Der Bundesrat hat in seiner 914. Sitzung am 20. September 2013 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zum Verordnungsvorschlag allgemein
- 1. Der Bundesrat begrüßt den Vorschlag für einen einheitlichen Abwicklungsmechanismus als weiteren notwendigen Schritt in Richtung einer europäischen Bankenunion. Er stellt fest, dass die notwendige Schaffung einer Bankenunion sich nicht auf die Schaffung einer einheitlichen Aufsicht beschränken kann, sondern auf zwei Säulen ruhen muss: Die einheitliche Aufsicht ist aus Sicht des Bundesrates zwingend durch einen einheitlichen Abwicklungsmechanismus für systemrelevante Banken zu ergänzen.
Zur Rechtsgrundlage
- 2. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass der geplante Rechtsakt auf einer belastbaren Rechtsgrundlage beschlossen wird. Die mit dem Vorschlag einer Verordnung geplante Vereinheitlichung der Bankenrestrukturierung stellt nach Auffassung des Bundesrates keine bloße Harmonisierung von Rechtsvorschriften dar.
Artikel 114 AEUV scheint deshalb nicht als Rechtsgrundlage geeignet.
Zum Anwendungsbereich
- 3. Er fordert, nicht systemrelevante Banken aus dem Anwendungsbereich des einheitlichen Abwicklungsmechanismus auszunehmen, so wie dies auch bei der Aufsicht erfolgt.
- 4. Der Bundesrat hält insgesamt den im Verordnungsvorschlag vorgesehenen Anwendungsbereich für zu weitreichend und widersprüchlich. Die Erstreckung auf alle Banken in den Mitgliedstaaten ist abzulehnen. Da der einheitlichen Aufsicht durch die Europäische Zentralbank (EZB) lediglich systemrelevante Institute unterfallen, muss eine entsprechende Beschränkung auf systemrelevante Institute folgerichtig auch für einen einheitlichen Abwicklungsmechanismus sowie einen einheitlichen Abwicklungsfonds gelten.
Er bittet die Bundesregierung daher, sich für einen Gleichlauf von europäischer Aufsicht und Abwicklung sowie deren Finanzierung einzusetzen.
Zu den Förderbanken
- 5. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die von der Kommission vorgeschlagenen Regelungen für die Gruppe der Förderbanken aufgrund der besonderen Struktur dieser Institute und ihrer Geschäftsmodelle weder sachgerecht noch erforderlich erscheinen. Der Bundesrat fordert daher, die Gruppe der Förderbanken insgesamt von den Regelungen auszunehmen. Insbesondere ist eine Beitragsverpflichtung zu einem Abwicklungsfonds auszuschließen. Er bittet die Bundesregierung daher, sich im weiteren Verfahren dafür einzusetzen, dass die rechtlich selbstständigen und rechtlich unselbständigen Förderinstitute der Länder nicht in den Kreis der beitragspflichtigen Institute einbezogen werden. Damit wiederholt der Bundesrat seine Forderung, die er zum Vorschlag einer Richtlinie zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung mehrerer Richtlinien erhoben hat (Drucksache 356/12(B) , Ziffer 24).
