Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 316995 - vom 7. Oktober 2009.
Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 17. September 2009 angenommen.
Das Europäische Parlament,
- - gestützt auf Artikel 6 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union und Artikel 286 des EG-Vertrags,
- - gestützt auf Artikel 95 und 300 des EG-Vertrags,
- - unter Hinweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention, insbesondere deren Artikel 5, 6, 7 und 8,
- - unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere deren Artikel 7, 8, 47, 48 und 49,
- - in Kenntnis des Übereinkommen Nr. 108108 des Europarats zum Schutz der Rechte von Personen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten,
- - unter Hinweis auf die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr1,
- - unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 045/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr2,
- - unter Hinweis auf die Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung3 und die Verordnung (EG) Nr. 1781/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. November 2006 über die Übermittlung von Angaben zum Auftraggeber bei Geldtransfers4,
- - unter Hinweis auf das Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über Rechtshilfe vom 25. Juni 2003, insbesondere dessen Artikel 4 (Ermittlung von Bankinformationen)5,
- - unter Hinweis auf das auf dem Präsidialerlass 132241 basierende Programm des US-Finanzministeriums zum Aufspüren der Finanzierung des Terrorismus (TFTP), das es im Fall einer nationalen Notlage insbesondere dem US-Finanzministerium gestattet, mittels "administrativer Anordnungen" die Herausgabe von Banktransaktionsdaten zu erwirken, die über Nachrichtensysteme wie das von der Worldwide Interbank Financial Telecommunications (SWIFT) betriebene laufen,
- - unter Hinweis auf die vom US-Finanzministerium festgelegten Bedingungen für den Zugang zu SWIFT-Daten (wie in den "Zusicherungen" der USA definiert2) und unter Berücksichtigung der von der Europäischen Kommission durch die "renommierte Persönlichkeit" bezüglich der Einhaltung der oben genannten Zusicherungen durch die US-Behörden erhaltenen Informationen,
- - unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen, in denen SWIFT aufgefordert wird, den EU-Rechtsrahmen streng einzuhalten, insbesondere wenn europäische Finanztransaktionen auf EU-Hoheitsgebiet erfolgen3,
- - unter Hinweis auf die Verhandlungsrichtlinien für den Ratsvorsitz und das geplante internationale Abkommen zwischen der EU und den USA über die Übermittlung von SWIFT-Daten, die als "EU - nur für den Dienstgebrauch" klassifiziert wurden,
- - unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Datenschutzbeauftragten vom 3. Juli 2009, die als "EU - nur für den Dienstgebrauch" klassifiziert wurde,
- - gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass SWIFT im Oktober 2007 ein neues Übermittlungssystem ankündigte, das Ende 2009 operationell sein soll,
B. in der Erwägung, dass die betreffende Veränderung der Rechnerstruktur zur Folge hätte, dass die meisten Finanzdaten, die SWIFT bisher auf Anordnung im Rahmen des TFTP-Programms an das US-Finanzministerium übermittelt hatte, diesem nicht mehr zur Verfügung gestellt würden,
C. in der Erwägung, dass der Rat am 27. Juli 2009 dem von der Kommission unterstützten Vorsitz einstimmig das Mandat erteilte, mit den USA ein internationales Abkommen auf der Grundlage von Artikel 24 und 38 des Vertrags über die Europäische Union auszuhandeln, um die Übermittlung von SWIFT-Daten im Rahmen des TFTP der USA fortzusetzen,
D. in der Erwägung, dass die Verhandlungsrichtlinien sowie das Rechtsgutachten des Juristischen Diensts des Rates zur Wahl der Rechtsgrundlage nicht veröffentlicht wurden, da sie als "EU - nur für den Dienstgebrauch" klassifiziert sind,
E. in der Erwägung, dass das internationale Abkommen ab dem Zeitpunkt der Unterzeichnung bis zu seinem Inkrafttreten vorläufig und unverzüglich angewandt werden soll,
F. in der Erwägung, dass die Europäische Union selbst nicht über ein TFTP verfügt,
G. in der Erwägung, dass der Zugriff auf die von SWIFT verwalteten Daten es nicht nur ermöglicht, Überweisungen im Zusammenhang mit illegalen Aktivitäten aufzuspüren, sondern auch Informationen über die wirtschaftlichen Tätigkeiten der betroffenen Privatpersonen und Länder festzustellen, was zu Formen der Wirtschafts- und Industriespionage großen Ausmaßes führen könnte,
