmen europaweit miteinander konkurrieren wollen, statt eine beherrschende Stellung auf nationalen Märkten auszuüben. Offene Märkte, nicht Protektionismus, werden Europa stärken und ihm ermöglichen die Probleme anzugehen. Ein wirklich vom Wettbewerb geprägter europäischer Strom- und Gasmarkt würde niedrigere Preise, eine größere Versorgungssicherheit1 und eine höhere Wettbewerbsfähigkeit mit sich bringen. Dies käme auch der Umwelt zugute, da Unternehmen mit der Stilllegung nicht energieeffizienter Kraftwerke auf den Wettbewerb reagieren werden.

Ab Juli 2007 wird (mit wenigen Ausnahmen) jeder Verbraucher in der EU das Recht haben, Strom und Gas von beliebigen Energieversorgern in der EU zu beziehen. Dies stellt eine große Chance für Europa dar. Zwar ist schon viel zur Schaffung eines wettbewerblich organisierten Markts getan worden, doch sind die Arbeiten noch nicht abgeschlossen. Viele Märkte sind weiterhin vorwiegend national orientiert und werden von einigen wenigen Unternehmen beherrscht. Zwischen den Mitgliedstaaten bleiben zahlreiche Unterschiede bei der Marktöffnung bestehen, was die Entwicklung eines wirklich wettbewerblich geprägten europäischen Markts behindert; dies gilt auch für die Befugnisse der Regulierungsstellen, den Grad der Unabhängigkeit der Netzbetreiber von im Wettbewerb erbrachten Tätigkeiten, Regeln für das Netz und Vorschriften für den Lastausgleich und die Gasspeicherung.

Bis Ende 2006 werden die zweite Stromrichtlinie und die zweite Gasrichtlinie von den Mitgliedstaaten umgesetzt sein, und die Kommission wird ihre Wettbewerbsuntersuchung bezüglich des Funktionierens der europäischen Gas- und Strommärkte abgeschlossen haben.

Dann wird auf der Grundlage einer umfassenden Folgenabschätzung eine endgültige Entscheidung über gegebenenfalls nötige weitere Legislativmaßnahmen getroffen werden, insbesondere zur Gewährleistung eines diskriminierungsfreien Netzzugangs, einer ausreichenden verfügbaren Netzkapazität, der Liquidität auf den Gas- und Strommärkten und einer wirksamen Regulierung. Bereits jetzt steht fest, dass fünf Kernbereiche besonderes Augenmerk erfordern:

2.2. Ein Energiebinnenmarkt, der die Versorgungssicherheit gewährleistet:

Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten

2.3. Sichere und wettbewerbsfähige Energieversorgung:

hin zu einem stärker nachhaltig ausgerichteten, effizienteren und vielfältigeren Energieträgermix Jeder Mitgliedstaat und jedes Energieunternehmen entscheidet sich für seinen eigenen Energieträgermix. Die Entscheidungen eines Mitgliedstaates wirken sich allerdings unweigerlich auf die Energieversorgungssicherheit seiner Nachbarländer und der Gemeinschaft insgesamt sowie auf die Wettbewerbsfähigkeit und die Umwelt aus. Beispiele:

Die Überprüfung der EU-Energiestrategie würde einen klaren europäischen Rahmen für einzelstaatliche Entscheidungen hinsichtlich des Energieträgermixes schaffen. Im Zuge dieser Überprüfung sollten alle Vor- und Nachteile verschiedener Energiequellen, von erneuerbaren einheimischen Energiequellen wie Wind, Biomasse, Biokraftstoffe, Kleinwasserkraftwerke und Energieeffizienz bis zur Kohle und zur Kernenergie, und die Folgewirkungen von Veränderungen des Energieträgermixes für die EU insgesamt analysiert werden. Dieser Analyse könnte eine Standardmethodik zugrunde liegen.

Ein Drittel des Stroms in der EU wird aus Stein- und Braunkohle gewonnen. Wegen des Klimawandels kann diese Erzeugung nur dann fortgesetzt werden, wenn sie EU-weit mit dem Einsatz marktüblicher Technologien zur Kohlendioxidsequestrierung und marktüblicher umweltfreundlicher Kohletechnologien verbunden ist.

