938. Sitzung des Bundesrates am 6. November 2015
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Finanzausschuss (Fz), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission weit vor Beginn der vierten Handelsperiode des europäischen Emissionshandels (Zeitraum 2021 bis 2030) einen Vorschlag zur Fortschreibung der Richtlinie 2003/87/EG vorgelegt hat. Damit kann frühzeitig Klarheit über die Rahmenbedingungen für die in den europäischen Emissionshandel einbezogenen Anlagen geschaffen werden.
- 2. Der Bundesrat begrüßt auch den Vorschlag; mit ihm werden wichtige Weichen zur weiteren Reform des EU-Emissionshandels für die vierte Handelsperiode ab 2021 gestellt. Damit sollen wichtige Voraussetzungen geschaffen werden, damit die EU-Klima- und Energieziele 2030 erreicht werden können.
- 3. Er begrüßt ferner, dass mit dem Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG die Zielsetzungen der EU zur Minderung der Treibhausgasemissionen bis 2030 frühzeitig umgesetzt werden sollen.
- 4. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die Zielsetzung der Kommission, durch die Weiterentwicklung der Richtlinie 2003/87/EG den EU-Emissionshandel für die kommende Handelsperiode wieder zu einem effektiven Klimaschutzinstrument zu machen.
- 5. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass zur Erreichung des Ziels einer Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 2 Grad Celsius und des Ziels einer Minderung der Treibhausgasemissionen um 80 bis 95 Prozent bis 2050 für 2030 ein deutlich höheres EU-weites Zwischenziel formuliert werden sollte, und bittet die Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass für den Fall des Zustandekommens eines ambitionierten internationalen Klimaschutzabkommens die EU ihr Klimaschutzziel 2030 um mindestens zehn Prozentpunkte erhöht.
- 6. Nach Auffassung des Bundesrates muss sich diese Anpassung des Klimaziels auf die Emissionen der EU-Mitgliedstaaten beziehen.
- 7. Der Bundesrat begrüßt die ambitionierte Zielsetzung zur Minderung der Treibhausgasemissionen bis 2030.
- 8. Hierbei stellt das europäische Emissionshandelssystems (ETS) das zentrale Element der europäischen Klimapolitik dar. Der Bundesrat unterstützt das ETS als marktbasiertes System, das langfristige Anreize für eine kosteneffiziente Emissionsminderung schaffen soll.
- 9. Die Funktionsweise des ETS hängt entscheidend von den verlässlichen Rahmenbedingungen dieses Systems ab.
- 10. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei den weiteren Verhandlungen unter anderem für frühzeitige, transparente und nachvollziehbare Festlegungen und klare Preissignale für einen kosteneffizienten Klimaschutz einzusetzen, um faire Rahmenbedingungen und langfristige Planungssicherheit für Investitionen in klimagerechte Energien und Effizienztechnologien zu schaffen.
- 11. Daher spricht sich der Bundesrat dafür aus, in der nun anstehenden Reform frühzeitig klare Regelungen für die kommende vierte Handelsperiode vorzusehen.
- 12. Der Bundesrat stellt fest, dass der europäische Emissionshandel das effektivste Instrument zur Verringerung der Treibhausgasemissionen in Europa ist. Die Maßnahmen der Kommission zur Stärkung der Allokationswirkung des europäischen Emissionshandels sind daher grundsätzlich zu befürworten.
- 13. Aus Sicht des Bundesrates ist es allerdings notwendig, möglichst umgehend den derzeit nur eingeschränkt funktionierenden Emissionshandel wieder funktionsfähig zu machen. Ausweislich des Vorschlags für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einrichtung und Anwendung einer Marktstabilitätsreserve (MSR) für das EU-System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten und zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG (COM (2014) 20 final) befinden sich bis 2020 circa 2,6 Milliarden überschüssige Zertifikate im Markt. Um die Wirksamkeit des ETS auf dem Weg zur vierten Handelsperiode sicherzustellen, hält er zusätzlich zur beschlossenen MSR sofortige Maßnahmen für notwendig, deren Ziel es ist, diesen Überschuss weitgehend und zügig abzubauen und damit bessere Preissignale für Investitionen in CO₂-effiziente Technologien zu setzen.
