959. Sitzung des Bundesrates am 7. Juli 2017
A
- 1. Der federführende Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik, der Finanzausschuss, der Ausschuss für Innere Angelegenheiten und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, dem vom Deutschen Bundestag am 1. Juni 2017 verabschiedeten Gesetz gemäß Artikel 80 Absatz 2, Artikel 84 Absatz 1 Satz 5 und 6, Artikel 104a Absatz 4 und Artikel 108 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes zuzustimmen.
B
Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfiehlt dem Bundesrat ferner, folgende Entschließung zu fassen:
Zum Gesetz allgemein
- a) Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass der Deutsche Bundestag das bereits laufende Gesetzgebungsverfahren zum Bundesversorgungsgesetz kurzfristig durch umfangreiche bereichsspezifische datenschutzrechtliche Regelungen außerhalb des Versorgungsrechts ergänzt hat, um diese an die Verordnung (EU) Nr. 2016/679 anzupassen.
- b) Der Bundesrat hält angesichts der Relevanz der getroffenen Regelungen für die Landes- und Kommunalbehörden und der grundlegenden Eingriffe in die Verwaltungs- und Aufsichtsstrukturen der Länder im Bereich der Steuerverwaltung das gewählte Verfahren für ungeeignet, um den Ländern eine umfassende Beteiligung zu ermöglichen und ihre Mitwirkungsrechte umfassend wahrzunehmen. Der Bundesrat verweist insoweit auch auf Ziffer 1 seiner Stellungnahme vom 10. März 2017 (vergleiche BR-Drucksache 110/17(B) ).
Zu Artikel 17 (Änderung der Abgabenordnung)
- c) Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Verlagerung der Zuständigkeit für die Aufsicht über die Länderfinanzbehörden sowie über die Kommunen hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten im Anwendungsbereich der Abgabenordnung von den nach Landesrecht zuständigen Aufsichtsbehörden auf die oder den Bundesbeauftragte(n) für den Datenschutz und die Informationsfreiheit die bisherige Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern bei der Datenschutzaufsicht über Bundes- bzw. Länderbehörden in Frage stellt, ohne dass hierfür bislang die Notwendigkeit oder die Gesetzgebungskompetenz des Bundes dargelegt wurden.
- d) Der Bundesrat stellt fest, dass die Zuständigkeitskonzentration der Datenschutzaufsicht auch in die Rechte der Länderparlamente eingreift, indem für einen Teil der administrativen Tätigkeiten der Landesbehörden die Wahrnehmung der parlamentarischen Kontrollrechte insoweit erschwert wird, als die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit gegenüber den Länderparlamenten keine Berichte abgibt und von den Länderparlamenten nicht um Stellungnahmen zu konkreten Angelegenheiten gebeten werden kann.
- e) Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Benennung von Datenschutzbeauftragten in den Finanzbehörden auch der Länder und Kommunen nach Bundesrecht zu erfolgen hat, ohne dass eine diesbezügliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes begründet wird. Nach Auffassung des Bunderates bleibt zu klären, ob es sich bei diesen Regelungen um Fragen des Steuerverwaltungsrechts im Sinne von Artikel 108 GG handelt, die der Gesetzgebungskompetenz des Bundes unterliegen würden.
- f) Der Bundesrat bittet darum, dafür Sorge zu tragen, dass die verfassungsrechtlichen Mitwirkungsrechte der Länder in zukünftigen Gesetzgebungsverfahren zur Anpassung des bereichsspezifischen Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) Nr. 2016/679 umfassend gewahrt werden.
- g) Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, zur Gewährleistung einer einheitlichen Rechtsanwendung zu klären, in welchem Verhältnis die in Artikel 17 Nummer 3 (§ 32e AO) in Bezug genommen Betroffenenrechte nach Artikel 12 bis 15 der Verordnung (EU) Nr. 2016/679 sowie die diesbezüglich getroffenen beschränkenden Regelungen der Abgabenordnung zu den Ansprüchen auf Informationszugang nach den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes oder der Länder stehen.
