Der Bundesrat hat in seiner 944. Sitzung am 22. April 2016 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zur Vorlage allgemein
- 1. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass die weitere Entwicklung des digitalen Binnenmarktes einen verlässlichen rechtlichen Rahmen erfordert, der ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleistet. Er begrüßt daher die Bestrebungen der Kommission, den digitalen Binnenmarkt zu fördern und für Verträge über die Bereitstellung digitaler Inhalte einen stabilen Rechtsrahmen zu gewährleisten. Die Vereinheitlichung von Regelungen stellt insoweit grundsätzlich ein geeignetes Mittel dar, gleichermaßen zum Nutzen von Unternehmern und Verbrauchern für mehr Rechtssicherheit zu sorgen.
- 2. Der Bundesrat beurteilt es positiv, dass die Kommission mit ihrem Vorschlag von dem beim Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht verfolgten fakultativen Kaufrecht abgerückt ist und sich stattdessen auf eine Harmonisierung ausgewählter Vorschriften verlegt.
- 3. Die stetig voranschreitende Digitalisierung hat neue Perspektiven für Handel und Dienstleistungen eröffnet und zur Etablierung neuer Geschäftsmodelle im Zusammenhang mit der Bereitstellung von digitalen Inhalten geführt. Der Kommission ist darin beizupflichten, dass auch für diese Vertragsbeziehungen ein verlässlicher Rechtsrahmen existieren muss und deshalb etwaige Lücken im geltenden Recht zu schließen sind. Zugleich gibt der Bundesrat aber zu bedenken, dass die aktuellen Sach- und Rechtsfragen, die sich bei der Bereitstellung von digitalen Inhalten stellen, prinzipiell davon unabhängig sind, ob die Beteiligten Verbraucher oder Unternehmer sind. Vorzugswürdig erscheint daher die Entwicklung allgemein geltender Regelungen, wobei der Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers gegebenenfalls durch besondere, ergänzende Regelungen Rechnung getragen werden kann. Die bloße Fokussierung auf Verbraucherverträge ist hingegen wenig zielführend.
- 4. Der Bundesrat bezweifelt jedoch, dass eine Vollharmonisierung des Verbrauchervertragsrechts in der vorgelegten Form zu einfacheren Vorschriften führt. Er stellt fest, dass die gewünschte Rechtsvereinheitlichung auf EU-Ebene aufgrund der Einführung von drei unterschiedlichen Regimen des Mangelgewährleistungsrechts für Verbraucher je nach Vertriebsweg - online oder offline - und je nach Produkt - digitaler Inhalt oder anderes Produkt - nur durch nationale Rechtszersplitterung erreicht würde. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass funktionierende Märkte innerhalb der Mitgliedstaaten für das Funktionieren des Binnenmarkts genauso wichtig sind wie das Funktionieren der grenzüberschreitenden Märkte.
- 5. Der Bundesrat weist zudem darauf hin, dass ein Vertrag nicht dadurch geprägt wird, auf welches Gut er sich bezieht, sondern dadurch, was mit diesem Gut geschehen soll und welchen wechselseitigen Leistungspflichten sich die Vertragsparteien unterwerfen. Insofern begegnet es grundlegenden Bedenken, dass die vorgeschlagene Richtlinie rechtssystematisch nicht bei den die verschiedenen Vertragstypen kennzeichnenden Pflichten, sondern daran anknüpft, dass ein Vertrag die Bereitstellung digitaler Inhalte zum Gegenstand hat. Damit werden nicht nur Verträge über die dauernde und über die zeitweilige Überlassung standardisierter digitaler Inhalte im Ansatz denselben Regelungen unterworfen, sondern diese Regelungen sollen auch für Verträge über individuell erstellte digitale Inhalte und über Dienstleistungen im Zusammenhang mit digitalen Inhalten gelten. Für verschiedene Vertragstypen - Kaufverträge, Mietverträge, Dienstverträge, Werkverträge und andere Verträge - mit ganz unterschiedlichen Hauptleistungspflichten des Anbieters werden einheitliche Regelungen geschaffen, die nicht auf das jeweils anders ausgestaltete Pflichtengefüge abgestimmt sind. Es mag interessengerecht sein, dass der Verbraucher nach Artikel 11 ein Recht zur sofortigen Vertragsbeendigung hat, wenn der Anbieter einen vereinbarten einmaligen Stream zu Unterhaltungszwecken nicht zum vereinbarten Zeitpunkt bereitstellt. Ein Recht zur sofortigen Vertragsbeendigung erscheint aber als unausgewogen, wenn Vertragsgegenstand ein länger laufendes Abonnement über cloudbasierte Leistungen ist, das die Bereitstellung von Anwendungssoftware und IT-Ressourcen zum Gegenstand hat.
- 6. Grundlegende Probleme sieht der Bundesrat auch mit Blick auf die Umsetzung der vorgeschlagenen Richtlinie in nationales Recht. Das zweite Buch des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Recht der Schuldverhältnisse) ist nach Vertragstypen strukturiert und differenziert vom Ansatz her im Wesentlichen gerade nicht nach dem Gegenstand, auf den sich das Vertragsverhältnis bezieht. Eine Umsetzung der vorgeschlagenen Richtlinie durch Schaffung eines Abschnitt s, der sich auf die Bereitstellung digitaler Inhalte bezieht, würde sich daher in keiner Weise in die Systematik des BGB einfügen. Bei der Umsetzung durch Änderung der bestehenden Vertragstypen müssten Sonderregelungen zu diversen Vorschriften für zahlreiche Arten von Schuldverhältnissen (jedenfalls Kauf-, Miet-, Dienst- und Werkvertrag) geschaffen werden. Dies würde zu einer kleinteiligen Zersplitterung des Rechts innerhalb der jeweiligen Vertragstypen je nach Inhalt (analog oder digital) führen. Der Eingriff in die Regelungen des deutschen Schuldrechts wäre erheblich.