H. in der Erwägung, dass SWIFT eine Absichtserklärung mit dem US-Finanzministerium unterzeichnet hat, in dem der Verwendungszweck der übermittelten Daten und der Datenabfrage auf spezifische Fälle der Terrorismusbekämpfung beschränkt und eine unabhängige Aufsicht und Kontrolle, einschließlich einer Überprüfung in Echtzeit, verankert wurde,
I. in der Erwägung, dass jegliches Abkommen zwischen der Europäischen Union und den USA die Aufrechterhaltung der Schutzvorkehrungen gemäß der Absichtserklärung und die Einhaltung der Erklärungen des US-Finanzministeriums voraussetzen muss, die z. B. im Falle der von dem SWIFT-Rechenzentrum in den USA auf Anordnung des US-Finanzministeriums übermittelten Daten gelten,
- 1. verweist auf seine Entschlossenheit, den Terrorismus zu bekämpfen, und seine Überzeugung, dass ein angemessenes Gleichgewicht zwischen Sicherheitsmaßnahmen und dem Schutz der bürgerlichen Freiheiten und Grundrechte gefunden werden muss, während gleichzeitig die größtmögliche Achtung der Privatsphäre und des Datenschutzes sichergestellt wird; bekräftigt, dass Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit die entscheidenden Grundsätze sind, ohne die die Terrorismusbekämpfung nie wirksam sein wird;
- 2. betont, dass sich die Europäische Union auf Rechtsstaatlichkeit gründet und dass alle Transfers von europäischen personenbezogenen Daten an Drittländer zu Sicherheitszwecken Verfahrensgarantien und den Rechten der Verteidigung und den Datenschutzrechtsvorschriften auf nationaler und europäischer Ebene unterliegen sollten1;
- 3. weist den Rat und die Kommission darauf hin, dass im transatlantischen Rahmen des Abkommens zwischen der Europäischen Union und den USA über Rechtshilfe, das am 1. Januar 2010 in Kraft tritt, Artikel 4 den Zugang zu gezielten Finanzdaten auf Ersuchen einzelstaatlicher Behörden vorsieht und eine adäquatere Rechtsgrundlage für die Übermittlung von SWIFT-Daten darstellen könnte als das vorgeschlagene Interimsabkommen, und fordert den Rat und die Kommission auf, die Notwendigkeit eines Interimsabkommens zu erläutern;
- 4. begrüßt den Beschluss von SWIFT vom Juni 2007, alle EU-internen Finanzüberweisungsdaten in zwei europäische Rechenzentren zu verlagern; weist den Rat darauf hin, dass dieser Beschluss im Einklang mit der belgischen Datenschutzbehörde, der Forderung der Arbeitsgruppe der Europäischen Union gemäß Artikel 29 und der Auffassung des Europäischen Parlaments gefasst wurde;
- 5. stellt fest, dass der Rat die Verhandlungsrichtlinien erst fast zwei Jahre, nachdem SWIFT die Veränderung seiner Rechnerstruktur ankündigte, beschloss;
- 6. ist beunruhigt, dass die Juristischen Dienste der Organe bezüglich der für das geplante Abkommen gewählten Rechtsgrundlage unterschiedliche Auffassungen vertreten, und nimmt zur Kenntnis, dass der Juristische Dienst des Rates der Ansicht ist, dass hier eine Gemeinschaftszuständigkeit gegeben ist;
- 7. ist der Auffassung, dass ein internationales Abkommen, soweit es absolut notwendig ist zumindest sicherstellen muss, dass:
- a) Daten nur zur Terrorismusbekämpfung übermittelt und verarbeitet werden, gemäß der Definition in Artikel 1 des Rahmenbeschlusses des Rates 2002/475/JI vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung2und sich auf auch von der EU einschlägig anerkannte einzelne Terroristen oder Terrororganisationen beziehen,
- b) die Verarbeitung solcher Daten, was ihre Übermittlung (nur mittels "push"-System), Speicherung und Nutzung angeht, nicht unverhältnismäßig zum Ziel ist, für das diese Daten übermittelt und anschließend verarbeitet werden,
- c) die Übermittlungsersuchen sich auf spezifische, gezielte Fälle stützen, die zeitlich begrenzt sind und einer richterlichen Genehmigung unterliegen, und jegliche anschließende Verarbeitung auf Daten beschränkt ist, die eine Verbindung zu Personen oder Organisationen offenbaren, die in den USA überprüft werden; Daten, die keine derartigen Verbindungen offenbaren, gelöscht werden,
- d) für EU-Bürger und -Unternehmen in gleichem Maße Rechte der Verteidigung und Verfahrensgarantien sowie das Recht auf Zugang zu den Gerichten gelten, wie sie in der Europäischen Union existieren, und Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der Übermittlungsersuchen in den USA gerichtlich überprüft werden können,
- e) übermittelte Daten den gleichen Rechtsmittelverfahren unterliegen wie innerhalb der Europäischen Union gespeicherte Daten, einschließlich Schadenersatz im Fall einer rechtswidrigen Verarbeitung personenbezogener Daten,