Ferner sollte die Überprüfung eine transparente und objektive Debatte über die künftige Rolle der Kernenergie in der EU für die betroffenen Mitgliedstaaten ermöglichen. Etwa ein Drittel des Stroms in der EU wird derzeit aus Kernenergie erzeugt; die Kernenergie ist unter gebührender Beachtung der Problematik der nuklearen Abfälle und der nuklearen Sicherheit gegenwärtig die größte weitgehend CO₂-freie Energiequelle in Europa. Die EU kann in nützlicher Weise dafür sorgen, dass alle Kosten, Vor- und Nachteile der Kernenergie im Interesse einer fundierten, objektiven und transparenten Debatte aufgezeigt werden.

Ferner könnte es zweckmäßig sein, ein übergeordnetes strategisches Ziel zu vereinbaren, durch das die Ziele nachhaltige Energienutzung, Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander gebracht werden. Dies müsste ausgehend von einer gründlichen Folgenabschätzung mit einem Bezugswert, anhand dessen sich der in Veränderung begriffene Energieträgermix der EU beurteilen ließe, erfolgen und würde der EU helfen, die wachsende Importabhängigkeit einzudämmen. Ein Ziel könnte zum Beispiel sein, dass sichere und CO₂-arme Energiequellen einen bestimmten Mindestanteil am gesamten Energieträgermix in der EU ausmachen. Eine solche Bezugsmarke würde die potenziellen Risiken der Importabhängigkeit widerspiegeln, das allgemeine Streben nach einer langfristigen Entwicklung von Energiequellen mit niedrigem CO₂-Ausstoß deutlich machen und es ermöglichen, die im Wesentlichen internen Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele aufzuzeigen. Sie würde die Freiheit der Mitgliedstaaten, zwischen verschiedenen Energiequellen zu wählen, mit dem Erfordernis der EU insgesamt, über einen Energieträgermix zu verfügen, der ihren zentralen Zielen im Energiebereich gerecht wird, verbinden. Die Überprüfung der EU-Energiestrategie könnte als Instrument für einen entsprechenden Vorschlag und für die spätere Verfolgung der Einhaltung eines solchen vom Rat und vom Parlament vereinbarten Ziels sein.

2.4. Ein integrierter Ansatz für den Klimaschutz

Wirksame Maßnahmen für den Klimaschutz sind dringend geboten. Die EU muss hier weiter mit gutem Vorbild vorangehen und vor allem auf möglichst umfassende internationale Maßnahmen hinarbeiten. Europa muss ehrgeizig sein und in einer integrierten Weise handeln, die die Lissabon-Ziele der EU voranbringt.

Die EU nimmt bereits eine Spitzenposition ein, was Konzepte zur Abkopplung des Wirtschaftswachstums vom steigenden Energieverbrauch betrifft. Sie hat solide legislative Initiativen und Energieeffizienz-Programme mit der Förderung wettbewerbsfähiger und wirksamer erneuerbarer Energien kombiniert. Das Engagement der EU für den Klimaschutz ist jedoch langfristig ausgelegt.

Um den bevorstehenden Anstieg der weltweiten Temperaturen auf die vereinbarte Zielvorgabe von höchstens zwei Grad über dem vorindustriellen Stand zu begrenzen, sollten die Treibhausgas-Emissionen ihren Höchststand spätestens 2005 erreichen und dann um mindestens 15 %, vielleicht sogar um 50 %, gegenüber dem Stand von 1990 gesenkt werden.

Diese enorme Herausforderung bedeutet, dass Europa jetzt handeln muss, vor allem im Bereich der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien.

Maßnahmen auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz bedeuten nicht nur einen Einsatz für den Klimaschutz, sondern leisten einen Beitrag zur Energieversorgungssicherheit und helfen auf diese Weise, die wachsende Abhängigkeit der EU von Energieimporten zu begrenzen. Ferner könnten durch sie viele anspruchsvolle Arbeitsplätze in Europa geschaffen und die Technologieführerschaft Europas in einer globalen Branche mit hohen Wachstumsraten behauptet werden.

