Der Bundesrat hat in seiner 952. Sitzung am 16. Dezember 2016 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Strategische Ausrichtung
- 1. Der Bundesrat betont die Bedeutung eines effizienten, ergebnisorientierten und am europäischen Mehrwert orientierten EU-Haushalts. Er fordert vor diesem Hintergrund, den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) auch nach 2020 weiterhin an politischen Langfriststrategien und den damit verbundenen europäischen Zielsetzungen auszurichten. Dabei gilt es, auch den regionalen Strategien, zum Beispiel im Bereich der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESIF), genügend Raum zu gestatten und hierfür eine entsprechende Mittelausstattung vorzusehen.
Dabei muss den Mitgliedstaaten und ihren Gliederungen ausreichend dezentraler Gestaltungsspielraum gewährt werden, um auf dem für sie jeweils effektivsten Weg einen Beitrag zur Erreichung eines europäischen Mehrwerts im Sinne gemeinsamer europäischer Werte und Ziele leisten zu können.
- 2. In diesem Zusammenhang kommt der Kohäsionspolitik als wichtigster Investitionspolitik der EU eine besondere Bedeutung zu. Um deren Wirksamkeit wieder zu steigern, ist eine konsequente Vereinfachung erforderlich. Der Bundesrat beobachtet zudem mit Sorge die Tendenz der Kommission, zentral verwalteten Instrumenten Vorrang gegenüber den Instrumenten der geteilten Mittelverwaltung einzuräumen.
- 3. Gleichzeitig gilt es, den wachsenden Herausforderungen zur Sicherung der Lebensfähigkeit, Dynamik und Integrationsfähigkeit ländlicher Räume, der Gewährleistung einer sicheren und nachhaltigen Versorgung mit hochwertigen Nahrungsmitteln und Rohstoffen, der Sicherung der natürlichen Ressourcen, der Bewältigung des Klimawandels, dem Umwelt- und Tierschutz sowie der Erhaltung der vielfältigen Natur- und Kulturlandschaften europaweit angemessen Rechnung zu tragen.
Haushaltsobergrenze
- 4. Vor dem Hintergrund der in der Kommissionsmitteilung zur Halbzeitbewertung des MFR enthaltenen Vorschläge zur Flexibilisierung und im Hinblick auf die ungewissen Folgen des angekündigten Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU hält der Bundesrat eine Diskussion über eine Erhöhung der Ausgabenobergrenzen derzeit nicht für zielführend. Er weist darauf hin, dass er keinen fiskalischen Spielraum für eine Steigerung der Haushaltsobergrenzen im Rahmen der Überprüfung des MFR sieht.
- 5. Strikte Haushaltsdisziplin sollte auch in Zukunft gewahrt werden. Zusätzliche Ausgaben sollten vorrangig durch Umschichtungen der Mittel finanziert werden.
Reform der Eigenmittel
- 6. Der Bundesrat unterstützt die Forderung nach einer Reform der EU-Eigenmittel.
Er unterstützt die Forderung nach Abschaffung der Mehrwertsteuer-Eigenmittel, insbesondere weil diese die wirtschaftlichen Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten nicht sachgerecht abbilden sowie in der Berechnung komplex und verwaltungsintensiv sind.
- 7. Die Bruttonationaleinkommen (BNE)-Eigenmittel bilden die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Mitgliedstaaten zuverlässig ab, das heißt: Sie sind einfach und gerecht, sie können flexibel an den finanziellen Bedarf der EU angepasst werden und sind ohne großen Verwaltungsaufwand festzusetzen. Sie stellen somit eine stabile Finanzierung des EU-Haushalts sicher.
- 8. Zudem befürwortet der Bundesrat - insbesondere wegen des anstehenden Wegfalls des Britenrabatts - eine Prüfung der Abschaffung aller bisherigen mitgliedstaatsbezogenen Rabatte. Er fordert an ihrer Stelle einen allgemeinen Korrekturmechanismus, der allen durch ihre Nettobeiträge außergewöhnlich hoch belasteten Mitgliedstaaten zugutekommt und Sonderregelungen zu Gunsten einzelner Mitgliedstaaten überflüssig macht.
Laufzeit des MFR der EU-Förderprogramme
- 9. Der Bundesrat betont die Notwendigkeit einer möglichst hohen Planungssicherheit und befürwortet deshalb, die siebenjährige Laufzeit auch nach 2020 beizubehalten. Die Kongruenz von MFR und den Laufzeiten der EU-Förderprogramme sollte zur Absicherung der Programmfinanzierung in jedem Fall erhalten bleiben.