- 14. Er ist weiterhin der Auffassung, die zulässigen Emissionsobergrenzen (CAPs) in regelmäßigen Abständen zu überprüfen, um diese gegebenenfalls an den tatsächlichen Ausbau der erneuerbaren Energien anzupassen. Einem zügigen und europaweiten Ausbau der erneuerbaren Energien muss gegebenenfalls durch eine Reduzierung der CAPs Rechnung getragen werden, damit der Emissionshandel seine klimapolitische Lenkungswirkung entfalten kann.
- 15. Der Bundesrat sieht die Gefahr, dass ohne ein internationales Klimaschutzabkommen europäische Unternehmen einseitig belastet werden und sich damit ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit verschlechtert. Der Bundesrat hat bereits wiederholt - zuletzt in seiner Stellungnahme vom 8. Mai 2015 (BR-Drucksache 072/15(B) , Ziffer 6) - darauf hingewiesen, dass Produktionsverlagerungen in Nicht-EU-Länder mit weniger ambitionierten Klimaschutzzielen zu vermeiden sind. Standortverlagerungen energieintensiver Industrien führen nur zum Abbau von Arbeitsplätzen in der EU, ohne zum Klimaschutz beizutragen. Bei den weiteren Beratungen des Vorschlags ist daher auch den Ergebnissen der Klima-Konferenz in Paris (COP 21) Rechnung zu tragen.
- 16. Bei der Ausgestaltung der Novellierung des ETS ist darauf zu achten, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit [und das zugehörige erhebliche Risiko der Verlagerung von CO₂-Emissionen] der energieintensiven und außenhandelsabhängigen Industrien angemessen berücksichtigt werden. Nur so können die industriellen Wertschöpfungsketten, die Deutschland kennzeichnen und von denen Millionen Arbeitsplätze abhängen, nachhaltig und dauerhaft gesichert werden.
- 18. Der Bundesrat begrüßt die Fortführung der Entlastungen für Carbon-Leakagegefährdete Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb mit Unternehmen konkurrieren, die keine vergleichbaren Klimaschutzanforderungen zu erfüllen haben.
- 19. Denn die Verlagerung von Investitionen oder die Abwanderung von Unternehmen in das außereuropäische Ausland schadet auch der Wirtschaft sowie den Verbraucherinnen und Verbrauchern in Deutschland und der EU [und bringt auch dem Klimaschutz nichts].
- 21. Der Bundesrat begrüßt die Instrumente "Backloading" und "MSR", weist aber auf die Notwendigkeit hin, mit der jetzigen Überarbeitung ab der vierten Handelsperiode ein langfristig robustes System zu schaffen, das kurzfristige Eingriffe in das ETS vermeidet.
- 22. Der Bundesrat sieht die klimaschutzpolitische Notwendigkeit, den Marktwert von Emissionszertifikaten zu stabilisieren, damit Investitionen in klimafreundliche Technologien frühzeitig und langfristig geplant werden können. Zusätzlich zu weiteren Maßnahmen erachtet er hierbei die Einführung einer europaweiten Preisuntergrenze für CO₂-Zertifikate als notwendig. Dabei sollte ein Mechanismus zur Bestimmung der Höhe der Preisuntergrenze etabliert werden, der dazu führt, dass Investitionen in Emissionsminderungsmaßnahmen sich schon frühzeitig betriebswirtschaftlich amortisieren können. Die Einführung einer Preisuntergrenze hätte nach Auffassung des Bundesrates zudem den positiven Effekt, dass nationale bzw. EU-weite Finanzierungsmechanismen wie der Energie- und Klimafonds bzw. der geplante Innovationsfonds eine sichere, berechenbare, konjunktur- und haushaltsunabhängige Mindestfinanzierungsgrundlage erhalten.
- 23. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass insbesondere durch die Versteigerung von Emissionsberechtigungen bei gleichzeitiger Existenz einer Preisuntergrenze zusätzliche Anreize zur Investition in CO₂-effiziente Technologien gegeben werden, da sie die Planungssicherheit für potenzielle Investoren erhöht.
