Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Stellungnahme der Europäischen Kommission zu dem Beschluss des Bundesrates zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste im Hinblick auf sich verändernde Marktgegebenheiten

Siehe Drucksache 288/16(B) HTML PDF(2) Brüssel, 20.4.2017

C(2017) 1759final

Frau Malu DREYER
Präsidentin des Bundesrates
Leipziger Straße 3-4
10117 Berlin Deutschland

Sehr geehrte Frau Bundesratspräsidentin,
die Kommission dankt dem Bundesrat für seine Stellungnahme zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verw"altmgsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste im Hinblick auf sich verändernde Marktgegebenheiten {COM (2016) 287final}.

Der Vorschlag gehört zu den zentralen Initiativen der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt, in der eine Überarbeitung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-Richtlinie) gefordert wird, um markt-, Verbraucher- und technologiebedingten Veränderungen Rechnung zu tragen. Die Zuschauer, und vor allem Minderjährige, wenden sich zunehmend vom traditionellen Fernsehen ab und nutzen das Online-Angebot, Mehrend der Regulierungsaufwand für das Fernsehen viel höher ist. Mit dem Vorschlag soll daher Flexibilität eingeführt werden, wo nur auf das Fernsehen anwendbare Beschränkungen nicht länger gerechtfertigt sind. Gleichzeitig wäre gewährleistet, dass die Verbraucher bei Abrufdiensten und im Internet hinreichend geschützt sind. Dabei wird sichergestellt, dass Innovationen nicht gebremst werden.

Die Kommission ist erfreut über die umfassende Unterstützung des Bundesrates für die Ziele des Vorschlags und darüber, dass der Bundesrat eine befürwortende Stellungnahme zu einigen inhaltlichen Elementen abgibt - insbesondere zum Schutz von Minderjährigen und zu quantitativen Werbevorschriften.

Die Kommission nimmt die Bedenken des Bundesrates in Bezug auf die förmliche Einsetzung der Gruppe europäischer Regulierungsstellen für audiovisuelle Mediendienste (ERGA) und die Anforderungen hinsichtlich der Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden zur Kenntnis.

Die Kommission nimmt auch Kenntnis von den Zweifeln des Bundesrates in Bezug auf das Konzept der vollständigen Harmonisierung der Vorschriften für Videoplattformen und die Aufrechterhaltung der Differenzierung zwischen linearen und nichtlinearen Diensten, auf die Änderungen an der Kriterienliste für die Begründung der gerichtlichen Zuständigkeit, auf den Begriff "Sendungen mit beträchtlicher kindlicher Zuschauerschafi"", auf das neue Konzept für Produktplatzierungen und die Notwendigkeit, die Bestimmungen über die Zugänglichkeit audiovisueller Inhalte beizubehalten.

Auf der Konferenz der Ministerpräsidenten am 27. Oktober 2016 in Rostock hatte Kommissionsmitglied Günther Oettinger Gelegenheit, unsere Ziele in Bezug auf die AVMD-Richtlinie zu erklären und viele Fragen zu beantworten. Wir weisen nochmals darauf hin, dass die Kommission weiterhin einen konstruktiven Dialog führen und alles in ihrer Macht stehende tun wird, um Zweifel in Bezug auf die vorgeschlagenen Maßnahmen auszuräumen.

Die Kommission begrüßt die Gelegenheit, mehrere Aspekte ihres Vorschlags im Anhang klar stellen zu dürfen, und hofft, mit ihren Ausführungen die Bedenken des Bundesrates zerstreuen zu können.

Die in dieser Antwort gegebenen Erläuterungen stützen sich auf den von der Kommission vorgelegten ersten Vorschlag, der sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren unter Einbeziehung sowohl des Europäischen Parlaments als auch des Rates befindet.

Die Kommission dankt dem Bundesrat nochmals für seinen Beitrag und sieht der Weiterführung des politischen Dialogs erwartungsvoll entgegen.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Anhang

Die Kommission begrüßt die Prüfung dieses wichtigen Themas durch den Bundesrat.

