Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus

A. Problem und Ziel

Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise hat strukturelle Probleme im Euroraum - zu hohe Staatsverschuldung und mangelnde Wettbewerbsfähigkeit einiger Eurostaaten - ebenso schonungslos offengelegt wie grundlegende Mängel in der Konstruktion der Wirtschafts- und Währungsunion. Der Gesamtansatz der Bundesregierung zur Krisenbewältigung und zur Schaffung einer nachhaltigen Stabilitätsunion nimmt alle diese Ursachen in den Blick.

Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) ist als dauerhafter Krisenbewältigungsmechanismus integraler Bestandteil dieser umfassenden Strategie. Auf der einen Seite wird das rechtliche Fundament der Wirtschafts- und Währungsunion durch den von 25 Mitgliedstaaten der Europäischen Union am 2. März 2012 unterzeichneten Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (sogenannter Fiskalvertrag) weiter verstärkt, nachdem bereits der Stabilitäts- und Wachstumspakt verschärft, die Überwachung der Wettbewerbsfähigkeit durch das neue Verfahren zur Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte verbessert und eine effizientere europäische Finanzmarktaufsicht eingeführt wurde. Auf der anderen Seite wird als Ergänzung dieser präventiv wirkenden Maßnahmen ein robustes Krisenbewältigungs instrument geschaffen, um Gefahren für die Stabilität der Eurozone insgesamt effektiv abwenden zu können.

Der ESM soll bereits 2012 - ein Jahr früher als geplant - in Kraft treten und mittelfristig die nach Ausbruch der Krise geschaffenen Instrumente zur Stabilisierung des Euro-Währungsgebiets wie den europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) und die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) ablösen.

B. Lösung

Der ESM wird mit dem am 2. Februar 2012 unterzeichneten Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus errichtet. Der dauerhaft eingerichtete ESM soll ab Juli 2012 den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets Stabilitätshilfe zur Verfügung stellen können, wenn es zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist. Mit dem vorliegenden Vertragsgesetz soll der Vertrag die für die Ratifikation erforderliche Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften erlangen.

C. Alternativen

Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Das Vertragsgesetz hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte. Die Bereitstellung des deutschen Anteils an der Finanzierung des ESM in Form von einzahlbarem Kapital in Höhe von 21,71712 Milliarden Euro und abrufbarem Kapital in Höhe von 168,30768 Milliarden Euro ist im Gesetz zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus geregelt.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Es werden keine Vorgaben oder Informationspflichten für Bürgerinnen und Bürger eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Es werden keine Vorgaben oder Informationspflichten für Unternehmen eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Es entsteht kein nennenswerter Erfüllungsaufwand für die Verwaltung.

F. Weitere Kosten

Das Gesetz verursacht keine Kosten für Wirtschaftsunternehmen. Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus

Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 30. März 2012
Die Bundeskanzlerin

An den Präsidenten des Bundesrates

Hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus mit Begründung und Vorblatt.

Der Gesetzentwurf ist besonders eilbedürftig, um das Gesetzgebungsverfahren schnellstmöglich zum Abschluss zu bringen.

Federführend ist das Bundesministerium der Finanzen.

Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.

Dr. Angela Merkel
Besonders eilbedürftige Vorlage gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 GG.

Entwurf
Gesetz zu dem Vertrag vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus

Vom ...

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Dem in Brüssel am 2. Februar 2012 von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichneten Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Estland, Irland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, der Italienischen Republik, der Republik Zypern, dem Großherzogtum Luxemburg, Malta, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Portugiesischen Republik, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik und der Republik Finnland wird zugestimmt. Der Vertrag wird nachstehend veröffentlicht.

Artikel 2

Artikel 3

Begründung zum Vertragsgesetz

Zu Artikel 1

Auf den Vertrag findet Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes Anwendung, da er sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung bezieht.

Die Zustimmung des Bundesrates ist nach Artikel 105 Absatz 3 des Grundgesetzes erforderlich, da durch die Steuerbefreiung nach Artikel 36 des Vertrags auch Steuern betroffen sind, deren Aufkommen gemäß Artikel 106 Absatz 2, 3 und 6 des Grundgesetzes ganz oder zum Teil den Ländern oder den Gemeinden zusteht.

Zu Artikel 2

Zu Absatz 1

Der Vertrag sieht in Artikel 10 Absatz 1 vor, dass der Gouverneursrat aufgrund einvernehmlicher Entscheidung nach Artikel 5 Absatz 6 Buchstabe d des Vertrags Veränderungen des maximalen Ausleihvolumens und des genehmigten Stammkapitals beschließen kann. Bei einer Erhöhung des Stammkapitals erfolgt eine Änderung von Artikel 8 und Anhang II des Vertrags. Diese Vertragsänderung bedarf der Zustimmung der für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften, was in Artikel 10 Absatz 1 des Vertrags bereits angelegt ist. Dieser bestimmt, dass entsprechende Änderungen erst nach Notifizierung des Abschlusses der nationalen Verfahren in Kraft treten. Die Regelung des Artikels 2 Absatz 1 dieses Gesetzes ist daher rein deklaratorisch.

Zusammen mit der Zustimmung zu einer entsprechenden Vertragsänderung müsste eine bundesgesetzliche Ermächtigung zur Bereitstellung weiteren Kapitals erfolgen.

Zu Absatz 2

In Artikel 19 des Vertrags ist vorgesehen, dass der Gouverneursrat die Liste der vorgesehenen Finanzhilfeinstrumente überprüfen und aufgrund einvernehmlicher Entscheidung nach Artikel 5 Absatz 6 Buchstabe i des Vertrags Änderungen vornehmen kann. Nach Artikel 5 Absatz 6 Buchstabe m des Vertrags kann der Gouverneursrat diese Aufgabe auf das Direktorium übertragen.

Da eine Änderung der Liste der Finanzhilfeinstrumente ihrerseits das Erfordernis eines Vertragsgesetzes auslösen würde, darf der deutsche Vertreter, d.h. das deutsche Mitglied im Gouverneursrat oder Direktorium oder der jeweilige Stellvertreter, einem entsprechenden Beschluss nur zustimmen, wenn eine Änderung der dem ESM zur Verfügung stehenden Finanzhilfeinstrumente zuvor gesetzlich festgelegt wurde. Da gemäß Artikel 4 Absatz 3 des Vertrags die Annahme eines einvernehmlichen Beschlusses durch Enthaltungen nicht verhindert wird, ist auch vor einer Stimmenthaltung des deutschen Vertreters in einer Abstimmung über die Änderung der Finanzhilfeinstrumente die bundesgesetzliche Ermächtigung für eine entsprechende Änderung der Instrumente erforderlich.

Zu Absatz 3

Der Vertrag sieht in Artikel 10 Absatz 3 die automatische Erhöhung des Stammkapitals vor, wenn ein Mitgliedstaat der Europäischen Union neues ESM-Mitglied wird.