- 7. Der Bundesrat gibt zu bedenken, dass aufgrund des vollharmonisierenden Ansatzes in das nationale Recht auch dann Sonderregelungen für digitale Inhalte aufgenommen werden müssen, wenn die unabhängig vom vertragsgegenständlichen Gut geltenden (nationalen) Regelungen für Verträge über die Bereitstellung digitaler Inhalte geeignete und ausgewogene Lösungen bereithalten. So kann auf entgeltliche Verträge über die endgültige Überlassung digitaler Inhalte das geltende Kaufrecht angewandt werden. Es erscheint insoweit weder erforderlich noch sachgerecht, die existenten Regelungen durch neue zu ersetzen. Die vorgeschlagene Richtlinie birgt die Gefahr, dass es zu einer Rechtszersplitterung kommt, deren Nachteile - vor allem bei nationalen Sachverhalten - die Vorteile überwiegen.
- 8. Der für den Ansatz im Richtlinienvorschlag angeführte Gesichtspunkt, Verträge über die Bereitstellung digitaler Inhalte würden von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat und sogar im nationalen Kontext in Abhängigkeit vom Vertragsinhalt unterschiedlichen Vertragstypen zugeordnet, stellt keine Besonderheit von Verträgen über digitale Inhalte dar. Die Grenzen zwischen den verschiedenen Vertragstypen sind auch in anderen Bereichen fließend. Dies ist kein hinreichender Grund, das nach wechselseitigen Pflichten geordnete System der Vertragstypen zugunsten eines Systems zu durchbrechen, das beim vertragsgegenständlichen Gut ansetzt. Es erscheint vielmehr ausreichend, punktuelle Sonderregelungen zu schaffen, die sich in das jeweils gewachsene System der Vertragstypen nach dem Recht der Mitgliedstaaten einpassen lassen. Dies stünde auch im Einklang mit dem Ziel des Richtlinienvorschlags, keine Festlegung zu der Frage zu treffen, welcher Vertragstyp bei Verträgen über digitale Inhalte einschlägig ist.
- 9. Der Bundesrat sieht in dem Richtlinienvorschlag eine deutliche Verschiebung der Vertragspflichten und -risiken zu Lasten der Anbieter, insbesondere der Anbieter von digitalen Inhalten. Es ist daher zu befürchten, dass der grenzüberschreitende Handel - insbesondere mit digitalen Inhalten - nicht gestärkt, sondern möglicherweise sogar behindert wird.
- 10. Der Richtlinienvorschlag verfügt ebenso wie der parallel vorgelegte Vorschlag für eine Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Online-Warenhandels und anderer Formen des Fernabsatzes von Waren, COM (2015) 635 final; Ratsdok. 15252/15, über einen sachlich und persönlich beschränkten Anwendungsbereich. Beide Vorschläge sind daher geeignet, mit Blick auf die Regelungen zum stationären Handel sowie auf b2b-Geschäfte eine (weitere) Fragmentierung vertragsrechtlicher Regelungen herbeizuführen. Jedenfalls bestehen grundlegende Bedenken, ob sich dieser partielle Ansatz mit der Zielsetzung der Richtlinienvorschläge verträgt, das anwendbare Recht aus Sicht der Vertragsparteien transparenter zu gestalten.
- 11. Der Bundesrat weist darauf hin, dass der Anwendungsbereich des Richtlinienvorschlags über digitale Inhalte nicht klar von demjenigen des Richtlinienvorschlags über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Online-Warenhandels und anderer Formen des Fernabsatzes von Waren abgegrenzt ist. Abgrenzungsschwierigkeiten dürften vor allem bei Waren auftreten, bei denen die digitalen Inhalte so eingebettet sind, dass deren Funktion den wichtigsten Funktionen der Ware untergeordnet ist und sie integraler Bestandteil der Waren sind (zum Beispiel Haushaltsgeräte oder Spielzeug) und die nicht der hier vorgeschlagenen Richtlinie unterliegen sollen, oder bei Cloud-Diensten (wie zum Beispiel Cloud-Printing). Dabei sind schon die Abgrenzungen zwischen Online-Käufen von physischen Waren, von digitalen Diensten und von Offline-Käufen bereits in den vorgeschlagenen Richtlinien oft nicht eindeutig. Hinzu kommt, dass sich in der Praxis Online- und Offline-Handel zunehmend aufeinander zubewegen und Mischsysteme entstehen, deren rechtliche Einordnung nach den Vorschlägen der Kommission kaum mehr möglich wäre.
- 12. Der Bundesrat gibt zu bedenken, dass die Etablierung unterschiedlicher Regelungsregime für die Bereitstellung digitaler Inhalte, den Online-Warenhandel und den stationären Handel auf Unternehmerseite vor allem kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) vor schwer lösbare Aufgaben stellen wird. Dies gilt insbesondere für solche KMU, die zumindest überwiegend im stationären Handel tätig und bereits jetzt der Differenzierung zwischen Verbraucherverträgen und sonstigen Vertragsbeziehungen ausgesetzt sind. Große Unternehmen, die bereits jetzt grenzüberschreitenden Handel betreiben, könnten hingegen aus der (partiellen) Vereinheitlichung der gesetzlichen Grundlagen Wettbewerbsvorteile ziehen und kleinere Konkurrenzunternehmen vom Markt verdrängen.
- 13. Die mit unterschiedlichen Regelungsregimen einhergehende Erhöhung der Unübersichtlichkeit des Rechts der Mitgliedstaaten ist zudem geeignet, Verbrauchern den Überblick über ihre Rechte zu erschweren. Das mit dem Richtlinienvorschlag unter anderem verfolgte übergeordnete Ziel, dafür zu sorgen, dass die von Verbrauchern aufgrund der Komplexität von Rechtsvorschriften empfundene Unsicherheit reduziert wird, lässt sich dann nicht erreichen.
