Der Bundesrat ist über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG am 04. Juli 2014 auch durch die Bundesregierung unterrichtet worden.
Hinweis: vgl.
Drucksache 450/03 (PDF) = AE-Nr. 032281,
Drucksache 306/11 (PDF) = AE-Nr. 110377,
Drucksache 766/13 (PDF) = AE-Nr. 131016, AE-Nr. 101116 und AE-Nr. 130285
1. Einführung
Auf seiner März-Tagung 2014 hat der Europäische Rat erneut die Bedeutung des geistigen Eigentums als Haupttriebfeder für Wachstum und Innovation hervorgehoben und die Notwendigkeit betont, gegen Marken- und Produktpiraterie vorzugehen, um die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Industrie weltweit zu stärken.1 Immaterialgüterrechte gehören zu den wichtigsten Möglichkeiten für Unternehmen, Urheber und Erfinder, ihre Investitionen in Wissen in klingende Münze zu verwandeln.
Einer aktuellen Studie zufolge beläuft sich der Anteil der schutzrechtsintensiven Wirtschaftszweige an der gesamten Wirtschaftstätigkeit der EU auf rund 39 % des EU-BIP (mit einem Wert von rund 4,7 Billionen EUR jährlich); ihr Anteil an der Gesamtbeschäftigung - einschließlich der indirekten Arbeitsplätze - erreicht 35 %.2 Über befristete Exklusivlizenzen fließt geistiges Eigentum direkt in die Produktion und den Vertrieb neuer, authentischer Waren und Dienstleistungen, von denen alle profitieren. Solche Leistungen bedürfen eines optimalen, ökonomisch effizienten Rahmens, der die rechtliche Anerkennung, Registrierung, Nutzung und Durchsetzung von Immaterialgüterrechten jedweder Art umfasst. 3
Die EU braucht Innovation und Kreativität, um gegenüber Ländern mit niedrigeren Arbeits-, Energie- und Rohstoffkosten im Wettbewerb bestehen zu können. Sie muss ein innovationsfreundliches Klima schaffen, damit die europäische Wirtschaft zur Überwindung der Krise beitragen kann. In den Strategien Europa 2020 und Globales Europa spielen wissensbasierte Industriezweige deshalb auch eine zentrale Rolle.
Die vorliegende Mitteilung befasst sich vor allem mit der Frage, wie der Schutz geistigen Eigentums konkret gewährleistet werden kann. Sie stützt sich dabei auf die allgemeine Überzeugung, dass in erster Linie gegen gewerbsmäßige Rechtsverletzungen vorgegangen werden sollte, da sie den größten Schaden anrichten. Vorgeschlagen werden sollen neue Vorgehensweisen, die sich u.a. an dem Grundsatz "follow the money" orientieren, um gewerbsmäßigen Rechtsverletzern die Einnahmequelle zu entziehen, die das Hauptmotiv für Schutzrechtsverletzungen darstellt.
Auf dem Markt befindliche Produkte (Waren und Dienstleistungen), die die Rechte am geistigen Eigentum, das andere geschaffen haben, nicht respektieren, gehen uns alle an - als Bürger, Verbraucher, Unternehmer und Steuerzahler. Die gewerbsmäßige Verletzung von Immaterialgüterrechten bremst Investitionen in Innovation und Kreativität und verhindert damit die Entstehung neuer Arbeitsplätze.
Das Ausmaß gewerbsmäßiger Rechtsverletzungen lässt sich nur schwer einschätzen, aber die ökonomischen Folgen wurden bereits ausführlich erörtert.4 Einer aktuellen Erhebung zufolge gaben über 800 Führungskräfte an, dass 11 % ihrer Unternehmen 2013 durch Schutzrechtsverletzungen geschädigt worden seien. 5 Nach den Statistiken über die Zollbeschlagnahme an den EU-Außengrenzen wegen des Verdachts auf Schutzrechtsverletzung sind 2012 über 90 000 Fälle registriert worden. 6 Etwa 70 % dieser Fälle betrafen Post- und Kuriersendungen, was die wachsende Bedeutung des Internethandels widerspiegelt. Beschlagnahmt wurden fast 40 Millionen Artikel, die, wenn sie echt gewesen wären, einen Wert von schätzungsweise knapp 1 Mrd. EUR gehabt hätten. Den Angaben eines Mitgliedstaats zufolge stehen vermutlich 81 % dieser rechtsverletzenden Produkte im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität. 7 Die illegalen Erträge, die die organisierte Kriminalität mit diesen Aktivitäten erzielte, beliefen sich auf mehr als 100 Mio. EUR, während die Kosten für die Volkswirtschaft insgesamt - in Form von direkten Einnahmeverlusten für legale Unternehmen, entgangenen Steuereinnahmen, Arbeitsplatzverlusten und hohen Rechtsdurchsetzungskosten - annähernd das Fünffache dieses Betrags ausmachten (470 Mio. EUR).
Gewerbsmäßige Schutzrechtsverletzungen weisen viele Erscheinungsformen auf und sind schwer zu erkennen. Wie viel auch unternommen wird, um solchen Rechtsverletzungen die Grundlage zu entziehen, nicht zuletzt durch die Ausweitung des Online-Angebots legaler konkurrenzfähiger Waren und Dienstleistungen, der Vertrieb und Verkauf rechtsverletzender Güter ist so lukrativ, dass immer ein Anreiz bestehen wird, sich an solchen illegalen Machenschaften zu beteiligen. Angesichts der Geschwindigkeit, mit der sich solche Aktivitäten entfalten und Gewinn abwerfen, kommt es vor allem auf präzise Erkennungssysteme und rasch greifende Präventivmaßnahmen an.