Artikel 11 Absatz 3 und 4 in Verbindung mit Artikel 11 Absatz 6 des Vertrags sieht Änderungen des in Anhang I des Vertrags festgelegten Beitragsschlüssels durch einvernehmliche Entscheidung des Gouverneursrats nach Artikel 5 Absatz 6 Buch stabe e des Vertrags vor. Eine Änderung des Beitragsschlüssels erfolgt gemäß Artikel 11 Absatz 4 des Vertrags dann, wenn sich das genehmigte Stammkapital des ESM aufgrund eines Beitritts nach Maßgabe des Artikels 10 Absatz 3 des Vertrags automatisch erhöht oder wenn die zeitweilige Korrekturregel gemäß Artikel 42 des Vertrags für ein ESM-Mitglied endet. Findet eine Änderung des Beitragsschlüssels nach Artikel 11 Absatz 4 des Vertrags statt oder wird das genehmigte Stammkapital nach Maßgabe des Artikels 10 Absatz 1 des Vertrags verändert, kann anlässlich dieser Maßnahmen der Beitragsschlüssel an etwaige Aktualisierungen des EZB-Kapitalschlüssels angepasst werden.

Die Anpassungen sind technischer Natur. Die Maßgaben für die jeweiligen Anpassungen ergeben sich aus den genannten Vorschriften des Vertrags. Aus Gründen der Rechtsklarheit sind die automatische Erhöhung des Stammkapitals und der geänderte Beitragsschlüssel im Bundesgesetzblatt Teil II zu veröffentlichen.

Zu Artikel 3

Die Bestimmung des Absatzes 1 entspricht dem Erfordernis des Artikels 82 Absatz 2 des Grundgesetzes. Das Gesetz tritt erst in Kraft, wenn das Gesetz zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus in Kraft getreten ist.

Nach Absatz 2 ist der Zeitpunkt, zu dem der Vertrag nach seinem Artikel 48 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft tritt, im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben.

Schlussbemerkung

1. Wesentliche Auswirkungen

Der ESM ist integraler Bestandteil einer umfassenden Strategie zur Stabilisierung der Lage im Euro-Währungsgebiet. Diese umfasst den Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion, die Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit durch den Euro-Plus-Pakt und eine effizientere europäische Finanzmarktaufsicht. Als Ergänzung dieser präventiv wirkenden Maßnahmen kann der ESM Stabilitätshilfe zugunsten eines Mitgliedstaats des Euro-Währungsgebiets gewähren, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets als Ganzes unabdingbar ist.

2. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

Das Gesetz hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die öffent lichen Haushalte. Die Bereitstellung des deutschen Anteils an der Finanzierung des ESM erfolgt durch das Gesetz zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus.

Im Vertrag verpflichtet sich die Bundesrepublik Deutschland gegenüber den Vertragsparteien, sich am Gesamtbetrag des einzuzahlenden Kapitals des Europäischen Stabilitätsmechanismus in Höhe von 80 Milliarden Euro ent sprechend dem in Artikel 11 des Vertrags festgelegten Schlüssel mit 21,71712 Milliarden Euro sowie am Gesamtbetrag des abrufbaren Kapitals des Europä ischen Stabilitätsmechanismus in Höhe von 620 Milliarden Euro mit 168,30768 Milliarden Euro zu beteiligen. Das einzuzahlende Kapital wird tranchenweise gezahlt.

Die Auswirkungen auf die Haushalte der Länder wegen eventueller Steuermindereinnahmen aufgrund der in dem Vertrag gewährten Steuerprivilegien sind als gering einzustufen.

3. Erfüllungsaufwand

Es werden keine Vorgaben oder Informationspflichten für Bürgerinnen und Bürger oder Unternehmen eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft. Es entsteht kein Erfüllungsaufwand für die Verwaltung.

4. Sonstige Kosten

Das Gesetz verursacht keine Kosten für Wirtschaftsunternehmen. Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind von dem Gesetz nicht zu erwarten.

Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Estland, Irland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, der Italienischen Republik, der Republik Zypern, dem Großherzogtum Luxemburg, Malta, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Portugiesischen Republik, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik und der Republik Finnland

Die Vertragsparteien, das Königreich Belgien, die Bundesrepublik Deutschland, die Republik Estland, Irland, die Hellenische Republik, das Königreich Spanien, die Französische Republik, die Italienische Republik, die Republik Zypern, das Großherzogtum Luxemburg, Malta, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, die Portugiesische Republik, die Republik Slowenien, die Slowakische Republik und die Republik Finnland ("Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets" oder "ESM-Mitglieder") - in ihrer Verpflichtung zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets, eingedenk der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 25. März 2011 zur Einrichtung eines Europäischen Stabilitätsmechanismus, in Erwägung nachstehender Gründe:

Kapitel 1
Mitgliedschaft und Zweck

Artikel 1
Einrichtung und Mitglieder

Artikel 2
Neue Mitglieder

Artikel 3
Zweck

Zweck des ESM ist es, Finanzmittel zu mobilisieren und ESM-Mitgliedern, die schwerwiegende Finanzierungsprobleme haben oder denen solche Probleme drohen, unter strikten, dem gewählten Finanzhilfeinstrument angemessenen Auflagen eine Stabilitätshilfe bereitzustellen, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist.

Zu diesem Zweck ist der ESM berechtigt, Mittel aufzunehmen, indem er Finanzinstrumente begibt oder mit ESM-Mitgliedern, Finanzinstituten oder sonstigen Dritten finanzielle oder sonstige Vereinbarungen oder Übereinkünfte schließt.

Kapitel 2
Geschäftsführung

Artikel 4
Aufbau und Abstimmungsregeln

Artikel 5
Gouverneursrat

Artikel 6
Direktorium

Artikel 7
Geschäftsführender Direktor

Kapitel 3
Kapital

Artikel 8
Genehmigtes Stammkapital

Artikel 9
Kapitalabrufe

Artikel 10
Veränderungen des genehmigten Stammkapitals

Artikel 11
Beitragsschlüssel

Kapitel 4
Tätigkeit

Artikel 12
Grundsätze

Artikel 13
Verfahren für die Gewährung von Stabilitätshilfe

Artikel 14
Vorsorgliche ESM-Finanzhilfe

Artikel 15
Finanzhilfe zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten eines ESM-Mitglieds

Artikel 16
ESM-Darlehen

Artikel 17
Primärmarkt-Unterstützungsfazilität

Artikel 18
Sekundärmarkt-Unterstützungsfazilität

Artikel 19
Überprüfung der Liste der Finanzhilfeinstrumente

Der Gouverneursrat kann die in den Artikeln 14 bis 18 vorgesehene Liste der Finanzhilfeinstrumente überprüfen und beschließen, sie zu ändern.

Artikel 20
Preisgestaltung

Artikel 21
Anleiheoperationen

Kapitel 5
Finanzmanagement

Artikel 22
Anlagepolitik

Artikel 23
Dividendenpolitik

Artikel 24
Reserve- und weitere Fonds

Artikel 25
Deckung von Verlusten

Artikel 26
Haushalt

Das Direktorium billigt den Haushalt des ESM jährlich.

Artikel 27
Jahresabschluss

Artikel 28
Interne Revision

In Einklang mit internationalen Standards wird eine Funktion der Internen Revision eingerichtet.

