Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 20. Februar 2008 zur Strategie der EU für Zentralasien (2007/2102(INI))

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 1338 - vom 11. März 2008.

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 20. Februar 2008 angenommen.

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass die fünf Länder, die zusammen als Zentralasien bezeichnet werden (Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan), an einer wichtigen Schnittstelle zwischen Europa und Asien liegen, und in Anbetracht der Tatsache, dass sie aus historischer Sicht seit jeher einen wichtigen Begegnungs- und Übergangsraum zwischen den beiden Kontinenten darstellen,

B. in der Erwägung, dass die Europäische Union Fortschritte und mehr Stabilität sowie eine Anhebung des Niveaus der wirtschaftlichen, demokratischen und menschlichen Entwicklung und der Sicherheit für die Menschen in ganz Zentralasien für unbedingt erforderlich hält und ein eindeutiges Interesse daran hat und dass sie ihr Engagement für die generelle Berücksichtigung der Menschenrechte in allen Abkommen mit Drittstaaten und die Förderung der Demokratie durch zusammenhängende Strategien und den Einsatz der dafür am besten geeigneten Mittel stets aufrechterhalten muss; in der Erwägung, dass dies ihre Glaubwürdigkeit erhalten und letztendlich dazu beitragen wird, dass sie, was diese Region betrifft, aber auch darüber hinausgehend, ein immer effizienterer Akteur wird,

C. in der Erwägung, dass es ein globales Interesse an Stabilität in Zentralasien gibt, da eine gravierende und dauerhafte Instabilität in einem der fünf Länder verheerende Auswirkungen auf die gesamte Region haben und auch die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten auf vielerlei Art und Weise treffen könnte,

D. unter Berücksichtigung der Risiken, die die Abhängigkeit von Einfuhren aus bzw. von unsicheren Regionen und Lieferanten mit sich bringt, und der Notwendigkeit, für zuverlässige, erschwingliche und dauerhafte Energieströme zu sorgen,

E. in der Erwägung, dass die Europäische Union ein Interesse an Sicherheit und Stabilität sowie an der Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit in den zentralasiatischen Staaten hat, da strategische, politische und wirtschaftliche Entwicklungen sowie die zunehmenden transregionalen Herausforderungen in Zentralasien direkt oder indirekt auch die Interessen der Europäischen Union berühren; in der Erwägung, dass die zentralasiatischen Staaten mit ihren beträchtlichen Energieressourcen und der von ihnen angestrebten Diversifizierung bei den Handelspartnern und Versorgungswegen zur Deckung des Bedarfs der Europäischen Union an Energiesicherheit und Energieversorgung beitragen können,

F. in der Erwägung, dass einerseits viel für die Zusammenarbeit unter den Ländern der Region spricht, dass es aber andererseits heftigen Widerstand gegen solche Ideen und Bemühungen, nicht zuletzt von der Regierung des zentral gelegenen - und bei weitem bevölkerungsreichsten - Staates Usbekistan, gibt,

G. in der Erwägung, dass Isolationismus gewöhnlich aus dem ängstlichen Bestreben erwächst, die innenpolitische Kontrolle zu wahren - wofür in Turkmenistan und Usbekistan extreme Beispiele zu beobachten sind -, und dass dieses Bestreben naturgemäß Regierungsformen zu eigen ist, die wenig Interesse zeigen, die Zustimmung des Volkes als Grundlage ihrer Herrschaft zu gewinnen,

H. in der Erwägung, dass die fünf zentralasiatischen Republiken Empfänger öffentlicher Entwicklungshilfe sind, was bedeutet, dass die Hilfe der Europäischen Union für diese Länder als Entwicklungshilfe angesehen wird,

I. in der Erwägung, dass aufgrund der sicherheitspolitischen und anderen Interessen der Europäischen Union sowie aufgrund ihrer Werte und der Unterstützung der Millenniums-Entwicklungsziele die Not und der Mangel an Chancen, unter denen viele Menschen in dieser teilweise armen Region leiden, die Bedrohungen für die Sicherheit der Menschen, die auch mit den Sicherheitsproblemen von Nachbarländern wie Afghanistan zusammenhängen, und die Gefahr von Destabilisierung und Konflikten in den Mittelpunkt des Vorgehens der Europäischen Union in Bezug auf Zentralasien gestellt werden müssen,

J. in der Erwägung, dass das Hauptziel der Entwicklungszusammenarbeit der Europäischen Union in der Beseitigung der Armut im Rahmen nachhaltiger Entwicklung, auch in Verfolgung der Millenniums-Entwicklungsziele, besteht,