Zugleich weist er darauf hin, dass mit der Halbzeitüberprüfung des MFR eine Möglichkeit für gegebenenfalls erforderliche Anpassungen des MFR an wirtschaftliche und politische Entwicklungen innerhalb des Zeitrahmens und für die längerfristigen Weichenstellungen für die nächste Finanzperiode geschaffen worden ist.
Flexibilität
- 10. Der Bundesrat hält die vorhandenen Spielräume für Flexibilität im laufenden MFR grundsätzlich für sinnvoll. Bei Bedarf muss es möglich sein, kurzfristig Mittel für aktuelle politische Herausforderungen innerhalb des MFR bereitzustellen. Er befürwortet deshalb, im Rahmen des MFR zukünftig eine bestmögliche Ausschöpfung der Gesamtobergrenzen zuzulassen.
- 11. Insbesondere ist auch für ausreichende finanzielle Spielräume für außergewöhnliche Krisenereignisse zu sorgen.
- 12. Der Bundesrat weist zudem nachdrücklich darauf hin, dass vor allem mehrjährige EU-Förderprogramme Planungssicherheit und Verlässlichkeit benötigen, um ihre Ziele zu erreichen. Größere Flexibilität im MFR darf daher nicht dazu führen, dass Umschichtungen oder neue politische Initiativen auf Kosten bereits genehmigter Programme finanziert werden.
Finanzinstrumente
- 13. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass Finanzinstrumente sinnvoll sein und eine Alternative oder Ergänzung zu Zuschüssen darstellen können. Dies gilt jedoch nicht für alle Politikbereiche und Regionen gleichermaßen. Zudem hängt die Wirksamkeit von Finanzinstrumenten maßgeblich von den makroökonomischen Rahmenbedingungen ab, die sich in den europäischen Regionen derzeit höchst unterschiedlich darstellen.
- 14. Der Einsatz von Finanzinstrumenten sollte nicht grundsätzlich bevorzugt werden, sondern nur dort erfolgen, wo es vor Ort für sinnvoll oder notwendig erachtet wird.
Die Kommission hat in der Vorbereitung der Förderperiode 2014 bis 2020 die Anforderungen an den Einsatz von Finanzinstrumenten deutlich erschwert. Auch hier gilt es, die Wirksamkeit und Attraktivität der Finanzinstrumente durch eine konsequente Vereinfachung zu erhöhen.
Der Bundesrat lehnt eine etwaige Verpflichtung zur weiteren Erhöhung des Anteils der Finanzinstrumente in der kommenden Förderperiode ab. Für die ESI-Fonds wird die generelle Festlegung eines Mindestumfangs für Finanzierungsinstrumente abgelehnt.
Verknüpfung des EU-Haushalts mit der wirtschaftspolitischen Koordinierung im Rahmen des Europäischen Semesters
- 15. Der Bundesrat erkennt an, dass es unter bestimmten Bedingungen und hier insbesondere unter strikter Beachtung der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten sachgerecht sein kann, notwendige Strukturreformen auch über eine stärkere Verknüpfung des Europäischen Semesters mit den ESIF zu unterstützen.
Er erinnert aber daran, dass die jährlich an die Mitgliedstaaten gerichteten sogenannten länderspezifischen Empfehlungen mit dem Ansatz der mittel- und langfristigen Programmplanung für die ESIF inhaltlich und verfahrensmäßig schwer zu vereinbaren sind.
Der Bundesrat weist ferner darauf hin, dass die Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen nur dann durch die ESIF unterstützt werden kann, wenn ein sachlicher Zusammenhang mit den Inhalten der ESIF-Programme besteht. Im Übrigen sind für die Umsetzung der ESIF oft Regionen (in Deutschland: Länder) zuständig, während die länderspezifischen Empfehlungen an die Mitgliedstaaten gerichtet sind.
Makroökonomische Konditionalitäten als Fördervoraussetzung lehnt der Bundesrat daher weiterhin ab (vergleiche BR-Drucksache 399/11(B) und BR-Drucksache 629/11(B) ).
