Der Bundesrat hat in seiner 948. Sitzung am 23. September 2016 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Mitteilung der Kommission für eine europäische Strategie für emissionsarme Mobilität. Da nicht alle Sektoren im Jahr 2050 gänzlich Treibhausgasemissionsfrei sein werden können (Industrie, Landwirtschaft), wird das Ziel, bis zum Jahr 2050 eine nahezu emissionsfreie Mobilität innerhalb der EU zu erreichen, ausdrücklich unterstützt. In diesem Sinne sind starke Anstrengungen aller Akteure erforderlich, um auf eine emissionsfreie Mobilität bis zur Mitte des Jahrhunderts hinzuwirken, damit der Wohlstand und das Wohlergehen der Bürgerinnen und Bürger innerhalb der EU nicht gefährdet werden.
- 2. Die vorliegende Mitteilung berücksichtigt jedoch nicht hinreichend die zwischenzeitlichen Entwicklungen. Auf der Ende 2015 in Paris stattgefundenen UN-Klimakonferenz (COP 21) konnte für die internationale Klimapolitik ein wichtiger Durchbruch erzielt werden. In der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts soll die weltweite Dekarbonisierung der Gesellschaften angestrebt werden. Die EU sollte dabei eine Vorreiterrolle einnehmen und bereits bis 2050 die weitgehende Dekarbonisierung erreichen. Dementsprechend ist es erforderlich, auch die Zielvorgaben einer europäischen Strategie für emissionsarme Mobilität anzupassen und die aufgezählten Maß entsprechend zu überprüfen und gegebenenfalls nachzusteuern.
- 3. Der Bundesrat stellt fest, dass viele der genannten Maßnahmen auch eine Minderung des Umgebungslärms bewirken, und bittet darum, die Verknüpfung von Lärmschutz und emissionsfreier Mobilität künftig zu berücksichtigen.
- 4. Er ist der Überzeugung, dass gerade europaweit angenäherte Steuern und zweckgebundene Abgaben auf Fahrzeuge und Kraftstoffe geeignet sind, den Wandel zu einer emissionsfreien Mobilität zu befördern. Mit ihnen kann europaweit abgestimmte Investitionssicherheit hergestellt werden, damit Arbeitsplätze und Märkte der Zukunft entstehen können und nationale Industriepolitiken einen verlässlichen Rahmen haben. Hier gilt es, die bisherigen Steuer- und Abgabenpraktiken der Mitgliedstaaten auf ihre Wirksamkeit hinsichtlich der Förderung emissionsfreier Mobilität auszuwerten und Vorschläge zum diesbezüglichen effizienten Einsatz von Abgaben und steuerrechtlichen Instrumenten zu unterbreiten, damit spätestens ab dem Jahr 2030 unionsweit nur noch emissionsfreie PKW zugelassen werden.
- 5. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Frage der Verfügbarkeit und Kompatibilität von Infrastruktur und Kraftstoffen für den Schienenverkehr und die Binnenschifffahrt auch für die Ziele der Strategie für emissionsarme Mobilität bedeutend sind, und bittet, diesen Aspekt bzw. bestehende Initiativen zu integrieren. Beispielsweise die Elektrifizierung grenzüberschreitender Bahnverkehre und der Ausbau einer Landstromversorgung für Binnenschiffe, insbesondere bei der Personenschifffahrt, sollten in diesem Zusammenhang beachtet werden.
- 6. Der Bundesrat stellt fest, dass viele Städte in Europa umfangreiche Anstrengungen zur Verbesserung des öffentlichen Raumes, zur Ordnung des ruhenden Verkehrs, zur Stärkung des Radverkehrs inklusive von Radschnellwegverbindungen und zur Förderung von Car- und Bike-Sharing unternehmen. In diesem Zusammenhang wären Vorschläge, mit welchen rechtlichen und finanziellen Instrumenten die Mitgliedstaaten die Kommunen erfolgreich unterstützen können, förderlich. Ebenso förderlich wären Vorschläge, welche Qualitätsanforderungen auf den unterschiedlichen Regierungsebenen erfolgreich dazu beitragen können, die Qualität des öffentlichen Raumes für den Fuß- und Rad(-schnell-)verkehr und die Bedingungen für Car- und Bike-Sharing zu verbessern.
- 7. Der Bundesrat sieht in einer vollständigen Elektrifizierung des ÖPNV innerhalb der EU große Potenziale für den Klimaschutz und erwartet hier Vorschläge, wie insbesondere der hierfür erforderliche Umbau des ÖPNVSystems nutzerfreundlich finanziert werden kann.
- 8. Da nicht klar ist, ob die Kommission eine grundsätzliche Veränderung des Charakters der Richtlinie 1999/62/EG (Eurovignettenrichtlinie) von derzeit fakultativ hin zu obligatorisch beabsichtigt, bittet der Bundesrat die Bundesregierung, sich bei der Weiterentwicklung der Eurovignettenrichtlinie für die Wahrung des fakultativen Charakters einzusetzen.
- 9. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei den weiteren Verhandlungen ebenfalls dafür einzusetzen, dass auch bei Wahrung des fakultativen Charakters der Eurovignettenrichtlinie bei ihrer Weiterentwicklung die Anstrengungen der Aufgabenträger um ein in jeder Hinsicht attraktives ÖPNV-Angebot nicht durch die Einbeziehung in das System der Erhebung von Straßenbenutzungsgebühren konterkariert werden. Im ÖPNV fahrende Kfz (Busse und Taxen) sind von der Erhebung von Straßenbenutzungsgebühren im Rahmen der Weiterentwicklung der Eurovignettenrichtlinie auszuschließen.
- 10. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei den weiteren Verhandlungen konsequent gegen die möglicherweise auch in diesem Zusammenhang erhobene Forderung nach obligatorischer Einführung des Prinzips "City Maut" oder vergleichbarer Ansätze sowie gegen die Einführung von Fahrverboten für bestimmte Kfz ohne Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten und sozialen Implikationen (etwa Daseinsvorsorge, Versorgung der Bevölkerung mit Gütern) einzusetzen.
- 11. Er bittet die Bundesregierung ferner, sich bei den weiteren Verhandlungen konsequent gegen zwingende Vorgaben für die öffentliche Beschaffung emissionsarmer oder -freier Fahrzeuge einzusetzen, da dies die Länder daran hindert, das in ihrem Verantwortungsbereich optimale Maßnahmenpaket zur Erreichung der Reduktionsziele für Treibhausgase zu schnüren.
- 12. Der Bundesrat begrüßt den in der Mitteilung der Kommission enthaltenen Ansatz, dass aus Nahrungsmittelpflanzen hergestellte Biokraftstoffe nur eine begrenzte Rolle bei der Dekarbonisierung des Verkehrssektors spielen sollen und nach 2020 nicht mehr öffentlich gefördert werden sollten. Er erwartet in diesem Zusammenhang Handlungsansätze zur Berücksichtigung und insbesondere zur Vermeidung indirekter Landnutzungsänderungen bei der Herstellung jeglicher Biokraftstoffe.