- 24. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei den weiteren Verhandlungen dafür einzusetzen, dass es nicht von vornherein zu einer Deckelung der kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten für die Industrie kommen darf. Dadurch könnten auch die effizientesten Anlagen einer Carbon-Leakage-Gefahr unterliegen. Um einen Korrekturfaktor zu vermeiden, der auf eine Kürzung der Zertifikate auch der effizientesten Anlagen hinausläuft, sollten im erforderlichen Umfang Zertifikate aus der MSR verwendet werden. Die Erreichung des Gesamtklimaziels wird ohnehin bereits durch die Begrenzung der Gesamtzertifikate sichergestellt.
- 25. Der Bundesrat hält es für erforderlich, dass zum Ausgleich der Unterdeckung mit Zertifikaten von Unternehmen, für die die Gefahr des Carbon Leakage besteht, zusätzliche Zertifikate aus der MSR zur Verfügung gestellt werden.
- 26. Sollte diese Zertifikatemenge nicht ausreichen, ist die Realisierung von internationalen Projektgutschriften in Betracht zu ziehen, um zusätzliche Zertifikate für die betroffenen Unternehmen zu generieren. An die klimapolitische Integrität dieser Projekte sind dabei besondere Anforderungen zu stellen.
- 27. Er spricht sich auch dafür aus, den Anteil der zu versteigernden Zertifikate nicht, wie die Kommission es vorsieht, in der vierten Verpflichtungsperiode bei 57 Prozent stagnieren, sondern, dem bisherigen Vorgehen folgend, weiter ansteigen zu lassen.
- 28. Neben der Planbarkeit ist die globale Perspektive des Klimaschutzes von entscheidender Bedeutung. Das Ziel der Reduktion der Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre auf 450ppm zur Erreichung des 2-Grad-Ziels kann nur durch einen koordinierten, verbindlichen und globalen Ansatz erreicht werden. Insofern spielt die Weltklimakonferenz in Paris Ende 2015 eine entscheidende Rolle. Der Bundesrat begrüßt die aktive und verantwortungsbewusste Rolle, die die Bundesregierung und die EU in diesem Zusammenhang einnehmen. Die Ergebnisse dieser Konferenz sollten Eingang in den europäischen Gesetzgebungsprozess finden.
- 29. Der Bundesrat begrüßt daher die Aktivitäten im Vorfeld der Klima-Konferenz in Paris, um möglichst viele Staaten zu rechtsverbindlichen Minderungsverpflichtungen zu bewegen.
- 30. Insgesamt sollte darauf abgezielt werden, Emissionsminderungen auch außerhalb der EU anzureizen und somit gleichzeitig globale Märkte für Effizienztechnologien zu schaffen.
- 31. Der Bundesrat unterstützt die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 24. Oktober 2014 (EUCO 169/ 14) und fordert die Bundesregierung auf, sich in den Verhandlungen dafür einzusetzen, dass die dort vereinbarten Prinzipien sich auch im Rechtsakt wiederfinden. Dies bezieht sich vor allem auf die Punkte:
- [- Der Gefahr einer Verlagerung von CO₂-Emissionen aufgrund der Klimapolitik soll vorgebeugt werden, solange in anderen führenden Wirtschaftsnationen keine vergleichbaren Anstrengungen unternommen werden.
- - Sektoren, die Gefahr laufen, ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren, müssen in angemessenem Umfang unterstützt werden.] - Die Benchmarks stehen im Einklang mit dem technischen Fortschritt.
- - Zur Wahrung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit sollten den effizientesten Anlagen in diesen Sektoren keine unangemessenen CO₂-Kosten entstehen.
- 33. Wie in den Schlussfolgerungen EUCO 169/14 erwähnt, sollen sich die Benchmarks ("Richtwerte") für die Zuteilung der freien Zertifikate am technischen Fortschritt orientieren. Diesen Ansatz begrüßt der Bundesrat. Die Berücksichtigung des technischen Fortschritts impliziert auch die Berücksichtigung der technischen Grenzen.
- 34. Daher spricht sich der Bundesrat dafür aus, auch technische, thermodynamische und physikalische Obergrenzen zu berücksichtigen und in den Rechtstext mitaufzunehmen. Als Orientierung können die BREF-Dokumente dienen (Best Available Techniques Reference Document). Technisch nicht einhaltbare Benchmarks sind sicher auszuschließen. Dabei sind die Bilanzgrenzen der Benchmarks für alle notwendigen technischen Prozesse und Nebeneinrichtungen des Gesamtprozesses festzulegen.
