Der Bundesrat hat in seiner 933. Sitzung am 8. Mai 2015 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zur Vorlage allgemein
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Einleitung eines Konsultationsverfahrens zur Schaffung einer Kapitalmarktunion, mit dem alternative Finanzierungsmöglichkeiten für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gefördert werden sollen.
- 2. Er begrüßt die Absicht der Kommission, durch Stärkung des freien Kapitalverkehrs in der EU den Zugang zu Finanzmitteln für Unternehmen zu erleichtern, die Finanzierungskosten für Unternehmen zu senken und dadurch zu wirtschaftlichem Wachstum und zur Schaffung von Arbeitsplätzen beizutragen. Er teilt die Auffassung, dass eine Diversifizierung der Finanzierungsquellen für Unternehmen im Einzelfall Investitionen erleichtern kann.
- 3. Die im Grünbuch vorgeschlagenen Maßnahmen können jedoch nur der Anfang sein, um die angestrebte Zielsetzung erfolgreich anzugehen. Darüber hinaus sind weitere Maßnahmen notwendig.
- 4. Eine Kapitalmarktunion sollte sich auf stabile marktfördernde Rahmenbedingungen stützen, die angemessenen Wettbewerb sicherstellen. Von zentraler Bedeutung im Zusammenhang mit der Kapitalverkehrsfreiheit und der Erbringung von Finanzdienstleistungen ist das konsequente weitere Bemühen um die Verwirklichung einer - noch nicht vollständig bestehenden - einheitlichen Ausgestaltung der regulatorischen Anforderungen (europäisches Level Playing Field). Hierzu ist eine effektive EU-weite Regulierung unverzichtbar. Nur durch ein einheitliches, in sich konsistentes europäisches Regelwerk lässt sich der Regulierungsarbitrage, die entsprechende Kapitalansammlungen nach sich zieht, auf Dauer wirkungsvoll begegnen. Das "Level Playing Field" sollte sich auf alle Finanzdienstleistungsinstitutionen, Finanzdienstleistungen und Finanzprodukte erstrecken.
- 5. Der Bundesrat verweist aber auch darauf, dass eine Unternehmensfinanzierung über Kapitalmärkte die Kreditfinanzierung durch Banken nur ergänzen, nicht jedoch wird ersetzen können. Verglichen mit dem Bankenkreditmarkt, der allein in Deutschland ein Volumen von rund 2 400 Milliarden Euro aufweist, sind die von einer Kapitalmarktunion selbst im günstigsten Fall erwartbaren Effekte (das Grünbuch geht hier von 90 Milliarden Euro innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren aus) nur von untergeordneter Bedeutung.
- 6. Darüber hinaus ist der Bundesrat der Auffassung, dass eine Kapitalmarktfinanzierung, allein schon wegen des mit ihr verbundenen Akquise- und Betreuungsaufwandes, eher für große Unternehmen als für KMU interessant sein dürfte. Auch aus diesem Grund darf der Zugang zur Bankenfinanzierung als Folge einer Kapitalmarktunion nicht erschwert werden.
- 7. Der Bundesrat gibt auch zu bedenken, dass gerade für die Kreditversorgung kleiner und mittelständischer Unternehmen das Vorhandensein einer vielfältigen Bankenlandschaft von fundamentaler Bedeutung ist. Das in Deutschland existierende Drei-Säulen-Modell des Bankensektors, das sich aus den öffentlichrechtlichen und den genossenschaftlichen Kreditinstituten sowie den privaten Banken zusammensetzt, hat sich nach Ansicht des Bundesrates in dieser Hinsicht bewährt. Zudem waren gerade die Sparkassen und die genossenschaftlichen Banken von der Finanzkrise kaum tangiert und haben damit zusammen mit den Förderbanken entscheidend zur Schaffung eines stabilen Finanzierungsumfelds für die Unternehmen der Realwirtschaft beigetragen. Die Geschäftstätigkeit dieser Institute darf, insbesondere wegen ihrer Bedeutung für die Mittelstandsfinanzierung, im Zusammenhang mit der Kapitalmarktunion nicht durch weitere Regularien, die mit einem hohen Aufwand verbunden wären, unverhältnismäßig beeinträchtigt werden.
Der Bundesrat vertritt mit Nachdruck die Ansicht, dass aus den genannten Gründen das bewährte hiesige Drei-Säulen-Modell des Bankensektors durch die Kapitalmarktunion nicht beeinträchtigt werden darf.