Zum Richtlinienvorschlag im Einzelnen
- 14. Der Bundesrat regt an, in den Erwägungsgründen klarzustellen, dass Schulen zu denjenigen Anbietern zählen, bei deren Dienstleistungen "die menschliche Intervention überwiegt und die digitale Form lediglich der Übermittlung dient" (vergleiche Artikel 3 Absatz 5 Buchstabe a des Richtlinienvorschlags).
Auf Verträge über die Bereitstellung digitaler Inhalte, die zwischen Schülerinnen oder Schülern einerseits und Dritten als Anbietern andererseits geschlossen werden, sollte die vorgeschlagene Richtlinie anwendbar sein, auch dann, wenn die Bereitstellung im Zusammenhang mit dem Schulbesuch steht. Es geht hier nur darum, klarzustellen, dass das Verhältnis der Schülerinnen und Schüler zur Schule nicht erfasst ist.
Die genannte Klarstellung ist erforderlich, weil in der vorgeschlagenen Fassung nicht auszuschließen ist, dass die Träger der Schulen als Anbieter in den Anwendungsbereich der vorgeschlagenen Richtlinie fielen. Die Rechtsfolgen, die sich daraus ergäben, könnten erhebliche Belastungen für die Länder und die kommunalen Schulträger als Rechtsträger der öffentlichen Schulen und für die privaten Träger von Schulen in freier Trägerschaft darstellen.
- 15. Die Definition des Begriffs "digitale Inhalte" ist - nach der Begründung des Richtlinienvorschlags bewusst - weit gefasst. Nach dem Wortlaut von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b (... welche die Erstellung, Verarbeitung oder Speicherung ... ermöglichen ...) genügt allerdings bereits jede kausale Verknüpfung zwischen der zu beurteilenden Dienstleistung und einer späteren Datenverarbeitung durch den Verbraucher, beispielsweise auch die Vermietung oder Reparatur von Hardware. Aus Erwägungsgrund 11 ergibt sich zwar, dass die Richtlinie nicht für digitale Inhalte gelten soll, die derart in Waren integriert sind, dass sie fester Bestandteil der Ware sind und ihre Funktionen den Hauptfunktionen der Ware untergeordnet sind. Offen bleibt jedoch, wie mit Leistungen umzugehen ist, die nicht die Überlassung einer Ware mit bereits integriertem digitalen Inhalt zum Gegenstand haben. Der Bundesrat regt daher an, die sachliche Reichweite der Begriffsbestimmung klarzustellen.
- 16. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die unklare Definition des Anbieters in Artikel 2 Absatz 3 im Zusammenhang mit den in Artikeln 10 und 14 enthaltenen Haftungsregelungen insbesondere für Plattformbetreiber zu großen Unsicherheiten führt. Der Anwendungsbereich ist unklar, sobald zwischen Händler und Verbraucher eine Plattform zwischengeschaltet ist (zum Beispiel Streaming-Plattformen, auf denen einzelne Inhalteanbieter ihre eigenen Shops betreiben und ihre Inhalte direkt anbieten). Er bittet daher um Klärung, ob die Pflichten des Mangelgewährleistungsrechts den Inhalteanbieter oder den Streaming-Plattformbetreiber oder beide treffen.
- 17. Der Bundesrat begrüßt, dass Artikel 3 Absatz 1 den Anwendungsbereich auf Verträge erstreckt, bei denen der Verbraucher nicht eine Geldzahlung leistet, sondern aktiv eine Gegenleistung in Form personenbezogener oder anderer Daten erbringt. Gerade mit Blick auf soziale Netzwerke wird auch eine Einbeziehung von Verträgen für sinnvoll gehalten, bei denen der Verbraucher anstatt einer Geldzahlung seine Gegenleistung in Form von Daten erbringt.
Allerdings regt der Bundesrat an, dass grundlegende Fragen zu "Daten als Gegenleistung" zunächst grundsätzlich geklärt werden, bevor das Konzept in seiner jetzigen Ausgestaltung in einer Richtlinie über ein verbraucherschützendes Vertragsrecht eingeführt wird, dessen Folgen noch nicht abschließend geklärt sind.
- 18. Der Bundesrat ist ferner der Meinung, dass der Anwendungsbereich der geplanten Richtlinie in einzelnen Punkten überprüft und erforderlichenfalls geändert werden sollte.
- 19. Bedenken begegnet die detaillierte und missbrauchsanfällige Abgrenzung in Artikel 3 Absatz 4 zu Verträgen, auf welche sich der Anwendungsbereich unter den Gesichtspunkten der Art und des Kontextes der vom Verbraucher zur Verfügung gestellten Daten sowie ihrer Verarbeitung nicht erstreckt. Mit den datenschutzrechtlichen Regelungen zur Abgrenzung von Daten, deren Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung für geschäftliche Zwecke eine Einwilligung erfordert, zu solchen, die ohne Einwilligung erhoben und verwendet werden können, steht ein ausgewogenes Rechtsregime zur Verfügung, an das angeknüpft werden kann. Es erscheint erwägenswert, eine Gegenleistung in Form von Daten grundsätzlich dann anzunehmen, wenn deren Erhebung oder Verwendung eine Einwilligung des Verbrauchers erfordert. Die Gegenleistung des Verbrauchers erfolgt dann in Form seiner Einwilligung. Der Bundesrat bittet zu prüfen, ob bzw. inwieweit für die Abgrenzung, ob Daten eine vertragliche Gegenleistung darstellen oder nicht, Verweisungen auf Regelungen des Datenschutzrechts vorzugswürdig sind. Bei Verweisungen auf datenschutzrechtliche Vorschriften sollte jedoch klargestellt werden, dass die zivilrechtlichen Regelungen der Mitgliedstaaten zum Minderjährigenschutz durch die Regelungen, auf die verwiesen wird, nicht verdrängt werden. Darüber hinaus sollte ungeachtet der Regelung in Artikel 3 Absatz 8 - gegebenenfalls in den Erwägungsgründen - klargestellt werden, dass ein datenschutzrechtliches Koppelungsverbot durch die Regelungen zu Daten als Gegenleistung nicht berührt wird.