Gemeinsame Agrarpolitik nach 2020
- 16. Der Bundesrat weist mit Nachdruck darauf hin, dass die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) auch nach 2020 integraler Bestandteil des europäischen Projekts bleiben muss, um die aktuellen Herausforderungen, wie Ernährungssicherheit, Klimawandel, Tier-, Umwelt- und Ressourcenschutz, Biodiversität, Vitalität ländlicher Räume, demografischer Wandel sowie die Gewährleistung dauerhafter Lebensperspektiven für junge Menschen und Familien auf dem Lande, meistern zu können. Als unverzichtbarer Pfeiler für Stabilität und Solidarität leistet sie wichtige Beiträge zu Beschäftigung und Wachstum im Rahmen der Strategie Europa 2020 und steht zugleich vor neuen und komplexen gesellschaftlichen Herausforderungen.
- 17. Eine starke und finanziell gut ausgestattete GAP muss es ermöglichen, die von wettbewerbsfähigen bäuerlichen Betrieben geprägte, flächendeckende und nachhaltige Landwirtschaft als Rückgrat ländlicher Räume zu erhalten. Zugleich muss sie in der Lage sein, auf globale, europäische und nationale Herausforderungen unbürokratischer zu reagieren und so ihre öffentliche Akzeptanz aktiv zu erhalten. Sie muss landwirtschaftliche Betriebe befähigen, wachsende gesellschaftliche Ansprüche an Nachhaltigkeit, Tierwohl, Qualitätsproduktion, Umweltschutz und Innovation noch besser erfüllen zu können.
- 18. Der Bundesrat weist darauf hin, dass sich die letzte Greening-Reform aktuell im Beginn der Umsetzungsphase befindet und die Ergebnisse der Evaluierung abzuwarten sind, bevor neue grundlegende Reformen diskutiert werden. Um die Maßnahmen effizienter zu gestalten, ist das Hauptaugenmerk auf eine konsequente Vereinfachung zu legen.
Umwelt-, Natur- und Klimaschutz
- 19. Der Bundesrat begrüßt, dass die EU ihren internationalen Verpflichtungen im Bereich Klimaschutz und Biodiversität gerecht werden und eine Vorreiterrolle übernehmen will.
Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation sowie Connecting- EuropeFazilität
- 20. Der Bundesrat stimmt mit der positiven Bewertung des Programms "Horizont 2020" und der "Connecting-Europe-Fazilität" (CEF) durch die Kommission überein.
- 21. Die europäische Förderung im Bereich der Forschung, Entwicklung und Innovation (F&E&l) leistet einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Gewährleistung von Wachstum und Beschäftigung. Der Bundesrat betont daher die Notwendigkeit, die wettbewerblichen Rahmenprogramme für F&E&l auch künftig in angemessener Höhe finanziell zu untersetzen, die Fördermittel weiterhin nach den Kriterien Exzellenz, Wirkung sowie Qualität und Effizienz der Durchführung zu vergeben, die Finanzierungsregeln einfach, Entscheidungsverfahren schnell und Berichterstattungspflichten überschaubar zu gestalten und die F&E&I-Förderung vor finanziellen Eingriffen zugunsten anderer Ausgabenposten besser zu schützen.
- 22. Letzteres gilt für auch für die CEF, die sich als ein zielgerichtetes Investitionsprogramm für wichtige Infrastrukturen erwiesen hat, das erfolgreich einen Beitrag zum Lückenschluss in den europäischen Verkehrs- und Energietrassen und digitalen Netzen leistet und mit großem europäischen Mehrwert zur territorialen Kohäsion beiträgt.
Rolle der Kohäsionspolitik
- 23. Der Bundesrat spricht sich entschieden dafür aus, der Kohäsionspolitik auch nach 2020 ihre hervorgehobene Rolle im MFR zu sichern: Die Kohäsionspolitik ist unverzichtbar, um die Entwicklungsunterschiede zwischen den europäischen Regionen zu verringern und den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt zu festigen.
- 24. Die ESIF sind ein unentbehrliches Instrument, um Innovation, Wirtschaft, Beschäftigung, Stadtentwicklung, Umwelt- und Klimaschutz zu fördern und die Entwicklung der ländlichen Räume zu stärken.
Sie leisten einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung des Binnenmarktes und unterstützen eine an langfristigen strategischen Zielen orientierte Politik des intelligenten, integrativen und nachhaltigen Wachstums. So sind sie nicht nur Ausdruck gelebter europäischer Solidarität, sondern auch Ausdruck eines europäischen Gesamtinteresses an einer möglichst harmonischen Entwicklung, die keine Region zurücklässt.