Solche Maßnahmen müssen jedoch verhältnismäßig und so beschaffen sein, dass sie nicht für wettbewerbswidrige Praktiken missbraucht werden können, die neue innovative Produkte und Geschäftsmodelle bremsen und die Grundfreiheiten übermäßig einschränken. Um Schutzrechtsverletzungen aufdecken zu können, muss dafür gesorgt werden, dass alle Beteiligten und vor allem die nationalen Strafverfolgungsbehörden ihr Wissen und ihre Erkenntnisse austauschen. Im Bestreben, gewerbsmäßigen Schutzrechtsverletzungen entgegenzuwirken, muss die Kommission demnach ein ganzheitliches, ausgewogenes und flexibles System entwickeln, das eine schnelle Reaktion auf die sich rasch verändernden Herausforderungen ermöglicht, mit denen die europäische Wissenswirtschaft im 21. Jahrhundert konfrontiert ist.
Auf der Grundlage der Strategie Europa 2020 wird in dieser Mitteilung ein Zehn-Punkte-Plan vorgestellt, der allerdings laufende Reformvorhaben nicht berührt8.
Die Kommission wird - soweit sachdienlich - in Zusammenarbeit mit dem Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM), das seit Juni 2012 die Europäische Beobachtungsstelle für Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums ("Beobachtungsstelle") beherbergt, eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg bringen. Diese Maßnahmen bilden zusammen mit den flankierenden Aktivitäten und Studien einen entscheidenden ersten Schritt auf dem Weg zu einer wirksamen Schutzrechtsdurchsetzung, die sich gegen gewerbsmäßige Rechtsverletzungen auf EU- und nationaler Ebene richtet. Angestrebt wird ein alle Interessen einschließender neuer Konsens darüber, wie Rechte des geistigen Eigentums ausgeübt werden. Die Kommission wird genau verfolgen, wie dieser Aktionsplan umgesetzt wird, und fordert das Europäische Parlament, den Rat, die Mitgliedstaaten, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, die Beobachtungsstelle und Interessenvertreter auf, sich aktiv an den anstehenden Arbeiten zu beteiligen.
Ergänzend zu dieser Mitteilung verfolgt die EU eine Strategie für den Schutz und die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums in Drittländern und arbeitet im Rahmen des EU-Zollaktionsplans auf eine engere Zusammenarbeit der Zollbehörden in der EU und in Drittländern hin.
All diese Maßnahmen sollen gewährleisten, dass das auf EU-Ebene bestehende Immaterialgüterrecht einschließlich der Vorschriften über dessen zivilrechtliche Durchsetzung wirksam angewandt und verbreitet wird. Ihr gemeinsames Ziel ist, 1) alle Mittel zu nutzen, um den Markteintritt und die Marktdurchdringung von schutzrechtsverletzenden Produkten wirksam abzuwehren und zu unterbinden (sowohl in der EU als auch auf Märkten, mit denen die EU zunehmend enger verbunden ist), und damit 2) Anreize für Investitionen, Wachstum und Beschäftigung in schutzrechtsrelevanten Sektoren zu setzen, die für unsere Volkswirtschaften so wichtig sind. Mit einer strengeren Rechtsdurchsetzung allein lässt sich das Problem nicht lösen: hier sind Aufklärung sowohl der Verbraucher als auch der Produzenten über die weiterreichenden Konsequenzen von Schutzrechtsverletzungen und eine gesellschaftliche Diskussion gefragt.
2. Eine Aufgabe für alle Akteure entlang der Wertschöpfungskette
2.1. Falsch oder echt? Verbraucher, Arbeitnehmer und Kunden müssen aufmerksamer werden
Verbraucher, Arbeitnehmer und Unternehmen sind sich über die Größenordnung und den wirtschaftlichen Schaden gewerbsmäßiger Schutzrechtsverletzungen nicht immer im Klaren. Dieser Schaden umfasst die beträchtlichen negativen Auswirkungen auf die Steuereinnahmen, die damit für die Steuerzahler verbundenen Kosten, die Wettbewerbsfähigkeit legaler Unternehmen und die Verbindung zur Großkriminalität. Die Verbraucher sind sich auch nicht immer des Risikos bewusst, das sie selbst mit dem Kauf schutzrechtsverletzender Produkte eingehen, insbesondere mit Blick auf eine mögliche Gefährdung ihrer Gesundheit und Sicherheit.
Die Beobachtungsstelle veröffentlichte am 25. November 2013 die Ergebnisse einer Studie, die Aufschluss darüber gibt, wie die Bürger den Schutz des geistigen Eigentums wahrnehmen.10 Die Studie basiert auf einer Literaturauswertung, einer Befragung von 250 Europäern zwischen 15 und 65 Jahren und einer quantitativen Erhebung durch telefonische Befragung von mehr als 26 000 europäischen Bürgern. Obwohl nicht mehr als ein erster Schritt ließ diese Studie dennoch erkennen, dass es den Befragten - vor allem den jüngeren Teilnehmern - an Sensibilität für das Ausmaß der Folgen von Schutzrechtsverletzungen für den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Wissenswirtschaft fehlte. Auch waren die jüngeren Teilnehmer der Meinung, dass in erster Linie Großunternehmen vom Schutz des geistigen Eigentums profitieren. Nach Ansicht der Kommission bedarf es einer gezielteren Konsultation und Koordinierung in Bezug auf Sensibilisierungsmaßnahmen sowie umfassender, nutzerfreundlicher Informationstools in der EU.11
Künftige Maßnahmen sollten mehrgleisig angelegt sein und unter anderem analysieren, warum die Nachfrage der "digitalen Generation" nach schutzrechtsverletzenden Produkten zunimmt. Unter anderem sollten die Bemühungen zur Beseitigung noch bestehender Hindernisse für eine den Bedürfnissen der Verbraucher im digitalen Zeitalter entsprechende Entwicklung und Verbreitung schutzrechtskonformer Produkte im Binnenmarkt fortgesetzt werden. Sie sollten sich zudem mit der Tatsache auseinandersetzen, dass Verbraucher bestimmte Dinge nicht wahrnehmen, und die Wirksamkeit vergangener Sensibilisierungskampagnen in den Mitgliedstaaten hinterfragen. Der Bericht der Beobachtungsstelle über die Art und Weise, wie geistiges Eigentum in der Gesellschaft wahrgenommen wird, enthält diesbezüglich nützliche Hinweise.
