Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 305610 - vom 9. April 2008.
Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 13. März 2008 angenommen.
Das Europäische Parlament,
- - unter Hinweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und insbesondere deren Artikel 3, demzufolge niemand in Länder abgeschoben, ausgewiesen oder ausgeliefert werden darf, in denen eine ernsthafte Gefahr besteht, dass er der Todesstrafe, Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe unterworfen würde,
- - unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und insbesondere deren Artikel 18 und 19 betreffend das Recht auf Asyl und den Schutz bei Abschiebung, Ausweisung und Auslieferung,
- - unter Hinweis auf die Genfer Konvention vom 28. Juli 1951 und das Protokoll vom 31. Januar 1967 betreffend den Status von Flüchtlingen,
- - unter Hinweis auf die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes1 ("Anerkennungsrichtlinie") und die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist2 ("Dublin-Verordnung"), sowie andere Rechtsakte der Europäischen Union zum Asylrecht,
- - unter Hinweis auf das Schreiben seines Präsidenten vom 10. September 2007 an den Premierminister des Vereinigten Königreichs zum Fall von Pegah Emambakhsh, einer lesbischen Frau aus dem Iran, die Gefahr lief, nach Ablehnung ihres Asylantrags in den Iran zurückgeschickt zu werden,
- - gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,
A. unter Hinweis darauf, dass Seyed Mehdi Kazemi, ein 19-jähriger homosexueller Staatsbürger Irans, Asyl im Vereinigten Königreich beantragt hat und sein Antrag abschlägig beschieden wurde; unter Hinweis darauf, dass er aus Furcht vor seiner Abschiebung in die Niederlande floh, wo er Asyl beantragte; unter Hinweis darauf, dass die niederländischen Behörden nach Prüfung seines Antrags beschlossen haben, ihn in das Vereinigte Königreich zurückzuschicken,
B. unter Hinweis darauf, dass die Behörden des Vereinigten Königreichs jetzt für den endgültigen Beschluss über seinen Asylantrag und seine mögliche Abschiebung in den Iran zuständig sind,
C. unter Hinweis darauf, dass die iranischen Behörden routinemäßig Personen inhaftieren, foltern und hinrichten, vor allem Homosexuelle; unter Hinweis darauf, dass der Partner von Mehdi Kazemi bereits hingerichtet worden ist und sein Vater ihn mit dem Tode bedroht hat,
D. unter Hinweis darauf, dass die Behörden des Vereinigten Königreichs im vergleichbaren Fall von Pegah Emambakhsh auf internationalen Druck hin beschlossen haben, sie nicht in den Iran abzuschieben, obwohl ihr weiteres Schicksal jedoch noch immer unklar ist,
E. unter Hinweis darauf, dass der Sprecher des Premierministers zwar nicht auf den Fall von Seyed Mehdi Kazemi eingegangen ist, jedoch allgemeine Zusicherungen dahin gehend abgegeben hat, dass die Asylverfahren des Vereinigten Königreichs im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen ablaufen und die Möglichkeit besteht, gegen Asylbeschlüsse vor einem unabhängigen Richter Klage zu erheben, und die Behörden niemanden abschieben würden, dem bei seiner Rückkehr Gefahr droht,
F. unter Hinweis darauf, dass der ordnungsgemäßen Anwendung der Asylrechtsbestimmungen der Europäischen Union in den Mitgliedstaaten in Fällen, die die sexuelle Ausrichtung betreffen, mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte,
- 1. bekundet seine ernsthafte Sorge über das Schicksal von Seyed Mehdi Kazemi;
- 2. fordert die angemessene und uneingeschränkte Anwendung der Anerkennungsrichtlinie, in der die Verfolgung aufgrund der sexuellen Ausrichtung als Grund für die Gewährung von Asyl anerkannt und verfügt wird, dass die Mitgliedstaaten den Einzelfall und die Lage im Herkunftsland - einschließlich der Gesetze und Vorschriften und der Art und Weise ihrer Handhabung - zu prüfen haben;
- 3. glaubt, dass die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten EU-Recht sowie nationale Gesetze und Verfahren nicht in einer Weise anwenden können, die zur Ausweisung von Personen in ein Drittland führen würde, in dem ihnen Verfolgung, Folter und Tod drohen würde, da dies auf einen Verstoß gegen europäische und internationale Verpflichtungen auf dem Gebiet der Menschenrechte hinauslaufen würde;
- 4. richtet an die beteiligten Mitgliedstaaten den Aufruf, eine gemeinsame Lösung zu finden um sicherzustellen, dass Seyed Mehdi Kazemi Asyl oder Schutz auf dem Gebiet der Europäischen Union gewährt und er nicht nach Iran zurückgeschickt wird, wo er höchstwahrscheinlich hingerichtet würde, und so sicherzustellen, dass Artikel 3 der EMRK von allen europäischen Behörden und im vorliegenden Falle insbesondere vom Vereinigten Königreich uneingeschränkt beachtet wird; fordert die Kommission und den Rat auf, in diesem Fall umfassend mit den Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten
- 5. fordert die Institutionen der Europäischen Union und die Mitgliedstaten auf, Maßnahmen zu ergreifen, um im Wege der Zusammenarbeit und mit Hilfe von Leitlinien der Europäischen Union für Lösungen in vergleichbaren Fällen zu vermeiden dass ähnliche Situationen in Zukunft auftreten; fordert die Kommission auf, die Anwendung der Asylrechtsbestimmungen der Europäischen Union in den Mitgliedstaaten - unter besonderer Berücksichtigung von Fällen betreffend die sexuelle Ausrichtung - zu überwachen und zu bewerten und dem Europäischen Parlament Bericht zu erstatten; unterstreicht, dass die Kommission für 2008 Änderungen an der Dublin-Verordnung und der Anerkennungsrichtlinie angekündigt hat, mit denen die in der vorliegenden Entschließung aufgeworfenen Fragen angegangen werden sollen;
- 6. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission, dem Rat, den Mitgliedstaaten, dem Hochkommissariat der Vereinten Nationen für das Flüchtlingswesen und Seyed Mehdi Kazemi zu übermitteln.
- 1 ABl. L 304 vom 30. September 2004, S. 12.
- 2 ABl. L 50 vom 25.2.2003, S. 1.