Zu den vom Bundesrat besonders hervorgehobenen Punkten merkt die Kommission Folgendes an:

Punkte 2 und 17: Die Schaffung und die derzeitigen Regeln der Gruppe europäischer Regulierungsstellen für audiovisuelle Mediendienste (ERGA) sind in einem Beschluss der Kommission von 2014' enthalten. Nach diesem Beschluss umfassen die Aufgaben der ERGA die Beratung und Unterstützung der Kommission bei ihren Bemühungen um eine kohärente Umsetzung des Rechtsrahmens für audiovisuelle Mediendienste sowie den Austausch von Erfahrungen und bewährten Praktiken. Der Vorschlag sieht keine Änderungen des bestehenden Rechtscharakters und der Befugnisse der ERGA vor.

Dem Vorschlag zufolge würde die ERGA eine Sachverständigengruppe der Kommission bleiben. Er sieht lediglich die formelle Einsetzung der ERGA gemäß der überarbeiteten AVMD-Richtlinie vor. Das Mandat der ERGA ist bereits im Beschluss zur Einsetzung dieser Gruppe enthalten. Wie bei der jetzigen Regelung hat die ERGA das Hauptziel, die Kommission auf der Grundlage der Erfahrungen der nationalen Regulierungsbehörden mit der laufenden Umsetzung der Richtlinie zu beraten. Die ERGA hat bereits einen positiven Beitrag zu einer einheitlichen Regulierungspraxis geleistet und die Kommission in Fragen der Umsetzung auf hoher Ebene beraten. Die fünf 2015 und 2016 angenommenen Berichte haben der Kommission wertvolles Fachwissen in Regulierungsfragen geliefert.

Die Befugnisse der ERGA sind ausschließlich beratender Natur. Wie in Artikel 5 Absatz 8 des Beschlusses über die Einsetzung der ERGA vorgesehen, nimmt sie Stellungnahmen, Empfehlungen oder Berichte an. Es handelt sich dabei um Rechtsakte, die gemäß Artikel 288 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nicht verbindlich sind. Die Kommission kann der ERGA als Sachverständigengruppe in keiner Weise Entscheidungsbefugnisse übertragen. Es wurde durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs2 bestätigt, dass die Kommission einer Sachverständigengruppe der Kommission (wie der ERGA) keine Entscheidungsbefugnisse übertragen darf. Bei der Struktur der ERGA, wie sie im Vorschlag vorgesehen ist, wird dieses Grundprinzip in vollem Umfang berücksichtigt. Der Vorschlag sieht keine Annahme eines Rechtsakts mit zwingendem Charakter durch die ERGA vor.

Die ERGA würde die Kommission auf deren Verlangen beraten. Die einzige Ausnahme ist die Ausnahmeregelung (Artikel 3 Absatz 4 des Vorschlags), in deren Rahmen die Kommission die ERGA konsultieren müsste. Selbst in diesem Fall könnte die ERGA jedoch nur Stellungnahmen abgeben, die für die Kommission nicht verbindlich wären. Durch ihre Stellungnahmen könnte die ERGA somit weder die Kommission noch die Mitgliedstaaten noch Anbieter von Mediendiensten rechtlich binden.

Der Kontaktausschuss befasst sich mit horizontalen Fragen, die in politischer Hinsicht von Bedeutung sind, einschließlich mit Fragen der Anwendung. Der Mehrwert der ERGA besteht darin, dass sie sich auf die tägliche Anwendung der Richtlinie konzentriert und daher besser in der Lage ist, technische und praktische Ratschläge zu geben. Der Vorschlag stellt die Rolle des Kontaktausschusses nicht in Frage und lässt Artikel 29 der AVMD-Richtlinie zur Einsetzung des Kontaktausschusses unberührt. Die ERGA berührt auch nicht die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten im Rat. Wie es auch bei der derzeitigen Struktur der Fall ist, greift die ERGA nicht in die institutionellen Regelungen in den Mitgliedstaaten ein.