- 25. Der Bundesrat sieht vor diesem Hintergrund die besondere Bedeutung der Kohäsionspolitik darin, dass sie strategische Vorgaben zur Bewältigung drängender Herausforderungen auf europäischer und globaler Ebene mit langfristigen Entwicklungsstrategien auf regionaler Ebene verbindet. Die Umsetzung dieser Politiken vor Ort kann deren Wirksamkeit verstärken und durch die größere Bürgernähe zu einer stärkeren Identifizierung mit den europäischen Politiken und Projekten beitragen. Hierin liegt der oft unterschätzte europäische Mehrwert dieser Politik.
- 26. Auch in Zukunft sollte die nachhaltige Stadtentwicklung durch Strategien mit integrierten Maßnahmen zur Bewältigung der besonderen Herausforderungen im urbanen Raum unterstützt werden. Dabei sollte auf den Ergebnissen der unter dem Dach der EU-Städteagenda gegründeten Partnerschaften aufgebaut werden.
- 27. Der Bundesrat erinnert daran, dass die Kohäsionspolitik innerhalb Deutschlands in den vergangenen 25 Jahren einen wesentlichen Beitrag zur positiven wirtschaftlichen und sozialen gesamtdeutschen Entwicklung geleistet hat.
Angemessene Finanzausstattung für alle Regionen
- 28. Der Bundesrat fordert auch für die Zeit nach 2020 die Fortsetzung einer strategiebasierten, kohärenten, differenzierten und auf der Wirtschaftskraft basierenden Kohäsionspolitik für alle Regionen. Das regionale Bruttoinlandsprodukt, gemessen in Kaufkraftparität in Relation zum EU-Durchschnitt, hat sich als Indikator für die Gebietsabgrenzung bewährt und sollte beibehalten werden. Voraussetzung für eine glaubwürdige EU-weite Umsetzung dieser Politik ist eine angemessene Finanzzuweisung im künftigen MFR.
Der Bundesrat bekräftigt in Übereinstimmung mit Artikel 174 AEUV, dass die Unterstützung der am wenigsten entwickelten Gebiete auch weiterhin den Schwerpunkt der Kohäsionspolitik bilden sollte, um mittel- und langfristig ihre strukturellen Defizite zu beseitigen. Die Strukturfonds sind dafür das richtige Instrument und unterstützen die oft nötigen Strukturreformen vor Ort.
- 29. Aber auch die Übergangs- wie auch die weiter entwickelten Regionen stehen vor erheblichen strukturellen Herausforderungen (unter anderem aufgrund der Migration, des demografischen Wandels, der Digitalisierung, der Bewältigung des Klimawandels und der Dekarbonisierung). Gleichzeitig erfordern auch in diesen Regionen bestehende wirtschaftliche und soziale Probleme weiterhin Aufmerksamkeit und finanzielle Ressourcen. Zugleich müssen sie in ihrer Rolle als Lokomotiven der Innovation und Regionalentwicklung gestärkt werden. Die bereits erreichte Entwicklung in den Übergangsregionen muss gefestigt und weiter befördert werden, damit sie - wie die weiter entwickelten Regionen - ihre Zugkraft zugunsten weniger entwickelter Räume innerhalb der EU sowie im globalen Kontext dynamisch weiter entfalten können ("Stärken stärken").
Daher erachtet der Bundesrat den für die Übergangs- und die weiter entwickelten Regionen zur Verfügung gestellten Anteil an den für die Kohäsionspolitik bereitgestellten Mittel für nicht ausreichend. Er sollte nach 2020 angehoben werden.
- 30. Der Bundesrat erachtet dabei den Einsatz der Kohäsionspolitik weiterhin in allen Regionen für notwendig, um den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt zu festigen und den Beitrag zu einem intelligenten, integrativen und nachhaltigen Wachstum auszubauen; die Mittelzuweisung für die einzelnen Regionen muss auch künftig ihrer jeweiligen Wirtschafts- und Beschäftigungssituation Rechnung tragen.
- 31. Bei einem EU-Austritt des Vereinigten Königreichs dürfen durch die damit einhergehenden statistischen Effekte die davon betroffenen Regionen nicht ohne angemessene Übergangsfristen schlechter gestellt werden, als es bei einem Verbleib des Vereinigten Königreichs in der EU der Fall wäre. Denn die sozioökonomische Situation der betroffenen Regionen wird dadurch nicht verändert.