Nach Ansicht des Bundesrates sollten die Bemühungen auf EU-Ebene auch darauf gerichtet werden, dezentrale Bankenstrukturen in allen europäischen Mitgliedstaaten aufzubauen, zu festigen und zu fördern. Dafür ist es angebracht, dass die Auswirkungen der neuen Regulierungsvorgaben zur Stabilisierung des europäischen Bankensektors mit besonderem Blick auf die kleinen und regional tätigen Banken sowie Förderinstitute auf EU-Ebene regelmäßig nach wissenschaftlichen Methoden evaluiert werden.
- 8. In diesem Zusammenhang gibt der Bundesrat auch zu bedenken, dass die Investitionsbereitschaft nur zum Teil von den Finanzierungsbedingungen abhängt. Auch strukturpolitische Hindernisse, wie unflexible Arbeitsmärkte oder bürokratische Hemmnisse, können dazu führen, dass das unternehmerische Risiko steigt und die Investitionsbereitschaft sinkt. In diesem Fall wäre eine Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe jedoch kein Ausdruck von Marktversagen, sondern vielmehr Ausfluss einer realistischeren Risikobewertung. Die Kapitalmarktunion kann notwendige Strukturreformen nicht ersetzen.
Zum Verbraucherschutz in der Kapitalmarktunion
- 9. Der Bundesrat verweist darauf, dass die Fehler, die zur Finanzkrise geführt haben, im Zuge einer Neuregelung der Kapitalmärkte nicht wiederholt werden dürfen. Eine Öffnung der Kapitalmärkte, die dazu führt, dass die Finanzierung auch für Schuldner schlechter Bonität leichter wird, birgt die Gefahr, dass sich im Bereich der Kapitalmarktfinanzierungen hohe Risiken akkumulieren. In der Konsequenz hätten Kapitalmarktprodukte hoch spekulativen Charakter. Dies gefährdet die Integrität und Stabilität der Kapitalmärkte ebenso wie schützenswerte Belange von Privatanlegern.
- 10. Der Bundesrat hält es für zwingend geboten, dass im Zuge der Schaffung der angestrebten Kapitalmarktunion einem angemessenen und wirkungsvollen Verbraucher- und Anlegerschutz, insbesondere für Kleinanlegerinnen und Kleinanleger, besondere Bedeutung beigemessen wird. Daher begrüßt er, dass die Kommission - wie im Grünbuch zum Ausdruck gebracht wird - die Gewährleistung eines wirksamen Verbraucher- und Anlegerschutzes als einen der zentralen Grundsätze betrachtet, auf denen die Kapitalmarktunion aufbauen soll. In diesem Zusammenhang hebt der Bundesrat hervor, dass es im Verlauf der längerfristig angelegten Schaffung der Grundlagen einer Kapitalmarktunion keine Abschwächung oder punktuelle Durchbrechung dieser Zielsetzung und ihrer Realisierung geben darf. Vielmehr ist dem Verbraucher- und Anlegerschutz konsequent und mit Nachdruck EU-weit effektiv Geltung zu verschaffen, insbesondere bei Normsetzung und Aufsicht. Nur auf diese Weise lässt sich Anlegervertrauen gewinnen und bewahren.
- 11. Der Bundesrat begrüßt zwar grundsätzlich eine europaweite Angleichung der Standards für grenzüberschreitende Investitionen. Offenlegungs-, Rechenschafts- und Haftungsfragen sind dabei - auch zum Schutz der Gläubigerinnen und Gläubiger - neben wirtschaftlichen Impulsen wesentliche Aspekte zur Erhöhung der Investitionsbereitschaft in der EU. Ein hohes Schutzniveau für die Gläubigerinnen und Gläubiger, das Vermögensschäden verhindert, kann dabei das Vertrauen in die Finanzmärkte stärken. Das Ziel eines verbesserten Kapitalflusses darf aber keinesfalls dazu führen, dass anlegerschützende Vorschriften beschnitten werden. Das Schutzniveau der anlegerschützenden Regelungen auf EU-Ebene (wie beispielsweise diejenigen der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU [MiFID II]), darf nicht abgesenkt werden.