K. in der Erwägung, dass die Hilfe der Europäischen Union für die Region weitgehend die Form von im Rahmen des Programms TACIS geleisteter technischer Hilfe angenommen hat, und in der Erwägung, dass die Ergebnisse der Bewertungen der Effizienz von TACIS gemischt ausfielen,

L. in der Erwägung, dass laut Artikel 25 der Allgemeinen Menschenrechtserklärung das Recht auf Gesundheit ein Menschenrecht ist, und in der Erwägung, dass der allgemeine Zugang zur Gesundheitsversorgung unentbehrlich für die Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele ist; in der Erwägung, dass sich die Gesundheitslage in allen zentralasiatischen Republiken infolge des Auseinanderbrechens der Sowjetunion verschlechtert hat und sich die Gesundheitssysteme in einer Krise befinden; in der Erwägung, dass die potenziellen Nebenwirkungen von Epidemien, wie z.B. HIV/AIDS und medikamentenresistenter Tuberkulose, eine langfristige Bedrohung für die Europäische Union darstellen; in der Erwägung, dass die Krise im Zusammenhang mit der Vogelgrippe gezeigt hat, dass Infektionskrankheiten sich schnell über ganz Europa verbreiten können; in der Erwägung, dass die sozialen Auswirkungen der Gesundheitskrisen in den verschiedenen Ländern ihre gesamten Stabilitäts- und Entwicklungsaussichten bedrohen und Auswirkungen auf die europäische Sicherheit haben,

M. in der Erwägung, dass Energie und Wasser Kernfragen für die Sicherheit der Menschen und die zwischenstaatlichen Beziehungen in der Region darstellen, insbesondere für Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan, und in der Erwägung, dass die Verringerung der Armut einen grundlegenden Aspekt für die Verminderung der sozialen Instabilität darstellt,

N. in der Erwägung, dass die Europäische Union ein Interesse daran hat, mehr Erdöl und Erdgas aus Zentralasien einzuführen, vorzugsweise über neue Transportwege, und daran, einen klaren und transparenten Rahmen für die Erzeugung und Durchleitung von Energie zu schaffen, und in der Erwägung, dass es sich bei den Ländern, die in diesem Zusammenhang von Bedeutung sind, um Kasachstan und Turkmenistan handelt,

O. in der Erwägung, dass die Länder Zentralasiens in unterschiedlichem Maße über Öl- und Gasressourcen, mineralische Rohstoffe oder Wasserkraftressourcen verfügen; in der Erwägung, dass die Nutzung solcher Ressourcen die wirtschaftliche und soziale Entwicklung erheblich fördern sollte; ferner in der Erwägung, dass sich unter den falschen Bedingungen unerwünschte Nebeneffekte, wie z.B. eine ernsthafte Schädigung der Umwelt, eine geringere Wettbewerbsfähigkeit anderer Wirtschaftssektoren, ein massives Wohlstandsgefälle und verstärkte politische und soziale Spannungen ergeben können, die sogar die positiven Auswirkungen überwiegen könnten (der so genannte "Fluch der natürlichen Ressourcen"),

P. in der Erwägung, dass sich am 10. Oktober 2007 Vertreter der Ukraine, Polens, Aserbaidschans und Georgiens in Litauen trafen, um über ein neues Öltransportnetz zu diskutieren, durch das Rohöl vom Kaspischen Meer über Baku und Odessa in den polnischen Hafen Gdansk befördert werden soll,

Q. in der Erwägung, dass Russland und China versucht haben, ihren jeweiligen Einflussbereich in Zentralasien durch die Einrichtung der "Shanghai Five"-Gruppe im Jahr 1996 zu bewahren, in der China, Russland, Kirgisistan, Kasachstan und Tadschikistan in einem Forum zur Bewältigung grenzübergreifender Fragen zusammenkamen und aus der im Jahr 2001 die "Shanghai Cooperation Organization" (SCO) (Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ)) wurde, die heute die größte regionale Organisation Zentralasiens ist und der nun auch Usbekistan als Vollmitglied und Pakistan, Indien, der Iran und die Mongolei als Beobachter angehören,

R. in der Erwägung, dass eine Reihe ganz unterschiedlicher Länder seit jeher oder in neuerer Zeit rechtmäßige Interessen in der Region verfolgt haben; in der Erwägung, dass nicht alle Mitgliedstaaten Botschaften in der Region haben, und unter Hinweis darauf, dass, was diese Region angeht, häufig ein Mangel an Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten besteht,