Artikel 29
Externe Prüfung

Der Abschluss des ESM wird von unabhängigen externen Abschlussprüfern geprüft, die mit Zustimmung des Gouverneursrats bestellt werden und für die Bestätigung des Jahresabschlusses verantwortlich sind. Die externen Abschlussprüfer sind befugt, sämtliche Bücher und Konten des ESM zu prüfen und alle Auskünfte über dessen Geschäfte zu verlangen.

Artikel 30
Prüfungsausschuss

Kapitel 6
Allgemeine Bestimmungen

Artikel 31
Sitz

Artikel 32
Rechtsstatus, Vorrechte und Befreiungen

Artikel 33
Bedienstete des ESM

Das Direktorium legt die Beschäftigungsbedingungen für den Geschäftsführenden Direktor und die anderen Bediensteten des ESM fest.

Artikel 34
Berufliche Schweigepflicht

Die Mitglieder und früheren Mitglieder des Gouverneursrats und des Direktoriums sowie alle anderen Personen, die für den ESM oder in Zusammenhang damit tätig sind oder tätig waren, geben keine der beruflichen Schweigepflicht unterliegenden Informationen weiter. Auch nach Beendigung ihrer Tätigkeit dürfen sie keine der beruflichen Schweigepflicht unterliegenden Informationen weitergeben.

Artikel 35
Persönliche Immunitäten

Artikel 36
Steuerbefreiung

Artikel 37
Auslegung und Streitbeilegung

Artikel 38
Internationale Zusammenarbeit

Der ESM hat das Recht, zur Beförderung seiner Zwecke nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Vertrages mit dem IWF, mit jedem Staat, der einem ESM-Mitglied auf Adhoc-Basis Finanzhilfe bereitstellt, und mit jeder internationalen Organisation oder Einrichtung mit besonderen Zuständigkeiten in damit zusammenhängenden Bereichen zusammenzuarbeiten.

Kapitel 7
Übergangsregelungen

Artikel 39
Darlehensvergabe des EFSF

In der Übergangsphase vom Inkrafttreten dieses Vertrags bis zur vollständigen Abwicklung der EFSF beläuft sich die konsolidierte Darlehensvergabe von ESM und EFSF unbeschadet der regelmäßigen Überprüfung der Angemessenheit des maximalen Darlehensvolumens nach Maßgabe des Artikels 10 auf höchstens 500 Milliarden EUR. Das Direktorium beschließt ausführ liche Leitlinien für die Berechnung der künftigen Kreditzusagekapazität, um sicherzustellen, dass die Obergrenze für die konsolidierte Darlehensvergabe nicht überschritten wird.

Artikel 40
Übertragung der EFSF-Hilfen

Artikel 41
Einzahlung des Anfangskapitals

Artikel 42
Zeitweilige Korrektur des Beitragsschlüssels

Artikel 43
Ersternennungen

Kapitel 8
Schlussbestimmungen

Artikel 44
Beitritt

Anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union steht der Beitritt zu diesem Vertrag nach Maßgabe des Artikels 2 auf Antrag hin offen; dieser Antrag wird von dem betreffenden Mitgliedstaat der Europäischen Union an den ESM gerichtet, nachdem der Rat der Europäischen Union gemäß Artikel 140 Absatz 2 AEUV beschlossen hat, die für diesen Mitgliedstaat geltende Ausnahmeregelung betreffend die Teilnahme am Euro aufzuheben. Der Gouverneursrat genehmigt den Beitrittsantrag des neuen ESM-Mitglieds und die damit zusammenhängenden ausführlichen technischen Regelungen sowie die Anpassungen, die als unmittelbare Folge des Beitritts an diesem Vertrag vorzunehmen sind. Nach Genehmigung des Antrags auf Beitritt durch den Gouverneursrat treten neue ESM-Mitglieder nach Hinterlegung der Beitrittsurkunde beim Verwahrer bei, der die anderen ESM-Mitglieder davon in Kenntnis setzt.

Artikel 45
Anhänge

Die folgenden Anhänge dieses Vertrags sind Bestandteil des Vertrags:

Artikel 46
Hinterlegung

Dieser Vertrag wird beim Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union ("Verwahrer") hinterlegt; der Verwahrer übermittelt allen Unterzeichnern beglaubigte Abschriften.

Artikel 47
Ratifikation, Genehmigung oder Annahme

Artikel 48
Inkrafttreten

Geschehen zu Brüssel am zweiten Februar zweitausendzwölf in deutscher, englischer, estnischer, finnischer, französischer, griechischer, irischer, italienischer, maltesischer, niederländischer, portugiesischer, schwedischer, slowakischer, slowenischer und spanischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, in einer Urschrift, die in den Archiven des Verwahrers hinterlegt wird; dieser übermittelt den Vertragsparteien je eine beglaubigte Abschrift.

Anhang I
Beitragsschlüssel des ESM

ESM-MitgliedESM-Schlüssel (%)
Königreich Belgien3,4771
Bundesrepublik Deutschland27,1464
Republik Estland0,1860
Irland1,5922
Hellenische Republik2,8167
Königreich Spanien11,9037
Französische Republik20,3859
Italienische Republik17,9137
Republik Zypern0,1962
Großherzogtum Luxemburg0,2504
Malta0,0731
Königreich der Niederlande5,7170
Republik Österreich2,7834
Portugiesische Republik2,5092
Republik Slowenien0,4276
Slowakische Republik0,8240
Republik Finnland1,7974
Insgesamt100,0000

Anhang II
Zeichnungen des genehmigten Stammkapitals

ESM-MitgliedAnzahl der AnteileKapitalzeichnung (EUR)
Königreich Belgien243 39724 339 700 000
Bundesrepublik Deutschland1 900 248190 024 800 000
Republik Estland13 0201 302 000 000
Irland111 45411 145 400 000
Hellenische Republik197 16919 716 900 000
Königreich Spanien833 25983 325 900 000
Französische Republik1 427 013142 701 300 000
Italienische Republik1 253 959125 395 900 000
Republik Zypern13 7341 373400 000
Großherzogtum Luxemburg17 5281 752 800 000
Malta5 117511 700 000
Königreich der Niederlande400 19040 019 000 000
Republik Österreich194 83819 483 800 000
Portugiesische Republik175 64417 564 400 000
Republik Slowenien29 9322 993 200 000
Slowakische Republik57 6805 768 000 000
Republik Finnland125 81812 581 800 000
Insgesamt7 000 000700 000 000 000

Denkschrift

I. Allgemeines

1. Gesamtansatz der Bundesregierung

Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise hat strukturelle Probleme im Euroraum - zu hohe Staatsverschuldung und mangelnde Wettbewerbsfähigkeit einiger Euro-Mitgliedstaaten - ebenso schonungslos offengelegt wie grundlegende Mängel in der Konstruktion der Wirtschafts- und Währungsunion. Der Gesamtansatz der Bundesregierung zur Krisenbewältigung und zur Schaffung einer nachhaltigen Stabilitätsunion nimmt alle diese Ursachen in den Blick.

