Der Bundesrat hat in seiner 956. Sitzung am 31. März 2017 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat nimmt die Mitteilung der Kommission "Saubere Energie für alle Europäer" zur Kenntnis.
- 2. Er begrüßt grundsätzlich die von der Kommission benannten Ziele, unter anderem das Anheben des Effizienzziels, das Ziel, den Anteil der Erneuerbaren Energien zu erhöhen und die Energieeinsparverpflichtungen zu verstärken.
- 3. Der Bundesrat stellt jedoch fest, dass die gesetzten Zielmarken insgesamt zu wenig ambitioniert sind, um die völkerrechtlichen Verpflichtungen zum Schutz des Klimas aus dem Pariser Abkommen zu erfüllen. Damit die Erderwärmung auf das 1,5- bzw. 2-Grad-Ziel begrenzt werden kann, muss die Kommission weitreichendere Zielmarken formulieren.
- 4. Er ist überzeugt davon, dass die Erreichung der in Paris gesetzten Ziele gefährdet wird, wenn die Umsetzung in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht durch nationale Ziele hinterlegt ist, die von der Kommission verpflichtend vorgegeben und kontrolliert werden.
- 5. Der Bundesrat stellt fest, dass der gewählte Zeitraum bis 2030, für den die Kommission Energie- und Klimaziele setzt, zu kurz ist. Schon heute ist absehbar, dass sogar für den Fall, dass die gesetzten Ziele erreicht werden, die verbleibende Zeit bis 2050 nicht ausreichend sein könnte, um die Erderwärmung tatsächlich in dem erforderlichen Umfang zu verlangsamen.
- 6. Er stellt zudem fest, dass der weitere Ausbau der Erneuerbaren Energien mit einem Anteilsziel von mindestens 27 Prozent am Gesamtenergieverbrauch der EU hinter den realistischen Möglichkeiten zurückbleibt. Ein Ausbau von Erneuerbaren Energien in den Mitgliedstaaten kann aber nur gelingen, wenn Mitgliedstaaten und Kommission gemeinsam an deren Ausbau arbeiten. Die Beibehaltung des Einspeisevorrangs ist für den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien unabdingbar und notwendig für das Erreichen der klimapolitischen Ziele der EU.
- 7. Der Bundesrat sieht die Gefahr, dass selbst das Ausbauziel von 27 Prozent für Erneuerbare Energien bis 2030 am Ende verfehlt werden könnte, da es nicht durch verbindliche nationale Ziele abgesichert wird. Für den Fall, dass die Summe der von den Mitgliedstaaten gemeldeten nationalen Ziele nicht dem EU-weiten Ausbauziel entspricht, sieht die Kommission lediglich den Mechanismus der sogenannten gapfiller vor, der jedoch ebenfalls wieder auf unverbindlichen Zusagen beruht.
- 8. Der Bundesrat begrüßt den angestrebten Wechsel von einer zentralisierten konventionellen Energieerzeugung zu dezentralen, intelligenten und vernetzten Märkten, in dem es Verbraucherinnen und Verbrauchern erleichtert werden soll, ihre eigene Energie zu erzeugen, zu speichern, zu teilen, zu verbrauchen oder an den Markt zu verkaufen - direkt oder im Rahmen von Energiekooperativen. Damit dieser Wechsel auch tatsächlich gelingen kann, ist es notwendig, möglichst zeitnah konkrete Vorschläge zur Vermeidung dies behindernder Regelungen und zur Förderung solcher Ansätze vorzulegen.
- 9. Er begrüßt außerdem grundsätzlich alle Maßnahmen, die zu einer verbesserten Abstimmung der nationalen Energiepolitiken innerhalb Europas führen. Damit kann ein wichtiger Beitrag zur Steigerung der Versorgungssicherheit in Europa geleistet werden. Durch eine Harmonisierung der Rahmenbedingungen bei der Förderung Erneuerbarer Energien in Europa könnten Standortvorteile genutzt und Kostenvorteile gehoben werden. Der Kommission kommt sowohl bei der Versorgungssicherheit als auch bei der Harmonisierung der Förderbedingungen eine wichtige koordinierende Funktion zu.
