830. Sitzung des Bundesrates am 16. Februar 2007
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Agrarausschuss (A) und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
Zur Vorlage insgesamt und zu einzelnen Vorschriften
- 1. Der Bundesrat nimmt Bezug auf seinen Beschluss vom 15. Dezember 2006 - BR-Drucksache 696/06(B) -, [bekräftigt die Ablehnung einer EU-Rahmenrichtlinie für den Bodenschutz aus grundsätzlichen Erwägungen] und führt [hierfür als Begründung] ergänzend an:
- 3. Mit dem Vorschlag der Kommission für eine Bodenrahmenrichtlinie würden, ähnlich wie bei den Umweltmedien Luft und Wasser, weite Teile der nationalen Gesetzgebungsbefugnis den EU-Regelungen unterstellt. Das betrifft neben der Altlastensanierung vor allem auch die Vorsorge gegen Bodenverschlechterungen und die Risikovermeidung und -minderung sowie die Wiederherstellung von Bodenfunktionen bei der Verschlechterung der Bodenqualität durch Erosion, Verlust organischer Substanz, Bodenverdichtung, Versalzung und Erdrutsche. Damit würde die EU in weiten Teilen den Rechtsrahmen für die wesentlichen Risiken der Bodennutzung in Deutschland etwa in den Bereichen Land- und Forstwirtschaft, Rohstoffgewinnung, Industrie, Bauwesen, Verkehr und Tourismus regeln. Diese Übertragung von Befugnissen wird abgelehnt, weil Bodenschutz im Gegensatz zur Luftreinhaltung und dem Gewässerschutz in erster Linie eine lokale und regionale Angelegenheit ist und daher die EU-Bodenrahmenrichtlinie nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar ist. Stattdessen können notwendige Maßnahmen auf EU-Ebene im Rahmen einer Bodenschutzstrategie, mit der der Bodenschutz in andere Politik- und Rechtsbereiche besser integriert wird, in ausreichendem Umfang getroffen werden.
- 4. Regelungen und Anforderungen auf EU-Ebene, welche über die in Deutschland vorhandenen Anforderungen und Vorleistungen des vor- und nachsorgenden Bodenschutzes hinausgehen [oder diese ändern], sind nicht erforderlich, [vor allem weil Böden im Gegensatz zu Luft und Wasser, für die es EG-Rahmenrichtlinien gibt, weitgehend in Privateigentum stehen, unbeweglich sind und damit eine grenzüberschreitende Wirkung im Vergleich zur gesamten Bodenfläche der EU marginal ist.]
- 6. Anders als bei Luft und Wasser gibt es innerhalb der EU beim Boden eine sehr große Vielfalt, z.B. hinsichtlich der Bodenarten, Bodenverhältnisse und der Lage und Bewirtschaftung der Böden.
- 7. [Detaillierte] Vorgaben auf EU-Ebene können {dieser Vielfalt} und [der hohen Bodendiversität] sowie den regional unterschiedlichen Problemlagen in Europa nicht ausreichend {und angemessen} Rechnung tragen.
- 8. Auf nationaler Ebene in Deutschland ist durch die bodenschutzrechtlichen Anforderungen und durch die Verankerung des Bodenschutzes in anderen Politikbereichen bereits ein hoher Standard im vor- und nachsorgenden Bodenschutz erreicht worden.
- 9. Daher ist eine Richtlinie aus nationaler Sicht nicht erforderlich. Sie würde die uneingeschränkte weitere Anwendbarkeit des bestehenden Bodenschutzrechts in Deutschland und damit die nationalstaatliche Verantwortung für das Erreichen von Umweltstandards und der hierfür einzusetzenden Instrumente unnötigerweise in Frage stellen.