Auf der einen Seite wird das rechtliche Fundament der Wirtschafts- und Währungsunion durch den von 25 Mitgliedstaaten der Europäischen Union am 2. März 2012 unterzeichneten Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (sogenannter Fiskalvertrag) weiter verstärkt, nachdem bereits der Stabilitäts- und Wachstumspakt verschärft, die Überwachung der Wettbewerbsfähigkeit durch das neue Verfahren zur Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte verbessert und eine effizientere europäische Finanzmarktaufsicht eingeführt wurden. Auf der anderen Seite wird als Ergänzung dieser präventiv wirkenden Maßnahmen mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ein robustes und dauerhaftes Krisenbewältigungsinstrument geschaffen, um Gefahren für die Stabilität der Eurozone insgesamt effektiv abwenden zu können.

Die dauerhafte Sicherstellung der Finanzstabilität der Währungsunion durch den ESM liegt im elementaren Interesse der Bundesrepublik Deutschland. Für die deutsche Volkswirtschaft, die in hohem Maße mit den anderen Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets wirtschaftlich verflochten ist, sind verlässliche wirtschafts- und währungspolitische Rahmenbedingungen im Binnenmarkt der Europäischen Union und insbesondere im Euro-Währungsgebiet unverzichtbar.

2. Entstehungsgeschichte des ESM

Zur Stabilisierung des Euro-Währungsgebiets als Ganzes wurden zunächst temporäre Instrumente geschaffen: das erste Griechenlandprogramm, der europäische Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) und die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF). Im weiteren Verlauf der Krise wurde deutlich, dass es neben einem Ausbau der vorsorglichen Maßnahmen eines dauerhaften und robusten Kriseninstruments bedarf, um auch für den Fall handlungsfähig zu sein, dass die Regelungen zur Krisenprävention nicht ausreichen und es dadurch zu einer Gefährdung der Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt kommt.

Der Europäische Rat billigte daher am 16./17. Dezember 2010 die zuvor von den Wirtschafts- und Finanzministern des Euro-Währungsgebiets formulierten allgemeinen Merkmale eines "Europäischen Stabilitätsmechanismus", der als internationale Finanzinstitution EFSM und EFSF ablösen soll. Um Rechtssicherheit für diesen dauerhaften Mechanismus zu schaffen, fasste der Europäische Rat zudem am 25. März 2011 den Beschluss 2011/199/EU zur Änderung des Artikels 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) hinsichtlich eines Stabilitätsmechanismus für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist. Damit wird klar gestellt, dass die Euro-Mitgliedstaaten einen Stabilitätsmechanismus errichten können, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen. Den daraufhin er arbeiteten Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM-Vertrag) haben die Wirtschafts- und Finanzminister der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets zunächst am 11. Juli 2011 unterzeichnet.

Allerdings trat auch im Verlauf des Jahres 2011 keine Beruhigung auf den Finanzmärkten ein, die Ansteckungsgefahren stiegen vielmehr deutlich an. Um diesen Risiken wirksamer begegnen zu können, kamen die Staats- und Regierungschefs der Eurozone am 21. Juli 2011 überein, die EFSF deutlich effizienter zu machen und EFSF und ESM mit weiteren Instrumenten auszustatten. Die entsprechenden Nachverhandlungen des ESM-Vertrags wurden am 2. Februar 2012 mit der erneuten Unterzeichnung abgeschlossen.

Die anhaltenden Spannungen an den Finanzmärkten zeigten auch die Notwendigkeit einer vertieften fiskalpolitischen Integration mit strengeren Regeln sowie einer grundlegenden, weitergehenden Stärkung der Wirtschaftsunion. Auf Grundlage entsprechender Beschlüsse der Staats- und Regierungschefs vom 9. Dezember 2011 unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs von 25 Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu diesem Zweck am 2. März 2012 den Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (sogenannter Fiskalvertrag), mit dem die Haushaltsdisziplin durch verbindliche nationale Schuldenbremsen und quasiautomatische Sanktionen im Defizitverfahren deutlich verbessert und die wirtschaftspolitische Koordinierung und Steuerung verstärkt wird. Dabei wird dem Grundprinzip Rechnung getragen, dass Solidität und - durch den ESM gewährte - Solidarität Hand in Hand gehen: Stabilitätshilfen durch den ESM werden - nach Ablauf der entsprechenden Fristen - nur einem Mitgliedstaat gewährt werden, der den Fiskalvertrag ratifiziert und eine entsprechende nationale Schuldenbremse eingeführt hat.

II. Besonderes

1. Ziel und Aufgaben des ESM

Nach Artikel 3 des Vertrags ist es Aufgabe des ESM, einem ESM-Mitglied, d.h. einem Staat des Euroraums, der schwere Finanzierungsprobleme hat oder dem diese drohen, Finanzhilfe unter strengen, dem gewählten Finanzhilfeinstrument angemessenen Auflagen zu gewähren, sofern dies unabdingbar ist, um die Finanzstabilität der Eurozone insgesamt und seiner Mitglieder zu wahren. Zur Erfüllung seiner Aufgaben ist der ESM berechtigt, Finanzmittel zu mobilisieren, indem er Finanzinstrumente begibt oder mit ESM-Mitgliedern, Finanzinstituten oder sonstigen Dritten Vereinbarungen oder Übereinkünfte schließt.

Bei der Bereitstellung von Finanzhilfen wird der ESM eng mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zusammenarbeiten und eine aktive Beteiligung des IWF sowohl auf fachlicher als auch auf finanzieller Ebene anstreben. Von einem Mitgliedstaat des Euro-Währungsgebiets, der um eine Finanzhilfe durch den ESM ersucht, wird erwartet, dass er ein ähnliches Ersuchen an den IWF richtet (Erwägungsgrund 8, Artikel 38). Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Währung nicht der Euro ist, können sich im Einzelfall neben dem ESM an Finanzhilfemaßnahmen für ESM-Mitglieder beteiligen (Erwägungsgrund 9, Artikel 38).

2. Mitgliedschaft

Alle Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets sind (Gründungs-)Mitglieder des ESM. Wenn Mitgliedstaaten der Europäischen Union dem Euro-Währungsgebiet beitreten, sollen diese auch ESM-Mitglied werden (Erwägungsgrund 7). Das Beitrittsverfahren ist in Artikel 44 geregelt. Tritt ein Staat dem ESM bei, so wird der Beitragsschlüssel nach Artikel 11 Absatz 3 entsprechend dem Schlüssel für die Zeichnung des Kapitals der Europäischen Zentralbank (EZB) angepasst. Das genehmigte Stamm kapital des ESM wird gemäß Artikel 10 Absatz 3 automatisch erhöht, indem die zum betreffenden Zeitpunkt geltenden Beträge mit der Verhältniszahl aus dem Gewichtsanteil des neuen ESM-Mitglieds und dem Gewichtsanteil der bestehenden ESM-Mitglieder nach dem in Artikel 11 vorgesehenen angepassten Beitragsschlüssel multipliziert werden. Diese Anpassung führt nicht zu einer Änderung der absoluten Kapitalhöhe der ursprünglichen Mitglieder.