- 10. Der Bundesrat begrüßt zudem, dass die Kommission mit dem Winterpaket "Saubere Energie für alle Europäer - Wachstumspotenzial Europas erschließen" Vorschläge für Rechtsvorschriften und Maßnahmen vorlegt, die den europäischen Energierahmen weiterentwickeln und zu einem funktionierenden Energiebinnenmarkt zusammenführen sollen.
- 11. Er stellt fest, dass die Kommission mit ihren Vorschlägen für Rechtsvorschriften insbesondere für eine neue Energieeffizienzrichtlinie, die Weiterentwicklung der Gebäuderichtlinie, eine neue Erneuerbare-Energien-Richtlinie und ein neues europäisches Strommarktdesign grundlegende Aussagen zu einer Neugestaltung des europäischen Energierahmes vorgenommen hat.
- 12. Der Bundesrat lehnt allerdings alle Vorschläge und Maßnahmen ab, die in Umsetzung der Kommissionsmitteilung das Recht der Mitgliedstaaten beeinträchtigen, die allgemeine Struktur ihrer Energieversorgung oder die Bedingungen für die Nutzung ihrer Energieressourcen selbst zu bestimmen, und verweist insoweit auf Artikel 194 Absatz 2 Unterabsatz 2 AEUV. Insbesondere eine Übertragung weitreichender energiepolitischer Kompetenzen auf Institutionen - auch neu gegründete - oder die Relativierung des im deutschen Recht vorgesehenen Einspeisevorrangs für Erneuerbare Energien würde in dieses Recht eingreifen und stünde überdies nicht im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip gemäß Artikel 5 Absatz 3 EUV.
- 13. Er fordert die Bundesregierung dazu auf, sich bei der Kommission dafür einzusetzen, dass die drei Hauptziele des Winterpakets "Vorrang für Energieeffizienz", "Erreichen einer globalen Führungsrolle bei den Erneuerbaren Energien" und "Ein faires Angebot für die Verbraucherinnen und Verbraucher" um ein weiteres Ziel "Ein hohes Maß an Versorgungssicherheit und -qualität" ergänzt werden. Versorgungssicherheit ist ein wichtiger Standortfaktor für die europäische Industrie. Sie ist maßgeblich für die Wettbewerbsfähigkeit der in Europa ansässigen Unternehmen und die Sicherung von Arbeitsplätzen.
- 14. Der Bundesrat bekräftigt, dass die Rahmenbedingungen der Fördersysteme für Investoren von Erneuerbare-Energien-Anlagen langfristige Investitions- und Rechtssicherheit gewähren müssen.
- 15. Er teilt die Auffassung der Kommission, dass die Abschaffung der Preisobergrenzen im Groß- und Einzelhandel dabei helfen kann, Privathaushalten und Unternehmen zu ermöglichen, sich aktiver am Energiemarkt zu beteiligen und auf Preissignale zu reagieren. Der Bundesrat verweist jedoch in diesem Zusammenhang auf die existenzielle Bedeutung niedriger Energiepreise für die Industrie. Er hält es daher für erforderlich, dass Preisspitzen nicht zu Wettbewerbsnachteilen, Produktionseinschränkungen oder -verlagerungen der europäischen Industrie führen.
- 16. Der Bundesrat verweist darauf, dass die Definition des Stromverbundziels dringend zu überdenken ist. Durch die Bezugsgröße "installierte Leistung" entsteht ein Nachteil für Mitgliedstaaten mit einem hohen Anteil Erneuerbarer Energien und somit einer vergleichsweise hohen installierten Leistung. Um übermäßige, nicht gerechtfertigte Belastungen einzelner Mitgliedstaaten zu vermeiden, müssen alternative Konzepte für die Bezugsgröße geprüft werden.
- 17. Außerdem lehnt er es ab, die Erreichung von Energieeffizienzzielen mit der Beurteilung der Mitgliedstaaten im Rahmen des Euro-Stabilitätspakts zu verknüpfen. Beide Sachbereiche stehen in keinem sachlichen Zusammenhang.