Begründung:
Zu den Buchstaben a und b:
Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme vom 10. März 2017 unter anderem unter Bezugnahme auf die Anpassungserfordernisse im Sozialdatenschutz deutlich gemacht, dass bei der Anpassung des bereichsspezifischen Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) Nr. 2016/679 eine umfassende und frühzeitige Beteiligung der Länder geboten ist, da die Regelungen unmittelbare Auswirkungen auf die Tätigkeit der Landes- und kommunalen Behörden haben. Diese Beteiligung ist unterblieben. Mit der Entschließung bekräftigt der Bundesrat seine Haltung zur Frage der Länderbeteiligung im Anpassungsprozess des bereichsspezifischen Datenschutzrechts an die EU-Datenschutzgrundverordnung.
Zu den Buchstaben c bis f:
Die Regelung der Aufsicht über die Finanzbehörden (Artikel 17 Nummer 11 (§ 32h Absatz 1 AO) in Verbindung mit Artikel 17 Nummer 2 (§ 1 Absatz 2 Nummer 1 AO) ) sieht eine Verlagerung der Zuständigkeit für die Aufsicht über die Landesfinanzbehörden sowie über kommunale Finanzbehörden von den Landesdatenschutzbeauftragten auf die Bundesdatenschutzbeauftragte vor. Durch die Konzentration der Aufsicht bei der Bundesdatenschutzbeauftragten sollte sichergestellt werden, dass die Aufsicht im Anwendungsbereich der Abgabenordnung immer nach den gleichen Vorgaben erfolge. In den Gesetzesmaterialien wird weder dargelegt, dass die bisherige Regelung zu Problemen geführt hat, noch ist den Gesetzesmaterialien eine Begründung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes in dieser Frage zu entnehmen.
Durch diese Zuständigkeitsverlagerung werden erstmalig Länderkompetenzen zur Regelung des Datenschutzes im Bereich der Landesverwaltung beschnitten, die mit einer Beschränkung der parlamentarischen Kontrollrechte einhergehen. Mit der Entschließung soll deutlich gemacht werden, dass die Länder dieser Beschränkung ihrer Kompetenzen kritisch gegenüber stehen. Es wird insbesondere die Gefahr gesehen, dass mit der Zuständigkeitskonzentration der Datenschutzaufsicht im Bereich der Abgabenordnung ein Präzedenzfall geschaffen wird, der den Weg für weitere zukünftige Zuständigkeitsverlagerungen von den Ländern zum Bund bereiten könnte. Dem soll mit der Entschließung entgegen getreten werden.
Wegen des Erfordernisses des Inkrafttretens der Regelungen insgesamt bis zum 25. Mai 2018 erscheint nach Abwägung aller Umstände ein Verlangen auf Anrufung des Vermittlungsausschusses gemäß Artikel 77 Absatz 2 Satz 1 GG in diesem Falle jedoch nicht opportun.
Zu Buchstabe g:
Nach Artikel 17 Nummer 11 (§ 32e AO) sollen Informationsansprüche nach dem Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes bzw. den Informationsfreiheitsgesetzen der Länder unter entsprechender Anwendung der für die Wahrnehmung der Betroffenenrechte bzw. Informationspflichten der verantwortlichen Stelle nach der Verordnung (EU) Nr. 2016/679 und den diesbezüglich getroffenen beschränkenden Regelungen der AO beurteilt werden. Diese Gleichsetzung der Betroffenenrechte nach der Verordnung (EU) Nr. 2016/679 mit allgemeinen Informations-zugangsrechten wirft Auslegungsfragen auf, die zu nicht unerheblichen Anwendungsproblemen führen dürften. Ungeklärt ist beispielsweise, welchen Informationsansprüchen nach den Informationsfreiheitsgesetzen die in Bezug genommenen Informationspflichten nach Artikel 13 und 14 der Verordnung (EU) Nr. 2016/679 entsprechen sollen. Ebenso bedarf es einer Klärung, an wen die Information in entsprechender Anwendung von § 32c Absatz 5 AO erfolgen soll. Eine Zuständigkeit der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit im Geltungsbereich landesrechtlicher Informationszugangsgesetze dürfte jedenfalls nicht bestehen.