Nach dem von der Kommission vorgelegten Vorschlag sollen die im Hoheitsgebiet eines jeweiligen Mitgliedstaats zugelassenen Institute zu dem zu errichtenden Abwicklungsfonds beitragspflichtig sein. In diesem Zusammenhang weist der Bundesrat auf die in § 2 Satz 2 Restrukturierungsfondsgesetz festgelegten Regelungen hin. In Deutschland sind die rechtlich selbständigen und rechtlich unselbstständigen Förderinstitute der Länder nicht beitragspflichtig zum errichteten Restrukturierungsfonds für Banken. Dies muss auch für den auf europäischer Ebene vorgeschlagenen Abwicklungsfinanzierungsmechanismus gelten. Eine Heranziehung der Förderinstitute der Länder zu einem einheitlichen Bankenabwicklungsfonds würde ihren gesetzlich verankerten Förderauftrag konterkarieren und wäre zudem sachlich nicht gerechtfertigt. Sie unterliegen einer besonderen staatlichen Aufsicht und bergen kein Risiko für die Stabilität des Finanzsystems. Die Förderbanken haben einen gesetzlich klar umrissenen Auftrag, der sie, im Einklang mit dem EU-Beihilferecht in Form der sog. Verständigung II, auf die Unterstützung ihrer staatlichen Träger und damit vor allem auf Kernbereiche des Fördergeschäftes (insbesondere Mittelstandsförderung und kommunale Infrastrukturfinanzierung) beschränkt. Diese Kernbereiche sind rechtsverbindlich abgesichert. Sie sind ordnungspolitische Instrumente ihres jeweiligen staatlichen Auftraggebers auf Bundes- oder Landesebene. Die Tätigkeit von Förderbanken unterscheidet sich damit fundamental von Geschäftsmodellen und -tätigkeiten der Geschäftsbanken. Sie sind nicht in Geschäftsbereichen mit hohem Risiko tätig. Ihnen obliegt unter Gewährträgerhaftung die monetäre Ausführung von öffentlichem Fördergeschäft. Zur Erfüllung dieses öffentlichen Auftrags nehmen sie im Einklang mit den beihilferechtlichen Vorschriften der EU im öffentlichen Interesse liegende Aufgaben wahr. Dies bedeutet, dass eine Inanspruchnahme des einheitlichen Bankenabwicklungsfonds durch die Förderbanken der Länder von vornherein ausgeschlossen ist.
Die Anwendung der von der Kommission geplanten Regelungen würde daher zu unsachgemäßen Ergebnissen für Förderbanken führen. Ziel des Verordnungsvorschlags ist es, eine geordnete Abwicklung von in Schieflage geratenen Banken sicherzustellen und eine Belastung der Steuerzahler künftig zu vermeiden. Die mit den Regelungszielen verbundenen Bestimmungen passen jedoch in keiner Weise zur Struktur und zu den Aufgaben von Förderbanken. Weiterhin wäre eine Mitfinanzierung des vorgesehenen einheitlichen Bankenabwicklungsfonds durch Förderinstitute vor dem Hintergrund, dass sie aufgrund ihres Geschäftsmodells und der Haftung ihrer staatlichen Träger den Fonds nie in Anspruch nehmen werden, nicht sachgerecht und würde eine unangemessene Benachteiligung bedeuten. Letztlich würde eine Mitfinanzierung durch Förderbanken nicht nur eine Zweckentfremdung öffentlicher Mittel zur Unterstützung von Geschäftsbanken darstellen, sondern auch eine erhebliche Minderung von Fördermitteln und damit eine Beeinträchtigung der gewünschten Fördermaßnahmen zur Folge haben.
Zur Zuständigkeit der Kommission
- 6. Der Bundesrat erachtet die Bündelung der Entscheidungskompetenz bei einer zentralen Stelle für sinnvoll.
- 7. Er lehnt allerdings eine Übertragung von Kompetenzen zur Bankenabwicklung auf die Kommission ab. Eine Wahrnehmung dieser Kompetenzen durch die EZB ist nach Einschätzung des Bundesrates wegen der von ihr zukünftig auszuübenden Bankenaufsicht und ihrer Expertise sinnvoller. Bei der Kommission müsste hingegen erst Kompetenz für den Bereich der Bankenabwicklung aufgebaut werden. Zudem lassen sich so zeitliche Verzögerungen vermeiden, die entstehen, wenn eine Vielzahl von Institutionen - EZB, Kommission, europäischer Abwicklungsausschuss - am Abwicklungsverfahren beteiligt werden. Durch die Einschaltung der Kommission würden zudem Staaten an Abwicklungsentscheidungen beteiligt, die selber nicht am einheitlichen Aufsichts- und Abwicklungsmechanismus teilnehmen.
Der Bundesrat hält es für zwingend erforderlich, dass die Ausübung der Kompetenzen bei der EZB betreffend Bankenaufsicht und -abwicklung effektiv von den geldpolitischen Entscheidungen getrennt werden. Insbesondere personelle Verflechtungen sind zu vermeiden. Personen, die geldpolitisch Verantwortung tragen oder solchen Personen weisungsgebunden unterstehen, dürfen keine Entscheidungsbefugnis im Rahmen der Bankenaufsicht und -abwicklung tragen.
