Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung) KOM (2009) 551 endg./2; Ratsdok. 14863/1/09

Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 28. Oktober 2009 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 27.Oktober 2009 dem Bundesrat zugeleitet.

Die Vorlage ist von der Kommission am 21. Oktober 2009 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss und der Ausschuss der Regionen werden an den Beratungen beteiligt.


Hinweis: vgl.
Drucksache 1017/01 = AE-Nr. 013573 und
Drucksache 414/07 (PDF) = AE-Nr. 070484

Begründung

1. Kontext des Vorschlags

1.1. Gründe und Ziele

Bei diesem Vorschlag handelt es sich um eine Neufassung der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes1 ("Anerkennungsrichtlinie" oder "Richtlinie").

Im Haager Programm wurde die Kommission aufgefordert, die Bewertung der Rechtsakte aus der ersten Phase abzuschließen und dem Rat und dem Europäischen Parlament Vorschläge für die Rechtsakte und Maßnahmen der zweiten Phase so vorzulegen, dass diese vor Ende 2010 angenommen werden können. In der Asylstrategie2 schlug die Kommission vor, dass die zweite Phase des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems durch Anhebung der Schutzstandards und Gewährleistung ihrer konsequenten EU-weiten Anwendung abgeschlossen werden sollte. Der am 16. Oktober 2008 angenommene Europäische Pakt zu Einwanderung und Asyl ("Pakt") verlieh diesem Ziel weiteren politischen Rückhalt und gab neue Anstöße mit der Forderung, dass Initiativen ergriffen werden sollten, um die Einführung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems zu vollenden und so ein höheres Schutzniveau zu bieten.

Der Kommission liegen inzwischen umfassende Informationen über die Umsetzung der Richtlinie, deren begriffliche Unzulänglichkeiten und die Art und Weise ihrer Anwendung in der Praxis vor.

Wie die Kommission anhand dieser Informationen feststellte, besteht ein Hauptproblem darin, dass die angenommenen Mindestnormen ungenau und unklar formuliert sind. Dies hat zur Folge, dass sie

Der vorliegende Vorschlag wird zusammen mit der Neufassung der Asylverfahrensrichtlinie angenommen, um auf der derzeitigen Rechtsgrundlage ein höheres Maß an Harmonisierung und bessere materiell- und verfahrensrechtliche Schutznormen zu gewährleisten und somit, wie im Haager Programm gefordert, weitere Fortschritte im Hinblick auf die Einführung eines gemeinsamen Asylverfahrens und eines einheitlichen Status zu erzielen. Folgende Änderungen sind geplant:

Konkret bedeutet dies:

Was den finanziellen und bürokratischen Aufwand für geplante Maßnahmen von Mitgliedstaaten anbelangt, deren Asylsystem vor allem aufgrund ihrer geografischen oder demografischen Lage einem besonderen und unverhältnismäßigen Druck ausgesetzt ist, so werden Mittel des Europäischen Flüchtlingsfonds bereitgestellt, um die betreffenden Mitgliedstaaten in geeigneter Weise zu unterstützen und eine gerechtere Lastenteilung zwischen allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Außerdem wird das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen gemeinsame Maßnahmen zugunsten besonders belasteter Mitgliedstaaten koordinieren und unterstützen und generell den Mitgliedstaaten dabei helfen, die kostengünstigsten Möglichkeiten zur Durchführung der geplanten Maßnahmen durch gemeinsame Nutzung bewährter Praktiken und den strukturierten Austausch von Fachkenntnissen von hohem Niveau zu bestimmen.

1.2. Allgemeiner Kontext

Für die erste Phase des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems hatte der Europäische Rat auf seiner Tagung in Tampere das Ziel vorgegeben, die rechtlichen Rahmenbedingungen der Mitgliedstaaten auf der Grundlage gemeinsamer Mindestnormen zu harmonisieren. So wurde die Anerkennungsrichtlinie angenommen, um gemeinsame Kriterien zur Bestimmung der Personen, die internationalen Schutz benötigen, festzulegen und sicherzustellen, dass diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.