- 12. Laut Grünbuch sollen Anreize für private Haushalte geschaffen werden, ihr Finanzvermögen von den Banken in die Wertpapiermärkte umzuschichten. Durch diese Umschichtung soll unter anderem die mangelnde Kreditbereitschaft von Banken kompensiert werden. Als Grund für eine selektivere Kreditvergabe der Banken wird im vorliegenden Grünbuch die "steigende Ausfallwahrscheinlichkeit von Kreditnehmern" angeführt. Sollten damit auch für Kleinanlegerinnen und Kleinanleger stärkere Anreize geschaffen werden, Risiken einzugehen, die Banken nicht bereit sind zu tragen, begegnet dies aus Sicht des Verbraucherschutzes erheblichen Bedenken. Anlageformen, die das Risiko des Totalverlustes bergen, sind für Kleinanlegerinnen und Kleinanleger häufig nicht geeignet. Denn die meisten Kleinanlegerinnen und Kleinanleger sind finanziell nicht in der Lage, ein solches Risiko abzufedern, wenn es sich realisiert. Die Umschichtung privaten Vermögens aus Bankeinlagen und Hauseigentum in Kapitalmarktinstrumente entspricht häufig weder den Anlagezielen noch der finanziellen Situation von Kleinanlegerinnen und Kleinanlegern. Der Bundesrat hat daher erhebliche Bedenken, wenn mittels Investitionen von Kleinanlegerinnen und Kleinanlegern die mangelnde Investitionsbereitschaft von Banken kompensiert werden soll.
- 13. Der Bundesrat begrüßt das Anliegen der Kommission, die finanzielle Allgemeinbildung von Verbraucherinnen und Verbrauchern deutlich zu stärken. Verbraucherinnen und Verbraucher können auf dem vom Wettbewerb geprägten Kapitalmarkt nur bestehen, wenn sie über das dafür erforderliche Wissen verfügen. Die Bestrebungen, die finanzielle Allgemeinbildung zu verbessern, sollten daher ausgebaut werden. Weiterhin regt der Bundesrat eine stärkere Unterstützung derartiger Maßnahmen durch die EU an.
- 14. Er stellt fest, dass Vermögenseinbußen bei Kleinanlegerinnen und Kleinanlegern häufig auf der fehlerhaften Annahme beruhen, hohe Renditen ohne hohes Risiko erreichen zu können. Diese Fehlvorstellung wird befördert durch aggressive Vermarktungsstrategien, die nicht berücksichtigen, für welche Personengruppe sich die beworbene Vermögensanlage eignet. Zum besseren Schutz der Anlegerinnen und Anleger davor, Investitionsentscheidungen ohne hinreichendes Risikobewusstsein zu treffen, erscheint eine Beschränkung der Bewerbung von Vermögensanlagen geeignet. Werbemaßnahmen sind grundsätzlich so zu kanalisieren, dass von ihnen primär anlageaffine Personen erreicht werden, von denen erwartet werden kann, dass sie weitere Informationen über die beworbenen Produkte zu Rate ziehen. Eine entsprechende Werbebeschränkung auf europäischer Ebene wäre zu begrüßen.
- 15. Der Bundesrat beurteilt die Bereitstellung von Finanzdienstleistungen auf elektronischem Wege und über mobile Geräte im Hinblick auf den notwendigen Schutz von Kleinanlegerinnen und Kleinanlegern skeptisch. Das Fehlen einer persönlichen Beratung birgt besondere Risiken. Der rein elektronische Vertrieb von Finanzdienstleistungen bedarf insbesondere einer klaren und verständlichen Darstellung des Leistungsangebots und der Risiken. Der Bundesrat bezweifelt, dass diese Anforderungen beispielsweise bei der Nutzung eines Smartphones mit kleinem Bildschirm erfüllt werden können. Er gibt außerdem zu bedenken, dass insbesondere die Nutzung von Smartphones und Tablets häufig "nebenbei" geschieht. Es besteht die Gefahr, dass die Förderung des Vertriebs über mobile Geräte die Fehlvorstellung begünstigt, Entscheidungen über Finanzanlagen könnten beiläufig getroffen werden.
- 16. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass eine konsequente Aufsicht das Vertrauen der Anlegerinnen und Anleger in den Kapitalmarkt stärkt. Die Mandate der Aufsichtsbehörden in Bezug auf Verbraucher- und Anlegerschutz sind daher zu stärken. Genauso wichtig wie die Schaffung gesetzlicher Eingriffsbefugnisse ist, dass von diesen Befugnissen - wie beispielsweise von dem ab 2017 gemäß Artikel 42 Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (MiFIR) bestehenden Produktinterventionsrecht - durch die Aufsichtsbehörden im Sinne des effektiven Schutzes von Kleinanlegerinnen und Kleinanlegern auch konsequent Gebrauch gemacht wird.