- 20. Darüber hinaus ist der Schutz der Verbraucher unzureichend, wenn nur die "aktive" Bereitstellung der Daten als Preisäquivalent gelten soll, da beispielsweise die Datenerfassung und Profilerstellung über Cookies nicht zwingend als "aktives Bereitstellen von Informationen" anzusehen sind. Diese Einschränkung des Geltungsbereichs geht am Sinn und Zweck von Artikel 3 Absatz 1 vorbei, auch solche Sachverhalte zu erfassen, bei denen der Verbraucher mit seinen Daten zahlt.
- 21. Nach Artikel 3 Absatz 2 soll die vorgeschlagene Richtlinie auch für Verträge über die Bereitstellung von digitalen Produkten gelten, die nach Spezifikationen des Verbrauchers entwickelt werden. Es begegnet Zweifeln, ob es für eine solche Ausweitung des Anwendungsbereichs ein Harmonisierungsbedürfnis gibt. Bei Verträgen dieser Art unter Beteiligung eines Verbrauchers dürfte es sich nicht um standardisierte Massengeschäfte handeln, die im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr unter quantitativen Gesichtspunkten eine nennenswerte Bedeutung haben.
- 22. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission eine Fragmentierung des Rechts nach verschiedenen Vertriebswegen bei der Bereitstellung digitaler Inhalte vermeiden will. Soweit der Anwendungsbereich der Richtlinie zu diesem Zweck auch auf körperliche Datenträger, die "ausschließlich der Übermittlung der digitalen Inhalte dienen", erweitert werden soll, weist der Bundesrat darauf hin, dass die Regelung in Artikel 3 Absatz 3 zu erheblichen Abgrenzungsproblemen führen kann. Dies gilt insbesondere für die Frage, wann ein Datenträger "ausschließlich der Übermittlung digitaler Daten dient". Exemplarisch zeigt sich dieses Problem an dem Erwerb einer Musik-CD. Ihre Funktion beschränkt sich nicht zwangsläufig auf die Übermittlung der Musikdaten, sondern kann ergänzend auch darin bestehen, über eine körperliche Sache zu verfügen, die bei Bedarf genutzt wird und Gegenstand einer "CD-Sammlung" sein kann. Dies gilt umso mehr, als den "Zusatzleistungen" (beispielsweise CD-Cover oder Booklet) teilweise ein eigener Wert zukommt.
Es erscheint daher vorzugswürdig, den Erwerb von Datenträgern mit digitalen Inhalten vom Anwendungsbereich der vorgeschlagenen Richtlinie auszunehmen und ihn weiterhin im Anwendungsbereich der Richtlinie 1999/44/EG zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie) zu belassen. Außerdem ist begrifflich unklar, welche Datenträger solche zur ausschließlichen Übermittlung digitaler Inhalte sind.
- 23. Der Bundesrat gibt ferner zu bedenken, dass die zur Vermeidung einer Fragmentierung vorgesehene Erweiterung des Anwendungsbereichs der Richtlinie in Artikel 3 Absatz 3 auf "dauerhafte Datenträger" wiederum an anderer Stelle zu einer Fragmentierung des anzuwendenden Rechts führt. Erwirbt der Verbraucher statt eines bereits mit digitalen Inhalten versehenen Datenträgers einen "Rohling", richtet sich das anzuwendende Recht (beispielsweise für Mängel am Datenträger) nicht nach der hier vorgeschlagenen, sondern gegebenenfalls - abhängig vom Vertriebsweg - nach dem Regime der parallel vorgeschlagenen Richtlinie COM (2015) 635 final; Ratsdok. 15252/15 oder nach den für den stationären Handel geltenden Regeln. Gleiches gilt für Datenträger, die neben der Übermittlung der digitalen Inhalte noch anderen Zwecken dienen. Im Warenhandel gibt es etwa bei Spielesoftware oftmals eine Standardversion und eine zahlenmäßig begrenzte Sonderedition mit einer aufwändig gestalteten Hülle und besonderen Beigaben. Auch hier droht eine Zersplitterung des anzuwendenden Rechts.
- 24. Mit Blick auf Artikel 3 Absatz 6 des Richtlinienvorschlags sollte gewährleistet sein, dass bei Verträgen über digitale und nichtdigitale Inhalte das Recht auf Vertragsbeendigung einheitlich für den gesamten Vertrag ausgeübt werden kann, wenn der Verbraucher an dem Fortbestand der übrigen Leistung kein Interesse hat.
- 25. Der Bundesrat empfiehlt, auch für digitale Inhalte, soweit es sich bei den zugrunde liegenden Verträgen um Kaufverträge handelt, wie für physische Güter eine Gewährleistungsfrist von zwei Jahren in der Richtlinie zu verankern und die Beweislastumkehr zu Lasten der Anbieter wie bislang bei physischen Waren auf ein halbes Jahr zu beschränken. Entgegen der in der vorgeschlagenen Richtlinie vertretenen Meinung, unterliegen auch digitale Inhalte einer Abnutzung. Dies gilt zum einen ganz konkret bei den von digitalen Inhalten zum Beispiel auch umfassten CDs und DVDs, die sich durch Gebrauch abnutzen. Darüber hinaus veralten digitale Inhalte oftmals durch den gerade hier rasanten technischen Fortschritt. Die Ausführungen in Erwägungsgrund 43 sind somit zu hinterfragen. In Artikel 6 sollte daher klargestellt werden, dass eine Gewährleistungsfrist vorgesehen werden kann. Zusammen mit der Beweislast nach Artikel 9 ergäbe sich ansonsten, dass Unternehmen praktisch zeitlich unbegrenzt haften und auch die Beweislastumkehr zeitlich unbegrenzt ist. Damit ergeben sich für Unternehmen zeitlich unbegrenzte Haftungsrisiken.