3. Bedingungen und Verfahren für die Gewährung von Stabilitätshilfe

a. Grundsätze

Der Gewährung von Stabilitätshilfe durch den ESM liegen folgende Prinzipien zugrunde:

b. Verfahren

Das Verfahren für die Gewährung von Stabilitätshilfe ist in Artikel 13 niedergelegt. Weitere Regelungen finden sich in den Artikeln betreffend die einzelnen Finanzhilfeinstrumente und in den vom Direktorium für die einzelnen Instrumente zu erlassenden Leitlinien. Das Verfahren gliedert sich in folgende Schritte:

c. Eilverfahren

Das Eilverfahren (bzw. Dringlichkeitsabstimmungsverfahren) gemäß Artikel 4 Absatz 4 kann für Beschlüsse über die Gewährung und Durchführung von Finanzhilfen nach den Artikeln 13 bis 18 angewendet werden, wenn die Europäische Kommission und die EZB zu dem Schluss gelangen, dass die Unterlassung der dringlichen Annahme eines Beschlusses zur Gewährung oder Durchführung von Finanzhilfe in aller Eile die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität des Euro-Währungsgebiets bedrohen würde. Im Eilverfahren können in den zitierten Artikeln vorgesehene Beschlüsse des Gouverneursrats und des Direktoriums, für die eine Beschlussfassung im gegenseitigem Einvernehmen vorgeschrieben ist, ausnahmsweise mit einer qualifizierten Mehrheit von 85 Prozent der Kapitalanteile getroffen werden. Deutschland, Frankreich und Italien haben aufgrund der Größe ihrer Kapitalanteile ein (faktisches) Vetorecht.

Bei Anwendung des Eilverfahrens wird ein Notfallreservefonds gebildet, der die Funktion hat, eine zweckbestimmte Rückstellung zur Abdeckung der Risiken zu bilden, die sich aus der im Dringlichkeitsverfahren gewährten Finanzhilfe ergeben. Der Gouverneursrat kann einstimmig beschließen, den Notfallreservefonds aufzulösen und seinen Inhalt auf den Reservefonds und/oder das eingezahlte Kapital zurückzuübertragen.

4. Instrumente

Dem ESM stehen die gleichen Instrumente wie der EFSF zur Verfügung. Die Einzelheiten der Ausgestaltung der Instrumente werden jeweils in vom Direktorium zu beschließenden Leitlinien festgeschrieben. Grundvoraussetzung für den Einsatz der Instrumente ist stets, dass die Hilfe zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist (Artikel 12).

Der Gouverneursrat kann die Liste der Finanzinstrumente überprüfen und einvernehmlich beschließen, sie zu ändern (Artikel 19).

a. Vorsorgliche Finanzhilfe

Der ESM kann vorsorgliche Finanzhilfe in Form von Kreditlinien bereitstellen (Artikel 14).

Der Zugang zu einer vorsorglichen konditionierten Kreditlinie (Precautionary Conditioned Credit Line (PCCL)) ist nur bei Erfüllung vorab festgelegter Bedingungen möglich und auf solche Staaten begrenzt, deren wirtschaftliche und finanzielle Situation grundsätzlich solide ist und die an einer soliden Finanz- und Wirtschaftspolitik festhalten. Für Fälle, in denen einzelne der Zugangskriterien einer PCCL nicht erfüllt werden, die wirtschaftliche und finanzielle Situation aber dennoch insgesamt solide ist, kann eine Kreditlinie mit erweiterten Konditionen (Enhanced Conditions Credit Line (ECCL)) gewährt werden. Die Konditionen bestehen in Maßnahmen zur Korrektur identifizierter Schwachpunkte und zur Vermeidung zukünftiger Probleme beim Marktzugang dieses Staates.

Nach Gewährung einer Kreditlinie entsprechend dem Verfahren nach Artikel 13 entscheidet das Direktorium auf Grundlage eines Berichts der Europäischen Kommission nach Artikel 13 Absatz 7 und auf Vorschlag des Geschäftsführenden Direktors darüber, ob die Kreditlinie fortgeführt werden soll. Sofern der unterstützte Mitgliedstaat den Kredit aus der Kreditlinie in Anspruch nimmt, trifft das Direktorium auf Grundlage einer von der Europäischen Kommission durchgeführten Bewertung und auf Vorschlag des Geschäftsführenden Direktors eine Entscheidung darüber, ob ein vorsorgliches Instrument in Form einer Kreditlinie weiterhin angemessen oder eine andere Form der Finanzhilfe erforderlich ist (Artikel 14 Absatz 6).

b. Darlehen zur Rekapitalisierung von Banken

Der ESM kann einem ESM-Mitglied ein Darlehen spezifisch zu dem Zweck gewähren, Finanzinstitute dieses ESM-Mitglieds zu rekapitalisieren (Artikel 15). Dieses Instrument kann eingesetzt werden, wenn die Ursache für die finanzielle Notlage des Staates eng mit dem Finanzsektor verbunden ist und nicht unmittelbar fiskalischer oder struktureller Art ist. Der Schwerpunkt der in einem MoU zu verankernden Konditionalität wird bei diesen Darlehen - unter Beachtung des EU-Beihilfenrechts - auf der Sanierung des Finanzsektors liegen. Sofern die Finanzhilfe in mehreren Tranchen ausgezahlt werden soll, entscheidet das Direktorium entsprechend dem Verfahren nach Artikel 13 auf Grundlage des Berichts der Europäischen Kommission nach Artikel 13 Absatz 7 und auf Vorschlag des Geschäftsführenden Direktors über die Auszahlung weiterer Tranchen.

c. Darlehen

Der ESM kann (allgemeine) Darlehen an ein ESM-Mitglied gewähren (Artikel 16). Voraussetzung für die Gewährung eines Darlehens ist die Vereinbarung eines umfassenden makroökonomischen Anpassungsprogramms, das im MoU festgeschrieben wird. Nach Gewährung dieses Instruments entsprechend dem Verfahren nach Artikel 13 entscheidet das Direktorium auf Grundlage des Berichts der Europäischen Kommission nach Artikel 13 Absatz 7 und auf Vorschlag des Geschäftsführenden Direktors über die Auszahlung weiterer Tranchen eines Darlehens.

d. Primärmarktkäufe

Der ESM kann Anleihen eines ESM-Mitglieds auf dem Primärmarkt ankaufen (Artikel 17). Anleihekäufe auf dem Primärmarkt dienen vor allem dem Ziel, den Mitgliedstaat am Markt zu halten oder ihm die Rückkehr an den Markt zu erleichtern. Sie dienen damit auch dem kosteneffizienten Einsatz von Mitteln des ESM.

Nach Gewährung dieses Instruments entsprechend dem Verfahren nach Artikel 13 entscheidet das Direktorium auf Grundlage des Berichts der Europäischen Kommission nach Artikel 13 Absatz 7 und auf Vorschlag des Geschäftsführenden Direktors über die Tätigung weiterer Ankäufe.

e. Sekundärmarktkäufe

Der ESM kann Anleihen eines ESM-Mitglieds auf dem Sekundärmarkt ankaufen, um Ansteckungsgefahren zu verhindern (Artikel 18). Sekundärmarktkäufe unterstützen das Funktionieren der Anleihemärkte und eine angemessene Preisbildung in außergewöhnlichen Umständen, in denen eine begrenzte Liquidität die Finanzstabilität bedroht. Sekundärmarktinterventionen setzen eine Analyse der EZB voraus, die das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände auf dem Finanzmarkt und eine Gefahr für die Finanzstabilität bestätigt.