Die Beobachtungsstelle hat bewährte Vorgehensweisen aus nationalen
Sensibilisierungskampagnen zusammengestellt und im Internet veröffentlicht. Schutzrechtsverletzungen könnten erheblich verringert werden, wenn alle Binnenmarktteilnehmer (Bürger, Verbraucher, Arbeitnehmer, Unternehmen und Behörden) besser über verfügbare, attraktive und erschwingliche Produkte im Binnenmarkt informiert würden. 2014 wird die Beobachtungsstelle mit Hilfe ihrer wachsenden Wissensbasis, die sich aus den bisher durchgeführten Studien speist, die Mitgliedstaaten bei der Erarbeitung und Durchführung von Kommunikationskampagnen unterstützen, die die Unionsbürger auf die Folgen von Schutzrechtsverletzungen insbesondere für die Beschäftigung und die Wirtschaft aufmerksam machen sollen. Mit diesen Kampagnen sollte auch der Zugang zu schutzrechtskonformen Produkten im Binnenmarkt erleichtert und auf die Vorteile hingewiesen werden, die sich für die Verbraucher ergeben, wenn sie sich für schutzrechtskonforme Produkte entscheiden, bei denen die Einhaltung der Gesundheits- und Sicherheitsnormen und des Verbraucherschutzrechts gewährleistet ist.
Aktion 1: Die Kommission wird die Bemühungen der Beobachtungsstelle und der nationalen Behörden zur Durchführung und Begleitung einer neuen Generation gezielter Kommunikationskampagnen unterstützen. Dies sollte Kampagnen einschließen, mit denen die Bürger, vor allem Jugendliche, auf den durch gewerbsmäßige Schutzrechtsverletzungen verursachten wirtschaftlichen Schaden und auf die mit schutzrechtsverletzenden Produkten verbundenen Gesundheits- und Sicherheitsrisiken aufmerksam gemacht werden sollen, sowie Kampagnen, mit denen auf die Vorteile, die sich bei einer Entscheidung für schutzrechtskonforme Produkte für die Verbraucher ergeben, hingewiesen und mit denen der Zugang zu diesen Produkten erleichtert werden soll.
2.2. Verantwortung der Rechteinhaber für die Integrität der Lieferkette
Durch die Verbreitung der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) ist es einfacher geworden, längere - und häufig weltumspannende - Lieferketten aufzubauen. Auch die Lagerhaltungskosten konnten gesenkt werden, da die Unternehmen zu "Justin-Time"- Lieferungen übergegangen sind. IKT hat zudem eine Steigerung der Direktlieferungen an den Endverbraucher ermöglicht. Diese positiven Entwicklungen haben sich jedoch auch gewerbsmäßige Schutzrechtsverletzer zunutze gemacht. Dies zeigt sich an der wachsenden Bedeutung von Kleinsendungen schutzrechtsverletzender Produkte, dem raschen Eintritt von Rechtsverletzern in eine Vielzahl von Produktmärkten und dem ebenso raschen Austritt aus diesen Märkten sowie der Infiltrierung von zahlreiche Länder umspannenden Lieferketten an ihrer schwächsten Stelle. Da die Endverbraucher aber gleichzeitig auch dem ethischen
Handeln der Unternehmen größeren Wert beimessen, bietet eine Kontrolle der Lieferkette, die das Risiko von Schutzrechtsverletzungen begrenzt, den schutzrechtsintensiven Unternehmen, die im Binnenmarkt tätig sind oder den Binnenmarkt beliefern, bessere Absatzchancen und eine Steigerung ihres Ansehens. 12
Die Kommission wird zunächst die Möglichkeit einer freiwilligen Regelung auf europäischer Ebene prüfen und durch Information über Kosten und Nutzen systematisch angewandter leistungsfähiger Kontrollsysteme, die bereits von anerkannten internationalen Gremien normiert wurden, die Übernahme bewährter Sorgfaltspflichten in schutzrechtsintensiven Branchen fördern. Ende 2014 wird die Kommission einen Workshop über Sorgfaltspflichten in der Lieferkette zur Prävention gewerbsmäßiger Schutzrechtsverletzungen veranstalten. Angesprochen sind Lieferanten, Rechteinhaber, zwischengeschaltete Stellen (z.B. Internetplattformen, Suchmaschinen oder Spediteure), Mitgliedstaaten, Wissenschaftler und NRO.
IKT spielt auch für den Einzelhandel und die Logistik eine wichtige Rolle und kann zum Aufspüren und zum Ausschluss schutzrechtsverletzender Produkte beitragen. Um die Sicherheit der Vertriebskette zu gewährleisten und zu verhindern, dass sie durch schutzrechtsverletzende Produkte infiltriert wird, werden Lagerverwaltungssysteme angewandt, die unter anderem auf einer Kombination aus individuellen Produktidentifikatoren (2D-Barcodes) und Funkfrequenzkennzeichnung (RFID) beruhen. Auf der Grundlage der Arbeiten der Gemeinsamen Forschungsstelle wird die Kommission einen Bericht herausgeben, in dem erläutert wird, wie neue technische Lösungen im Dienste der Verbraucher zur Bekämpfung von Nachahmungen und Produktpiraterie beitragen. Die aus dem FuE-Rahmenprogramm der EU finanzierte Sicherheitsforschung untersucht die Lieferkette von Containerwaren mit dem Ziel, Aufschluss über den Warenursprung zu gewinnen und zur Risikobewertung beizutragen. Ferner hat die Gemeinsame Forschungsstelle eine IT-Anwendung (Contraffic) entwickelt, mit der der Zoll die Routen und Bewegungen von in die EU verbrachten Frachtcontainern verfolgen kann. 13 Im Workshop sollen die Anwendbarkeit von Ortungs- und Verfolgungstechniken auf die verschiedenen Vertriebs- und Einzelhandelsgeschäftsmodelle, die von schutzrechtsintensiven Wirtschaftszweigen genutzt werden, geprüft und die Unternehmen über bewährte Vorgehensweisen informiert werden.