Planungssicherheit
- 32. Der Bundesrat betont die Bedeutung von Planungssicherheit gerade im Bereich der Kohäsionspolitik und fordert, diese auch im Falle einer künftigen Flexibilisierung des EU-Haushalts zu wahren. Denn die Kohäsionspolitik zielt auf die strukturelle Stärkung aller Regionen und die Begünstigung von dynamischen und nachhaltigen Entwicklungsprozessen in der EU ab und ist zur Beförderung dieser Ziele auf verlässlich finanzierte, mittel- und langfristig wirkende Programme und Maßnahmen angewiesen.
Verhältnis zwischen den ESIF und dem Europäischen Fonds für Strategische Investitionen (EFSI)
- 33. Die Zielsetzungen des EFSI und der ESIF unterscheiden sich grundsätzlich. Während der EFSI ausschließlich auf die Ankurbelung von Investitionen setzt, sind die ESIF auf langfristige, planvolle Regionalentwicklungsprozesse und die Begleitung von Strukturreformen mit den entsprechenden zielgerichteten Investitionen vor Ort ausgerichtet. Dementsprechend ist der EFSI regional nicht verankert und programmatisch kaum gesteuert. Er stellt daher keine Alternative zur Kohäsionspolitik dar. Ob die Kommissionsvorschläge eine bessere Komplementarität von ESIF und EFSI schaffen, bleibt abzuwarten. Der Bundesrat besteht darauf, dass EFSI und ESIF nicht in Konkurrenz gegeneinander in Stellung gebracht werden.
- 34. Der Bundesrat weist darauf hin, dass es keineswegs gesichert ist, dass der EFSI die ihm gesetzten Ziele tatsächlich erreicht: Die Zusätzlichkeit der im Rahmen des EFSI geförderten Vorhaben erscheint nicht zweifelsfrei gesichert. Die weitgehende Abwesenheit einer programmatischen Steuerung zeigt sich auch an der unausgewogenen geographischen und sektoralen Verteilung der EFSI-geförderten Projekte. So gibt es Mitgliedstaaten, in denen es noch keine durch den EFSI geförderten Projekte gibt. Mitgliedstaaten, die noch unter den Folgen der Finanzkrise leiden, profitierten bislang nur in geringem Maße von dem Fonds, während in Deutschland der EFSI wegen des niedrigen Zinsniveaus kaum nachgefragt wird.
- 35. Der Bundesrat lehnt daher Vorschläge für eine sofortige Aufstockung und Verlängerung des EFSI als voreilig ab.
Partnerschaftliche Programmierung und Ergebnisorientierung
- 36. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, die EU-Kohäsionspolitik auch künftig auf einen strategischergebnisorientierten Ansatz hin auszurichten. Kohäsionspolitik kann nur gelingen, wenn den Akteuren vor Ort das Vertrauen und die Flexibilität eingeräumt werden, die sie benötigen, um die im gemeinsamen Interesse liegenden Ziele zu verfolgen. Sie soll dadurch charakterisiert sein, dass sie im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips die Autonomie der kleineren Einheiten respektiert und mittels Förderanreizen deren Initiative, Kreativität und Gemeinwohlorientierung ermutigt und stärkt.
- 37. Demgegenüber haben das derzeitige Ausmaß der Steuerungsinstrumente, die sich daraus ergebenden regulatorischen Erschwernisse und die mangelnde Rechts- und Planungssicherheit in der laufenden Förderperiode zu einer Überkomplexität geführt, die die Vereinbarkeit mit den Prinzipien der Subsidiarität und Partnerschaft gefährdet und sich auf das Erreichen der Ziele der Kohäsionspolitik zunehmend kontraproduktiv auswirkt. Insbesondere wird das innovative Potential der Strukturfonds gehemmt. Thematische Konzentration und deren restriktive Durchsetzung im Rahmen der Verhandlungen zu den Programmen und Partnerschaftsvereinbarungen dürfen die Spielräume für in sich stimmige Programme der Regionen nicht verengen.
Der Bundesrat regt daher an, die Programmierung für die neue Förderperiode als klar und schlüssig strukturierten, schlanken und partnerschaftlich ausgestalteten Prozess zwischen Kommission, Mitgliedstaaten und Regionen auszugestalten. Im Rahmen der europäischen strategischen Vorgaben sollte die Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten und Regionen im Sinne des Subsidiaritätsprinzips gestärkt werden. Am Ende dieses Verhandlungsprozesses sollten Programme stehen, die den Charakter von knappen strategischen Leitdokumenten tragen.