- 35. Dem System erreichbarer Benchmarks für die kostenfreie Zertifikatezuteilung widerspricht die pauschale Verschärfung des Benchmarks von 1,0 Prozent pro Jahr. Vielmehr sollte der vorgesehene "Reality-Check" zur Bestimmung eines realistischen Benchmarks genutzt werden.
- 36. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass die Formulierungen in Artikel 1 Absatz 5 Buchstabe b dahingehend angepasst werden, dass für die Anlagen, die aufgrund der ermittelten Benchmarks auch in der vierten Handelsperiode zu den zehn Prozent der besten Anlagen in Europa gehören, keine weitere pauschale Kürzung der kostenlosen Zuteilung erfolgt. Eine pauschale Kürzung würde den Grenzen des technologisch Machbaren nicht gerecht und benachteiligte hocheffiziente Anlagen. Das gilt insbesondere für Prozessemissionen, die wegen der dem Prozess zu Grunde liegenden Stöchiometrie nicht gemindert werden können.
- 37. Der Bundesrat sieht jedoch dringenden Handlungsbedarf im Hinblick auf die Festsetzung sektorenspezifischer Exante-Benchmarks für die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten im Rahmen des europäischen Emissionshandels, um die bestehende Benachteiligung wichtiger Prozesse und Technologien mit Alleinstellungsmerkmal zu beseitigen und eine sachgerechte Behandlung der entsprechenden Unternehmen zu ermöglichen. Nach der gegenwärtigen Regelung in Artikel 10a der Richtlinie 2003/87/EG ist die Festsetzung eines Exante-Benchmarks nur dann möglich, wenn eine ausreichende Datengrundlage vorhanden ist, um die zehn Prozent der effizientesten Anlagen eines Sektors oder Teilsektors zu ermitteln. Diese Regelung steht einer sachgerechten Behandlung von Unternehmen entgegen, deren Anlagen sich in Europa lediglich einmal oder nur sehr wenige Male in dem betreffenden Sektor befinden. Gleiches gilt für Unternehmen, bei denen es sich um Produktionsprozesse handelt, in denen feste, flüssige oder gasförmige Abfälle und/oder notwendige Reststoffe anfallen, die aufgrund rechtlicher Pflichten dem Prozess als Brennstoff zugeführt werden müssen. Auch insoweit findet bislang eine sachgerechte Behandlung von Unternehmen nicht statt.
- 38. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene für eine entsprechende Anpassung von Artikel 10a der Richtlinie 2003/87/EG einzusetzen. Insbesondere bittet er die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass
- - auch in Fällen, in denen in einem Sektor oder Teilsektor im Geltungsbereich der Richtlinie 2003/87/EG weniger als zehn Anlagen bestehen, die Durchschnittsleistung dieser Anlagen, nötigenfalls angepasst um einen Effizienzfaktor, Ausgangspunkt bei der Festlegung der Grundsätze für die Exante-Benchmarks ist;
- - bei der Festlegung der gemeinschaftsweiten Exante-Benchmarks bestehende abfallrechtliche Verpflichtungen zur energetischen Verwertung fester, flüssiger oder gasförmiger Abfälle und/oder anfallender notwendiger Reststoffe Berücksichtigung finden.
- 39. Der Bundesrat begrüßt das Bekenntnis der Kommission zur Notwendigkeit einer Strompreiskompensation (indirekte CO₂-Kosten). Im Sinne der Schaffung eines einheitlichen europäischen Level Playing Fields sollten die diesbezüglichen Regelungen europaweit harmonisiert werden. Dabei sollte aber die Kompensation nicht in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt werden, sondern die Betroffenen sollten einen einheitlich definierten Rechtsanspruch auf eine Strompreiskompensation haben.