Aktion 2: Die Kommission wird eine Reihe von Konsultationen in die Wege leiten, in denen es um die Frage gehen wird, inwieweit die Einhaltung besonderer Sorgfaltspflichten in der Lieferkette gewerbsmäßige Schutzrechtsverletzungen verhindern kann. Die Konsultationen richten sich an alle Interessenträger einschließlich der Zivilgesellschaft. Auf der Grundlage der dabei gewonnenen Erkenntnisse sollen auf EU-Ebene entsprechende Sorgfaltspflichten erarbeitet werden. In einem ersten Schritt sollen die Unternehmen davon überzeugt werden, diese Sorgfaltspflichten freiwillig zu befolgen. Die Kommission wird dies genau verfolgen und dann entscheiden, ob weitere Initiativen erforderlich sind.
2.3. "Follow the money": Wirtschaftsdialoge als Mittel zur Unterbindung des Internethandels mit schutzrechtsverletzenden Waren
Vereinbarungen zwischen Rechteinhabern und Geschäftspartnern, mit deren Hilfe die Rechteinhaber Produktentwicklung, Marketing, Verteilung und Vertrieb organisieren, sind wichtig, um gewerbsmäßige Schutzrechtsverletzungen rasch aufdecken und unterbinden zu können. Diese Vereinbarungen sollten einen soliden Grundrechtsschutz und die Erhaltung eines wettbewerbsorientierten Umfelds vorsehen. Der Schwerpunkt sollte auf der Missbrauchsprävention liegen. Werden diese Vereinbarungen befolgt, ermöglichen sie eine rasche Reaktion auf Schutzrechtsverletzungen. Im Rahmen der Dialoge zwischen den Interessenvertretern, die den Vereinbarungen vorausgehen, erörtert eine repräsentative Gruppe der Interessenvertreter konkrete Probleme und praktische Lösungen, die für alle Beteiligten realistisch, ausgewogen, verhältnismäßig und fair sind. Diese Dialoge sind von der Kommission angeregt worden. Sie sollen den Abschluss von Vereinbarungen (Memoranda of Understanding - MoUs) erleichtern, in denen die Grundsätze festgelegt sind, die die Unterzeichner in ihren bilateralen vertraglichen Vereinbarungen anwenden können. Ziel ist es, Schutzrechtsverletzern die Einnahmequelle zu entziehen. Der erste Dialog, in dem es um die Beschränkung des Verkaufs gefälschter Markenartikel über Internetplattformen ging, mündete 2011 in ein sogenanntes Memorandum of Understanding. 14 Die im April 2013 vorgelegte Bewertung dieses MoU15 schloss mit der Empfehlung, dass es nützlich wäre, den Kreis der Teilnehmer zu erweitern. Die Kommission wird 2014 und 2015 unter Berücksichtigung aller relevanten Entwicklungen neue Dialoge initiieren, in die Anbieter von Werbe- und Zahlungsdienstleistungen sowie Spediteure einbezogen werden sollen mit dem Ziel, im Laufe des Jahres 2015 weitere MoUs zu schließen, die dazu beitragen werden, schutzrechtsverletzende Produkte vom Internet fernzuhalten. Gleichzeitig wird die Beobachtungsstelle eine vergleichende Analyse bestehender Formen der Zusammenarbeit zwischen Rechteinhabern und Geschäftspartnern in den Mitgliedstaaten und in Drittstaaten durchführen.
Aktion 3: Die Kommission wird im Anschluss an weitere Dialoge unter Einbeziehung von Anbietern von Werbe- und Zahlungsdienstleistungen sowie Spediteuren die Ausarbeitung freiwilliger Vereinbarungen unterstützen, um die Profite, die durch gewerbsmäßige Schutzrechtsverletzungen in der Online-Umgebung erzielt werden, zu reduzieren.
2.4. Unterstützung für KMU bei der Rechtsdurchsetzung
Mit der Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums von 2004 16 hat die EU harmonisierte Zivilrechtsvorschriften für den Immaterialgüterschutz eingeführt. Im Anschluss an ihre Mitteilung von 201 017 organisierte die Kommission eine umfassende öffentliche Konsultation, um herauszufinden, ob die Richtlinie den Herausforderungen gewachsen ist, die sich dem Immaterialgüterschutz stellen. Ende 2012 richtete die Kommission einen Fragebogen an die Betroffenen, um Aufschluss darüber zu erhalten, inwieweit alle Rechteinhaber, insbesondere KMU, bei Schutzrechtsverletzungen mit grenzüberschreitenden Bezügen zivilrechtlichen Schutz in Anspruch nehmen können. Ferner wurde der Frage nachgegangen, ob die Gerichte der Mitgliedstaaten rasch genug arbeiten und über das notwendige Fachwissen verfügen. Die Ergebnisse dieser Studie wurden im Juli 2013 veröffentlicht. 18 Die Kommission wird auf dieser Grundlage prüfen, ob weitere Maßnahmen erforderlich sind, um die zivilrechtlichen Rechtsbehelfe für KMU - wie Verfahren für geringfügige Forderungen - zu verbessern. Hohe Streitkosten und die Komplexität der Materie halten innovative KMU häufig davon ab, ihre Schutzrechte einschließlich jener aus standardessenziellen Patenten (SEP) geltend zu machen, was größere Wettbewerber zu Marktmissbrauch verleiten könnte. Auf Unionsebene gibt es bereits mehrere zivilprozessuale Instrumente. Die Kommission hat unlängst einen Vorschlag 19 zur Ausweitung und Verbesserung des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen vorgelegt, das einheitlich für alle Mitgliedstaaten gilt (Verordnung (EG) Nr. 861/2007). Dieser Vorschlag ist Teil der Initiativen, die die Kommission ergriffen hat, um die Mitgliedstaaten bei der Optimierung ihrer nationalen Justizsysteme zu unterstützen (ein Beispiel hierfür ist das EU-Justizbarometer20).