- 10. In der Richtlinie ist deshalb klarzustellen und im Weiteren zu berücksichtigen, dass die dort festgelegten Anforderungen als erfüllt gelten, wenn Mitgliedstaaten bereits über nationalstaatliche Regelungen mit vergleichbaren Anforderungen verfügen. Durch eine uneingeschränkte weitere Anwendbarkeit des bestehenden Bodenschutzrechts in Deutschland soll - wie bereits gefordert - der nationalstaatlichen Verantwortung für das Erreichen von Umweltstandards und der hierfür einzusetzenden Instrumente Rechnung getragen werden.
- 11. Es gibt ein beträchtliches Eigeninteresse von Land- und Forstwirten bei der Erhaltung ihres Landes in gutem Zustand, weil der Boden ihre Produktionsgrundlage darstellt.
- 12. Der im Vorschlag enthaltene Generalverdacht gegenüber IVU (Integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung)- (und anderen) Anlagen wird abgelehnt. Diese dürfen nicht pauschal als potenziell kontaminierte Standorte betrachtet und veröffentlicht werden, da dann die umweltrechtliche Genehmigung einer Anlage dazu führen würde, dass diese Anlage automatisch unter Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung gestellt wird.
- 13. Ferner fehlen eindeutige Definitionen für zentrale Begriffe der Richtlinie sowie zu den wichtigsten "Hauptgefahren" für den Boden (u. a. "contaminated sites"). Diese sollten einheitlich und in Übereinstimmung mit vorhandenen Begriffsdefinitionen von Mitgliedstaaten festgelegt werden. Im deutschen Bodenschutzrecht sind entsprechende Begriffsdefinitionen verankert, die als Orientierung dienen können.
- 14. Die Vorgaben zum integrativen Ansatz in Artikel 3 des Richtlinienvorschlags, welcher eine Berücksichtigung des Bodenschutzes in anderen Politikbereichen vorsieht, sind nicht erforderlich und verursachen unnötige Bürokratie, weil der Ansatz durch bestehende EU-Vorschriften, z.B. die Umweltverträglichkeitsprüfung bei Vorhaben oder die strategische Umweltprüfung bei Plänen und Programmen, und im deutschen Fachrecht, das vielfach auf EU-Vorgaben fußt, z.B. im Abfall- und Düngerecht, sowie in den Regelungen zu Cross Compliance heute schon umgesetzt wird. Weitergehende Anforderungen, insbesondere zur Beschreibung und Bewertung von Auswirkungen erübrigen sich. (bei Annahme entfällt Ziffer 15)
- 15. Der integrative Ansatz in Artikel 3 des Richtlinienvorschlags, welcher eine Berücksichtigung des Bodenschutzes in anderen Politikbereichen vorsieht, wird in Deutschland heute schon z.B. im Abfall- und Düngerecht sowie in den Regelungen zu Cross Compliance umgesetzt.
- 16. Die in Artikel 4 des Richtlinienvorschlags geregelte Verpflichtung von Landnutzern zu Vorsorgemaßnahmen gegen nachteilige Auswirkungen auf den Boden wird in Deutschland insbesondere durch §§ 7 und 17 des Bundes-Bodenschutzgesetzes umgesetzt. Darüber hinausgehende Regelungen [sind nicht erforderlich und] werden abgelehnt.
- 17. Der Aspekt eines sparsamen und schonenden Umgangs mit der Ressource Boden ist bei den weiteren Verhandlungen über die Richtlinie auf EU-Ebene relevant. In diesem Zusammenhang sollte auch die besondere Bedeutung des Flächenrecyclings hervorgehoben werden.
- 18. Insbesondere die Regelungen zu Kapitel II "Risikovermeidung und -minderung, Wiederherstellung" des Richtlinienvorschlags berücksichtigen nicht [die bereits erfolgte Integration des Bodenschutzes in andere Politikbereiche (wie z.B. Cross Compliance im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik) und] die von den Mitgliedstaaten erbrachten Vorleistungen und lassen daher einen Abgleich mit den vorhandenen Standards vermissen.
