Der federführende Gesundheitsausschuss, der Ausschuss für Frauen und Jugend und der Ausschuss für Familie und Senioren empfehlen dem Bundesrat, die Entschließung wie folgt zu fassen:
Vorbemerkung:
Kinder benötigen eine positive und ihnen zugewandte Lebenswelt, in der sie gesund aufwachsen können und vor Vernachlässigung und Misshandlung geschützt sind.
Dafür müssen alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten mit dem Ziel genutzt werden das Kindeswohl zu stärken und zu schützen.
Eine Möglichkeit, sowohl ein gesundes Aufwachsen von Kindern zu erreichen als auch gröbste Vernachlässigungen zu vermeiden, besteht in der Teilnahme an den Früherkennungsuntersuchungen im Bereich des Gesundheitswesens und in der Nutzung dieser Untersuchungen als Ansatz helfender Interventionen. Die Nichtteilnahme kann ein Indiz dafür sein, dass die Eltern der ihnen zuvörderst obliegenden Pflicht zur Pflege ihrer Kinder nicht ausreichend nachkommen.
I. Der Bundesrat stellt fest:
Die Früherkennungsuntersuchungen für Kinder sind unbestritten ein erfolgreiches Leistungsangebot der gesetzlichen Krankenversicherung (U1- bis U10/J1-Untersuchungen nach § 26 SGB V), um eine körperliche, psychische oder geistige Fehlentwicklung von Kindern früh zu erkennen und gegebenenfalls zu therapieren.
Insbesondere für die Früherkennungsuntersuchungen im ersten Lebenshalbjahr liegt eine hohe Akzeptanz vor. Es ist aber zu beobachten, dass seit einigen Jahren die Inanspruchnahme insgesamt zurückgeht und zur U7 bis U9 eine deutliche Abnahme der Teilnahmerate erfolgt.
Deshalb hält der Bundesrat folgende Ziele für maßgeblich:
- 1. Steigerung der Teilnahmequote an den Früherkennungsuntersuchungen,
- 2. Steigerung der Verbindlichkeit der Teilnahme,
- 3. Aufnahme spezifischer Untersuchungsinhalte in Bezug auf Vernachlässigung und Misshandlung,
- 4. Neubestimmung der Untersuchungsintervalle,
- 5. Nutzung der Information über die Nichtteilnahme an den Früherkennungsuntersuchungen.
II. Der Bundesrat fordert:
Zur Umsetzung dieser Ziele wird die Bundesregierung aufgefordert,
- - gesetzlich die hierfür geeigneten Stellen (z.B. die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) mit der Information und Motivation für die freiwillige Inanspruchnahme von Früherkennungsuntersuchungen zu beauftragen;
- - eine Rechtsgrundlage, z.B. für eine Rahmenvereinbarung der Krankenkassen untereinander und mit den zuständigen Stellen der Länder, mit dem Ziel der Steigerung der Inanspruchnahme der Untersuchungen zu schaffen;
- - eine Rechtsgrundlage für ein verbindliches Einladungswesen für die Früherkennungsuntersuchungen U6 bis U10/J1 durch die gesetzlichen Krankenkassen und den Sozialhilfeträger zu schaffen;
- - Rechtsgrundlagen (Rahmenvereinbarungen) für die Möglichkeit der Zusammenarbeit der Gesetzlichen Krankenversicherung mit den zuständigen Stellen der Länder für die Durchführung des Einladungswesens zu schaffen;
- - gegenüber dem Gemeinsamen Bundesausschuss darauf hinzuwirken, dass bei der Überarbeitung der Kinderrichtlinien spezifische Untersuchungsschritte bezüglich Kindesvernachlässigung und Misshandlung vorgesehen werden;
- - gegenüber dem Gemeinsamen Bundesausschuss darauf hinzuwirken, dass bei der Überarbeitung der Kinderrichtlinien die Zweckmäßigkeit der Untersuchungsintervalle bezüglich des Schutzes der Kinder vor Vernachlässigung und Misshandlung überprüft und diese gegebenenfalls neu bestimmt werden;
- - die notwendigen datenschutzrechtlichen Grundlagen für die Gesetzliche Krankenversicherung und für den Sozialhilfeträger zu schaffen, damit Informationen von den Kostenträgern über die Nichtanspruchnahme der Früherkennungsuntersuchungen als Ansatzpunkt für helfende Interventionen an geeignete Stellen in den Ländern übermittelt werden können
- - zu prüfen, inwieweit die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden können, dass die Teilnahme aller Kinder an Früherkennungsuntersuchungen, unabhängig vom Versichertenstatus, an geeignete Stellen in den Ländern gemeldet werden kann.
III. Maßnahmen der Länder
Der Bundesrat stellt darüber hinaus fest, dass viele Risikofamilien bisher mit den herkömmlichen Angeboten der sozialen Dienste in den Jugendämtern, der Erziehungsberatung und der Familienbildung nicht im gewünschten Umfang erreicht werden konnten. Deshalb müssen Strategien entwickelt werden, um mit den vorhandenen Strukturen der Familien- und Gesundheitshilfe eine Unterstützung dieser Familien früher, verlässlicher und abgestimmter unmittelbar an ihrem Lebensmittelpunkt zu verankern.