Aktion 4: Die Kommission beabsichtigt, auf Ebene der Mitgliedstaaten bestehende Initiativen zur Verbesserung des zivilrechtlichen Immaterialgüterschutzes für KMU, insbesondere in Bezug auf geringfügige Forderungen, mit Blick auf etwaige Maßnahmen auf EU-Ebene zu prüfen und darüber Bericht zu erstatten.
Hohe Streitkosten und die Komplexität der Materie halten innovative KMU häufig von der Durchsetzung ihrer Schutzrechte ab. Infolgedessen erzielen KMU mit ihren Innovationsinvestitionen keine optimale Rendite und weiten deshalb ihre Forschungs- und Entwicklungstätigkeit nicht aus. In einigen Mitgliedstaaten wird u.a. durch bessere Rechtsschutzversicherungen versucht, Abhilfe zu schaffen. Die Kommission beabsichtigt, 2015 mit Hilfe der Beobachtungsstelle die Wirksamkeit entsprechender Regelungen der Mitgliedstaaten sowie von Drittstaaten zu überprüfen. Die Ergebnisse sollen in ein Grünbuch einfließen, das als Grundlage für eine Konsultation dienen wird, die gegebenenfalls in eine EU-Initiative münden wird.
Aktion 5: Die Kommission wird alle Beteiligten auf der Grundlage eines Grünbuchs, in dem auf nationaler Ebene zugunsten von KMU bestehende bewährte Regelungen zum Immaterialgüterschutz vorgestellt werden, zu der Notwendigkeit eines Vorgehens auf EU-Ebene konsultieren.
Die Beobachtungsstelle könnte bei ihren diversen Aktivitäten die besondere Situation von KMU berücksichtigen, unter anderem ihre knappen Ressourcen, wenn es um die Durchsetzung von Schutzrechten geht. Als Rechteinhaber benötigen KMU oft Informationen, um ihre Marketing- oder Vertriebsstrategie anpassen zu können. Auch fehlt es ihnen unter Umständen an Fähigkeiten und Fachwissen, um ihr geistiges Eigentum wirksam schützen zu können. Die Kommission arbeitet deshalb an einem Hilfsinstrumentarium21, das auch die Rechtsdurchsetzung umfasst: Verstärkung und Koordinierung der nationalen Hilfssysteme mittels des IPorta-Projekts; Beratung zu Fragen des geistigen Eigentums bei internationalen Geschäften durch den Europäischen Helpdesk für Rechte des geistigen Eigentums und die KMU-Helpdesks in Drittstaaten 22 . Dieses Hilfssystem arbeitet eng mit allgemeinen Unterstützungsdiensten für Unternehmen, nationalen Unterstützungsdiensten im Bereich des geistigen Eigentums und der Beobachtungsstelle zusammen.
2.5. Chargeback-Systeme: ein Hilfsmittel für den Verbraucher
Manche Kredit- und Debitkartengesellschaften bieten ein Chargeback-Verfahren, bei dem Verbraucher Buchungen für eine Dienstleistung oder eine Ware, die sie nicht gekauft hätten, wenn sie gewusst hätten, dass es sich um eine Fälschung handelt, stornieren oder die bereits geleistete Zahlung zurückverlangen können. In einigen Mitgliedstaaten ist dieses Verfahren gesetzlich vorgeschrieben. Chargeback-Systeme schützen ganz klar vor Betrug, können gleichzeitig aber auch dazu beitragen, dass Verbraucher, die unwissentlich schutzrechtsverletzende Waren oder Dienstleistungen erworben haben, diese Waren oder Dienstleistungen nicht bezahlen müssen oder den Kaufpreis erstattet bekommen. Solche Systeme können helfen, Rechtsverletzern ihre unrechtmäßig erlangten Gewinne zu entziehen. Die Kommission wird 2014 eine Konsultation zu Chargeback- und anderen Zahlungsbestätigungssystemen einleiten, die dafür sorgen, dass weniger Geld in gewerbsmäßige schutzrechtsverletzende Aktivitäten fließt. Diese öffentliche Konsultation soll Aufschluss über die Handlungsmöglichkeiten in diesem Bereich geben.
Aktion 6: Die Kommission wird ein Grünbuch herausgeben, auf dessen Grundlage die Betroffenen zu der Wirkung von Chargeback- und ähnlichen Systemen für die Unterbindung gewerbsmäßiger Schutzrechtsverletzungen konsultiert werden sollen. Diese Konsultation soll Aufschluss über die Notwendigkeit und den Umfang konkreter Maßnahmen in diesem Bereich geben.
3. Zusammenarbeit der Behörden
3.1. Zusammenarbeit zwischen nationalen Behörden
In einem Europa ohne Binnengrenzen müssen die nationalen Behörden, EU-Organe, EU-Agenturen für Justiz und Inneres, Drittstaaten und andere Partner enger zusammenarbeiten, da die Beteiligung der organisierten Kriminalität an schutzrechtsverletzenden Aktivitäten ihrem Wesen nach über die Grenzen eines einzelnen Landes hinausreicht. Der Rat Justiz und Inneres beschloss in diesem Zusammenhang im Juni 2013 23 insbesondere unter Bezugnahme auf die von Europol erstellte Bewertung der Bedrohungslage im Bereich der schweren und organisierten Kriminalität, dass die Zerschlagung krimineller Vereinigungen, die an der Herstellung und am Vertrieb nachgeahmter Waren beteiligt sind, die gegen Gesundheits-, Sicherheits- und Lebensmittelvorschriften verstoßen, und die minderwertige Produkte herstellen, in den Jahren 2014 bis 2017 Vorrang haben sollte.