- 17. Er nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission auch eine Reform der Prospektrichtlinie beabsichtigt. Dabei sollte am Grundsatz der Prospektpflicht festgehalten werden. Änderungen der bestehenden Schwellenwerte sollten nur nach eingehender Prüfung und unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten erwogen werden.
Zu Nachhaltigkeitskriterien und "grünen Anleihen"
- 18. Der Bundesrat betont, dass die aus der Schaffung einer Kapitalmarktunion erwachsende Chance genutzt werden sollte, verstärkt wirtschaftliche, ökologische und soziale Nachhaltigkeitskriterien in den europäischen Kapitalmarkt einzuführen und dauerhaft zu etablieren. Dies gilt beispielsweise im Hinblick auf Anlageprodukte, Risikoanalysen oder Ratingmodalitäten. Wenn diese Chance konsequent und erfolgreich genutzt wird, könnten insoweit - längerfristig gesehen - im Rahmen der angestrebten Kapitalmarktunion Standards mit internationaler Vorbildfunktion gesetzt werden.
- 19. Er begrüßt, dass die Kommission im Grünbuch die zunehmende Bedeutung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Investitionen, insbesondere von so genannten grünen Anleihen, würdigt und die Bereitschaft zum Ausdruck bringt, die Fortentwicklung dieser Kategorie von Investitionen zu fördern. Der Markt für "grüne Anleihen" ist in stetigem Wachstum begriffen. Hier bestehen vielfältige Investitionsmöglichkeiten, beispielsweise im Bereich des Klimaschutzes und bei anderen Projekten der ökologischen Nachhaltigkeit. Um das vorhandene Wachstumspotenzial konsequent auszuschöpfen, sollten systematisch entsprechende Anreize gesetzt werden. Der Bundesrat bittet daher die Kommission, ihr Bemühen mit Nachdruck zu intensivieren, diese Kategorie von Anlagemöglichkeiten durch geeignete Maßnahmen zu fördern. Zum jetzigen Zeitpunkt erscheint es aber ausreichend, dass die EU und insbesondere die Europäische Investitionsbank die angestrebten freiwilligen Leitlinien der Marktteilnehmer ("Grundsätze für grüne Anleihen") unterstützt, um so Mindeststandards, zum Beispiel zu den Investitionsbereichen und zur Berichterstattung, festzulegen. Zusätzliche EU-Regulierungen erscheinen derzeit nicht erforderlich.
Zu Einzelfragen
- 20. Vor dem Hintergrund der von der Kommission in ihrem Grünbuch hierzu ausgeführten Zahlen hält der Bundesrat die Entwicklung von europäischen Märkten für Privatplatzierungen für sinnvoll. Solche Märkte könnten insbesondere für den Mittelstand und für Infrastrukturprojekte eine geeignete und zugleich kosteneffiziente Finanzierungsmöglichkeit bieten. Bei der Schaffung von EU-Märkten für Privatplatzierungen gilt es, bewährte und gut funktionierende Finanzierungsinstrumente - wie beispielsweise das Schuldscheindarlehen - angemessen zu berücksichtigen und etwaige negative Auswirkungen auf diese Instrumente zu vermeiden.
- 21. Die Kommission zieht die Entwicklung eines einheitlichen, vereinfachten Rechnungslegungsstandards für KMU in Betracht (Frage 8). Der Bundesrat stimmt der Kommission zu, dass eine einheitliche Rechnungslegung grenzüberschreitend für bessere Transparenz und damit für mehr Vertrauen sorgen kann. Auch dürfte die Anwendung der internationalen Rechnungslegungsvorschriften (International Financial Reporting Standards - IFRS) für KMU zu aufwändig sein, so dass vereinfachte Standards sinnvoll sind.
Der Bundesrat vermisst jedoch in der Konsultation einen Hinweis, in welchem Verhältnis der noch zu entwickelnde Standard zu dem bereits bestehenden, vom "International Accounting Standards Board" entwickelten Standard der "IFRS for SMEs" stehen soll. Es sollte vermieden werden, dass KMU für die Suche nach Anlegern innerhalb der EU einerseits und nach Anlegern außerhalb der EU, insbesondere den USA, zwei verschiedene Rechnungslegungsstandards anwenden müssen (gegebenenfalls noch neben einem dritten, nationalen Standard). Da nicht alle KMU auf Fremdfinanzierungen außerhalb des Bankensektors angewiesen sein werden, sollte zudem der noch zu entwickelnde Standard nicht verbindlich für alle KMU vorgeschrieben werden.