- f) mit dem Abkommen jegliche Verwendung von SWIFT-Daten durch US-Behörden für andere Zwecke als solche im Zusammenhang mit der Terrorismusfinanzierung und die Übermittlung derartiger Daten an andere Dritte als die für die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung zuständigen staatlichen Behörden ebenfalls untersagt werden,
- g) das Prinzip der Gegenseitigkeit strikt eingehalten wird, durch das die zuständigen US-Behörden verpflichtet werden, einschlägige Finanztransaktionsdaten auf Ersuchen an die zuständigen EU-Behörden zu übermitteln,
- h) das Abkommen durch eine 12 Monate nicht überschreitende Auflösungsklausel und unbeschadet des gemäß dem Vertrag von Lissabon für ein mögliches neues Abkommen in diesem Bereich anzuwendenden Verfahrens ausdrücklich für einen befristeten Zeitraum geschlossen wird,
- i) das Interimsabkommen eindeutig vorsieht, dass die US-Regierung unmittelbar nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon notifiziert wird und ein mögliches neues Abkommen gemäß dem neuen EU-Rechtsrahmen ausgehandelt werden wird, der das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente umfassend einbezieht;
- 8. fordert, dass der Rat und die Kommission die genaue Rolle der "öffentlichen Behörde" erläutert, die noch zu benennen ist und zuständig sein soll für den Eingang der Ersuchen des US-Finanzministeriums, wobei insbesondere die Art der Befugnisse zu berücksichtigen ist, die einer solchen "Behörde" übertragen würden, und die Art und Weise, in der derartige Befugnisse durchgesetzt werden könnten;
- 9. fordert von Rat und Kommission die Bestätigung, dass Datensätze und umfangreiche Dossiers wie etwa jene, die Transaktionen im Zusammenhang mit dem Europäischen Zahlungsverkehrsraum (SEPA) betreffen, von den Daten ausgenommen werden, um die das US-Finanzministerium ersuchen kann oder die für eine Übermittlung an das US-Finanzministerium in Frage kommen;
- 10. betont, dass SWIFT eine entscheidende Infrastruktur für die Systemfestigkeit der Zahlungssysteme und der Wertpapiermärkte Europas ist und gegenüber konkurrierenden Finanzdienstleistern nicht unfair benachteiligt werden sollte;
- 11. unterstreicht die Bedeutung von Rechtssicherheit und Immunität für Bürger und private Organisationen bei Datentransfers gemäß solchen Vereinbarungen wie dem vorgeschlagenen Abkommen zwischen der Europäischen Union und den USA;
- 12. weist darauf hin, dass es sich als nützlich erweisen könnte, wenn die Kommission die Notwendigkeit der Auflegung eines europäischen TFTP bewerten würde;
- 13. fordert die Kommission und den Vorsitz auf sicherzustellen, dass das Europäische Parlament und alle nationalen Parlamente uneingeschränkten Zugang zu den Verhandlungsunterlagen und -richtlinien erhalten;
- 14. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Europäischen Zentralbank, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und Beitrittsländer und der Regierung und den beiden Häusern des Kongresses der Vereinigten Staaten zu übermitteln.
- 1 ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31.
- 2 ABl. L 8 vom 12.1.2001, S. 1.
- 3 ABl. L 309 vom 25.11.2005, S. 15.
- 4 ABl. L 345 vom 8.12.2006, S. 1.
- 5 ABL. L 181 vom 19.7.2003, S. 34.
- 1 Präsidialerlass 13224 wurde von Präsident Bush am 23. September 2001 gemäß dem Gesetz über wirtschaftliche Befugnisse bei einer internationalen Notlage (IEEPA), 50 USC, Paragraphen 1701-1706, erlassen. Der Präsident delegierte seine Befugnisse gemäß dem Präsidialerlass an den Finanzminister. Das Finanzministerium erließ seine Anordnungen an SWIFT gemäß dem Präsidialerlass 13224 und seiner Durchführungsbestimmungen.
- 2 Verarbeitung personenbezogener Daten aus der EU durch das Finanzministerium der Vereinigten Staaten zu Zwecken der Terrorismusbekämpfung - SWIFT, ABl. C 166 vom 20.7.2007, S. 18.
- 3 Entschließung vom 14. Februar 2007 zu der SWIFT, dem Abkommen über Fluggastdatensätze und dem transatlantischen Dialog über diese Themen (ABl. C 287 E vom 29.11.2007, S. 349); Entschließung vom 6. Juli 2006 zu dem Zugriff auf SWIFT-Überweisungsdaten durch die amerikanischen Geheimdienste (ABl. C 303 E vom 13.12.2006, S. 843).
- 1 Vor allem der Europäischen Menschenrechtskonvention, insbesondere deren Artikel 5, 6, 7 und 8, der Charta der Grundrechte, insbesondere deren Artikel 7, 8, 47, 48 und 49, dem Übereinkommen Nr. 108108 des Europarats zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten, der Richtlinie 95/46/EG und der Verordnung (EG) Nr. 045/2001.
- 2 ABl. L 164 vom 22.6.2002, S. 3.