Er spricht sich dafür aus, dass die Kommission die Umsetzung dieser Programme künftig durch einen rein strategischpartnerschaftlichen Dialog mit der Region begleitet. Dieser Dialog soll auch zur Vereinfachung der Programmumsetzung und Berichterstattung beitragen. Die Wirksamkeit der Programme sollte vorrangig anhand der erzielten Ergebnisse beurteilt werden.
Stärkung der Europäischen Territorialen Zusammenarbeit
- 38. Mit Blick auf die vielfältigen Beziehungen zu ihren europäischen Partner- und Nachbarregionen spricht sich der Bundesrat für die Fortsetzung und weitere Stärkung einer effizienten und zielgerichteten Förderung der grenzüberschreitenden, transnationalen und interregionalen Kooperation im Rahmen des Ziels Europäische Territoriale Zusammenarbeit (ETZ/Interreg) aus.
Der Bundesrat stellt fest, dass der europäische Mehrwert in diesem Förderbereich besonders sichtbar ist. Er resultiert aus der unmittelbaren Verwirklichung integrationspolitischer Ziele und der Förderung eines guten nachbarschaftlichen Miteinanders.
Die Zusammenarbeit von Projektpartnern unterschiedlicher europäischer Länder, der europaweit mögliche Austausch von Wissen sowie die gemeinsame Erarbeitung neuer Lösungen für die Optimierung öffentlicher und privater Verwaltungs- und Entwicklungsleistungen sind wichtige Bestandteile zur Vertiefung der Integration Europas und zur Stärkung des territorialen Zusammenhaltes. Daher müssen die europäischen Grenzregionen und die Zusammenarbeit in größeren Räumen mit ähnlichen Stärken und Herausforderungen wie beispielsweise in den transnationalen Programmräumen sowie deren Synergieeffekte mit makroregionalen Strategien im Sinne eines gelebten Europas der Regionen auch weiterhin durch diese Programme gestärkt werden.
Der Bundesrat spricht sich allerdings auch dafür aus, dass in der zukünftigen Gesetzgebung zur Umsetzung der ETZ den besonderen verwaltungstechnischen und rechtlichen Herausforderungen bei der Implementierung und Steuerung von bi- bzw. multinationalen Förderprogrammen noch konsequenter Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Aufgrund der Komplexität der Programmierung würden sich insbesondere hier die Beihilfefreistellung und eine den Erfordernissen und Herausforderungen der ETZ gerecht werdende Indikatorenbildung positiv auswirken.
Einen wesentlichen Beitrag dazu, dass der europäische Gedanke und das Wirken der EU unmittelbar von den Menschen vor Ort wahrgenommen werden, leisten Kleinprojekte und Begegnungsmaßnahmen (PeopletopeopleProjekte), die auch zukünftig in der Förderung zu belassen sind.
Überregelung und Verwaltungs- und Kontrollbelastung
- 39. Der Bundesrat weist eindringlich darauf hin, dass die Umsetzung der ESIF mittlerweile stark überregelt und die Grenze der zumutbaren Kontroll- und Verwaltungslasten für die Umsetzung der Programme für die Projektträger und die beteiligten Verwaltungen bereits deutlich überschritten ist. Es gilt zu vermeiden, dass wünschenswerte und sinnvolle Projekte aufgrund eines hohen Abrechnungs- und Kontrollaufwandes nicht mehr durchgeführt werden. Die Vielzahl an zusätzlichen Pflichten für die mit der Umsetzung befassten Verwaltungen verursacht aufwändige administrative sowie zeit- und kostenintensive Mehrbelastungen, die sich mittelbar auch sehr nachteilig auf die Begünstigten auswirken.
Die zunehmende Komplexität des Programmvollzugs steigert Fehlerwahrscheinlichkeit und Fehlerquoten.
- 40. Das System der nachgelagerten Rechtsakte und Leitlinien, die noch dazu sehr spät verabschiedet wurden, hat außerdem massive Verzögerungen bei den operativen Programmstarts verursacht und Anforderungen an die Verwaltungssysteme gestellt, unter denen eine rechtskonforme Umsetzung kaum mehr leistbar ist. Als Konsequenz hat sich die Programmumsetzung von Förderperiode zu Förderperiode immer stärker verzögert. All dies bedroht nicht nur die Kohäsionspolitik selbst, sondern beeinträchtigt aufgrund der großen Sichtbarkeit und Erlebbarkeit der Politik vor Ort auch die Wahrnehmung und die Glaubwürdigkeit der EU insgesamt.
