Antrag des Freistaates Bayern
Entschließung des Bundesrates "Für eine schlagkräftige Strafverfolgung von Terrorismus, Extremismus, Wohnungseinbruch und Cybercrime"

Der Bayerische Ministerpräsident München, 7. März 2017

An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Malu Dreyer

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
gemäß dem Beschluss der Bayerischen Staatsregierung übermittle ich die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates "Für eine schlagkräftige Strafverfolgung von Terrorismus, Extremismus, Wohnungseinbruch und Cybercrime" mit dem Antrag, dass der Bundesrat diese fassen möge.

Ich bitte, den Entschließungsantrag gemäß § 36 Absatz 2 GO BR auf die Tagesordnung der 954. Sitzung am 10. März 2017 zu setzen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Horst Seehofer

Entschließung des Bundesrates "Für eine schlagkräftige Strafverfolgung von Terrorismus, Extremismus, Wohnungseinbruch und Cybercrime"

Der internationale Terrorismus, das Erstarken des Extremismus, die niedrige Aufklärungsquote bei den Wohnungseinbruchdiebstählen, neue Kriminalitätsformen wie die Cyberkriminalität und schließlich ein durch neue Technologien geändertes Kommunikationsverhalten stellen die Strafverfolgungsbehörden vor vollständig neue, gewaltige Herausforderungen. Das Sicherheitsgefühl der Menschen und ihr Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der staatlichen Organe hängt entscheidend von der Effektivität der Strafverfolgung ab. Daher müssen zwingend die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die Strafverfolgungsbehörden den gesteigerten Anforderungen auf Augenhöhe begegnen können.

Begründung:

Der internationale Terrorismus, der 2016 mit den menschenverachtenden terroristischen Anschlägen in Berlin, Würzburg und Ansbach endgültig in Deutschland angekommen ist, das Erstarken der verschiedenen Formen des Extremismus, die geringe Aufklärungsquote bei Wohnungseinbruchdiebstählen sowie neue Kriminalitätsformen wie etwa die Internetkriminalität stellen die Strafverfolgungsbehörden vor neue Herausforderungen. Um diesen Herausforderungen im Umfeld einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft wirksam und entschlossen begegnen zu können, benötigen die Strafverfolgungsbehörden zwingend die zur Aufklärung von Straftaten und zur Ermittlung der Straftäter erforderlichen strafprozessualen Befugnisse. Die neuen, vielfältigen Kommunikationswege, die es Terroristen und anderen Straftätern ermöglichen, miteinander weltweit in Kontakt zu treten, müssen effektiv überwacht werden. Der Rechtsstaat kann nicht tolerieren, dass auch schwerste Straftaten folgenlos bleiben, weil ein Täter, aber auch möglicherweise in die Tat involvierte Gehilfen, Anstifter oder Mittäter mangels hinreichender strafprozessualer Befugnisse nicht ermittelt und insbesondere die dahinter stehenden Netzwerke nicht aufgedeckt werden können. Eingriffe in verfassungsrechtlich geschützte Freiheits- und Persönlichkeitsrechte müssen selbstverständlich wie bisher einer vor- oder nachgelagerten Kontrolle unabhängiger Gerichte unterliegen.

Es bedarf daher der zeitnahen Ertüchtigung der strafprozessualen Ermittlungsbefugnisse:

zu 1a)

Die Speicherung sowie die daran anknüpfende Erhebung von Verkehrsdaten sind ein für die Strafverfolgungsbehörden unverzichtbares Ermittlungsinstrument. Dieses Instrumentarium muss auch neuen Entwicklungen im Kommunikationsverhalten angepasst werden. Es bedarf daher sowohl Änderungen im Bereich der Verkehrsdatenspeicherung als auch der Nachjustierung bei der die Verkehrsdatenerhebung durch die Strafverfolgungsbehörden regelnden Norm des § 100g StPO.

Die Übergänge zwischen Telekommunikations- und Telemediendiensten sind heute zunehmend fließend. Es ist daher erforderlich, die im Telekommunikationsgesetz geregelte Verpflichtung zur Verkehrsdatenspeicherung nicht nur - entsprechend der bis zum 2. März 2010 geltenden Rechtslage - auf die Anbieter von Diensten der elektronischen Post (E-Mail), sondern auch auf die Anbieter von Messenger Diensten und Sozialen Medien auszudehnen. Nachdem diese letztlich dieselben Dienste wie Telekommunikationsanbieter erbringen, ist es sachgerecht, alle Anbieter gleich zu behandeln.

Darüber hinaus können kriminelle Strukturen oder auch terroristische Netzwerke binnen der derzeit geltenden Höchstspeicherfrist von zehn Wochen für Verkehrsdaten bzw. vier Wochen für Standortdaten ( § 113b Absatz 1 Telekommunikationsgesetz) nicht effektiv aufgeklärt werden. Sachgerecht ist daher eine Ausdehnung auf eine einheitliche Höchstspeicherfrist von sechs

Monaten, die auch vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 02.03.2010 (BVerfGE 125, 260 ff.) nicht beanstandet wurde.