- 26. Der Bundesrat regt an zu prüfen, ob Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b einen eigenen Regelungsgehalt hat, da in den dort beschriebenen Fällen der "vom Verbraucher angestrebte Zweck" durch die Zustimmung des Anbieters in der Regel ohnehin Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung wird.
- 27. Er ist der Auffassung, dass als Maßstab für die Vertragsgemäßheit der Leistung grundsätzlich auch die nach der Verkehrsanschauung übliche Eignung und Funktion der angebotenen Inhalte zu beachten sein soll. Die in Artikel 6 Absatz 2 des Richtlinienvorschlags vorgesehene Nachrangigkeit des objektiven Eignungsmaßstabs gegenüber vertraglichen Bestimmungen und Informationen birgt die Gefahr, dass Einschränkungen der Funktionalität und Kompatibilität in technischen Spezifikationen geregelt werden, deren Verständnis vom Verbraucher jedoch regelmäßig nicht erwartet werden kann. Auch der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Online-Warenhandels und anderer Formen des Fernabsatzes von Waren sieht vor, dass die übliche Eignung und Funktion der Ware grundsätzlich maßgeblich für die Beurteilung der Vertragsgemäßheit ist.
- 28. Der Bundesrat hält es zur Sicherstellung eines hohen Datenschutzniveaus außerdem für erforderlich, dass datenschutzrechtliche Anforderungen ausdrücklich in den Katalog der Kriterien für die Vertragsgemäßheit der Leistung aufgenommen werden und etwaige Verstöße wie beispielsweise unbemerkte Datenerfassungen und -übermittlungen durch Spähsoftware entsprechende vertragsrechtliche Ansprüche des betroffenen Verbrauchers zur Folge haben.
- 29. Am Ende von Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe c Doppelbuchstabe ii muss das Komma durch das Wort "oder" ersetzt werden.
- 30. Haben die Vertragsparteien nichts anderes vereinbart, müssen digitale Inhalte nach Artikel 6 Absatz 4 der neuesten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses verfügbaren Version entsprechen. Dies beruht nach Erwägungsgrund 29 auf der Überlegung, dass digitale Inhalte häufig insbesondere durch Aktualisierung verbessert werden. Indessen erfasst die Regelung auch solche Fälle, in denen die neueste verfügbare Version ein geringeres Leistungsspektrum bietet. Zudem kann diese Regelung zu Streitigkeiten wegen der Vertragsgemäßheit von digitalen Inhalten führen, obwohl die bereitgestellten digitalen Inhalte den Vertragszweck hinreichend oder sogar besser erfüllen. Der Bundesrat regt daher an, Artikel 6 Absatz 4 zu streichen, zumal die wechselseitigen Interessen der Vertragsparteien durch die anderen Regelungen zur Vertragsgemäßheit hinreichend gewahrt werden.
- 31. Der Bundesrat weist darauf hin, dass Artikel 7 in Zusammenhang mit Artikel 9 problematisch für Anbieter ist, da nach Artikel 9 die Beweislast für die Vertragsmäßigkeit dem Anbieter auferlegt wird, es sei denn, die digitale Umgebung des Verbrauchers ist nicht kompatibel mit den digitalen Inhalten. Diese Regelung scheint wenig praktikabel zu sein: Die digitale Umgebung des Verbrauchers liegt außerhalb des Einflussbereichs des Anbieters, und ein Unternehmen hätte nur durch Zugang zur digitalen Umgebung des Verbrauchers überhaupt die Chance, den Grund für die beanstandete Problematik beim digitalen Inhalt zu erforschen und zu beweisen, dass das Produkt bei Gefahrübergang mangelfrei war. Auf Seiten des Verbrauchers kann die Öffnung seiner digitalen Umgebung einen erheblichen Eingriff in seine Privatsphäre bedeuten, die Regelung kann daher auch für Verbraucher nachteilig sein.
- 32. Artikel 8 sollte sprachlich angepasst werden, da nach dem gegenwärtigen Wortlaut die bereitgestellten digitalen Inhalte frei von jeglichen Rechten ("free of any right") Dritter sein müssen. Es genügt jedoch, dass die Inhalte frei von entgegenstehenden Rechten ("free of any conflicting right"), also solchen Rechten Dritter sind, die den Verbraucher an der vertragsgemäßen Nutzung der digitalen Inhalte hindern können (siehe auch Erwägungsgrund 31).
- 33. Der Bundesrat hält die vorgeschlagene allgemeine Beweislastumkehr zu Lasten des Anbieters für nicht schlüssig. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, für die Bereitstellung digitaler Inhalte, den Online-Warenhandel und den stationären Handel eine einheitliche Beweislastregelung hinsichtlich der Vertragsmäßigkeit des Vertragsgegenstandes vorzusehen. Insbesondere bei kaufrechtlichen Vertragsbeziehungen handelt es sich bei der Frage der Beweislast für die Vertragsgemäßheit um einen zentralen Punkt, bei dem schon unter den Aspekten der Transparenz und Rechtssicherheit eine Differenzierung nach unterschiedlichen Vertriebswegen zu vermeiden ist. Anders als in Erwägungsgrund 32 beschrieben, vermag ein etwaiger Wissensvorsprung des Anbieters bei digitalen Inhalten keine besondere Beweislastregelung für digitale Inhalte zu rechtfertigen. Diese Erwägungen treffen gleichermaßen auch bei Werkunternehmern und Verkäufern sonstiger körperlicher Waren oder Werke (beispielsweise PKW, Hardware, Gebäude) zu. Ebenso wenig kann eine Sonderregelung auf die These in Erwägungsgrund 43 gestützt werden, dass digitale Inhalte "naturgemäß nicht der Abnutzung unterliegen". Ungeachtet dessen, ob diese These haltbar ist, können digitale Daten äußeren Einflüssen ausgesetzt sein, die bei der Frage der Vertragsgemäßheit der digitalen Inhalte (zum Zeitpunkt der Bereitstellung) von entscheidender Bedeutung sind. Beispielhaft zu nennen sind Computerviren oder Schäden am Datenträger.