Die Mitgliedstaaten arbeiten mit Hilfe des Sekretariats des Rates, der Kommission, Eurojust, Europol und anderen zuständigen EU-Agenturen jährlich operative Aktionspläne aus, die den Prioritäten Rechnung tragen, die der Rat in seinen Schlussfolgerungen zur Bekämpfung der schweren und organisierten Kriminalität festgelegt hat.24 Die Umsetzung dieser Aktionspläne wird regelmäßig kontrolliert. Die Kommission ist bereit, die Mitgliedstaaten mit einer Kofinanzierung der betreffenden Maßnahmen zu unterstützen.
Der EU-Aktionsplan im Zollbereich zur Bekämpfung von Verletzungen der Rechte des geistigen Eigentums für den Zeitraum 2013-2017 25 bildet den Rahmen für ein gemeinsames Vorgehen der 28 Zollverwaltungen, um Rechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen effizienter bekämpfen zu können. Er sieht die Entwicklung maßgeschneiderter Konzepte für den Umgang mit Paket- und Postsendungen von schutzrechtsverletzenden Waren vor, die über das Internet gekauft wurden. Die grenz- und behördenübergreifende Zusammenarbeit muss verstärkt werden. Die Kommission wird Vertreter der Zoll-, Polizei- und Justizbehörden 2015 zu einer Konferenz einladen, auf der beschlossen werden soll, wie die Zusammenarbeit verstärkt werden kann.
Parallel dazu hat die Kommission ihre Mitteilung von 2004 "Strategie für die Durchsetzung der Rechte an geistigem Eigentum in Drittländern"26 aktualisiert und sich dabei insbesondere mit der Frage beschäftigt, wie die Entwicklungen bei der Durchsetzung der Immaterialgüterrechte außerhalb der EU besser verfolgt werden können. Bei den Verhandlungen über Freihandelsabkommen ist die EU bestrebt, die Regierungen der Drittstaaten zu substanziellen Zusagen zu bewegen, die für Rechte des geistigen Eigentums ein hohes Maß an Schutz gewährleisten und den Handel mit schutzrechtsintensiven Produkten dadurch erleichtern. Wie im EU-Zollaktionsplan 27 vorgesehen, sollten die Zollbehörden in der EU und in Drittstaaten, wenn es um den Handel mit schutzrechtsverletzenden Waren geht, enger zusammenarbeiten.
Einige Mitgliedstaaten haben für den Rechtsschutz im Bereich des geistigen Eigentums eigene Dienststellen eingerichtet, um Doppelarbeit ihrer zuständigen Behörden zu vermeiden. Auch bei der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten untereinander gibt es Unzulänglichkeiten und besteht die Gefahr der Doppelarbeit. Einzelstaatliche Behörden stoßen oft auf Schwierigkeiten, wenn sie in der EU schutzrechtsverletzende Aktivitäten über die Landesgrenzen hinaus verfolgen wollen. Sie können daher Ermittlungen und Einsätze im Binnenmarkt kaum planen und ausführen.
Ohne den laufenden Arbeiten 28 vorgreifen zu wollen, ist die Kommission der Ansicht, dass die Zusammenarbeit der einzelstaatlichen Behörden, die für den Schutz des geistigen Eigentums zuständig sind, durch die Einsetzung einer Expertengruppe, die sich aus allen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten rekrutiert29, verstärkt werden könnte. In dieser Gruppe könnten bewährte Vorgehensweisen und politische Strategien erörtert werden, die zu einem effizienteren Schutz des geistigen Eigentums auf EU-Ebene beitragen könnten. 30
Aktion 7: Die Kommission wird eine Expertengruppe zum Immaterialgüterschutz bestehend aus Vertretern der Mitgliedstaaten einsetzen. Die Mitgliedstaaten könnten sich in diesem Forum über die bewährten Verfahrensweisen ihrer Behörden austauschen und über den Umsetzungsstand des Aktionsplans informieren.
3.2. Schulungsmaßnahmen für einzelstaatliche Behörden auf Ebene des Binnenmarkts
Schulungen für mitgliedstaatliche Behörden über Trends und Geschäftsmodelle schutzrechtsverletzender Aktivitäten finden ebenso wie die Vermittlung bewährter Kennzeichnungstechniken weitgehend auf nationaler Ebene statt. Soweit es grenzübergreifende Lehrgänge und Wissensvermittlung gibt, richtet sich das Angebot häufig an bestimmte Strafverfolgungsbehörden und nicht an Behörden unterschiedlicher Fachrichtungen. In Bezug auf den Binnenmarkt besteht deshalb ein Bedarf an grenzübergreifenden Schulungsprogrammen für Behörden, die mit dem Schutz des geistigen Eigentums zu tun haben. 2012 und 2013 veranstaltete die Beobachtungsstelle Informationsseminare für Strafverfolgungsbeamte zu nachgeahmten Pestiziden und zur Arzneimittelkriminalität. Auf dieser Grundlage sollten jetzt Schulungen für nationale Beamte ins Auge gefasst werden, die für den Schutz geistigen Eigentums vor Ort zuständig sind. Im Mai 2013 fand ein Seminar des Gemeinschaftlichen Sortenamts (CPVO) zum Sortenschutz statt, das sich an unterschiedliche Fachleute aus diesem Bereich richtete. 2014 wird die Beobachtungsstelle ihr Angebot an sektorbezogenen Schulungsprogrammen im Bereich des Immaterialgüterschutzes für die mitgliedstaatlichen Behörden weiter ausweiten. Europol, Eurojust, die Europäische Polizeiakademie (CEPOL) und das CPVO werden in diese Arbeiten einbezogen.
Auch ein Schulungsangebot im Bereich des EU-Immaterialgüterrechts für Rechtsanwender kann zu einer effektiveren Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums und Schadensersatzansprüchen beitragen.
Die Kommission wird sich für ein entsprechendes Schulungsprogramm einsetzen und das vorhandene Schulungsmaterial insbesondere über das Europäische Justizportal31 verbreiten.