Legitimatorische Bedenken gegen eine Ansiedlung des Abwicklungsmechanismus bei der EZB lassen sich dem nicht entgegenhalten, da die EZB Banken auf der Grundlage gesetzter regulatorischer Vorgaben abwickeln würde und der Rückgriff auf Mittel des Europäischen Stabilitätsmechanismus bei der Abwicklung von Banken erst an letzter Stelle nach einer vorrangigen Heranziehung von Eigentümern und Gläubigern von Banken sowie von Bankenabwicklungsfonds zulässig wäre. Steuermittel werden also gegenüber dem bisherigen Vorgehen nicht im Vordergrund der Bankenabwicklung stehen.
Für Mitgliedstaaten, die nicht den Euro als Währung haben, besteht die Möglichkeit, die in ihrem Hoheitsgebiet niedergelassenen Banken dem einheitlichen Aufsichts- und Abwicklungsmechanismus zu unterstellen. Für Banken, deren Staaten von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen, bedarf es im Interesse einer gleichlaufenden und koordinierten Bankenabwicklung in der EU entsprechender materieller Bankenabwicklungsregelungen.
Zum Abwicklungsverfahren
- 8. Der Bundesrat begrüßt, dass Banken in erster Linie nach dem regulären Insolvenzverfahren abgewickelt werden sollen. Dies stärkt die Marktdisziplin. Die Instrumentarien des vorgeschlagenen EU-Abwicklungsmechanismus sollen insbesondere erst dann greifen, wenn eine Abwicklung der betreffenden Bank nach dem regulären Insolvenzverfahren ohne die Gefahr einer Destabilisierung des Finanzsystems nicht möglich ist. Dies zeigen die in Artikel 16 Absatz 7 Satz 2, Absatz 2 Buchstabe c, Absatz 4 in Verbindung mit Artikel 12 der im Verordnungsvorschlag vorgesehenen Regelungen. Danach soll ein Institut nicht nach nationalem Insolvenzrecht, sondern nach den Vorgaben des EU-Mechanismus abzuwickeln sein, wenn eine Abwicklungsmaßnahme im öffentlichen Interesse erforderlich ist. Dies soll unter anderem dann der Fall sein, wenn sich damit die in Artikel 12 Absatz 1 des Verordnungsvorschlags vorgesehenen Abwicklungsziele erreichen lassen (Gewährleistung der Kontinuität kritischer Funktionen, Vermeidung von Ansteckungseffekten und Erhaltung der Marktdisziplin, Schutz öffentlicher Mittel).
Zu den Abwicklungsinstrumenten
- 9. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich auch das Ziel des vorliegenden Verordnungsvorschlages, für die Folgen von Finanzkrisen zukünftig vorrangig deren Verursacher (Anteilseigner und Gläubiger der Institute) heranzuziehen. Dieses setzt allerdings voraus, dass das geplante "Bail-In" (Artikel 24) tatsächlich im erforderlichen Umfang erfolgen kann.
- 10. Der europäische Abwicklungsmechanismus muss nach Auffassung des Bundesrates insbesondere sicherstellen, dass erstens insolvente Kreditinstitute nicht dauerhaft subventioniert werden und dass zweitens bei der Abwicklung dieser Institute die richtige Haftungsreihenfolge angewandt wird: In erster Linie sind die Eigenkapitalgeber heranzuziehen, in zweiter Linie die Fremdkapitalgeber und erst danach die Einleger unter Berücksichtigung der in den Mitgliedstaaten geltenden Einlagensicherungssysteme. Auf den nationalen oder europäischen Steuerzahler darf nach Auffassung des Bundesrates künftig allenfalls als ultima ratio zurückgegriffen werden. Der Bundesrat erneuert insbesondere seine Forderung, dass der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) im Ergebnis nicht dazu dienen darf, mit einer direkten Rekapitalisierung von Banken eine staatliche Haftung für Verluste des Bankensektors auf europäischer Ebene festzuschreiben.