Über den Beginn konkreter Ankaufoperationen entscheidet das Direktorium einvernehmlich auf Vorschlag des Geschäftsführenden Direktors.

f. Kosten der Finanzhilfe

Kosten für die Gewährung von Finanzhilfen sind durch den begünstigten Mitgliedstaat zu tragen. Neben der Deckung der Finanzierungs- und Betriebskosten des ESM wird auch eine angemessene Marge einkalkuliert (Artikel 20). Einzelheiten der Preisgestaltung werden in einer Leitlinie festgelegt, die der Gouverneursrat beschließt.

5. Organisation und Entscheidungsprozesse

Organe des ESM sind der Gouverneursrat (Artikel 5), das Direktorium (Artikel 6) und der Geschäftsführende Direktor (Artikel 7).

In den Gouverneursrat entsendet jedes ESM-Mitglied ein Regierungsmitglied mit Zuständigkeit für die Finanzen und ein stellvertretendes Mitglied. Der Gouverneursrat überträgt seinen Vorsitz entweder dem Präsidenten der Euro-Gruppe oder er wählt einen Vorsitzenden aus dem Kreis seiner Mitglieder. Der Gouverneursrat als höchstes Organ des ESM beschließt über Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung. Wesentliche Entscheidungen, die der enumerativen Liste in Artikel 5 Absatz 6 zu entnehmen sind, trifft er im gegenseitigen Einvernehmen (zum Eilverfahren siehe Artikel 4 Absatz 4). Dazu zählen unter anderem Änderungen des genehmigten Stammkapitals und Anpassungen des maximalen Darlehensvolumens, Entscheidungen über die Gewährung von Finanzhilfen einschließlich der wirtschaftspolitischen Auflagen und der Wahl der Instrumente, Änderungen der Zinsstruktur und der Zinsfestsetzungspolitik, Änderungen der Finanzhilfeinstrumente oder die Übertragung von Aufgaben an das Direktorium. Andere Entscheidungen gemäß Artikel 5 Absatz 7 trifft der Gouverneursrat mit qualifizierter Mehrheit. Der Gouverneursrat verabschiedet seine Geschäftsordnung und eine Satzung für den ESM.

Jedes Mitglied des Gouverneursrats ernennt ein Mitglied und ein stellvertretendes Mitglied des Direktoriums. Das Direktorium gewährleistet, dass der ESM gemäß dem Vertrag und gemäß der vom Gouverneursrat beschlossenen Satzung des ESM geführt wird und trifft Beschlüsse, soweit ihm diese Aufgabe durch den Vertrag oder durch den Gouverneursrat übertragen wird (Artikel 6 Absatz 6). Das Direktorium beschließt mit qualifizierter Mehrheit unter anderem ausführliche Regelungen und Leitlinien für Kapitalabrufe (Artikel 9 Absatz 4), Regelungen für die Kapitalveränderungen (Artikel 10 Absatz 2), Leitlinien für die Finanzhilfeinstrumente (Artikel 14 bis 18) sowie für die Anlagepolitik des ESM (Artikel 22). Für Beschlüsse, die das Direktorium auf Grundlage von Befugnissen fasst, die der Gouverneursrat delegiert hat, gelten die jeweiligen Abstimmungsregeln für den Gouverneursrat (Artikel 6 Absatz 5).

Der Geschäftsführende Direktor wird vom Gouverneursrat für eine Amtszeit von fünf Jahren mit qualifizierter Mehrheit ernannt, wobei eine einmalige Wiederernennung möglich ist. Der Geschäftsführende Direktor ist während seiner Amtszeit weder Mitglied noch stellvertretendes Mitglied des Gouverneursrats oder des Direktoriums, er nimmt jedoch an den Sitzungen des Gouverneursrats teil und führt in den Sitzungen des Direktoriums den Vorsitz (Artikel 7 Absatz 1 bis 3). Der Geschäftsführende Direktor ist der gesetzliche Vertreter des ESM, er steht den Bediensteten vor und führt nach den Weisungen des Direktoriums die laufenden Geschäfte des ESM (Artikel 7 Absatz 4 und 5).

Der Gouverneursrat und das Direktorium beschließen nach Maßgabe des Vertrags in gegenseitigem Einvernehmen, mit qualifizierter Mehrheit oder mit einfacher Mehrheit (Artikel 4 Absatz 2). Die Annahme eines Beschlusses in gegenseitigem Einvernehmen erfordert die Einstimmigkeit der an der Abstimmung teilnehmenden Mitglieder und wird durch Enthaltungen nicht verhindert (Artikel 4 Absatz 3). Für Fälle, in denen die Europäische Kommission und die EZB befinden, dass eine Eilentscheidung zur Gewährung oder Durchführung einer Finanzhilfe erforderlich ist, um eine Gefährdung der Finanzstabilität der Eurozone zu verhindern, erfordert ein Beschluss im gegenseitigen Einvernehmen eine qualifizierte Mehrheit von 85 Prozent der Stimmen (Artikel 4 Absatz 4). Für die Annahme eines Beschlusses mit qualifizierter Mehrheit sind im Übrigen 80 Prozent der abgegebenen Stimmen erforderlich (Artikel 4 Absatz 5). Die Stimmrechte der ESM-Mitglieder richten sich nach deren Kapitalanteilen. Für die Annahme eines Beschlusses mit einfacher Mehrheit ist die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich (Artikel 4 Absatz 6). Die Stimmrechte der ESM-Mitglieder im Gouverneursrat und im Direktorium entsprechen ihren Anteilen am genehmigten Stammkapital (Artikel 4 Absatz 7). Kommt ein ESM-Mitglied seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem ESM nicht rechtzeitig nach, so werden sämtliche Stimmrechte dieses ESM-Mitglieds ausgesetzt, bis die Zahlung erfolgt ist (Artikel 4 Absatz 8).

6. Kapital

a. Stammkapital

Das genehmigte Stammkapital des ESM beträgt 700 Milliarden Euro und wird in eingezahlte Anteile und abruf bare Anteile unterteilt (Artikel 8). Der anfängliche Gesamtnennwert der eingezahlten Anteile beläuft sich auf 80 Milliarden Euro; 620 Milliarden Euro werden von den Mitgliedstaaten als abrufbares Kapital bereitgestellt.

Nach Artikel 41 erfolgt die Einzahlung des Anfangskapitals in fünf jährlichen Raten von jeweils 20 Prozent des Gesamtbetrags. Die erste Rate ist innerhalb von 15 Tagen nach dem Tag des Inkrafttretens des Vertrags zu zahlen. Die restlichen vier Raten werden jeweils an dem Tag eingezahlt, an dem sich die Einzahlung der ersten Rate zum ersten, zweiten, dritten und vierten Mal jährt. Sofern es erforderlich wird, beschleunigen die Mitglieder des ESM während des Fünfjahreszeitraums die Einzahlung der Tranchen, wenn dies bei Bedarf notwendig ist, um das Verhältnis zwischen eingezahltem Kapital und ausstehendem Betrag an ESM-Anleiheemissionen bei mindestens 15 Prozent zu halten und eine konsolidierte Darlehenskapazität von insgesamt 500 Milliarden Euro für ESM und EFSF sicherzustellen (Artikel 41 Absatz 2). Abgesehen von dieser Regelung kann sich jedes ESM-Mitglied entschließen, seinen Anteil am einzuzahlenden Kapital schneller bereitzustellen (Artikel 41 Absatz 3).