- 19. [Es wird darauf hingewiesen, dass im Bereich der Landwirtschaft die in Kapitel II des Richtlinienvorschlags beschriebenen Anforderungen zur Vorsorge durch Einhaltung der Anforderungen aus dem Bereich Cross Compliance sowie der Vorgaben zur Guten Fachlichen Praxis des deutschen Bodenschutzrechts erfüllt werden, so dass] {im Ergebnis} für den Landwirtschaftsbereich keine darüber hinausgehenden {neuen Anforderungen} und [Regelungen auf europäischer Ebene] erforderlich sind.
- 20. Vor dem Hintergrund der hohen Betroffenheit vor allem der Land- und Forstwirtschaft mit einem hohen Eigeninteresse am Erhalt ihrer Produktionsgrundlage Boden verursacht dieser Ansatz einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand und ist für einen ausreichenden Bodenschutz nicht notwendig.
- 21. Der im Richtlinienvorschlag enthaltene Ansatz, Risikogebiete zur Vermeidung und Verminderung von Bodenrisiken und -verschlechterungen und zur Wiederherstellung von Bodenfunktionen auszuweisen, von denen z.B. die Land- und Forstwirtschaft betroffen sind, und diese Gebiete dauerhaft zu verwalten, wird abgelehnt. Er ist für einen ausreichenden Bodenschutz nicht notwendig. Die Richtlinie 2004/35/EG über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (Umwelthaftungsrichtlinie) sieht auch für Schädigungen des Bodens umfangreiche Bestimmungen zur Vermeidung und Sanierung vor. Nach der Umwelthaftungsrichtlinie haben die Verursacher die dadurch entstehenden Kosten unmittelbar zu tragen.
- 22. Bevor weitere Bodenschutzvorschriften für die Landwirtschaft auf EU-Ebene erlassen werden, ist zunächst abzuwarten, bis die GAP-Reform in den Mitgliedstaaten umgesetzt und ihre positiven Bodenschutzeffekte bewertet worden sind.
- 23. In Zusammenhang mit Kapitel III "Bodenverunreinigung" des Richtlinienvorschlags wird betont, dass auf Grund der über 20-jährigen Erfahrung im Umgang mit Bodenverunreinigungen in Deutschland, insbesondere auf Ebene der Länder, bereits umfangreiche Vorleistungen erbracht worden sind. Dies betrifft vor allem Erhebungen von altlastrelevanten Standorten, Gefährdungsabschätzungen und Sanierungsmaßnahmen sowie Forschungs- und Entwicklungsvorhaben.
- 24. Eine Verankerung EU-weit einheitlicher Vorgehensweisen ohne Berücksichtigung der unterschiedlichen Vorprägungen der Mitgliedstaaten und des Status quo der in den Mitgliedstaaten zum Bereich Bodenverunreinigungen vorhandenen Maßstäbe, Vorgehensweisen, empirischen Daten und Modelle, würde zu unnötigen und nicht vertretbaren Vollzugsbelastungen führen.
- 25. Bevor EU-weite vergleichbare Vorgehensweisen verankert werden, sollte zunächst unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Vorprägungen der Mitgliedstaaten der Status quo der in den Mitgliedsstaaten zum Bereich Bodenverunreinigungen vorhandenen Maßstäbe, Vorgehensweisen, empirischen Daten und Modelle ermittelt werden. Erst danach sollte unter Beteiligung der Mitgliedsstaaten eine Diskussion über europaweit einheitliche Mindeststandards und Beurteilungsgrundsätze zum Umgang mit Bodenverunreinigungen unter Rückgriff auf Vorleistungen der Mitgliedsstaaten und unter Berücksichtigung der nationalstaatlichen Verantwortung geführt werden. Vorherige Festlegungen von Fristen zur Durchführung von Maßnahmen oder Abgabe von Berichten - wie im Richtlinienvorschlag enthalten - führen zu erheblichen Vollzugsbelastungen und sind daher abzulehnen.