Auch die Regelung betreffend die strafprozessuale Verkehrsdatenerhebung muss nachjustiert werden. Insbesondere gilt es, angesichts der derzeit bestehenden Bedrohung durch den internationalen Terrorismus den Straftatbestand der Terrorismusfinanzierung in den Straftatenkatalog der "besonders schweren Straftaten* des § 100g Absatz 2 Satz 2 StPO aufzunehmen. Damit würde insoweit ein Gleichlauf mit den Voraussetzungen der akustischen Wohnraumüberwachung nach § 100c Absatz 2 (dort Nummer 1 Buchstabe a) StPO hergestellt.

Weil die Aufklärungsquote bei Wohnungseinbruchdiebstählen deutlich verbessert werden muss, ist es angezeigt, auch den Straftatbestand des § 244 Absatz 1 Nummer 3 StGB in den Straftatenkatalog des § 100g Absatz 2 Satz 2 StPO aufzunehmen und damit die Verkehrsdatenerhebung bereits beim "einfachen" Wohnungseinbruchdiebstahl zuzulassen. Insbesondere über die Erhebung von Standortdaten können Bezüge zwischen verschiedenen Tatorten hergestellt werden oder es können sich Hinweise auf die Einbindung weiterer Personen ergeben, woran weitere Ermittlungsmaßnahmen anknüpfen können. Die derzeit geltenden Voraussetzungen, die einen Anfangsverdacht für einen schweren Bandendiebstahl (§ 244a Absatz 1 StGB) erfordern, sind zu hoch.

Bei der Anpassung von Verkehrsdatenspeicherung und -erhebung gilt es, die unionsrechtlichen Rahmenbedingungen im Telekommunikations- und Telemedienbereich ebenso zu berücksichtigen, wie zu prüfen bleibt, welche Konsequenzen aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 21.12.2016 (C-203/15 und C-698/15) zu ziehen sind.

zu 1b)

Um die Aufklärungsquote beim Wohnungseinbruchsdiebstahl zu erhöhen, ist es nicht nur angezeigt, die Verkehrsdatenerhebung, sondern auch die Telekommunikationsüberwachung zu ermöglichen. Bisher ist gemäß § 100a Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe j StPO eine Telefonüberwachung nur beim Bandendiebstahl nach § 244 Absatz 1 Nummer 2 StGB und schweren Bandendiebstahl nach § 244a StGB zulässig, nicht jedoch beim "einfachen* Wohnungseinbruchdiebstahl des § 244 Absatz 1 Nummer 3 StGB. Die Telekommunikationsüberwachung ist jedoch stets ein wertvolles Ermittlungsinstrument, da sich auch der Einzeltäter oder zwei Mittäter über bereits begangene oder erst geplante weitere Straftaten miteinander oder hierüber mit Dritten austauschen können.

zu 1c)

Nachdem immer mehr Kommunikation verschlüsselt geführt wird und die Strafverfolgungsbehörden hierauf selbst bei schweren und schwersten Straftaten nicht zugreifen können, muss zeitnah eine Rechtsgrundlage für die Überwachung der über Voice-Over-IP-Dienste geführten Kommunikation geschaffen werden. Dies wurde im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung aus dem Jahr 2013 festgeschrieben, sowohl von der "Expertenkommission zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des allgemeinen Strafverfahrens und des jugendgerichtlichen Verfahrens* als auch von den Landesjustizministern im Rahmen der Justizministerkonferenz am 1./2. Juni 2016 einstimmig befürwortet und zuletzt auch von den Generalstaatsanwältinnen und Generalstaatsanwälten der Länder sowie dem Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof in ihrem anlässlich der Arbeitstagung in Leipzig gefassten Beschluss vom 9. November 2016 als "dringend erforderlich" erachtet. Gerade in Zeiten erhöhter Terrorgefahr sind Lücken bei den möglichen Ermittlungsmaßnahmen nicht hinnehmbar.

zu 1d)

Angesichts der zunehmenden Digitalisierung der Gesellschaft sollten jedenfalls für den Bereich der "besonders schweren Straftaten* im Sinne von § 100c Absatz 2 StPO die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die Ermittlungsbehörden mit technischen Mitteln verdeckt auf informationstechnische Systeme zugreifen können, um Zugangsdaten und gespeicherte Daten zu erheben.

Derzeit enthalten nur das Polizeirecht (vgl. § 20k Bundeskriminalamtgesetz oder etwa Art. 34d Bayerisches Polizeiaufgabengesetz) für den Bereich der Gefahrenabwehr bzw. einzelne Verfassungsschutzgesetze der Länder (vgl. etwa Artikel 10 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz) entsprechende Befugnisse. Etwaige dort gewonnene Erkenntnisse können aufgrund der Regelung in § 161 Absatz 2 StPO nicht im Strafverfahren verwertet werden.