Aktion 8: Die Kommission wird die Beobachtungsstelle bei der Erarbeitung eines umfassenden sektorbezogenen Schulungsangebots für die Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich des Immaterialgüterschutzes im Binnenmarkt unterstützen.
3.3. Verantwortung der öffentlichen Hand für die Überprüfung öffentlicher Aufträge auf schutzrechtsverletzende Produkte
Im Zuge der Vergabe öffentlicher Aufträge innerhalb der Union kann es dazu kommen, dass Leistungen der öffentlichen Hand durch schutzrechtsverletzende Produkte infiltriert werden. 2014 wird sich die Kommission in einem ersten Schritt für einen besseren Austausch zwischen den mitgliedstaatlichen Behörden über diese Fragen einsetzen und hierzu die Expertengruppe für das öffentliche Auftragswesen konsultieren. Von der Beobachtungsstelle organisierte thematische Workshops werden den Behörden aus verschiedenen Mitgliedstaaten Gelegenheit bieten, die Probleme zu erörtern, mit denen sie konfrontiert sind, und sich über bewährte Vorgehensweisen auszutauschen. Darüber hinaus wird die Kommission in einem ersten Pilotprojekt die öffentlichen Beschaffungen im medizinischen Bereich einer Prüfung unterziehen, um die Größenordnung des Problems zu erfassen. Auf der Grundlage dieser Arbeiten wird die Kommission einen Leitfaden zu verschiedenen Vorgehensweisen herausgeben, anhand deren die öffentliche Verwaltung nachgeahmte Produkte leichter erkennen und ihre Verwendung im öffentlichen Sektor unterbinden kann.
Aktion 9: Die Kommission beabsichtigt die Ausarbeitung und Veröffentlichung eines Leitfadens mit Empfehlungen für die öffentliche Verwaltung, wie sich der Ankauf nachgeahmter Produkte vermeiden lässt.
4. Bessere Überwachung schutzrechtsintensiver Sektoren und bessere Ausrichtung des Immaterialgüterschutzes
4.1. Analyse der Trends im Bereich des geistigen Eigentums und bei schutzrechtsverletzenden Aktivitäten
Vom Standpunkt des öffentlichen Interesses aus betrachtet sollte die Immaterialgüterrechtsdurchsetzung auf jene gewerbsmäßigen Schutzrechtsverletzungen ausgerichtet sein, bei denen davon auszugehen ist, dass sie Investitionen in Innovation und Kreativität abträglich sind und die Verbraucher sowie das Wirtschaftswachstum in besonderem Maß beeinträchtigen. Hierzu gilt es, jene schutzrechtsintensiven Branchen, die durch Rechtsverletzungen besonders geschädigt werden, objektiv zu ermitteln und systematisch zu überwachen, um sicherzustellen, dass die in dieser Mitteilung vorgestellten Maßnahmen sowie die Rechtsbehelfssysteme greifen. Im September 2013 veröffentlichten das Europäische Patentamt (EPA) und das HABM eine Studie 32 mit einer ersten Begutachtung von schutzrechtsintensiven Sektoren in der EU. Der zweite Teil des Berichts von HABM und EPA zu den schutzrechtsintensiven Sektoren wird im Herbst 2014 veröffentlicht. 33
Sobald die schutzrechtsintensiven Sektoren ermittelt sind, bedarf es verlässlicher Methoden, um das Ausmaß gewerbsmäßiger Schutzrechtsverletzungen in diesen Sektoren zu schätzen. 34 Zusammen mit der Beobachtungsstelle wird die Kommission 2015 transparente, pragmatische Modelle zur Einschätzung der Tendenzen bei rechtsverletzenden Aktivitäten in schutzrechtsintensiven Sektoren vorstellen.
In Bezug auf schutzrechtsintensive Sektoren, die ihre Produkte im Internet anbieten und dort mit illegalen schutzrechtsverletzenden Produkten konfrontiert sind, hat die Kommission eine Studie in Auftrag gegeben, die den Verdrängungseffekt solcher illegalen Produkte gegenüber rechtmäßigen Produkten untersucht. Die Studie soll Ende 2014 vorliegen. Zusammen mit der Beobachtungsstelle wird die Kommission außerdem eine Studie über Verletzungen von CC-Lizenzen durch Rechtsverletzer auf den Weg bringen, die sich freie Inhalte aneignen wollen. Zusätzlich wird die Beobachtungsstelle das Verhalten und die Einstellungen der jüngeren Generation gegenüber Produkten untersuchen, die immaterialgüterrechtlich geschützt sind.
Im Rahmen ihrer Arbeiten im Bereich der Zollpolitik wird die Kommission weiter Daten über Zollbeschlagnahmen an den EU-Außengrenzen erheben und veröffentlichen. Diese
Informationen werden durch Angaben zu Schutzrechtsverletzungen im Binnenmarkt ergänzt35. Gleichzeitig arbeitet die Beobachtungsstelle mit Unterstützung der zuständigen nationalen Behörden an der Entwicklung einer Rechtsprechungsdatenbank zu Verletzungen von Immaterialgüterrechten.
Um zu gewährleisten, dass diese Datensätze ab 2014 dazu verwendet werden, die Durchsetzung des Immaterialgüterrechts auf transparente wirtschaftliche Grundlagen zu stellen, beabsichtigt die Kommission die Vorlage entsprechender Wirtschaftsberichte. Diese Berichte werden dazu dienen, die Maßnahmen zu verfolgen, die die Kommission gegen gewerbsmäßige Schutzrechtsverletzungen ergreift.
Aktion 10: Die Kommission wird alle zwei Jahre einen Bericht über die wirtschaftlichen Auswirkungen der EU-Politik im Bereich des geistigen Eigentums veröffentlichen, mit dem sich die in dieser Mitteilung skizzierte neue Politik der EU im Bereich der Immaterialgüterrechtsdurchsetzung wirksamer verfolgen lässt.
- 1. Schlussfolgerungen des Europäischen Rates, Tagung vom 20./21.3.2014, S. 5 und 6.