Die Anteile der Mitgliedstaaten am Kapital des ESM orientieren sich an dem Schlüssel für die Zeichnung des EZB-Kapitals (Artikel 11), modifiziert um eine befristete Korrektur für ESM-Mitglieder mit einem besonders niedrigen Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt (Artikel 42). Der Beitragsschlüssel wird in Anhang I des Vertrags niedergelegt. Der Schlüssel wird gemäß Artikel 41 Absatz 3 angepasst, wenn ein Mitgliedstaat der EU als neues Mitglied Anteile am ESM erhält und sich das genehmigte Stammkapital des ESM automatisch erhöht oder wenn die befristete Korrektur für ein ESM-Mitglied endet. Wird der Beitragsschlüssel angepasst, so kann der Gouverneursrat beschließen, etwaige zwischenzeitliche Aktualisierungen des Schlüssels für die Zeichnung des EZB-Kapitals zu berücksichtigen (Artikel 11 Absatz 4). Die letztgenannte Anpassungsmöglichkeit des Beitragsschlüssels besteht auch, wenn das Stammkapital des ESM nach Artikel 10 Absatz 1 erhöht wird (Artikel 11 Absatz 4).

Der Kapitalanteil der Bundesrepublik Deutschland gemäß dem Erstbeitragsschlüssel beträgt 27,1464 Prozent. Die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland beläuft sich somit auf 1 900 248 Anteile am genehmigten Stammkapital des ESM. Der Nennwert eines ESM-Anteils beträgt 100 000 Euro. Demzufolge verpflichtet sich die Bundesrepublik Deutschland gegenüber den Vertragsparteien, sich am genehmigten Stammkapital des ESM mit einem Gesamtbetrag in Höhe von 190,0248 Milliarden Euro zu beteiligen, der sich aus einem Beitrag zum eingezahlten Gesamtkapital des ESM (80 Milliarden Euro) in Höhe von 21,71712 Milliarden Euro und einem Beitrag zum abrufbaren Gesamtkapital des ESM (620 Milliarden Euro) in Höhe von 168,30768 Milliarden Euro zusammensetzt.

Der Gouverneursrat überprüft die Angemessenheit des genehmigten Stammkapitals und des maximalen Ausleihvolumens des ESM mindestens alle fünf Jahre. Er kann einvernehmlich beschließen, das genehmigte Stammkapital zu ändern. Ein solcher Beschluss tritt jedoch erst in Kraft, nachdem die ESM-Mitglieder den Abschluss ihrer jeweiligen nationalen Verfahren notifiziert haben (Artikel 10 Absatz 1). In Deutschland ist für eine Erhöhung des Kapitalanteils eine Ermächtigung durch Bundesgesetz zur Bereitstellung weiteren Kapitals erforderlich.

Solange der ESM keinem seiner Mitglieder Finanzhilfe gewährt hat, fließen die Erträge aus den Anlagen des eingezahlten Kapitals des ESM nach Abzug der Betriebskosten und unter der Voraussetzung, dass die angestrebte effektive Darlehenskapazität in voller Höhe zur Verfügung steht, an die Mitglieder des ESM entsprechend ihren jeweiligen Anteilen zurück. Nach Aktivierung des ESM kann das Direktorium mit einfacher Mehrheit über die Auszahlung einer Dividende beschließen, falls die Summe aus eingezahltem Kapital und Reservefonds die für die Aufrechterhaltung der Darlehenskapazität erforderliche Höhe übersteigt (Artikel 23).

Die Mitglieder des ESM haften nicht für Verbindlichkeiten des ESM. Ihre Haftung gegenüber dem ESM ist unter allen Umständen auf ihren Anteil am genehmigten Stammkapital begrenzt (Artikel 8 Absatz 5).

b. Kapitalabruf

Muss der ESM einen Zahlungsausfall ausgleichen, weil insbesondere ein begünstigtes ESM-Mitglied seinen Rückzahlungsverpflichtungen gegenüber dem ESM nicht rechtzeitig nachkommt, so werden entsprechende Verluste vorrangig aus einem Reservefonds ausgeglichen, in den neben dem Reingewinn der Operationen des ESM die finanziellen Sanktionen gegen ESM-Mitglieder im Rahmen des verschärften Stabilitäts- und Wachstumspakts und des Fiskalvertrags fließen (Artikel 24, 25 sowie 8 Absatz 2 des Fiskalvertrags). Auf diese Weise werden diejenigen Staaten, die den gemeinsamen Vorgaben zur Fiskaldisziplin und zur Vermeidung makroökonomischer Ungleichgewichte nicht nachkommen, vorrangig an den Kosten der Finanzhilfen beteiligt.

Reicht der Reservefonds zum Ausgleich des Verlustes nicht aus, muss nach Artikel 25 Absatz 1 auf das eingezahlte Kapital zurückgegriffen werden. In diesem Fall kann das Direktorium des ESM mit einfacher Mehrheit einen Kapitalabruf beschließen, um die vereinbarte Höhe des eingezahlten Kapitals wieder herzustellen (Artikel 9 Absatz 2). Die Bildung eines Notfallreservefonds nach Artikel 4 Absatz 4 führt auch bei einer Speisung aus dem eingezahlten Kapital nicht zur Auslösung eines Kapitalabrufs nach Artikel 9 Absatz 2, da die Bildung des Notfallreservefonds keinen Ausgleich von Verlusten, sondern eine spezielle Rückstellung für Verluste darstellt.

Reicht das eingezahlte Kapital zum Ausgleich eines Zahlungsausfalls gegenüber dem ESM nicht aus und droht dadurch ein Zahlungsverzug des ESM, so erfolgt der Kapitalabruf automatisch durch den Geschäftsführenden Direktor (Artikel 9 Absatz 3).

Kapitalabrufe erfolgen gegenüber allen Mitgliedern des ESM entsprechend ihrem Beteiligungsschlüssel. Kommt ein ESM-Mitglied einem Kapitalabruf zum Ausgleich eines Zahlungsausfalls nicht rechtzeitig nach, so ergeht erforderlichenfalls ein vorübergehend revidierter erhöhter Kapitalabruf an alle übrigen ESM-Mitglieder. In einem solchen Fall beschließt der Gouverneursrat geeignete Schritte, um sicherzustellen, dass das ESM-Mitglied seine Schuld gegenüber dem ESM begleicht und das überschüssige Kapital an die anderen ESM-Mitglieder zurückgezahlt wird (Artikel 25 Absatz 2).

Diese Fallkonstellationen des Kapitalabrufs erfordern nach der Konstruktion des ESM als Internationale Finanzinstitution eine unbedingte zusätzliche Kapitaleinzahlung unter Anrechnung auf das abrufbare Kapital, da das eingezahlte Kapital maßgeblich zur Absicherung einer erstklassigen Bonität des ESM und zur Absicherung des Ausleihvolumens beiträgt.

