Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und
der Rechtsausschuss
empfehlen dem Bundesrat,
zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat weist darauf hin, dass für die vorgeschlagene Richtlinie über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen keine Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft besteht. Nach Artikel 61 Buchstabe c EGV erlässt der Rat zum schrittweisen Aufbau eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen gemäß Artikel 65 EGV. Diese Maßnahmen müssen nach Artikel 65 EGV Zivilsachen mit grenzüberschreitenden Bezügen betreffen und für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich sein. Durch die im Richtlinienvorschlag ausdrücklich vorgesehene Einbeziehung rein innerstaatlicher Sachverhalte wird der durch die vorgenannten Bestimmungen gezogene Rahmen nicht mehr gewahrt. Das Merkmal grenzüberschreitender Bezüge ist ein unabdingbares Erfordernis. Dabei genügen nur theoretische grenzüberschreitende Wirkungen nicht; vielmehr muss das grenzüberschreitende Element - wie auch der Juristische Dienst des Rates zuletzt in seinem Gutachten vom 4. Juni 2004 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (Dokument 10107/04, JUR 267 JUSTIV 80 CODEC 800) ausgeführt hat - tatsächlich und unmittelbar gegeben sein (vgl. hierzu auch das Gutachten des Juristischen Dienstes vom 17. April 2002 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch die Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe und andere mit Zivilverfahren verbundene finanzielle Aspekte, so genannte PKH-Richtlinie - Dokument 7862/02, JUR 143 JUSTIV 48 -). Die in dem vorliegenden Vorschlag für eine Richtlinie vorgesehene undifferenzierte Erstreckung ihres Anwendungsbereichs auch auf rein innerstaatliche Sachverhalte wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
Im Übrigen ist die Einbeziehung rein innerstaatlicher Sachverhalte in den Anwendungsbereich der vorgeschlagenen Richtlinie auch nicht für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich. Es ist nicht dargelegt, dass das Funktionieren des Binnenmarktes als Raum ohne Binnengrenzen (vgl. Artikel 14 Abs. 2 EGV) dadurch beeinträchtigt wird, dass den Beteiligten einer rein innerstaatlichen Streitsache möglicherweise andere Rechtschutzmöglichkeiten zur Verfügung stünden.
- 2. Die Bundesregierung möge darauf hinwirken, dass die in Artikel 3 Abs. 1 Satz 2 auf Verlangen des Gerichts vorgesehene Teilnahme an einer Informationsveranstaltung herausgenommen wird. Eine solche verpflichtende Teilnahme ist der Zivilprozessordnung fremd. Sie könnte als eine Vorstufe zu einer Zwangsmediation missverstanden werden. Schließlich werden derartige Informationsveranstaltungen nicht in hinreichender Zahl angeboten. Die Landesjustizverwaltungen sehen sich nicht in der Lage, Informationsveranstaltungen zur Mediation an jedem Gerichtsstandort vorzuhalten.
- 3. Die Bundesregierung möge darauf hinwirken, dass in Artikel 3 Abs. 2 des Richtlinienvorschlags - Verweis auf die Mediation - klargestellt wird, dass die Vorschrift nur Fälle mit Auslandsbezug regelt. Dies könnte beispielsweise durch Streichung des Wortes "insbesondere" erreicht werden. Durch die derzeitige Formulierung könnte der Eindruck erweckt werden, dass auch die Fälle geregelt werden sollen, die keine grenzüberschreitenden Bezüge aufweisen. Insoweit wird auf Ziffer 1 dieser Stellungnahme Bezug genommen.
- 4. Die Bundesregierung möge darauf hinwirken, dass in Artikel 4 Abs. 2 des Richtlinienvorschlags - Sicherstellung der Qualität der Mediation - der Gefahr vorgebeugt wird, dass die Förderung der Ausbildung von Mediatoren auch als finanzielle Unterstützung einer solchen Ausbildung durch die Mitgliedstaaten verstanden werden könnte. Die gegenwärtige Formulierung in der deutschen Übersetzung "fördern" könnte eine solche Interpretation nahe legen. Da Mediatoren im Sinne dieses Richtlinienvorschlags nicht nur richterliche, sondern insbesondere auch freiberufliche Mediatoren sind, kann eine derartige Ausbildungsverpflichtung nicht übernommen werden.