- 2. Intellectual Property Rights intensive industries: contribution to economic performance and employment in Europe. Siehe: oami.europa.eu.
- 3. Siehe: ec.europa.eu/internal_market/intellectualproperty.
- 4. 2012 hatte RAND Europe den Bericht Measuring IPR infringements in the internal market erstellt, in dem von der Wirtschaft finanzierte Studien zu diesem Thema erörtert und ihre Grenzen analysiert werden: http://ec.europa.eu/internal market/iprenforcement/docs/ipr infringmentreport en.pdf
- 5. Siehe: kroll.com.
- 6. Siehe: ec.europa.eu/internal_market/intellectualproperty.
- 7. https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/246390/horr73.pdf . Cyberkriminalität wurde nicht berücksichtigt.
- 8. Die vorgeschlagenen Maßnahmen haben keine Auswirkungen auf den Haushalt, die über das bereits in den offiziellen Planungen der Kommission für die kommenden Jahre Veranschlagte hinausgehen.
- 9. Mit der Verordnung (EU) Nr. 386/2012 vom 19.4.2012 wurden dem HABM verschiedene Aufgaben übertragen, die darauf abzielen, das Vorgehen der nationalen Behörden, des privaten Sektors und der EU-Organe gegen Schutzrechtsverletzungen zu unterstützen und zu begleiten. Diese Aufgaben schließen weder die Teilnahme an Einsätzen oder Ermittlungen nationaler Behörden ein noch Bereiche, die im Dritten Teil Titel V des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union geregelt sind (z.B. Zusammenarbeit in Strafsachen und polizeiliche Zusammenarbeit).
- 10. Siehe: oami.europa.eu.
- 11. Die Kommission hat unlängst eine Initiative gestartet, in der sie die Bürger vor den negativen wirtschaftlichen Auswirkungen von Schutzrechtsverletzungen in Form von Arbeitsplatzverlusten und entgangenen Steuereinnahmen warnt, wobei bestimmte Wirtschaftszweige besonders gefährdet sind: Zu schön, um wahr zu sein? Der Preis gefälschter Waren; Näheres unter: http://ec.europa.eu/commission 2010-2014/tajani/stopfakes/index_de.htm
- 12. Die Verordnung (EU) Nr. 995/2010 vom 20.10.2010 erlegt Unternehmen, die Holzerzeugnisse in Verkehr bringen, besondere Sorgfaltspflichten auf.
- 13. Siehe: ec.europa.eu/dgs/jrc.
- 14. Siehe: ec.europa.eu/internal_market/iprenforcement.
- 15. COM (2013) 209 vom 18.4.2013.
- 16. Richtlinie 2004/48/EG vom 29.4.2004.
- 17. KOM (2010) 779 vom 22.12.2010.
- 18. Siehe: ec.europa.eu/internal_market/consultations.
- 19. COM (2013) 794 final.
- 20. http://ec.europa.eu/justice/effectivejustice/files/justice_scoreboard_communication_en.pdf
- 21. http://ec.europa.eu/enterprise/initiatives/ipr/whatareiprs/index_de.htm
- 22. [Näheres hierzu in der Mitteilung der Kommission "Trade, growth and intellectualproperty - for the protection and enforcement of intellectualproperty rights in third countries" (COM (2014) [ ... ]).]
- 23. Schlussfolgerungen des Rates vom 7.6.2013 über die Festlegung der EU-Prioritäten für die Bekämpfung der schweren und organisierten Kriminalität in den Jahren 2014-2017.
- 24. Diese Maßnahmen sind vor allem auf die Gewinnung besserer Informationen und Erkenntnisse für die strategische und operative Analyse gerichtet, auf die Verfolgung bekannter organisierter krimineller Vereinigungen, auf die Entwicklung von Instrumenten für Finanzermittlungen und Vermögensabschöpfung, auf die Förderung multidisziplinärer Zusammenarbeit innerhalb der EU und auf die Verbesserung der Zusammenarbeit mit den wichtigsten Ausgangs- und Transitländern und relevanten Partnern.
- 25. Entschließung des Rates vom 10. 12.2012.
- 26. ABl. C 129 vom 26.5.2005, S. 3.
- 27. A.a.O.
- 28. Unter anderem im Rahmen des EU-Aktionsplans im Zollbereich oder des Vorgehens der EU gegen Schwerkriminalität und organisierte Kriminalität; siehe ABl. C 80 vom 19.3.2013, S. 1.
- 29. Die Gruppe könnte auch die Verwendung gemeinsamer Instrumente kontrollieren wie die von der Beobachtungsstelle entwickelte Enforcement Database und das Tool ACIST.
- 30. Über Wirkungsbereich und Auftrag der Expertengruppe wird die Kommission noch 2014 beschließen.
- 31. Siehe: ejustice.europa.eu.
- 32. Intellectual Property Rights intensive industries, a.a.O.
- 33. Durch Auswertung von Unternehmensdaten werden die schutzrechtsintensiven Sektoren auf nationaler Ebene ermittelt und deren Beitrag zu der jeweiligen Volkswirtschaft quantifiziert. Dabei wird auch untersucht, in welchem Maß sich KMU auf Immaterialgüterrechte stützen.
- 34. 2012 hatte RAND Europe einen Bericht für die Kommission erstellt (Measuring IPR infringements in the internal market, a. a. O.), in dem rund 200 Studien gesichtet und deren methodische Stärken und Schwächen bzw. die Zuverlässigkeit ihrer Daten geprüft worden waren. Auf dieser Grundlage schlug das Institut eine im Rahmen einer Peer-Review geprüfte Methodik vor, die zur Schätzung des Umfangs von schutzrechtsverletzenden Aktivitäten in der Wirtschaft herangezogen werden könnte.
- 35. Die Daten werden in dem vom HABM zusammen mit Europol entwickelten Anti-Counterfeiting Intelligence Support Tool (ACIST) gespeichert: https://www.tmdn.org/enforcementintelligencewebapp/