Neben diesen Fallkonstellationen kann ein Abruf von genehmigtem, nicht eingezahltem Kapital auch aus sonstigen Gründen durch einvernehmlichen Beschluss des Gouverneursrats erfolgen (Artikel 9 Absatz 1). Ein solcher

Kapitalabruf ist etwa im Zusammenhang mit einer Änderung des genehmigten Stammkapitals denkbar.

c. Anlagepolitik/Finanzmanagement

Für die Anlage des eingezahlten Kapitals wendet der ESM eine umsichtige Anlagepolitik an, um die höchste Bonität zu sichern (Artikel 22). Hierzu wird das Direktorium Leitlinien erstellen und regelmäßig überprüfen.

Der ESM handelt nach den Grundsätzen eines soliden Finanz- und Risikomanagements (Artikel 22 Absatz 2). Die Abschlussprüfung des ESM erfolgt durch unabhängige, externe Prüfer, die Einsicht in sämtliche Bücher und Konten des ESM haben und alle Auskünfte über dessen Geschäfte verlangen können (Artikel 29, 30). Der ESM veröffentlicht einen Jahresbericht mit dem geprüften Jahresabschluss und übermittelt den ESM-Mitgliedern einen Quartalsabschluss und eine Gewinn- und Verlustrechnung (Artikel 27). Darüber hinaus kontrolliert ein unabhängiger Prüfungsausschuss, dem unter anderem zwei Mitglieder aus obersten Rechnungsprüfungsorganen der Mitgliedstaaten sowie ein Mitglied des Europäischen Rechnungshofes angehören, die Konten des ESM und prüft die Ordnungsmäßigkeit seiner Gewinn- und Verlustrechnung sowie seiner Bilanz. Die jährlichen Berichte dieses Prüfungsausschusses werden den nationalen Parlamenten, den obersten Rechnungskontrollbehörden der ESM-Mitglieder sowie dem Europäischen Rechnungshof zugänglich gemacht.

d. Ausleihvolumen des ESM

Der ESM verwendet sein Kapital als Absicherung, um am Markt die erforderlichen Mittel für die Vergabe von Stabilitätshilfen aufzunehmen. Das effektive Kreditvergabevolumen des ESM hängt demnach von seiner Kapitalstruktur ab, wird aber von der konkreten Marktsituation beeinflusst.

In der Übergangsphase vom Inkrafttreten des ESM bis zur vollständigen Abwicklung der EFSF wird das konsolidierte Ausleihvolumen von ESM und EFSF auf höchstens 500 Milliarden Euro begrenzt (Artikel 39). Die Angemessenheit dieser Obergrenze des gemeinsamen maximalen Ausleihvolumens von ESM und EFSF wird jedoch vor dem Inkrafttreten des Vertrags neu bewertet. Falls dies angebracht ist, wird das Ausleihvolumen ab Inkrafttreten des Vertrags gemäß Artikel 10 durch den Gouverneursrat des ESM angepasst (Erwägungsgrund 6).

Das Direktorium beschließt ausführliche Leitlinien für die Berechnung der künftigen Kreditzusagekapazität, um sicherzustellen, dass die Obergrenze für die konsolidierte Darlehensvergabe nicht überschritten wird.

Der Gouverneursrat kann beschließen, dass der ESM Rechte und Pflichten der EFSF, insbesondere in Bezug auf die Gesamtheit oder Teile bestehender Darlehensfazilitäten, übernimmt (Artikel 40).

7. Sonstige Vorschriften

Der ESM hat seinen Sitz in Luxemburg (Artikel 31).

Dem ESM als Institution und seinen Bediensteten werden zur Gewährleistung seiner Funktionsfähigkeit bestimmte Vorrechte und Befreiungen in dem auch bei anderen internationalen Organisationen üblichen Umfang gewährt (Artikel 32, 35, 36).

Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung des Vertrags zwischen den Vertragsparteien oder zwischen den Vertragsparteien und dem ESM werden nach erfolglosem Durchlaufen des ESM-internen Streitbeilegungsverfahrens gemäß Artikel 273 AEUV beim Gerichtshof der Europäischen Union anhängig gemacht (Artikel 37).

8. Voraussetzungen für das Inkrafttreten

Der Vertrag bedarf der Ratifikation, Genehmigung oder Annahme durch die Unterzeichner. Der Vertrag tritt an dem Tag in Kraft, an dem die Ratifikations-, Genehmigungs- oder Annahmeurkunden von Unterzeichnern hinterlegt wurden, deren Erstzeichnungen mindestens 90 Prozent der gesamten in Anhang II des Vertrags vorgesehenen Zeichnungen ausmachen (Artikel 48).

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Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz:
NKR-Nr. 2084:
Gesetz zu dem Vertrag vom 2. März 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus

Der Nationale Normenkontrollrat hat den Entwurf des o.g. Gesetzes geprüft.

Mit dem Gesetz erklären der Deutsche Bundestag und der Bundesrat ihre Zustimmung zum völkerrechtlichen Vertrag, mit dem der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) errichtet wird. Der Vertrag regelt u.a. Sitz, Aufgabe, Organe des ESM, das Kapital sowie die Voraussetzungen und Verfahren für die Gewährung von Stabilitätshilfe durch den ESM an ein ESM-Mitglied. Die Kosten des ESM einschließlich der Kosten der Verwaltung werden aus den Erträgen des Kapitals gedeckt.

Im ESM-Vertrag verpflichtet sich Deutschland, sich am Gesamtbetrag des einzuzahlenden Kapitals des ESM in Höhe von 80 Milliarden Euro mit rund 22 Milliarden Euro zu beteiligen. Darüber hinaus wird eine Beteiligung am Gesamtbetrag des abrufbaren Kapitals des ESM in Höhe von 620 Milliarden Euro mit rund 168 Milliarden Euro zugesagt. Das einzuzahlende Kapital wird tranchenweise gezahlt.

Der ESM-Vertrag sieht zudem die Möglichkeit der Vertragsänderung vor, die innerstaatlich ein erneutes Ratifizierungsgesetz erfordert. Das vorliegende Ratifizierungsgesetz regelt deshalb, dass eine Erhöhung des genehmigten Kapitals des ESM und eine Änderung der dem ESM zur Verfügung stehenden Finanzhilfeinstrumente eine bundesgesetzliche Ermächtigung voraussetzen.

Die Höhe der Zahlungen Deutschlands an den ESM unterliegt nicht der Bewertung durch den Nationalen Normenkontrollrat. Von der Ratifizierung des Vertrags sind jedoch wesentliche Strukturen der Wirtschafts- und Finanzbereiche betroffen. Die Auswirkungen auf den Erfüllungsaufwand der Verwaltung können jedoch zurzeit naturgemäß nicht quantifiziert werden, da sie vom Zeitpunkt und Umfang der Inanspruchnahme des ESM abhängen.

Der Nationale Normenkontrollrat hat insoweit im Rahmen seines gesetzlichen Prüfauftrags keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben.

Dr. Ludewig Funke
Vorsitzender Berichterstatter