S. in der Erwägung, dass der Abzug des amerikanischen Personals und Materials von der Karshi-Khanabad (K2)-Luftbasis in Usbekistan am 21. November 2005 die militärischen Einrichtungen der Vereinigten Staaten in Zentralasien auf einen Stützpunkt in Manas in der Nähe der kirgisischen Hauptstadt Bischkek verringerte,

T. in der Erwägung, dass die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und sonstigen Bedingungen der einzelnen zentralasiatischen Staaten sich sehr voneinander unterscheiden, und in einigen Fällen auch innerhalb dieser Staaten sehr unterschiedlich sind und dass die Europäische Union aus diesem Grund unbedingt ihre Strategien entsprechend differenzieren muss,

U. in der Erwägung, dass es sich bei den Ländern Zentralasiens um sehr junge Staaten handelt und dass ihre Anstrengungen im Zusammenhang mit dem Aufbau staatlicher Strukturen und dem politischen und wirtschaftlichen Übergang sie in unterschiedliche Richtungen geführt und veranlasst haben, sich in unterschiedlichem Maße vom früheren Sowjetsystem zu distanzieren; in der Erwägung, dass die Behandlung von Fragen der Staatsführung nach wie vor von entscheidender Bedeutung ist - bei einigen Staaten zur Wahrung von Stabilität und Sicherheit und bei allen Staaten für die politische, soziale und wirtschaftliche Entwicklung,

V. in der Erwägung, dass zu den Anliegen der Europäischen Union auch gehört, den Drogenhandel aus oder durch Zentralasien zu unterbinden, die organisierte Kriminalität einschließlich des Menschenhandels zu bekämpfen und eine Zunahme des Terrorismus zu verhindern; unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der "Kampf gegen Terrorismus" in einigen Fällen als Vorwand für repressive Maßnahmen gegen Regierungskritiker, Menschenrechtsaktivisten, religiöse Bewegungen und normale Geschäftsleute gebraucht wird; in der Erwägung, dass es Grund zu der Annahme gibt, dass auch im Rahmen der Sicherheitszusammenarbeit Usbekistans mit Nachbarländern gezielt gegen solche Personen vorgegangen wird; in der Erwägung, dass es anerkanntermaßen eine Kinderarbeitsmigration gibt, die neue Formen der internationalen und sozialen Partnerschaft erforderlich macht, bei der sich alle betroffenen Parteien an einer umfassenden Lösung des Problems beteiligen,

W. in der Erwägung, dass sich die Menschenrechtslage in den verschiedenen zentralasiatischen Republiken unterscheidet und insgesamt weit unter den Standards der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) liegt, und in der Erwägung, dass vor allem Usbekistan und Turkmenistan die Grundrechte systematisch verletzen und jeglichen demokratischen und pluralistischen Fortschritt vermissen lassen,

X. in der Erwägung, dass in den zentralasiatischen Republiken noch Präsidentschafts- oder Parlamentswahlen abgehalten werden müssen, die vom OSZE-Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte als völlig frei und fair beurteilt werden,

Y. in der Erwägung, dass es sich bei allen fünf zentralasiatischen Staaten um Mitgliedstaaten der OSZE handelt, die im Rahmen dieser Organisation weit reichende Verpflichtungen im Hinblick auf Grundfreiheiten, Demokratie, Achtung der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit eingegangen sind; in der Erwägung, dass diese Verpflichtungen von den einzelnen Staaten in unterschiedlichem Maße eingehalten werden,

Z. in der Erwägung, dass Kasachstan im Vergleich mit den meisten andern Staaten in der Region gut abschneidet; unter Hinweis darauf, dass die jüngsten Parlamentswahlen vom 18. August 2007 in diesem Land zeigen, dass es trotz einiger Verbesserungen seinen Verpflichtungen noch nicht voll und ganz nachkommt oder die OSZE-Kriterien und andere internationale Standards für demokratische Wahlen noch nicht ganz erfüllt,

Aa. in der Erwägung, dass die Zivilgesellschaft in den meisten zentralasiatischen Ländern im Rahmen eines Netzwerks lokaler NRO und Organisationen besonders aktiv ist, das geschützt und als Ausdruck des Willens der Bürger gewürdigt werden muss, Teil der Demokratisierung und des sozialen Prozesses ihrer Länder zu sein,