Die vom Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen vom 27. Februar 2008 (BVerfGE 120, 274 ff.) und 20. April 2016 (NJW 2016, 1781 ff.) aufgezeigten verfahrensrechtlichen Anforderungen gilt es zu berücksichtigen.

zu 1e)

Ebenso müssen in der Strafprozessordnung die Voraussetzungen für eine verdeckte Sicherung von Cloud-Daten bzw. extern ausgelagerten Daten geschaffen werden unabhängig davon, ob diese Sicherung mit oder ohne Einverständnis des Diensteanbieters erfolgt.

Deutschland hat zwar am 9. März 2009 die Cybercrime-Konvention des Europarates (CC) vom 23. November 2001 ratifiziert und zum 1. Juli 2009 in Kraft gesetzt, hierbei aber insbesondere nicht von der an sich in Artikel 16 Absatz 1 und 2 CC vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, eine vorläufige und zeitlich befristete Sicherung (im Sinne eines "Einfrierens*) beweiserheblicher Daten bei den Datengewahrsam ausübenden Diensteanbietern anzuordnen. Vielmehr wurde auf Grundlage der Anmerkung 160 des erläuternden Berichts zum Übereinkommen die Verpflichtung "in ähnlicher Weise bewirkt*, in dem man es bei den Vorschriften über die Durchsuchung von Objekten nach §§ 102 ff. StPO und der Beschlagnahme von Beweismitteln nach §§ 94 ff. StPO belassen hat (vgl. BT-Drs. 16//7218, S.48).

Die Durchsuchung sowie die Beschlagnahme sind jedoch als "offene* Ermittlungsmaßnahmen ausgestaltet, sodass der Beschuldigte zeitnah hiervon in Kenntnis zu setzen ist (vgl. hierzu auch BGH NStZ 2015, 704 f.). Soll eine mögliche Datenveränderung oder ein drohender Datenverlust verhindert werden, zwingt dies derzeit dazu, ein verdeckt geführtes Verfahren offenzulegen. Dies beeinträchtigt nicht nur größere Strukturermittlungen, sondern auch kleinere Ermittlungsverfahren, nachdem im Zeitalter des Smartphones die Datenauslagerung alltäglich geworden ist. Angesichts der eingangs dargestellten Sicherheitslage ist dies nicht hinnehmbar. Darüber hinaus werden durch den Verweis auf die Vorschriften über Beschlagnahme und Durchsuchung grundrechtsintensivere Eingriffe gefordert als dies im Einzelfall möglicherweise notwendig ist. Im Rahmen der weiteren (verdeckten) Ermittlungen kann sich nämlich auch ergeben, dass ein Zugriff der Strafverfolgungsbehörden auf (vorläufig) gesicherte Daten nicht erforderlich ist.

Bei der Ermöglichung einer verdachtsabhängigen und einzelfallbezogenen verdeckten Sicherung von Daten mit einer entsprechenden Verpflichtung für die den Datengewahrsam ausübenden Diensteanbieter gilt es selbstverständlich auch, flankierende verfahrensrechtliche Absicherungen (vgl. § 101 StPO) vorzusehen.

zu 1f)

Genetischer und daktyloskopischer Fingerabdruck müssen gleichgestellt werden, um Aufbau und Pflege der zentral beim Bundeskriminalamt geführten DNA-Analyse-Datei auf eine breitere Basis zu stellen. Damit würden die Aufklärungsmöglichkeiten für künftige Straftaten und somit die Effektivität der Strafverfolgung ebenso verbessert wie der Schutz der Bevölkerung vor weiteren Straftaten.

Erreichen lässt sich dies durch einen Verzicht auf den de lege lata vorgesehenen qualifizierten Anlasstatenkatalog, die bisher in § 81g Absatz 1 StPO enthaltene notwendige Prognose des Verdachts einer Straftat von erheblicher Bedeutung sowie einen weitgehenden Verzicht auf das bislang in § 81f StPO normierte richterliche Anordnungsverfahren.

zu 2)

Wohnungseinbruchdiebstahl ist gravierendes Unrecht. Ein Einbruch in die eigenen vier Wände erschüttert das Sicherheitsgefühl der Opfer ganz massiv. Mit den Folgen - Schockzustände, Schlaflosigkeit, Angst - haben die Opfer oft sehr lange zu kämpfen. Der Staat muss alle Möglichkeiten auch im Bereich des Strafrechts ausschöpfen, um ein Zeichen zu setzen, dass er Wohnungseinbruchdiebstähle, die von der Bevölkerung als nachhaltige Bedrohung ihrer Sicherheit wahrgenommen werden, als schwere Form der Kriminalität ansieht. Der Wohnungseinbruchdiebstahl soll daher künftig generell als schweres Delikt gelten. Die Mindeststrafe soll auf ein Jahr Freiheitsstrafe erhöht werden.