Inhaltlich sollte nach Auffassung des Bundesrates darauf geachtet werden, dass der Jahresabschluss trotz der notwendigen Vereinfachungen ein zutreffendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Unternehmen vermittelt und der notwendige Gläubiger- und Anlegerschutz gewahrt wird.
- 22. Soweit die Kommission beabsichtigt, die Informationsgrundlagen über Unternehmen unter anderem durch eine Rechnungslegung auf der Grundlage der IFRS zu verbessern, darf damit kein bürokratischer Mehraufwand für Unternehmen, die an einer Kapitalmarktfinanzierung kein Interesse haben, verbunden sein. Der Schaffung neuer Informationspflichten steht der Bundesrat kritisch gegenüber.
- 23. Die Kommission beobachtet eine zunehmende Nachfrage nach Sicherheiten im Finanzsystem und leitet daraus die Gefahr ab, dass künftig dieselbe Sicherheit für mehrere Transaktionen gleichzeitig eingesetzt werde. Die Kommission erwägt daher eine Regulierung dieser Sicherheiten (Frage 27).
Der Bundesrat sieht keine Veranlassung, in die unterschiedlichen, von den einzelstaatlichen Rechtsordnungen vorgesehenen Systeme zur Vereinbarung und Stellung von Sicherheiten einzugreifen und die Mitgliedstaaten zu verpflichten, bewährte und funktionierende zivilrechtliche Instrumente um zusätzliche Regulierungs- oder Erfassungsmechanismen zu erweitern. Das gilt insbesondere für Kreditsicherungen nach deutschem Recht wie - neben Grundpfandrechten - der Forderungsabtretung, dem Eigentumsvorbehalt und der Sicherungsübereignung. Diese werden gleichermaßen zur Sicherung von Krediten von Banken und anderen institutionalisierten Gläubigern eingesetzt wie auch im alltäglichen Warenverkehr zwischen Herstellern, Groß-, Zwischen- und Einzelhändlern bis hin zum Endkunden. Diese Sicherheiten sind nicht auf nationale Kreditgeber beschränkt, sondern können in gleicher Weise von Kreditgebern oder Warenlieferanten in anderen Mitgliedstaaten bei Geschäften mit deutschen Kreditnehmern/Warenbeziehern genutzt und im Problemfall durchgesetzt oder auch weiterveräußert werden.
Die Kommission macht in ihrem Grünbuch nicht deutlich, worin genau sie eine Beschränkung des freien Sicherheitenflusses erblickt, so dass die Problemlage vom Bundesrat nicht nachvollzogen werden kann. Jedenfalls lehnt der Bundesrat Regulierungsmechanismen ab, die zu einer Bürokratisierung der Sicherheitenbestellung und damit zu Behinderungen des Warenverkehrs und der Kreditaufnahme für deutsche Unternehmen führen würden.
- 24. Die Kommission spricht sich in ihrem Grünbuch dafür aus, durch weitere Reformen des Gesellschaftsrechts Hemmnisse für die Niederlassung und Geschäftstätigkeit von Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten zu verbessern. Als solche Hemmnisse betrachtet die Kommission die verschiedenen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften in den Mitgliedstaaten, denen grenzüberschreitend tätige Gesellschaften unterworfen sind, und benennt beispielhaft hierfür den Fall der Trennung von Register- und Verwaltungssitz einer Gesellschaft (Frage 28).