Ab. in der Erwägung, dass politische, wirtschaftliche und soziale Verbesserungen in dieser Region durch die Schaffung einer tatsächlich unabhängigen Justiz und eine echte Bekämpfung der überhand nehmenden Korruption wirkungsvoll erzielt werden können,

Ac. in der Erwägung, dass zu den Prinzipien, auf die sich die Europäische Union stützt, die Verteidigung der Grundrechte und -freiheiten, einschließlich der Meinungsfreiheit und des Schutzes der Menschenrechtsaktivisten, gehört,

Ad. in der Erwägung, dass Beispiele von massiver Repressionen, Korruption und Ausbeutung sowie die Verweigerung von grundlegenden Menschenrechten und von Chancen zur Verbesserung des Lebens wie auch das Fehlen anerkannter Wege, um Beschwerden vorzutragen und sich an politischen Prozessen zu beteiligen, die Gefahr eines zunehmenden Extremismus und Terrorismus vergrößern,

Ae. in der Erwägung, dass die meisten zentralasiatischen Länder unter Menschenrechtsverletzungen, dem Fehlen eines geeigneten Justizsystems, gegen Oppositionsparteien und unabhängige zivilgesellschaftliche Organisationen verhängten Einschränkungen und fehlender Freiheit der Medien leiden,

Af. in der Erwägung, dass die Europäische Union nach dem Massaker von Andijan im Mai 2005 Sanktionen gegen Usbekistan verhängte, die usbekische Regierung aber weiterhin eine unabhängige internationale Untersuchung der Vorfälle verhindert und ihre repressive Politik, einschließlich ihrer Verfolgung von Menschenrechtlern, fortsetzt; in der Erwägung, dass der Rat im Oktober 2007 dennoch beschloss, für einen Zeitraum von sechs Monaten ein Visa-Verbot für acht direkt für die willkürliche Anwendung von Gewalt in Andijan verantwortliche Personen auszusetzen; in der Erwägung, dass der Rat durch diese Aussetzung die usbekischen Behörden zu einer Änderung ihrer Politik zu bewegen versucht, und unter Hinweis darauf, dass das Verbot im April/Mai 2008 automatisch wieder in Kraft gesetzt wird, falls eine Reihe von im Rahmen der Ratsentscheidung beschlossenen Kriterien nicht erfüllt wird,

Ag. in der Erwägung, dass in der Region großes Interesse an einer Zusammenarbeit mit der Europäischen Union in den Bereichen Wissenschaft, Gesundheitsversorgung und Bildung besteht und dass eine solche Zusammenarbeit zur Intensivierung zivilgesellschaftlicher Kontakte und zur Verbreitung der europäischen Werte Demokratie, Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte beitragen kann,

Ah. in der Erwägung, dass die Mongolei und Afghanistan mehr oder weniger bestimmte Gemeinsamkeiten mit den fünf Hauptstaaten Zentralasiens aufweisen, die aber im Strategiepapier des Rates nicht im Mittelpunkt stehen und selbst Gegenstand verschiedener EU-Instrumente sind,

Ai. in der Erwägung, dass die Lage der Region in der Nähe von Afghanistan bestimmte Länder zu wertvollen Partnern bei der Bekämpfung des Terrorismus gemacht hat; in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch Flughäfen oder den Flugraum in der Region genutzt haben; unter Hinweis darauf, dass gleichzeitig die Maßnahmen der Europäischen Union zur Förderung der Menschenrechte in Zentralasien im Allgemeinen und in einigen Ländern im Besonderen enttäuschend gering ausfielen,

Aj. in der Erwägung, dass Zentralasien der Transitweg für sage und schreibe 30 % des afghanischen Heroins, hauptsächlich für die russischen Märkte, ist, was zu organisiertem Verbrechen und Korruption in Zusammenhang mit dem Drogenhandel führt sowie zu Drogenabhängigkeit und damit verbundenen gesundheitlichen und sozialen Problemen und bedeutenden Auswirkungen auf die regionale Stabilität,

Ak. in der Erwägung, dass die Mongolei über einen ähnlichen Hintergrund wie die zentralasiatischen Republiken verfügt, und zwar aufgrund historischer, kultureller und wirtschaftlicher Gegebenheiten und umwelt- und energiepolitischer Maßnahmen, die im Rahmen der EU-Strategie für Zentralasien einheitlich berücksichtigt werden müssen,

Kasachstan

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Turkmenistan

Usbekistan

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Energie