In diesem Zusammenhang kommt nach Auffassung des Bundesrates der geplanten Bankenrestrukturierungsrichtlinie eine besondere Bedeutung zu, die die nationalen Abwicklungsregime materiell harmonisieren soll. Der Bundesrat begrüßt, dass mit der Richtlinie nunmehr auf einer rechtlich gesicherten Basis primär die Anteilseigner und Gläubiger eines Instituts herangezogen werden sollen, um Verluste zu tragen. Der Bundesrat teilt indes Befürchtungen, dass die geplante Richtlinie den nationalen Abwicklungsinstitutionen ein zu großes Maß an Flexibilität bei der Anwendung von effektiven Regeln zur Einbeziehung von Eigentümern und Gläubigern einräumen könnte. Der Bundesrat weist zudem darauf hin, dass der "Bailin"-Mechanismus sowie die gesamte Haftungskaskade zeitgleich mit dem Einheitlichen Aufsichtsmechanismus im Jahr 2015 in Kraft treten sollten.
- 11. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung sich dafür einzusetzen, dass Auflagen der Bankenaufsicht zur Stabilisierung oder Abwicklung von Banken mit öffentlichen Anteilseignern beihilferechtlich als genehmigt gelten. Mindestens soll bei der Prüfung der beihilferechtlichen Zulässigkeit der Maßnahmen der öffentlichen Anteilseigner angemessen berücksichtigt werden, dass diese auf Forderungen oder Auflagen der Bankenaufsicht zurückgehen.
Zum einheitlichen Abwicklungsfonds
- 12. Der Bundesrat begrüßt insbesondere, dass die Schaffung eines finanziell stärker aufgestellten einheitlichen Abwicklungsfonds anstelle rein nationaler Abwicklungsfonds zu einer Reduzierung der Haftungsrisiken für den Steuerzahler über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) führt.
- 13. Er fordert die Bundesregierung auf, weiterhin dafür einzutreten, dass der vorliegende Vorschlag nicht zu einer Blaupause für den einheitlichen Einlagensicherungsfonds wird. Derzeit schlägt die Kommission zwar nur einen einheitlichen Abwicklungsfonds vor und noch keinen einheitlichen Einlagensicherungsfonds. Der Bundesrat befürchtet aber, dass diese Zurückhaltung eher taktischer Natur sein dürfte, da ein gemeinsamer Einlagensicherungsfonds derzeit nicht durchsetzbar wäre. Es ist damit zu rechnen, dass die Kommission nach Etablierung eines einheitlichen Abwicklungsfonds als weiteren Schritt einen einheitlichen Einlagensicherungsfonds vorschlagen wird.
Zur EU-Bankenabgabe
- 14. Der Bundesrat hält die im Verordnungsvorschlag vorgesehenen Regelungen zur EU-Bankenabgabe für unzureichend. Im Verordnungsvorschlag finden sich nur die Grundsätze für die Erhebung der neuen EU-Bankenabgabe. Die konkrete Ausgestaltung obliegt der Kommission durch delegierten Rechtsakt, auf den die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament nur noch begrenzt Einfluss nehmen könnten. Die wichtigen Regelungen bei der deutschen Bankenabgabe, die auch auf die Initiative des Bundesrates zurückgehen, wie die besonderen Regelungen für Sparkassen, Genossenschaftsbanken und kleine Privatbanken durch Zumutbarkeits- und Belastungsobergrenzen sowie Freibeträge, liefen ins Leere und wären gefährdet.
- 15. Nach Auffassung des Bundesrates ist sicherzustellen, dass eine Doppelbelastung durch nationale Restrukturierungsfonds und einen einheitlichen europäischen Abwicklungsfonds vermieden wird.
Zum Rechtsweg
- 16. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich für die Klarstellung einzusetzen, welcher Rechtsweg gegen Abwicklungsbeschlüsse und Maßnahmen des Ausschusses und der nationalen Abwicklungsbehörden gegeben ist, insbesondere im Fall von Maßnahmen nach Artikel 26 Absatz 2. Auf Artikel 47 der Charta der Grundrechte der EU wird in diesem Zusammenhang hingewiesen.
Evaluation
- 17. Er nimmt den Legislativvorschlag erneut zum Anlass und bekräftigt seine Forderung nach der Notwendigkeit einer tiefgreifenden Untersuchung der kumulativen Auswirkungen der Vielzahl an Maßnahmen zur Regulierung des Finanzsektors. Dabei sollte ein besonderer Augenmerk auch auf die kleineren und mittleren Banken, die regional tätig sind und die Schieflage im Finanzsektor nicht verursacht haben, sowie auf die Realwirtschaft gerichtet werden.