- 41. Der Bundesrat hält deshalb eine umfassende Überprüfung und Reduzierung der Anforderungen, die von der europäischen Ebene an die Programmierung sowie die Verwaltungs- und Kontrollsysteme der ESIF einschließlich der ETZ-Programme gestellt werden, für erforderlich.
Dabei kommt es ihm insbesondere auch auf größere Rechtssicherheit, Rechtsklarheit und Kontinuität an. Wichtig sind daher die rechtzeitige Vorlage des neuen Rechtsrahmens sowie aller Dokumente in der jeweiligen Amtssprache deutlich vor Beginn einer Förderperiode und der Verzicht auf die rückwirkende Anwendung von Normen und deren Auslegung. Auch eine deutliche Verschlankung des Rechtsrahmens und dessen Fixierung für die Verwaltungs- und Kontrollsysteme über einzelne Förderperioden hinaus sind dringend erforderlich. Dies gilt auch für die mit beträchtlichen Kosten entwickelten Mechanismen der eCohesion.
- 42. Vor diesem Hintergrund sieht der Bundesrat die Initiative der Kommission zur Vereinfachung der Förderung aus den ESIF und die in diesem Zuge erfolgte Einberufung der Hochrangigen Gruppe unabhängiger Experten zur Verwaltungsvereinfachung als ein positives Zeichen dafür, dass die Dimension des Problems wahrgenommen wird.
Vereinfachungsversuche dürfen nicht tatsächlich, wie in der Vergangenheit, zu weiteren Erschwernissen für Verwaltung und Begünstigte führen. Nicht selten haben Forderungen der Mitgliedstaaten nach größerer Rechtssicherheit zum Erlass weiterer Umsetzungsregelungen, Durchführungsbestimmungen und Leitlinien durch die Kommission geführt und damit letztlich die Komplexität und die Fehleranfälligkeit des Systems weiter erhöht. Deshalb müssen überschaubare Regularien und Vereinfachungen, insbesondere zum Verwaltungs- und Kontrollverfahren, ein wesentliches Ziel für die nächste MFR-Periode sein.
Umsetzung nach nationalem Recht und konsequenter Single-Audit-Ansatz
- 43. Der Bundesrat fordert daher ein am Subsidiaritätsprinzip orientiertes grundsätzliches Umsteuern für die Programmplanung und -umsetzung, das auch einer stärkeren Ergebnisorientierung entspräche. Grundsätzlich sollte die verwaltungsmäßige Umsetzung der Programme künftig - mit Ausnahme der ETZ - dem nationalen Recht folgen.
Er fordert zudem, künftig einen konsequenten Single-Audit-Ansatz zu verfolgen, um doppelte Kontrollen zu vermeiden, Wertungswidersprüche zwischen den Kontrollorganen auszuschließen und die Kontrollkosten zu reduzieren. Die Prüfungen durch die europäischen Institutionen sollten sich auf Betrugs- und Korruptionsbekämpfung beschränken.
Beihilferegime
- 44. Der Bundesrat spricht sich erneut und entschieden dafür aus, die Anwendung der beihilferechtlichen Vorschriften beim Einsatz der ESIF weiter zu vereinfachen. So erhöht etwa die Ungleichbehandlung von direkt verwalteten EU-Fonds, wie EFSI und "Horizont 2020", und den ESIF im beihilferechtlichen Bereich die Verwaltungslast und behindert Synergien zwischen den Fonds, wie sie auch von der Kommission selbst angestrebt werden.
Verhältnismäßigkeit
- 45. Insgesamt fordert der Bundesrat, künftig dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Bereich der Umsetzung und Kontrolle der ESIF stärker Rechnung zu tragen. Er hält insbesondere die Höhe des Programmvolumens, die Fehleranfälligkeit, die Qualität des Verwaltungsvollzugs und die Höhe des Eigenanteils für die zentralen Kriterien, die in die Überlegungen zur Ausgestaltung der Verwaltungs- und Kontrollsysteme nach 2020 einfließen müssen.
Direktzuleitung an die Kommission
- 46. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.