- 34. Gemäß Artikel 10 Buchstabe c soll der Anbieter dem Verbraucher für jede Vertragswidrigkeit haften, die im Laufe eines Zeitraums eintritt, wenn die digitalen Inhalte dem Vertrag zufolge in diesem Zeitraum bereitzustellen sind. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Regelung nach ihrem Wortlaut auch auf Fälle Anwendung findet, in denen der Vertragsinhalt die einmalige, aber dauerhafte Zurverfügungstellung eines digitalen Inhalts ohne weitere Kontroll- oder Aktualisierungspflicht ist, also kaufartigen Charakter hat (etwa beim Erwerb eines E-Books). In solchen Fällen ist aber - anders als im Rahmen von dauerschuldartigen Vertragsbeziehungen mit Dienstleistungscharakter - eine Haftung für jede nach der erstmaligen Bereitstellung eintretende Vertragswidrigkeit nicht interessengerecht. Sie widerspräche zudem einem grundlegenden Prinzip des (Kauf-)Rechts, wonach der Anbieter nur für die Mangelfreiheit des Kaufgegenstands zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs auf den Käufer einzustehen hat.
- 35. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, dass der Verbraucher entgegen Artikel 11 bei ausgebliebener Bereitstellung der digitalen Inhalte durch den Anbieter erst dann zur "Beendigung" des Vertrages berechtigt ist, wenn er dem Anbieter zuvor eine Frist zur Abhilfe gesetzt hat und nicht ausnahmsweise ein Interesse an der sofortigen Beendigung hat. Ein sofortiges Beendigungsrecht führt insbesondere dann zu einer unangemessenen Benachteiligung des Anbieters, wenn ihn an der verspäteten Bereitstellung kein Verschulden trifft und auf Seiten des Verbrauchers das Interesse an der Leistung unvermindert fortbesteht. Im Übrigen sehen sowohl die Verbraucherrechte-Richtlinie (Richtlinie 2011/83/EU) als auch der parallel vorgelegte Vorschlag einer Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Online-Warenhandels und anderer Formen des Fernabsatzes von Waren für deren Anwendungsbereich ein Recht des Anbieters auf "zweite Andienung" vor. Es sind keine Gründe ersichtlich, die eine unterschiedliche Behandlung der jeweils von der Richtlinie bzw. dem Richtlinienvorschlag erfassten Verbraucherverträge rechtfertigen oder sogar gebieten.
- 36. Der Bundesrat hat erhebliche Bedenken dagegen, dass unabhängig vom jeweils einschlägigen Vertragstyp bei Verträgen über die Bereitstellung digitaler Inhalte nach Artikel 12 einheitliche Regelungen zu Abhilfen bei einer Vertragswidrigkeit eingeführt werden sollen. Angesichts des in Artikel 3 geregelten weiten Anwendungsbereichs der vorgeschlagenen Richtlinie gilt diese - anders als die vorgeschlagene Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Online-Warenhandels und anderer Formen des Fernabsatzes von Waren - nicht nur für Kaufverträge. Verträge über die Bereitstellung digitaler Inhalte können aufgrund ihrer sehr unterschiedlichen Erscheinungsformen verschiedensten Vertragstypen zuzuordnen sein. Je nach Vertragsinhalt kann ein Kaufvertrag, ein Mietvertrag, ein Dienstvertrag, ein Werkvertrag oder ein anderer Vertragstyp vorliegen. Ein Merkmal der verschiedenen Vertragstypen ist es, dass für sie - soweit nicht allgemeine vertragsrechtliche Vorschriften anwendbar sind - unterschiedliche Regelungen zur Gewährleistung und Vertragsbeendigung gelten. Diese Regelungen berücksichtigen, anders als Artikel 12, jeweils die den Vertrag prägenden Hauptleistungspflichten. Vor diesem Hintergrund begegnet es auch Bedenken, dass Artikel 16 einheitliche Voraussetzungen bestimmt, unter denen der Verbraucher ein Recht auf Beendigung unbefristeter oder für eine Dauer von mehr als zwölf Monaten geschlossener Verträge hat.
- 37. Der Bundesrat bittet zu prüfen, ob dem Verbraucher zumindest bei Verträgen über die Bereitstellung digitaler Inhalte mit kaufartigem Charakter grundsätzlich ein Wahlrecht hinsichtlich der Art der Abhilfe (Nachbesserung oder Ersatzlieferung) zustehen sollte, wie es die Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie sowie der parallel vorgelegte Vorschlag einer Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Online-Warenhandels und anderer Formen des Fernabsatzes von Waren für deren Anwendungsbereiche vorsehen. Eine Sonderregel für digitale Inhalte erscheint nicht gerechtfertigt.
- 38. Nach dem Richtlinienvorschlag verbleibt es für die Einordnung eines Vertrags in einen bestimmten Vertragstyp bei den Regelungen der Mitgliedstaaten. Den Mitgliedstaaten steht es bisher offen - für den Fall des Scheiterns der Mangelbeseitigung - vorzusehen, dass der Verbraucher das Recht hat, selbst für Abhilfe zu sorgen. Im deutschen Recht ist dies insbesondere für Werkverträge in § 634 Nummer 2 in Verbindung mit § 637 BGB und bei Mietverträgen in § 536a BGB geregelt. Der Richtlinienvorschlag sieht demgegenüber in Artikel 12 lediglich ein Recht zur Minderung oder zur Beendigung des Vertrags vor. Der Bundesrat hält es für interessengerechter, wenn dem Verbraucher daneben auch weitergehende Rechte, insbesondere das Recht zur eigenen Abhilfe, belassen werden.