- 26. Vor dem Hintergrund bereits existierender Anforderungen und Standards des deutschen Bodenschutzrechts müsste eine Richtlinie komplizierte Abgrenzungsregeln zu anderen Rechtsbereichen auf EU- und nationaler Ebene, in denen der Bodenschutz bereits geregelt wird, entwickeln. Ähnliches gilt hinsichtlich der weitergehenden Berichtspflichten für die Belange des Datenschutzes, insbesondere hinsichtlich der Veröffentlichung von personenbezogenen Daten.
- 27. Mit Blick auf bereits existierende Anforderungen und Standards des deutschen Bodenschutzrechts und auf den Klarstellungsbedarf im vorliegenden Richtlinienvorschlag wird auf Folgendes hingewiesen:
- - Einheitliche Mindeststandards sind für die Gefahrenbewertung bei den Wirkungspfaden Boden-Mensch (Direktpfad), Boden-Pflanze und Boden-Grundwasser erforderlich.
- - Die Erfassung der potenziell Boden verunreinigenden Tätigkeiten sollte sich auf die in Deutschland als relevant erwiesenen Branchen und dabei nicht auf Anlagentypen oder Gebiete als Ganzes, sondern auf die potenziell verunreinigten Teilflächen/verschmutzenden Tätigkeiten (Anhaltspunkte) beschränken, um erneute kostenintensive Erfassungen zu vermeiden.
- - Im Zuge der Verfahren zur Bestimmung verunreinigter Standorte ist eine Gefährdungsabschätzung, die auf der Grundlage umfassenderer Untersuchungs- und Bewertungsmethoden erfolgt, den regelmäßigen und dabei häufig überflüssigen Messungen von Schadstoffgehalten im Boden gemäß Artikel 11 Abs. 3 des Richtlinienvorschlags vorzuziehen.
- 28. - Die generelle und verpflichtende Institutionalisierung des "Berichts über den Zustand des Bodens" stellt für potenziell verunreinigte Standorte im Grundstücksverkehr einen wesentlichen Beitrag zu den erheblichen Kostenfolgen des Richtlinienvorschlags dar und liefert dabei keinen relevanten Mehrwert für den Bodenschutz. Im Rahmen der die Richtlinie begleitenden Bodenschutzstrategie sollten nur Empfehlungen für eine freiwillige Lösung gegeben werden.
- 29. - Neben den im Richtlinienvorschlag angesprochenen unterschiedlichen Sanierungsmöglichkeiten, wie Dekontamination und Sicherung, sind auch weitere Optionen, wie geeignete Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen oder die Berücksichtigung von natürlichen Schadstoffminderungsprozessen, in Maßnahmenkonzepten zu berücksichtigen.
- 30. Vorgaben für eine nationale Sanierungsstrategie sind verzichtbar. Diesbezüglich vorhandene nationale Regelungen in Deutschland, die formalisiert Bodensanierungen sicherstellen, werden als ausreichend angesehen.
- 31. In Deutschland wurden bereits zahlreiche erfolgreiche Anstrengungen zur Stärkung des Bodenbewusstseins in der Öffentlichkeit und für einen Wissens- und Erfahrungsaustausch unternommen.
- 32. Gleichwohl wird eine weitere Sensibilisierung der Öffentlichkeit gemäß Artikel 15 Abs. 1 des Richtlinienvorschlags unterstützt.
- 33. Vorgaben durch die EU, die über die Umweltinformationsrichtlinie hinausgehen, sind jedoch unnötig.
- 34. Bei Nutzung vorhandener Daten unter Beachtung der Ziffern 3 und 8 bis 11 sollen weitergehende Berichtspflichten nicht Gegenstand einer Richtlinie sein. Dabei sind die Belange des Datenschutzes, insbesondere hinsichtlich der Veröffentlichung von personenbezogenen Daten, zu beachten.