- 40. Mit steigenden Zertifikatspreisen werden die Dämpfung und die Kompensation der Strompreiseffekte stark an Bedeutung gewinnen, um die stromintensiven Produktionsprozesse international wettbewerbsfähig zu halten. Schon heute begrenzen die Beihilfeleitlinien der Kommission die Kompensationshöhe erheblich. Eine weitere Abschmelzung würde dazu führen, dass die nur unvollständige Kompensation hinsichtlich eines Carbon-Leakage-Schutzes wirkungslos wird. Der Bundesrat hält es deshalb für erforderlich, dass es im Vergleich zu bisherigen Handelsperioden in keinem Fall zu einer Verschlechterung der Strompreiskompensation kommen darf. Es muss möglich sein, die gesamten indirekten Kosten zu kompensieren. In dem entsprechenden Artikel 10a Absatz 6 ist Unterabsatz 1 der Richtlinie deshalb entsprechend zu ändern.
- 41. Der Bundesrat spricht sich ferner dafür aus, die Regelungen für die Strompreiskompensation in regelmäßigen Abständen so anzupassen, dass deren Berechnungsregeln dem Zubau von erneuerbaren Energien und dem damit sinkenden Anteil von Verstromung fossiler Brennstoffe angemessen Rechnung tragen.
- 42. Der Bundesrat unterstützt den Ansatz einer kosteneffizienten Reduktion der Treibhausgasemissionen. Die Basis dafür sollten die unterschiedlichen CO₂ Vermeidungskosten in den unterschiedlichen Sektoren darstellen.
- 43. In diesem Zusammenhang sind auch die Vermeidungskosten insbesondere von prozessbedingten Emissionen, die nicht aus einem Verbrennungsvorgang resultieren, zu berücksichtigen. Diese Emissionen entstehen aus der stofflichen Nutzung eines energetischen Rohstoffs. Für diese Emissionen sollten spezifische Regelungen vorgesehen werden. In diesem Zusammenhang spricht sich der Bundesrat für eine konsistente europäische Politik und dementsprechend auch eine Angleichung an die Energieeffizienzrichtlinie aus (Richtlinie 2012/27/EU). Dort werden nichtenergetische Nutzungsformen nicht zur Zielgröße, dem Primärenergieverbrauch, hinzugezählt.
- 44. Um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrien zu wahren [und das erhebliche Risiko der Verlagerung von CO₂-Emissionen zu berücksichtigen], sind realistische und erreichbare Benchmarks auf der Basis der zehn Prozent effizientesten Anlagen zwingend erforderlich. Die Benchmarks müssen - wie schon heute in der Emissionshandelsrichtlinie vorgesehen, aber bisher nicht von der Kommission umgesetzt - die Emissionen aus der Stromerzeugung aus Restgasen vollumfänglich mit abbilden.
- 46. Im Sinne der zeitnahen und verlässlichen Planung fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, sich gegenüber der Kommission dafür einzusetzen, bereits bis 2017 die überarbeitete Carbon-Leakage-Liste vorzulegen.
- 47. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung außerdem, sich bei den weiteren Verhandlungen dafür einzusetzen, die Carbon-Leakage-Liste dahingehend zu überarbeiten, die Ausnahmen auf energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, zu beschränken.
- 48. Er bittet ferner die Bundesregierung, bei der Reduzierung der Sektoren der Carbon-Leakage-Liste den Schwerpunkt auf die wirksame Reduzierung der CO₂-Emissionen zu legen und nicht nur auf die Beschränkung der Zahl der Sektoren. Dies ist nach Auffassung des Bundesrates weniger eine Frage der absoluten Anzahl der privilegierten Sektoren, sondern vielmehr des relativen Anteils der privilegierten Emissionen an den Gesamtemissionen.
- 49. Der Bundesrat hält es für erforderlich, dass in der Richtlinie eindeutige, objektive und strenge Kriterien für die Ermittlung der Sektoren und Teilsektoren, für die ein erhebliches Carbon-Leakage-Risiko festgestellt werden kann, festgelegt werden müssen. Der Ermessenspielraum der Kommission bei der Bestimmung, welche Sektoren und Teilsektoren in die Carbon-LeakageListe aufgenommen werden, muss durch die Richtlinie eng gefasst werden. Der vorliegende Richtlinienvorschlag erfüllt dies nicht. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, darauf hinzuwirken, dass der Richtlinienvorschlag entsprechend angepasst wird.
