Der Bundesrat möge wie folgt Stellung nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt alle geeigneten Initiativen gegen Diskriminierung auf Grund von Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion und Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexueller Identität. Derartige Diskriminierungen haben in einer aufgeklärten und toleranten Gesellschaft keinen Platz. Der Bundesrat unterstützt die Bundesregierung zugleich dabei, ihrer Verpflichtung zur Umsetzung der Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft umgehend gerecht zu werden.
- 2. Der Bundesrat bedauert, dass die EU-Richtlinien gerade auch auf Grund der Haltung der früheren Bundesregierung unnötige, zu detaillierte und bürokratische Regelungen enthalten. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass Artikel 1 des vorliegenden Gesetzentwurfs der Bundesregierung, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), darüber noch hinaus gehende überflüssige Belastungen für das Wirtschafts- und Rechtsleben schafft, die nicht durch die zu Grunde liegenden europäischen Richtlinien zwingend vorgegeben werden. Der Bundesrat erwartet, dass EU-Richtlinien grundsätzlich "1:1" umgesetzt werden.
Die Richtlinien verlangen nicht, dass alle Kriterien, die nur für das Beschäftigungsrecht gelten sollen, für das gesamte Zivilrecht gelten.
Auf Grund dieser Ausweitungen würden die vorgeschlagenen Regelungen des AGG zu einem erheblichen Bürokratiezuwachs sowohl in der privaten Wirtschaft als auch im öffentlichen Bereich führen: Unternehmen und öffentliche Dienststellen müssten bestehende Beschwerdestellen beibehalten oder neue einrichten, die über jede behauptete Benachteiligung entscheiden müssten. Durch eine neue Dokumentationspflicht für den Arbeitgeber hinsichtlich sämtlicher Vorgänge, die auch nur entfernt diskriminierungsrelevant sein könnten, entstünde die Notwendigkeit, sämtliche Entscheidungskriterien für alle Phasen des Beschäftigungsverhältnisses niederzulegen, um sie im Streitfall nachweisbar darlegen zu können. Dieses führte zu einem erheblichen Mehraufwand für die Verwaltung und die Unternehmen.
Die im AGG vielfach verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe wie Benachteiligung, Belästigung, Eignung, Erforderlichkeit, Angemessenheit müssten durch die Rechtsprechung ausgefüllt werden. Dieser Umstand führte über Jahre hinaus zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen. Es wäre mit einer Flut von Prozessen zu rechnen, die eine Überlastung der Gerichte zur Folge hätte.
Die Auferlegung bürokratischer und finanzieller Mehrbelastungen schwächt die Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland. Der vorgelegte Entwurf eines AGG läuft den vielfältigen Bemühungen auf Bundes- und Landesebene nach Abbau bürokratischer und gesetzlicher Hemmnisse im Wirtschaftsleben zuwider und schaffte im Vergleich zu europäischen Mitbewerbern einen Standortnachteil.
- 3. Der Bundesrat hält daher eine Änderung des Gesetzentwurfs für erforderlich.
Insbesondere fordert der Bundesrat:
- a) das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot auf das europarechtlich Notwendige sowie auf Massengeschäfte zu beschränken (§ 19 AGG);
- b) eine Erstreckung des umfassenden Diskriminierungsverbotes auf private Mietverträge auszuschließen. Die Wohnungswirtschaft würde dadurch erheblich getroffen. Jährlich zehntausende Gerichtsverfahren könnten folgen. Im AGG ist ausdrücklich festzustellen, dass private Wohnraummietverträge keine Massengeschäfte im Sinne des Gesetzes sind. Im Übrigen liegt es im Interesse einer aktiven, auf soziale Stabilität ausgerichteten Wohnungspolitik, dass eine unterschiedliche Behandlung bei der Wohnraumvermietung aus übergeordneten Erwägungen zulässig bleiben muss und nicht nur bleiben kann (§ 19 AGG);
- c) die Beweislastregelung nach § 22 AGG neu zu fassen. Die derzeitige Fassung ermöglichte die Auslegung, dass es zum Nachweis von Diskriminierungen nach dem Gesetzentwurf bereits ausreichte, Tatsachen, die eine Benachteiligung vermuten lassen, "glaubhaft" zu machen;
- d) die Streichung eines zusätzlichen Klagerechts des Betriebsrats oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft (§ 17 AGG). Dies gilt erst recht, wenn die Klage gegen den Willen der/des Betroffenen erhoben werden kann, wenn die Klage auch gegen nicht grobe Verstöße möglich ist oder wenn die Klage sich gegen ein Unternehmen richtet, für das das Betriebsverfassungsgesetz wegen zu geringer Beschäftigtenzahl nicht gilt;
- e) klarzustellen, dass ausschließlich die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes gelten, wenn die Benachteiligung in einer Kündigung liegt (§ 2 AGG);
- f) den Schadensersatz auf Vermögensschäden zu beschränken und die Höhe des Ersatzes von Vermögensschäden und die Dauer des Zeitraums, für den Schadensersatz verlangt werden kann, zu regeln (§ 15 AGG);
- g) die Möglichkeit der Unterstützung durch Antidiskriminierungsverbände "als Bevollmächtigte" zu streichen (§ 23 AGG).