- 35. Die Einrichtung einer europaweiten Plattform zum Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten kann grundsätzlich den Wissenstransfer fördern und Synergien erschließen.
- 36. Ein rechtlicher, verpflichtender Rahmen ist hierfür jedoch nicht erforderlich.
- 37. Bei der Einrichtung einer diesbezüglichen Plattform ist jedoch auf eine pragmatische Vorgehensweise unter Berücksichtigung der in den Mitgliedstaaten vorhandenen Systeme sowie auf Kompatibilität zu nationalen Informationssystemen zu achten. Entsprechende klarstellende Formulierungen sollten bereits im Richtlinienvorschlag verankert werden. (bei Annahme entfällt Ziffer 38)
- 38. Bei der freiwilligen Einrichtung einer diesbezüglichen Plattform im Rahmen einer EU-Bodenschutzstrategie wird bereits aus Kostengründen auf eine pragmatische Vorgehensweise unter Berücksichtigung der in den Mitgliedstaaten vorhandenen Systeme sowie auf Kompatibilität zu nationalen Informationssystemen geachtet werden.
- 39. Das Verhältnis von Bodenrahmenrichtlinie und Umwelthaftungsrichtlinie wird durch die Regelungen in Artikel 23 des Richtlinienvorschlags nicht hinreichend geklärt.
- 40. Seit Inkrafttreten des Vertrags von Nizza am 1. Februar 2003 erlässt der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments, des Wirtschafts- und Sozialausschusses sowie des Ausschusses der Regionen im Bereich Umwelt (Titel XIX EGV) "einstimmig Maßnahmen, die die Bodennutzung mit Ausnahme der Abfallbewirtschaftung berühren" (Artikel 175 Abs. 2 EGV). Der Bundesrat ist der Auffassung, dass der Richtlinienvorschlag der Kommission die Bodennutzung erheblich berührt und daher Einstimmigkeit im Rat erforderlich ist.
- 41. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme der Kommission.
Begründung zu den Ziffern des A (nur gegenüber dem Plenum):
Der Bundesrat hat mit seinem Beschluss vom 15. Dezember 2006 den Bodenrahmenrichtlinien-Vorschlag der Kommission aus grundsätzlichen Erwägungen abgelehnt, u.a. weil der Vorschlag eine "Überregulierung" darstellt, mit dem Subsidiaritätsgrundsatz nicht im Einklang steht, unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand und unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht, vom unbeweglichen Boden kaum grenzüberschreitende Wirkungen ausgehen und nationale Regelungen der bessere Ansatz sind (BR-Drucksache 696/06(B) vom 15. Dezember 2006). Mit dem vorliegenden Vorschlag wird betont, dass sich diese grundsätzliche Einschätzung des Bundesrates nicht geändert hat. Sie wird ferner noch eingehender begründet.
Artikel 3 des Richtlinienvorschlags ist nicht erforderlich und verursacht unnötige Bürokratie. In Deutschland sind genügend Instrumente vorhanden, mit denen die Bodenschutzbelange bei der Ausarbeitung von Maßnahmen in anderen Politikbereichen ausreichend berücksichtigt und mit anderen Belangen angemessen abgewogen werden.
Der Risikogebietsansatz in Kapitel II des Vorschlags ist mit zu viel zusätzlicher Bürokratie für die Verwaltung und betroffenen Wirtschaftsteilnehmer verbunden.