- 50. Bei der neuen Methodik zur Erstellung der Carbon-Leakage-Liste muss daher sichergestellt sein, dass wirklich alle Sektoren und Teilsektoren mit einer Gefahr zur Verlagerung von CO₂-Emissionen erfasst sind. Dies möge die Bunderegierung etwa durch Überprüfung und entsprechende Berücksichtigung von Ausnahmen für heterogene Tätigkeitskategorien und Vorprodukte sowie der Höhe des Schwellenwerts von 0,18 für das qualitative Assessment sicherstellen.
- 51. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sicherzustellen, dass auch die Herstellung von Vorprodukten der energieintensiven Industrie, die integraler Bestandteil des Wertschöpfungsverbundes einer von Carbon Leakage bedrohten Aktivität sind, in die Regelungen zur Vermeidung von direktem und indirektem Carbon Leakage aufgenommen wird.
- 52. Neben Carbon Leakage droht die Gefahr von Investment Leakage. Die eigentliche Verlagerung von Produktionseinrichtungen (Carbon Leakage) ist oftmals der finale Schritt, ausbleibende Investitionen sind aber ein deutliches Anzeichen in diese Richtung. Aktuell ist in der EU ein deutlicher Mangel an Investitionen zu verzeichnen. Insofern sollte auch dieser Punkt stärker in die Betrachtungen und die Gesetzgebung mit einfließen. Dazu ist die Erarbeitung spezifischer Kriterien zur Erfassung dieser wirtschaftlichen Effekte notwendig. Die Bundesregierung sollte die Kommission dazu auffordern, entsprechende Kriterien zu entwickeln und die Betrachtungsweise der Richtlinie entsprechend zu erweitern.
- 53. Der Bundesrat nimmt die Fortsetzung der Mechanismen für Solidarität und Wachstum in Mitgliedstaaten mit einem unterdurchschnittlichen Bruttoinlandsprodukt und die Einführung des neuen Modernisierungsfonds zur Kenntnis. Dabei sieht der Bundesrat die weitere Verlängerung der Möglichkeit der freien Zuteilung auch für den Kraftwerkssektor in einigen Mitgliedstaaten kritisch. Diese Option darf nicht zu einem innereuropäischen Wettbewerbsvorteil von emissionsintensiven Kraftwerken in diesen begünstigten Mitgliedstaaten führen. Dies ist nicht im Sinne eines integrierten Energiebinnenmarktes und nicht im Sinne des Klimas. Daher sollte eine Review-Klausel zu Artikel 10c hinzugefügt werden. Zudem sollten die Auswirkungen überwacht und insbesondere die Folgen für den grenzüberschreitenden Stromhandel analysiert werden.
- 54. Darüber hinaus ist ein klares und rechtsverbindliches Bekenntnis zur langfristigen Reduktion und zum Auslaufen dieser Ausnahmeregelungen notwendig. Dazu ist ein handlungsperiodenübergreifender Ansatz notwendig, der keine erneute Verlängerung der freien Zuteilung für die Energiewirtschaft in einzelnen Mitgliedstaaten wie beim Übergang von der dritten zur vierten Handelsperiode auf Basis des von der Kommission vorgelegten Vorschlags ermöglicht.
- 55. Der Bundesrat unterstützt die Ausweitung des Innovationsfonds NER 300 zu einem NER 450. Dabei begrüßt der Bundesrat sowohl die erweiterte Ausstattung als auch die Ausweitung des Anwendungsbereichs auf industrielle Prozessinnovationen. Bei der konkreten Ausgestaltung muss sichergestellt werden, dass alle Mitgliedstaaten gleichberechtigten Zugang zu diesem Innovationsfonds haben und somit eine klare Abgrenzung von Innovations- und Modernisierungsfonds gewährleistet wird. Nur durch technische Innovationen besteht die Option, mittelfristig das Ziel einer wettbewerbsfähigen LowCarbon-Produktion zu erreichen.
- 56. Grundsätzlich sieht der Bundesrat die Einführung des Innovationsfonds als ein sinnvolles Instrument an. Er spricht sich dafür aus, dass die zur Verfügung gestellten Mittel nur für Projekte verwendet werden dürfen, die den langfristigen Zielen der EU im Klima- und Umweltschutz entsprechen, insbesondere nicht die Förderung von Kohlekraftwerken oder CCS-Projekten.
