965. Sitzung des Bundesrates am 2. März 2018
A
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission beabsichtigt, für mehr Kohärenz zwischen den Einstufungsvorschriften für Chemikalien und denen für Abfälle zu sorgen.
- 2. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission einen Diskussionsprozess für eine bessere Regelung der Schnittstelle zwischen Chemikalien-, Produkt- und Abfallrecht initiiert. Damit kann das Recycling von Abfällen und die Verwendung von Sekundärrohstoffen durch eine Minimierung unnötiger Belastungen gefördert werden.
- 3. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Bewertung der Gefährlichkeit von Abfällen nach Abfallrecht und die der Gefährlichkeit von Produkten nach Chemikalienrecht grundsätzlich besser aufeinander abgestimmt sein sollten. Dies soll insbesondere unnötige Barrieren bei der Vermarktung von Sekundärrohstoffen beseitigen. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass eine Bewertung der Gefährlichkeit von Abfällen auf der Basis chemischer Analysen im Vergleich zu einer Bewertung der Gefährlichkeit von Produkten auf der Basis von Rezepturen im Einzelfall ungleich komplexer sein kann. In Deutschland werden bei der Bewertung der Gefährlichkeit von Abfällen schon bestimmte vereinfachende Konventionen angewendet, da ein sehr eng an das Chemikalienrecht angelegtes Vorgehen in der Praxis mit vernünftigem Aufwand nicht mehr umzusetzen ist. Daher sind bei einer Verbesserung der Schnittstelle zwischen Abfall- und Chemikalienrecht die besonderen Rahmenbedingungen für Abfälle zu berücksichtigen.
- 4. Der Bundesrat bittet außerdem die Bundesregierung, sich bei der Kommission dafür einzusetzen, dass bei der notwendigen Verbesserung der Schnittstelle zwischen Abfall- und Chemikalienrecht die Vollziehbarkeit der Regelungen zur Bewertung der Gefährlichkeit von Abfällen stärker berücksichtigt wird.
Begründung zu Ziffern 3 und 4 (nur gegenüber dem Plenum):
Die Kommission wird dieses Jahr noch einen Leitfaden zur Einstufung von Abfällen veröffentlichen. Im November 2016 wurde schon ein Entwurf vorgestellt, in dem die Problematik deutlich wurde, dass für die Bewertung der Gefährlichkeit von Abfällen Regelungen anzuwenden sind, die nicht für Abfälle, sondern für Produkte erarbeitet wurden. Während für Produkte die Stoffe und die Konzentrationen sehr genau bekannt sind, zeichnen sich Abfälle meist durch eine Bandbreite möglicher Stoffe und deren Konzentrationen aus. Grundsätzlich sollten zwar die chemikalienrechtlichen Regelungen auch auf Abfälle angewendet werden, jedoch sollten möglichst auf europäischer Ebene bestimmte vereinfachende Konventionen verbindlich festgelegt werden. Ohne solche Konventionen ist eine Bewertung der Gefährlichkeit von Abfällen in bestimmten Fällen mit vernünftigem Aufwand nicht durchzuführen:
- - Bei anorganischen Verbindungen kann man mit Hilfe der üblichen chemischen Analytik nicht den Stoff an sich (zum Beispiel Nickelsulfat, Kupferhydroxid) bestimmen, sondern nur die einzelnen Bestandteile (Nickel, Kupfer, Sulfat, Hydroxid). Für die Bewertung der Gefährlichkeit nach Chemikalienrecht benötigt man die Konzentration des einzelnen Stoffes, die Konzentrationen einzelner Bestandteile reichen nicht aus. Um hier mit vernünftigem Aufwand weiter zukommen, ist es in Deutschland verbreitet, dass für die für die Gefährlichkeit des Stoffes wesentlichen Bestandteile (Nickel, Kupfer) Grenzwerte festgelegt werden, mit deren Hilfe die Gefährlichkeit des Abfalls bewertet wird. Mit anderen Worten: für die Schwermetalle werden per Konvention Beurteilungswerte festgelegt.
- - In der Abfallanalytik werden bestimmte Summenparameter (Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK); Kohlenwasserstoffe) bestimmt, die eine Analyse der zahlreichen Einzelstoffe ersetzen. Für diese Summenparameter kennt das Chemikalienrecht jedoch keine Grenzwerte für die Bewertung der gefährlichen Eigenschaften, sondern nur für die jeweiligen Einzelstoffe. Daher wurden in Deutschland für diese Summenparameter per Konvention bestimmte Beurteilungswerte festgelegt, mit deren Hilfe die Gefährlichkeit des Abfalls bewertet wird.