In dieser Hinsicht schafft das EU-Emissionshandelssystem einen flexiblen und kosteneffizienten Rahmen für eine klimafreundlichere Energieerzeugung. Die vollständige Überprüfung des EU-Emissionshandelssystems bietet die Gelegenheit, das System auszudehnen und sein Funktionieren weiter zu verbessern. Darüber hinaus bildet das EU-Emissionshandelssystem den Kern eines allmählich expandierenden, weltweiten CO₂-Marktes, wodurch europäische Unternehmen einen Vorsprung haben.

2.5. Innovation fördern: ein strategischer Plan für europäische Energietechnologien

Entwicklung und Einsatz neuer Energietechnologien sind von wesentlicher Bedeutung, wenn es um die Gewährleistung der Versorgungssicherheit, der Nachhaltigkeit und der industriellen Wettbewerbsfähigkeit geht.

Energiebezogene Forschung hat wesentlich zur Energieeffizienz (z.B. bei Fahrzeugmotoren) und zur Energievielfalt durch erneuerbare Energien beigetragen. Das Ausmaß der vor uns liegenden Herausforderungen macht jedoch erhöhte Anstrengungen erforderlich.

Dazu ist ein langfristiges Engagement nötig. Beispielsweise konnte der Wirkungsgrad von Kohlekraftwerken dank der Forschung in den letzten dreißig Jahren um 30 % gesteigert werden. Der Forschungsfonds für Kohle und Stahl hat zur Finanzierung dieser Forschung auf EU-Ebene beigetragen. Weitere technologische Entwicklungen würden zu einer wesentlichen Minderung der CO₂-Emissionen führen.

Die Forschung kann auch Geschäftschancen eröffnen. Energieeffiziente und kohlenstoffarme Technologien stellen einen schnell wachsenden internationalen Markt dar, der in den kommenden Jahren ein Volumen von mehreren Milliarden Euro haben dürfte. Europa muss sicherstellen dass ihre Industrien bei diesen Technologien und Verfahren der neuen Generation weltweit führend sind.

Das 7. Forschungsrahmenprogramm bringt zum Ausdruck, dass es nicht eine alleinige Lösung für unsere Energieprobleme gibt, sondern befasst sich mit einer breiten Palette an Technologien: erneuerbare Energietechnologien, industrielle Realisierung sauberer Kohletechnologien und der Kohlendioxidabsonderung und -sequestrierung, Entwicklung wirtschaftlicher Biokraftstoffe, neue Energieträger wie Wasserstoff sowie umweltfreundliche Energienutzung (z.B. Brennstoffzellen) und Energieeffizienz. Dazu zählen auch fortgeschrittene Kernspalttechnologien und die Entwicklung der Kernfusion im Wege der Durchführung des ITER-Übereinkommens.

Die EU braucht einen mit entsprechenden Mitteln ausgestatteten strategischen Plan für Energietechnologien. Er sollte die Entwicklung vielversprechender Energietechnologien beschleunigen aber auch zur Schaffung der Bedingungen beitragen, die solche Technologien effizient und wirksam auf den EU- und Weltmarkt bringen. Auch die Forschung in Bereichen mit hohem Energieverbrauch (Wohnungsbau, Verkehr, Landwirtschaft, Agroindustrien, Werkstoffe) sollte thematisiert werden. Das vorgeschlagene Europäische Technologieinstitut (EIT) könnte dabei eine wichtige Rolle spielen.

Mit dem Plan sollten Forschungsanstrengungen auf europäischer Ebene gestärkt werden, um Überschneidungen in nationalen Technologie- und Forschungsprogrammen zu vermeiden und die Erreichung der vereinbarten EU-weiten Ziele zum Schwerpunkt zu machen. Europäische Technologieplattformen zu Biokraftstoffen, Wasserstoff, Photovoltaik, sauberer Kohletechnologie und Stromnetzen unter Führung der Industrie werden dazu beitragen, abgestimmte Forschungsinhalte und Einführungsstrategien auszuarbeiten.