- 39. Weiter regt der Bundesrat an, in Artikel 12 Absatz 1 (im Rahmen der Regelung zur Abhilfe bei Vertragswidrigkeit) bezüglich der zu berücksichtigenden Punkte für die Feststellung, ob die Kosten der Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes unverhältnismäßig wären, in Satz 3 vor den Worten "Folgendes zu berücksichtigen" ein "insbesondere" einzufügen.
Artikel 12 Absatz 1 benennt nur zwei Erwägungen (den Wert der digitalen Inhalte, wenn sie im vertragsgemäßen Zustand wären, und die Bedeutung der Vertragswidrigkeit für die Erreichung des Zwecks). Die entsprechende Regelung im deutschen Kaufrecht (§ 439 Absatz 3 BGB) ist als "Insbesondere-Regelung" ausgestaltet und lässt so Raum für die Berücksichtigung weiterer Umstände im konkreten Einzelfall. Eine derartige Ausgestaltung ist auch im Hinblick auf digitale Inhalte sinnvoll.
- 40. Nach Artikel 13 Absatz 1 kann der Verbraucher sein Recht auf Vertragsbeendigung durch eine auf "beliebige Weise abgegebene Mitteilung" wahrnehmen. Angesichts der Rechtsfolgen erscheint dies zu allgemein und wenig nachvollziehbar. Der Bundesrat regt daher an, dass die Vertragsbeendigung mindestens in Textform zu erfolgen hat.
- 41. Der Bundesrat regt ferner eine sprachliche Überarbeitung von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe b an. Der Text ist schwer verständlich. Vorzugswürdig erscheint, die in den Erwägungsgründen 37 und 38 vorgenommene Differenzierung konsequent in der Gliederung des Artikels sowie im Richtlinientext abzubilden. Dies gilt sinngemäß auch für Artikel 15 Absatz 2 Buchstabe b und Artikel 16 Absatz 4 Buchstabe a.
- 42. Er bittet um Klärung, wie Anbieter die Regelungen gemäß Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe c in der Praxis erfüllen sollen. Der Begriff "usergenerated content" wird nicht klar definiert. Auch ist nicht klar geregelt, was unter den "technischen Mitteln" zu verstehen ist, die der Anbieter dem Verbraucher zur Wiedererlangung seiner Daten zur Verfügung stellen muss. Ein unvertretbarer Umsetzungsaufwand wäre es hierbei, wenn der Anbieter dem Verbraucher erst die technische Umgebung und Anbindung zur Verfügung stellen müsste, damit dieser die Daten entgegennehmen kann. Es ist daher auch festzulegen, dass der Verbraucher bei der Wiedererlangung der Daten entsprechend mitzuwirken hat. Die Rückübermittlung der Daten hat zudem in der Regel auf dem Weg zu erfolgen, auf dem die ursprüngliche Übermittlung erfolgt ist, sofern es keinen kostengünstigeren, gleichwertigen Weg gibt.
- 43. Die Regelung in Artikel 13 Absatz 4, nach welcher der Verbraucher bei Vertragsbeendigung für die Nutzung der vertragsgegenständlichen digitalen Inhalte in der Zeit vor Beendigung des Vertrags nicht zahlungspflichtig ist, erscheint unausgewogen. Mit der Nutzungsmöglichkeit vor Beendigung des Vertrags wird dem Verbraucher häufig ein wirtschaftlicher Wert zugeflossen sein. Den Mitgliedstaaten sollte entsprechend Erwägungsgrund 15 der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie die Möglichkeit eröffnet werden, eine Pflicht zum Nutzungsersatz zu regeln.
- 44. Der Bundesrat ist der Meinung, dass Verbrauchern alle nötigen technischen Hilfsmittel zur Verfügung gestellt werden sollten, um nach Beendigung des Vertrages gemäß Artikel 13 digitale Inhalte zu löschen oder auf andere Weise unlesbar zu machen. Zudem sollte Artikel 13 dahingehend ergänzt werden, dass der Anbieter den Zugang für den Verbraucher erst dann sperren darf, wenn er seine Pflichten nach dieser Vorschrift erfüllt und dem Verbraucher eine angemessene Frist eingeräumt hat, seine Inhalte und Daten wiederzuerlangen.
- 45. Der Bundesrat bittet klarzustellen bzw. zu prüfen, ob der Anbieter in den Fällen, in denen die Gegenleistung des Verbrauchers darin besteht, dass er dem Anbieter Daten zur Verfügung stellt und ihm deren Nutzung gestattet, bei Vertragsbeendigung (und Rückabwicklung nach Artikel 13) gegebenenfalls Nutzungsentschädigung zu zahlen hat. Bisher verhält sich der Vorschlag nicht zu dieser Frage, obwohl ein Anspruch des Verbrauchers auf Wertersatz für die zurückliegende Nutzungsmöglichkeit seiner Daten sachgerecht ist, wenn - wie in den Fällen des Artikels 13 - der Verbraucher den Vertrag wegen einer nicht vertragsgemäßen Leistung des Anbieters beenden konnte. Anderenfalls wäre der Anbieter trotz seines nicht vertragstreuen Verhaltens um diese Nutzungsmöglichkeit bereichert.
- 46. Der Bundesrat hat Bedenken gegenüber einer abschließenden Regelung zum Schadensersatz, wenn Ansprüche des Verbrauchers wie in Artikel 14 vorgesehen auf wirtschaftliche Schäden der digitalen Umgebung beschränkt sein sollen, da damit unter anderem Schadensersatzansprüche wegen Verletzungen des Persönlichkeitsrechts ausgeschlossen wären. Er spricht sich dafür aus, dass Artikel 14 weitergehende Ansprüche wegen schuldhafter Verletzung vertraglicher Pflichten nach dem Recht der Mitgliedstaaten unberührt lassen soll.