Nur mit einem angepassten Vorgehen kann man in vielen Fällen die Gefährlichkeit von Abfällen bewerten. Die Kommission sollte diese für die Praxis sehr wesentliche Anforderung in der Zukunft stärker berücksichtigen.
- 5. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Akzeptanz von Sekundärrohstoffen nicht als Folge einer unreflektierten weiteren Angleichung des Abfallrechts an das Chemikalienrecht unnötig beeinträchtigt werden soll. Eine sachgerechte differenzierte Abfallbewirtschaftung würde durch eine weitere Verlagerung von zusätzlichen Abfallmengen in das Nachweisverfahren ohne Not erschwert werden.
- 6. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher, gegenüber der Kommission darauf hinzuwirken, dass Abfälle, die aus nicht gefährlichen Gemischen oder aus nicht gefährlichen Stoffen im Sinne der EU-Verordnung zur Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Chemikalien (CLP-Verordnung - Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 ) bestehen, auch künftig nicht aufgrund von Änderungen der Rechtslage als gefährlich im Sinne des Abfallrechts gelten.
- 7. Der Bundesrat weist darauf hin, dass für ein hochwertiges Recycling von Abfällen anspruchsvolle Qualitätsanforderungen an den Sekundärrohstoff erfüllt werden müssen. Dazu gehört insbesondere die Ausschleusung von Schadstoffen aus dem Wirtschaftskreislauf. Es wird daher nicht als hilfreich angesehen, dass die Kommission in Nummer 3.2 der Mitteilung als geplante Maßnahme eine Entscheidungsmethode entwickeln will, mit deren Hilfe gegebenenfalls ein Verbleib von Schadstoffen in Rezyklaten gerechtfertigt werden kann.
- 8. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich bei der Kommission dafür einzusetzen, dass beim Recycling von Abfällen auch zukünftig nicht von den Grundsätzen der Schadlosigkeit und der Ausschleusung von Schadstoffen aus dem Wirtschaftskreislauf abgewichen wird.
Begründung zu Ziffern 7 und 8 (nur gegenüber dem Plenum):
Bei der Herstellung langlebiger Produkte können Stoffe zum Einsatz gekommen sein, die zum Zeitpunkt des Anfalls als Abfall Verwendungsbeschränkungen unterliegen. Damit erschweren oder verhindern solche Stoffe die erwünschte stoffliche Verwertung von Abfällen, sobald die in den Verwendungsbeschränkungen festgelegten Konzentrationsgrenzen überschritten werden.
Um dennoch das Recycling weiterhin zu ermöglichen, erwägt die Kommission eine Entscheidungsmethodik, mit der festgestellt werden soll, ob insgesamt trotz Schadstoffbelastung (oberhalb der in den Verwendungsbeschränkungen festgelegten Konzentrationsgrenzen) ein Recycling besser als eine energetische Verwertung bzw. Beseitigung ist. Bis Mitte 2019 soll diese Methodik erarbeitet werden.
Außerdem zieht die Kommission in Betracht, dass mit besorgniserregenden Stoffen belastete Rezyklate von bestimmten REACH-Registrierungspflichten ausgenommen werden könnten.
Diese Absichten der Kommission zielen darauf ab, Ausnahmen von dem für die Kreislaufwirtschaft wichtigen Grundprinzip der Ausschleusung von Schadstoffen aus dem Wirtschaftskreislauf zu ermöglichen. Eine mögliche Aufweichung von § 7 Absatz 3 Kreislaufwirtschaftsgesetz ("keine Schadstoffanreicherung im Wertstoffkreislauf") wird nicht unterstützt.
Ziel einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft ist vorrangig die Vermeidung von Schadstoffen bei der Herstellung von Produkten. Hierfür sind Maßnahmen für ein kreislaufgerechtes Produktdesign sinnvoll. In diesem Sinne sollte die Schnittstelle von Abfall- und Produktrecht thematisiert werden und nicht in der von der Kommission vorgeschlagenen Art und Weise. Im Hintergrunddokument SWD(2018) 20 final wird genau dies auch thematisiert, ohne dass es allerdings Eingang in die Mitteilung der Kommission gefunden hat.
Daher sollte die Kommission davon in Kenntnis gesetzt werden, dass die in der Mitteilung unter Nummer 3.2 dargestellten Absichten nicht die Unterstützung Deutschlands haben.
B
- 9. Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.