Die EU muss Möglichkeiten zur Finanzierung eines stärker strategisch ausgerichteten Ansatzes für die Energieforschung in Erwägung ziehen und weitere Schritte zur Integration und Koordinierung der gemeinschaftlichen und nationalen Forschungs- und Innovationsprogramme und -haushalte unternehmen. Ausgehend von den Erfahrungen und Ergebnissen europäischer Technologieplattformen müssen hochrangige Beteiligte und Entscheidungsträger mobilisiert werden, um eine europäische Vision für die Transformation des Energiesystems zu entwerfen und die Effizienz der Forschungsanstrengungen insgesamt zu maximieren.

Wo dies angezeigt ist, besonders zur Entwicklung "führender Märkte" mit Blick auf die Innovation, sollte Europa mit integrierten Maßnahmen großen Maßstabs mit ausreichender kritischer Masse tätig werden und Privatunternehmen, die Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission in öffentlichprivaten Partnerschaften oder durch die Einbeziehung in nationale und gemeinschaftliche Energieforschungsprogramme mobilisieren. Das Langfrist-Energieprojekt ITER und die international koordinierte Initiative Generation IV, die auf die Konzeption noch sichererer und nachhaltigerer Reaktoren ausgerichtet ist, sind Beispiele konzertierter EU-Maßnahmen zur Erreichung bestimmter Ziele. Europa sollte auch in mögliche andere künftige Energieformen investieren, beispielsweise Wasserstoff und Brennstoffzellen, Kohlendioxidabsonderung und -sequestrierung, großmaßstäbliche erneuerbare Energien wie konzentrierte Solarthermieenergie, und auch längerfristige Perspektiven, wie die Methanhydrattechnologie, verfolgen. Zu überlegen ist auch, wie die Mittel der Europäischen Investitionsbank dafür mobilisiert werden können, marktnahe FuE in diesem Bereich zu fördern, und wie die Zusammenarbeit in Bereichen von globalem Interesse ausgebaut werden kann.

Maßnahmen, mit denen die technologische Entwicklung beschleunigt und die Kosten neuer Energietechnologien gesenkt werden, bedürfen der Ergänzung durch politische Maßnahmen, mit denen die Märkte geöffnet werden und die Marktdurchdringung vorhandener Technologien gewährleistet wird, die mit Hinblick auf den Klimawandel wirksam sind. Im Wettbewerb mit etablierten Technologien und enormen Investitionen in das bestehende Energiesystem, das weitgehend auf fossilen Brennstoffen und einer zentralisierten Energieerzeugung beruht stehen neue Technologien hohen Eintrittsbarrieren gegenüber. Das EU-System für den Emissionshandel, "Umweltzertifikate", Einspeisungstarife und andere Maßnahmen können gewährleisten, dass die umweltfreundliche Energieerzeugung-, umwandlung- und -nutzung finanziell tragfähig ist. Solche Maßnahmen können dem Markt eindeutige politische Signale vermitteln und ein stabiles Klima schaffen, in dem die Industrie die nötigen langfristigen Investitionsentscheidungen treffen kann. Das Programm "Intelligente Energie - Europa" wird ebenfalls die notwendigen Instrumente und Verfahren bereitstellen, mit denen sich nichttechnische Hemmnisse bei der Einführung neuer und effektiver Energietechnologien überwinden lassen.

2.6. Auf dem Weg zu einer kohärenten Energieaußenpolitik

Die Herausforderungen, vor denen Europa im Energiebereich steht, erfordern eine kohärente Außenpolitik, die Europa in die Lage versetzt, zusammen mit Energiepartnern weltweit eine wirksamere internationale Rolle bei der Behandlung gemeinsamer Probleme zu spielen. Eine kohärente Außenpolitik ist von grundlegender Bedeutung für eine nachhaltige, wettbewerbsfähige und sichere Energieversorgung. Sie würde eine Abkehr von der Vergangenheit bedeuten und zeigen, dass die Mitgliedstaaten sich zu gemeinsamen Lösungen für gemeinsame Probleme verpflichten.