Der Bundesrat sieht derzeit kein Bedürfnis, weitere Harmonisierungen im europäischen Gesellschaftsrecht in solchen Bereichen zu unternehmen, die bereits Gegenstand des Richtlinienvorschlags der Kommission vom 9. April 2014 sind (Richtlinienvorschlag über Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter (COM (2014) 212 final,
Ratsdok. 8842/14, BR-Drucksache 165/14 (PDF) ) - "Societas Unius Personae" (SUP)). Dieser Vorschlag sieht einheitliche Vorschriften für die Gesellschaftsgründung sowie Bestimmungen zur Sitztrennung, zum Mindestkapital und zum Gläubigerschutz vor, die Gegenstand umfassender fachlicher und politischer Diskussionen in den Mitgliedstaaten sind. Der Bundesrat nimmt insoweit ergänzend Bezug auf die Ausführungen in seiner Stellungnahme vom 11. Juli 2014 (BR-Drucksache 165/14(B) (2)). Es besteht daher kein Anlass, vor Abschluss dieser Diskussionen in den betroffenen Bereichen eine weitere Harmonisierung vorzuschlagen. - 25. Nach Einschätzung der Kommission weisen die Rahmenvorschriften der nationalen Insolvenzordnungen noch immer unterschiedlich effektive Regelungen auf, die für Gläubiger und Investoren nachteilige Auswirkungen haben könnten. Die Kommission beabsichtigt insoweit eine weitere Angleichung und Ergänzung des Insolvenzrechts um Vorschriften zur Einführung früher Restrukturierungsverfahren und von Bestimmungen über eine "zweite Chance", die eine frühzeitige Umschuldung von Unternehmen ermöglichen (Frage 29).
Der Bundesrat sieht derzeit keinen Bedarf dafür, in die schon bestehenden einzelstaatlichen Systeme zur frühzeitigen Sanierung von Unternehmen über das bisherige Maß hinaus einzugreifen, soweit solche Verfahren in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten vorgesehen sind. Die Ergebnisse der im Grünbuch erwähnten Evaluation sollten zunächst abgewartet werden.
Das deutsche Insolvenzrecht sieht verschiedene Regelungen vor, die den Unternehmen in wirtschaftlicher Krise frühzeitige Sanierungsmöglichkeiten unter Einbeziehung von Gläubigern und potentiellen Investoren ermöglichen. Die Vorschriften stellen einen sachgerechten und praktikablen Ausgleich her zwischen den berechtigten Interessen des Schuldners an der Restrukturierung und dem Fortbestand seines Unternehmens einerseits und den Interessen seiner Gläubiger an einer größtmöglichen Beitreibung ihrer Forderung andererseits.
Daher besteht zurzeit kein Anlass, über die bereits bestehenden Sanierungsverfahren hinausgehende weitere Restrukturierungsverfahren einzuführen.
- 26. Nach Einschätzung der Kommission haben das europäische und nationale Gesellschaftsrecht mit der technologischen Entwicklung nicht Schritt gehalten und beispielsweise die Vorteile der Digitalisierung nicht hinreichend integriert, insbesondere da in einigen Bereichen die Kommunikation zwischen den Beteiligten noch in Papierform stattfindet.
Der Bundesrat begrüßt den Ansatz, verstärkt auf die Möglichkeiten der Digitalisierung und des Einsatzes der elektronischen Form beim Informationsaustausch und der Wahrnehmung der Beteiligungsrechte innerhalb der Gesellschaften zurückzugreifen. Gleichfalls sollte der elektronische Rechtsverkehr im Bereich des Handels- und Gesellschaftsrechts weiter ausgebaut werden. Die Vernetzung der europäischen Register in Bezug auf die elektronische Verknüpfung von Zentral-, Handels- und Gesellschaftsregistern in der Europäischen Union im Kontext der Richtlinie 2012/17/EU ist ein positiver Schritt in diese Richtung. Es wird daher angeregt, bei dieser und künftigen Initiativen zu prüfen, inwieweit bereits entwickelte technische Lösungen insbesondere für den grenzüberschreitenden Datenaustausch und Standards für den Datenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten (zum Beispiel im Bereich des Europäischen Justizportals) weiter genutzt werden können. Hierdurch könnte eine möglichst effektive und nachhaltige Nutzung bestehender Systeme sichergestellt werden.
Der Bundesrat weist dabei darauf hin, dass die Fortentwicklung des elektronischen Rechtsverkehrs unter Einbeziehung und Wahrung der Sicherheit und Zuverlässigkeit der Standards der nationalen Handelsregister zu erfolgen hat. Insbesondere in Verfahren zur elektronischen Anmeldung von eintragungspflichtigen Sachverhalten muss gewährleistet sein, dass zentrale Registerstandards wie eine sichere Identifizierung der Beteiligten (zum Beispiel durch die Nutzung anerkannter eID-Lösungen) und grundlegende Prüfungs- und Kontrollfunktionen der Registergerichte gewahrt bleiben.
Direktzuleitung der Stellungnahme
- 27. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.