In der Folgenabschätzung und anderen Dokumenten der Kommission werden für den Bereich Land- und Forstwirtschaft hierzu beispielhaft unter anderem folgende Maßnahmen aufgeführt: Bewirtschaftungsauflagen für Ackerland, Umwandlung von Ackerland in Grünland oder Wald, Anlegen und Pflege von Terrassen oder Landschaftselementen, Beschränkung des Maschinengewichts, Auflagen zur Bereifung von Maschinen, Rückführung der Viehdichte, Kahlschlagverbote, Auflagen für eine naturnahe Waldwirtschaft. Diese müssten in den Risikogebieten rechtsverbindlich eingeführt und kontrolliert werden. Damit würde der zusätzliche Verwaltungsaufwand für die Risikogebiete den bestehenden Verwaltungsaufwand für Cross Compliance erheblich übersteigen, gleichzeitig würden jedoch die jeweiligen Schutzziele wegen mangelhafter Datengrundlage nicht erreicht. Angesichts der vorgesehenen großräumigen Abgrenzung der Risikogebiete wären die genannten Maßnahmen vielfach auch nicht verursachergerecht. Es wären ähnliche Diskussionen wie bei der Ausweisung und Verwaltung von FFH-Gebieten zu erwarten. Der Risikogebietsansatz steht damit im Widerspruch zu den Entbürokratisierungsbemühungen der EU und Bundesregierung. Die zusätzliche Bürokratie ist auch vor dem Hintergrund des Eigeninteresses der Landeigentümer am Erhalt ihrer Böden in einem guten Zustand nicht verhältnismäßig. Das gilt vor allem für die Land- und Forstwirtschaft, für die der Boden die wichtigste Produktionsgrundlage ist.
Auch sieht die Richtlinie 2004/35/EG über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (Umwelthaftungsrichtlinie) für Schädigungen des Bodens umfangreiche Bestimmungen zur Vermeidung und Sanierung vor. Nach der Umwelthaftungsrichtlinie haben die Verursacher die dadurch entstehenden Kosten unmittelbar zu tragen.
Kapitel III des Richtlinienvorschlags würde erhebliche Änderungen im deutschen Bodenschutzrecht erfordern und dies erheblich bürokratischer ausgestalten, ohne dass erkennbar wird, dass damit auch der Bodenschutz in Deutschland unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verbessert wird. Auch dieser Teil des Vorschlags wird daher abgelehnt.
Zur Rechtsgrundlage ist festzustellen, dass die neue Fassung des Artikels 175 Abs. 2 EGV nach dem Vertrag von Nizza gegenüber der alten Fassung nach dem Vertrag von Amsterdam zwei wesentliche Änderungen beinhaltet. Zum einen wurde geregelt, dass Einstimmigkeit im Rat nicht erst erforderlich ist, wenn die Maßnahme (z.B. Richtlinie) die Bodennutzung regelt, sondern es reicht nunmehr für die Einstimmigkeit aus, wenn die Maßnahme die Bodennutzung "berührt". Ausgenommen hiervon sind nur Maßnahmen zur Abfallbewirtschaftung, die die Bodennutzung berühren. Zum anderen wurde die Ausnahme, dass "allgemeine Maßnahmen", die die Bodennutzung regeln, dem Mitentscheidungsverfahren unterliegen, gestrichen. Das "Berühren" der Bodennutzung muss außerdem nicht "erheblich" sein. Ein erhebliches Berührtsein wird nur bei Maßnahmen gefordert, die die Wahl eines Mitgliedstaats zwischen verschiedenen Energiequellen und die allgemeine Struktur seiner Energieversorgung betreffen (Artikel 175 Abs. 2 Buchstabe c EGV). Mit den genannten Änderungen durch den Vertrag von Nizza erfolgte eine deutliche Ausweitung des Einstimmigkeitsprinzips. Dies geschah vor dem Hintergrund, dass der Boden überwiegend im Privateigentum steht und vom Boden kaum grenzüberschreitende Wirkungen ausgehen. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass durch den Richtlinienvorschlag die Bodennutzung erheblich berührt wird und daher im Rat Einstimmigkeit erforderlich ist.
*) Erster Beschluss des Bundesrates vom 15. Dezember 2006, BR-Drucksache 696/06(B) ; Wiederaufnahme der Beratungen gemäß § 45a Abs. 4 GO BR (jetzt: EU, A, U)