- 5. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zu prüfen, ob nicht klargestellt werden sollte, dass der Anwendungsbereich des Artikels 5 des Richtlinienvorschlags lediglich Mediationsvereinbarungen umfasst, die nicht nach innerstaatlichem Recht bereits vollstreckbar sind, d.h. nicht titulierte, privatrechtliche Vereinbarungen. Dies könnte etwa dadurch geschehen, dass gemeinschaftsrechtlich lediglich die Vorgabe getroffen wird, dass die Mitgliedstaaten den Parteien eine Möglichkeit eröffnen müssen, durch Mitwirkung eines Gerichts, einer Behörde oder eines öffentlichen Amtsträgers einen vollstreckungsfähigen Titel über das Mediationsergebnis zu schaffen.
Ferner bittet der Bundesrat die Bundesregierung zu prüfen, ob nicht klargestellt werden sollte, dass die Bestätigung einer Mediationsvereinbarung nach Artikel 5 Abs. 1 des Vorschlags auch durch einen Notar vorgenommen werden kann. Es erscheint unklar, ob der Notar unter den Begriff der Behörde im Sinne des Artikels 5 fällt. Sollte dies nicht der Fall sein, müsste Artikel 5 insoweit ergänzt bzw. die deutsche Übersetzung klarer gefasst werden. Der Begriff der Behörde wird im englischen Dokument als "public authority" und in dem französischen als "autorité publique" bezeichnet. Der Begriff des "öffentlichen Amtsträgers" wäre insoweit eine geeignete Übersetzung. Eine weitere Möglichkeit wäre es, Artikel 5 so zu ergänzen, dass die Bestätigung auch "durch eine andere von dem Mitgliedstaat hierzu ermächtigten Stelle" erteilt werden kann. Diese Formulierung entspricht derjenigen in der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen.
- 6. Der Erfolg von außergerichtlichen Streitschlichtungsverfahren hängt von der Bereitschaft der Parteien zur Offenlegung aller relevanten Fakten ab. Dies setzt voraus, dass die Parteien darauf vertrauen können, dass ihnen aus der Offenlegung von Informationen im Mediationsprozess bei einem Scheitern der Verhandlungen insbesondere in einem nachfolgenden streitigen Verfahren keine Nachteile erwachsen. Es ist daher zu begrüßen, dass die Vertraulichkeit und die Verwendung von Erkenntnissen aus der Mediation in Gerichtsverfahren ausdrücklich geregelt werden sollen. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass zu detaillierte Reglementierungen den besonderen Vorteil außergerichtlicher Streitschlichtungsverfahren und damit die Attraktivität dieser Verfahren für Streitparteien mindern. Mediation zeichnet sich durch ein hohes Maß an Flexibilität und Einzelfallbezogenheit aus, dem die starre Regelung der Geheimhaltungspflicht, die der Richtlinienvorschlag vorsieht, nicht gerecht wird, zumal der Anwendungsbereich durch Artikel 2 des Richtlinienvorschlags sehr weit gefasst wird. Auch der Grad der gewünschten Vertraulichkeit kann individuell unterschiedlich sein und sollte von den Beteiligten autonom festgelegt und nicht vom Gesetzgeber vorgegeben werden.
Vorzugswürdig wäre daher eine Regelung in Anlehnung an die Richtlinien der Bundesarbeitsgemeinschaft für Familien-Mediation (BAFM), nach der die Beteiligten vor Beginn der Mediation im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten des jeweiligen Mitgliedstaates eine schriftliche Vereinbarung über die Vertraulichkeit des Mediationsprozesses zu treffen haben. Eine solche Regelung würde Raum für eine individuelle, an die Bedürfnisse der Streitparteien angepasste Gestaltung lassen und dem Grundgedanken des außergerichtlichen Streitschlichtungsverfahrens eher entsprechen.