Der erste Schritt besteht darin, auf Gemeinschaftsebene eine Einigung darüber zu erzielen, welche Ziele eine Energieaußenpolitik verfolgt und welche Maßnahmen hierfür auf Gemeinschaftsebene und auf einzelstaatlicher Ebene erforderlich sind. Die Wirksamkeit und die Kohärenz der Energieaußenpolitik der EU hängen von den Fortschritten in der internen Politik und vor allem von der Schaffung des Energiebinnenmarktes ab. Die bereits genannte Überprüfung der EU-Energiestrategie wäre die Grundlage dafür, dass man zu dieser gemeinsamen Vorstellung gelangt. Die Überprüfung würde eine Bestandsaufnahme und einen Aktionsplan für den Europäischen Rat umfassen, wobei die erzielten Fortschritte festgestellt und neue Herausforderungen und Antworten auf diese aufgezeigt würden. Die Weiterverfolgung sollte durch regelmäßige, formelle Diskussionen auf der politischen EUEbene erfolgen an denen die Mitgliedstaaten und die Kommission in einer noch festzulegenden Weise beteiligt wären. Die Überprüfung wäre für alle sowohl auf der Gemeinschaftsebene als auch auf der nationalen Ebene im Energiebereich in Europa tätigen Akteure ein einheitlicher Bezugspunkt mit einem geeigneten institutionellen Format. Sie würde nicht nur einen wirksamen Informationsaustausch, sondern auch einen wirklich koordinierten Ansatz ermöglichen. Dadurch wäre die EU in der Lage, tatsächlich mit einer Stimme zu sprechen.

Die Vorteile dieses Ansatzes für die außenpolitische Dimension wären besonders ausgeprägt.

Der Ansatz sollte für mehrere zentrale Ziele und Instrumente gelten:

3. Schlussfolgerungen

In diesem Grünbuch wurden die neuen Gegebenheiten im Energiebereich, mit denen Europa konfrontiert ist, dargelegt, Fragen, die zur Diskussion gestellt werden sollen, umrissen und mögliche Maßnahmen auf europäischer Ebene vorgeschlagen. Um die Debatte voranzubringen muss unbedingt in integrierter Weise gehandelt werden. Jeder Mitgliedstaat wird Entscheidungen aufgrund eigener nationaler Präferenzen treffen. In einer Welt gegenseitiger Abhängigkeiten hat die Energiepolitik jedoch notwendigerweise eine europäische Dimension.

Die europäische Energiepolitik sollte daher drei Hauptziele verfolgen:

- Nachhaltigkeit:

- Wettbewerbsfähigkeit:

- Versorgungssicherheit:

Lösungen für die steigende Abhängigkeit der EU von Energieimporten durch

Um diese Ziele zu erreichen, müssen sie in einen Gesamtrahmen eingefügt werden, d.h. in die erste Überprüfung der EU-Energiestrategie. Hinzu kommen könnte ein strategisches Ziel, durch das die Ziele nachhaltige Energienutzung, Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander gebracht werden, zum Beispiel dadurch, dass angestrebt wird, dass sichere und CO₂-arme Energiequellen einen bestimmten Mindestanteil am gesamten Energieträgermix in der EU ausmachen. Dies würde die Freiheit der Mitgliedstaaten, zwischen verschiedenen Energiequellen zu wählen, mit dem Erfordernis der EU insgesamt, über einen Energieträgermix zu verfügen, der ihren drei zentralen Zielen im Energiebereich gerecht wird, verbinden.

In diesem Grünbuch wird eine Reihe konkreter Vorschläge zur Erreichung dieser drei Ziele vorgelegt.


1 "Lessons from liberalised electricity markets", IEA, 2005.
2 Mitteilung der Kommission - "Aktionsplan für Biomasse" - KOM (2005) 628 vom 7.12.2005.
3 Mitteilung der Kommission - "Eine EU-Strategie für Biokraftstoffe" - KOM (2006) 34 vom 8.2.2006.
4 Insbesondere mit Russland, Norwegen, der Ukraine, den Ländern der Kaspischen Senke, den Mittelmeerländern, der OPEC und dem Golf-Kooperationsrat.