- 47. Er bittet daher mit Blick auf die durch die vorgeschlagene Richtlinie angestrebte Vollharmonisierung um Klarstellung, dass durch Artikel 14 ein Recht auf Schadensersatz für Schäden des Verbrauchers außerhalb seiner digitalen Umgebung nicht ausgeschlossen werden soll und die Mitgliedstaaten nicht daran gehindert sind, die Schadensersatzhaftung des Anbieters auf schuldhaftes Verhalten zu beschränken. Ansonsten würde ein Widerspruch zum deutschen Gewährleistungsrecht entstehen, der aus Sicht des Bundesrates zu einer unangemessenen Risiko- bzw. Schadensverteilung zwischen den Vertragsparteien führt.
- 48. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass in Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe b für die vorgesehene Mitteilung an den Verbraucher lediglich Textform statt Übermittlung eines dauerhaften Datenträgers vorgeschrieben werden sollte. Gerade angesichts der bei manchen digitalen Inhalten wie Software häufigen und oft unverzichtbaren Änderungen entstünde ansonsten ein Medienbruch, der für die digitale Wirtschaft ein ernsthaftes Wachstums- und Entwicklungshemmnis darstellen würde. Auch für den Verbraucher wäre die mit einer solchen Regelung ausgelöste Flut von gegebenenfalls zu versendenden Briefen und CDs kaum verständlich.
- 49. Er hält es für problematisch, dass der Verbraucher gemäß Artikel 16 nach Ablauf von zwölf Monaten jederzeit das Recht auf Beendigung unbefristeter oder für eine Dauer von mehr als zwölf Monaten geschlossener Verträge haben soll. Eine durch den Gesetzgeber vorgegebene maximale Laufzeit von zwölf Monaten erscheint nicht erforderlich, da der Wettbewerb für ein ausreichendes Angebot unterschiedlicher Laufzeiten sorgt - so ist es zum Beispiel im Telekommunikationsbereich bereits jetzt üblich, dass Verträge auch ohne Mindestlaufzeit angeboten werden, obwohl das Gesetz 24 Monate Höchstlaufzeit erlaubt. Für Verbraucher könnte sich die Regelung langfristig als nachteilig erweisen, da die Unternehmen das Risiko der vorzeitigen Vertragsbeendigung voraussichtlich einpreisen werden.
- 50. Aus Sicht des Bundesrates berücksichtigt der Richtlinienvorschlag nur unzureichend die Problematik, dass digitale Inhalte durch Aktualisierungen des Anbieters verändert und dabei möglicherweise mit neuen Mängeln behaftet werden können. Er spricht sich dafür aus, den Verbrauchern auch bei Aktualisierungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums die Ansprüche aus Artikeln 12 fortfolgende zu gewähren und erforderlichenfalls in Artikel 10 bei der Bestimmung der Vertragsgemäßheit neben der erstmaligen Bereitstellung auch auf den Zeitpunkt einer etwaigen späteren Aktualisierung abzustellen.
- 51. Die vorgeschlagene Richtlinie sollte nach Auffassung des Bundesrates eine Mindestvorgabe zur Geltung und Verjährung der Ansprüche des Verbrauchers bei nicht vertragsgemäßer Leistung enthalten, um einerseits Wettbewerbsverzerrungen unter den Mitgliedstaaten zu vermeiden und andererseits ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen. In Anlehnung an die Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie sollte die Verjährung mindestens zwei Jahre betragen.
- 52. Der Bundesrat sieht die Notwendigkeit, die im Richtlinienvorschlag vorgesehene grundsätzliche Belastung des Verbrauchers mit der Gefahr des Datenverlustes beim Herunterladen und der Übertragung digitaler Inhalte durch geeignete Maßnahmen zu kompensieren. Die Beschränkung der Anbieterverantwortung auf die bloße Bereitstellung der digitalen Inhalte, die sich aus Artikel 10 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 10 ergibt, stellt eine Abkehr von dem in Artikel 20 der Verbraucherrechte-Richtlinie verankerten Prinzip dar, dass grundsätzlich der Verkäufer die Transportgefahr trägt.
Zu berücksichtigen ist, dass bei digitalen Inhalten anders als bei körperlichen Gegenständen ohne zusätzlichen Herstellungs- und Materialaufwand eine neue Kopie der Daten zur Verfügung gestellt werden kann. Eine alleinige Belastung des Verbrauchers mit dem Übertragungsrisiko erscheint daher wirtschaftlich unangemessen und zudem nicht geeignet, das Vertrauen der Verbraucher bei grenzüberschreitenden Angeboten zu stärken. Eine Lösung könnte darin bestehen, dem Verbraucher einen zeitlich befristeten, gegebenenfalls auf ein registriertes Endgerät beschränkten Nachlieferungsanspruch einzuräumen und ihm ein erneutes Herunterladen zu ermöglichen, wenn die digitalen Inhalte unvollständig oder beschädigt übertragen werden.
- 53. Der Bundesrat sieht ein Bedürfnis, die Erwartung der Verbraucher hinsichtlich der Nutzbarkeit und Verfügbarkeit digitaler Inhalte dadurch zu schützen, dass die Anbieter grundsätzlich und unter Berücksichtigung zwingender urheberrechtlicher Schutzbedürfnisse die Möglichkeit einräumen müssen, die digitalen Inhalte auf mehreren, gegebenenfalls registrierten Endgeräten zu nutzen. Es sollte geprüft werden, in der Richtlinie insoweit Mindestanforderungen an die Leistungspflicht der Anbieter zu regeln.
- 54. Er regt außerdem an, im Rahmen von Mindestanforderungen an die Leistungspflicht der Anbieter vorzusehen, dass auf Grund eines Kaufvertrags erworbene digitale Inhalte grundsätzlich auf Dritte übertragen werden können, wenn gewährleistet werden kann, dass die digitalen Inhalte beim ursprünglichen Erwerber nicht mehr vorhanden oder nutzbar sind. Es besteht ein anerkennenswertes wirtschaftliches Interesse des Erwerbers, einzelne digitale Inhalte oder, beispielsweise im Todesfall, den gesamten Bestand an digitalen Gütern zu übertragen.
Direktzuleitung an die Kommission
- 55. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.