Punkte 3-5: Die Anforderungen in Bezug auf die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden, die in Artikel 30 des Vorschlags festgelegt sind, sind nach Auffassung der Kommission nicht zu detailliert. Besondere Bestimmungen über die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden von Dritten sind bereits in den Rahmenvorschriften der EU für den Bereich der Telekommunikation, in den EU-Datenschutzvorschriften, den Rahmenvorschriften der EU für Postdienste und den Rahmenvorschriften für Elektrizität und Erdgas enthalten. Die AVMD-Richtlinie geht nicht über diese Bestimmungen hinaus.

Die Einführung einer Mindestharmonisierung für die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden in den durch die AVMD-RL erfassten Bereichen zielt darauf ab, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts durch das Vermeiden bzw. Beseitigen der Unterschiede in den Rechtsvorschriften und Praktiken der verschiedenen Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Das Fehlen von Unionsvorschriften in diesem Bereich hat zu unterschiedlichen rechtlichen Strukturen und einem unterschiedlichen Grad an Unabhängigkeit beigetragen. Jüngste Entwicklungen in einigen Mitgliedstaaten haben erneut erkennen lassen, wie wichtig unabhängige Regulierungsstellen sind. Die Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts im Bereich der audiovisuellen Mediendienste durch unabhängige Regulierungsbehörden kann nur durch gesetzgeberische Maßnahmen auf Unionsebene erreicht werden.

Was den Bezug zu Artikel 167 AEUV betrifft, so weist die Kommission darauf hin, dass sich ihr Vorschlag auf die Befugnisse der EU bezieht, die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zu koordinieren, um den freien Dienstleistungsverkehr auf dem Binnenmarkt zu verwirklichen (Artikel 53 Absatz 1 AEUV in Verbindung mit Artikel 62 AEUV), und Artikel 167 AEUV vollständig einhält.

Punkt 7: Um regulatorische Fragmentierung zu vermeiden und Vorhersehbarkeit für neu entstehende Geschäftsmodelle sicherzustellen, schlägt die Kommission die vollständige Harmonisierung vor; dazu gehört auch eine Liste geeigneter Maßnahmen, die Betreiber von Videoplattformen einführen sollten, um Minderjährige vor schädlichen Inhalten und alle Bürgerinnen und Bürger vor Aufstachelung zu Hass zu schützen (Artikel 28a und 28b des Vorschlags).

Mit dem Vorschlag soll ein hohes Maß an Verantwortung seitens der Betreiber von Videoplattformen erreicht werden, indem technische Mittel eingesetzt werden, um die Nutzer vor illegalen und schädlichen Inhalten Dritter zu schützen.

Er sollte als Ergänzung zur Richtlinie 31/2000/EG ("Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr ")3 betrachtet werden" die den in den Artikeln 14 und 15 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr festgelegten Haftungsausschluss für Anbieter von Vermittlungsdiensten unberührt lässt. Die Verpflichtung für Betreiber von Videoplattformen, Maßnahmen zu ergreifen" um Minderjährige vor schädlichen Inhalten und alle Bürgerinnen und Bürger vor Aufstachelung zu Hass zu schützen, wird sich nur auf die Organisation des Inhalts auf diesen Plattformen auswirken (z.B. durch Kennzeichnungsmechanismen für die Nutzer)" aber nicht zu einer vorherigen Kontrolle oder Überwachung von Inhalten führen.

Die horizontale Anwendung des Haftungsausschlusses der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr hat die Verbreitung von Online-Plattformen erleichtert und ist eine Triebfeder für Innovation. Der Vorschlag ermöglicht es den Mitgliedstaaten" strengere Maßnahmen zu erlassen" solange sie im Einklang mit dieser beschränkten Haftung stehen. Gleichzeitig wird die Kommission prüfen" ob in Bezug auf die Haftung von Online-Plattformen bei Einführung freiwilliger vertrauensbildender Maßnahmen zur Bekämpfung illegaler Internet-Inhalte weiterer Klärungsbedarf besteht. Ferner will die Kommission prüfen" ob förmliche Melde- und Abhilfeverfahren notwendig sind" und dabei insbesondere die Ergebnisse der Überarbeitung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste und des Urheberrechts sowie der Initiativen zur Selbst- und Koregulierung berücksichtigen. Die Reformen in den Bereichen Urheberrecht und audiovisuelle Mediendienste enthalten bereits eine Reihe von Bestimmungen zur Beseitigung der wichtigsten Bedenken in Bezug auf den Umgang mit Inhalten seitens der Plattformen in der EU.