- 57. Der Bundesrat spricht sich für die von der Kommission vorgeschlagene Flexibilisierung der Zuteilung hinsichtlich Berücksichtigung von Wachstum von bestehenden Anlagen und für neue Anlagen aus. Das ETS darf keine Bremse für Innovationen und Wachstum sein. Dies sollte auch für geringere Zuwächse des industriellen Outputs in Wachstumsphasen gelten. Daher begrüßt der Bundesrat die Stärkung der NER und die Kopplung an die MSR.
- 58. Der Bundesrat begrüßt die Absicht, die Zuteilung der Zertifikate stärker zu dynamisieren. Das Prinzip der "Dynamischen Allokation" sollte jedoch klarer genutzt werden.
- 59. Der Bundesrat regt an, im Rahmen der anstehenden Verhandlungen auch das Konzept einer "Dynamischen Allokation" zu prüfen.
- 60. Der Bundesrat erkennt das Bestreben der Kommission an, in ihrem Vorschlag einen Weg für eine Anpassung der Zuteilungsmengen an sich ändernde Produktionsniveaus zu ermöglichen. Die Aufteilung in zwei Zuteilungsphasen stellt einen ersten wichtigen Schritt in diese Richtung dar. Die Zuteilung sollte sich nach Auffassung des Bundesrates jedoch nach der aktuellen Produktionshöhe richten. Dies ermöglicht industrielles Wachstum und vermeidet Diskussionen über Anpassungen an unvorhergesehene Entwicklungen. Zudem wäre ein solches System für eine Internationalisierung des Emissionshandels besser geeignet.
- 61. Der Bundesrat weist darauf hin, dass eine Ursache des derzeit festzustellenden Zertifikatüberschusses, der zu einem Defacto-Marktversagen geführt hat, ein großes Angebot von so genannten CDM-Zertifikaten ist.
- 62. Der Bundesrat bittet die Kommission sicherzustellen, dass für den Fall, dass zukünftig auch wieder Zertifikate aus flexiblen Mechanismen in den Emissionshandel einbezogen werden sollen, bei allen zertifizierbaren Maßnahmen die klimapolitische Integrität sichergestellt wird. Sollte sich nach Erteilung der Berechtigung herausstellen, dass dies nicht der Fall ist, so muss nach Auffassung des Bundesrates auch eine nachgängige Löschung der auf der Grundlage falscher oder fehlerhafter Angaben erhaltenen Emissionsberechtigungen möglich sein. Ebenso sollte der Anbieter der Emissionsberechtigungen dauerhaft vom Handel ausgeschlossen werden.
- 63. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, dass sich die Kommission im Rahmen von internationalen Verhandlungen weiter für eine vollständige Einbeziehung des Flugverkehrs in den ETS nach dem Auslaufen von "Stopthe-Clock" Ende 2016 einsetzt.
- 64. Bis dahin sollte der ETS nach Auffassung des Bundesrates auch bei interkontinentalen Flügen wenigstens für die Strecken angewendet wird, die im europäischen Luftraum zurückgelegt werden.
- 65. Der Bundesrat setzt sich für ein integriertes europäisches Energie- und Klimakonzept ein. In diesem Zusammenhang sind auch die Entwicklungen auf den Energiemärkten zu berücksichtigen. Der Bundesrat betont die Notwendigkeit für zusätzliche Flexibilitätsoptionen im europäischen Strommarkt. Dabei spielt auch das Lastmanagement eine wichtige Rolle. Der Bundesrat weist darauf hin, dass eine Fahrweise im Bereich von Teillastwirkungsgraden zu einer Verschlechterung des Wirkungsgrades und somit zur Erhöhung spezifischer Emissionen führt.
- 66. Im Interesse der Planbarkeit und Investitionssicherheit setzt sich der Bundesrat weiterhin dafür ein, alle zentralen Regelungen frühzeitig direkt innerhalb der Richtlinie festzuschreiben. Zentrale Elemente[, wie zum Beispiel die Benchmarkanpassungen,] sollten nicht über delegierte Rechtsakte nachträglich geregelt oder angepasst werden. Der Bundesrat sieht sonst die Gefahr der Kompetenzverlagerung und einer unzureichenden demokratischen Kontrolle.