Punkt 8: Durch die Vereinfachung der Bestimmungen zur gerichtlichen Zuständigkeit würde die Anwendung des Herkunftslandprinzips erleichtert. Die Zuständigkeitsregeln der AVMD-Richtlinie sind entscheidend" um feststellen zu können" wo ein Dienstleistungserbringer seinen Geschäftssitz hat und welcher Mitgliedstaat somit das Herkunftsland ist. Indem es für die Mitgliedstaaten" die Regulierungsbehörden und die Anbieter leichter gemacht wird" herauszufinden" um welches Herkunftsland es sich handelt" würde durch den Vorschlag die Herkunftsland-Regelung verbessert.

Punkt 9: Der Vorschlag würde die Regeln für lineare und nichtlineare Dienste in bestimmten Bereichen" wie z.B. beim Schutz von Minderjährigen und der Förderung europäischer Werke" angleichen bzw. die Unterschiede zwischen ihnen reduzieren. Die vollständige Angleichung der Vorschriften für lineare und nichtlineare Dienste wäre in bestimmten Materien technisch nicht möglich oder könnte Innovationen auf Märkten behindern" die sich noch in Entwicklung befinden.

Punkt 11: Im Dezember 2015 hat die Kommission einen Vorschlag für einen europäischen Rechtsakt zur Barrierefreiheit5 angenommen" in dem Barrierefreiheitsanforderungen für eine breite Palette von Produkten und Dienstleistungen, auch für audiovisuelle Mediendienste, festgelegt werden. Derzeit wird sowohl der Vorschlag für den Rechtsakt zur Barrierefreiheit als auch der Vorschlag für die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste von den beiden gesetzgebenden Organen erörtert. Diese Diskussionen sollten zu einer Schlussfolgerung führen, wo die Barrierefreiheitsanforderungen am besten platziert werden sollten - sie könnten auch in die AVMD-Richtlinie wiedereingeführt werden.

Punkt 15: Die Liberalisierung der Produktplatzierung durch die AVMD-Richtlinie hat nicht zur erwarteten Akzeptanz dieser Form der audiovisuellen kommerziellen Kommunikation geführt. Das Verbot der Produktplatzierung hat mit einigen Ausnahmen keine Rechtssicherheit für die Anbieter audiovisueller Mediendienste geschaffen. In der überarbeiteten Richtlinie würden somit bestimmte Beschränkungen in Bezug auf die Produktplatzierung gestrichen, wobei der Schwerpunkt vor allem aif den wesentlichen Grundsätzen redaktioneller Verantwortung und Transparenz läge.

In der Praxis würden die neuen Regeln für die Produktplatzierung die Fähigkeit der Zuschauer, Werbung zu erkennen, nicht beeinflussen. Die Zuschauer würden weiterhin eindeutig zu Beginn und/oder am Ende einer Sendung auf das Bestehen einer Produktplatzierung oder einer Sponsoring-Vereinbarung hingewiesen.

Der damit verbundene Anstieg der Werbeeinnahmen würde zur Steigerung der Fähigkeit der Fernsehsender beitragen, in audiovisuelle Inhalte zu investieren. Dies hätte einen positiven Einfluss auf die Verfügbarkeit von Inhalten für Verbraucher und wäre für Hersteller in der EU von Vorteil.

Gleichzeitig würde die Förderung der Selbst- und Koregulierung für die bestehenden Vorschriften zum Schutz der am meisten gefährdeten Bevölkerungsgruppen (Werbung für Alkohol, für fetthaltige Lebensmittel usw.) weiter gestärkt. Selbst- und Koregulierung sollten als Ergänzung zur Regulierung angesehen werden; sie ersetzen nicht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für eine Rechtsetzung in den durch die Richtlinie koordinierten Bereichen.

Die Förderung der Selbst- und Koregulierung ist bereits Teil der derzeitigen AVMD-Richtlinie.