Mit dem vorliegenden Vorschlag sollen die Mängel beseitigt werden, die in den Asylvorschriften der ersten Generation festgestellt worden waren; außerdem sollen bessere und einheitlichere Schutzstandards gewährleistet und somit, wie in den Schlussfolgerungen von Tampere gefordert und im Haager Programm bekräftigt, weitere Fortschritte im Hinblick auf die Einführung eines gemeinsamen Asylverfahrens und eines einheitlichen Status erzielt werden. In der Folgenabschätzung zu diesem Vorschlag werden eingehend die Probleme erläutert, die sich bei dieser Richtlinie stellen, sowie die Vorarbeiten zu ihrer Neufassung und die verschiedenen Lösungsoptionen, einschließlich der Option, der hier der Vorzug gegeben wird.

1.3. Übereinstimmung mit anderen Maßnahmen und Zielen der Union

Dieser Vorschlag steht in Bezug auf die Schaffung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems in vollem Einklang mit den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Tampere aus dem Jahr 1999 und dem Haager Programm von 2004.

2. Anhörung der Interessierten Kreise

Die Vorschläge, die anlässlich des Grünbuchs vom Juni 2007 vorgelegt wurden, und die oben erwähnten Studien zur Bewertung der Umsetzung der Richtlinie lieferten der Kommission wertvolle Informationen zu den Aspekten, die in dem Änderungsvorschlag aufgegriffen werden müssen. Wie oben bereits näher erläutert wurde, organisierte die Kommission außerdem eine Reihe von Anhörungen, damit die Grundzüge der vorgeschlagenen Änderungen informell mit Vertretern der Mitgliedstaaten, von NRO und des UNHCR, mit für Flüchtlingsrecht zuständigen Richtern und mit Akademikern erörtert werden konnten.

Die Befragten sprachen sich für eine weitere Harmonisierung der Schutzgründe und des Inhalts des zu gewährenden Schutzes aus. Uneinig waren die Mitgliedstaaten in der Frage der Ausweitung der Definition des Begriffs "Familienangehörige" und hinsichtlich der Änderung der Definition einer "bestimmten sozialen Gruppe". Weitgehendes Einvernehmen bestand zwischen den Mitgliedstaaten darin, dass die mit dem Flüchtlingsstatus und dem subsidiären Schutzstatus verknüpften Rechte zwar angeglichen werden müssen, aber zwei separate Status beibehalten werden sollten. Dagegen befürworteten die Vertreter des UNHCR und der Zivilgesellschaft die Einführung eines einzigen einheitlichen Status. Die Beteiligten wiesen ferner nachdrücklich darauf hin, dass Artikel 15 Buchstabe c präzisiert werden muss.

Die Kommission schlägt einen pragmatischen Ansatz vor: So soll die Definition des Begriffs "Familienangehörige" dahingehend ausgeweitet werden, dass die Kohärenz mit den Vorschlägen zur Änderung der Dublin-Verordnung9 und der Richtlinie über die Aufnahmebedingungen10 gewährleistet ist. Was die Definition des Grundes "Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe" anbelangt, so sollen vor allem konkretere Anhaltspunkte für die Bedeutung geliefert werden, die geschlechtsspezifischen Aspekten beizumessen ist.

Darüber hinaus zielen die Änderungen darauf ab, alle Unterschiede bei der Behandlung der beiden Gruppen, die nicht als sachlich gerechtfertigt anzusehen sind, zu beseitigen, um unter Beibehaltung der Unterscheidung zwischen den beiden Status zu einem einheitlicheren Schutz zu gelangen.

Die Forderung, wonach eine "ernsthafte individuelle Bedrohung" gemäß Artikel 15 Buchstabe c vorliegen muss, wurde vom EuGH in seinem Urteil vom 17. Februar 2009 in der Rechtssache C-465/0711 ausgelegt. Der Gerichtshof legte die Bedingungen fest, unter denen eine solche Bedrohung für einen Antragsteller, der aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen nicht spezifisch betroffen ist, ausnahmsweise als gegeben angesehen werden kann, und gab Empfehlungen dazu ab, inwieweit der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt als Kriterium heranzuziehen ist, wenn bewertet werden soll, ob eine ernsthafte individuelle Bedrohung vorliegt. In diesem Zusammenhang überprüfte der Gerichtshof die Logik, die Struktur und den Wortlaut mehrerer Bestimmungen der Richtlinie und stellte fest, dass sie alle diese Auslegung in kohärenter Weise bestätigen und mit ihr in Einklang stehen. Außerdem kam er zu dem Schluss, dass diese Auslegung in vollem Umfang mit der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), einschließlich der Rechtsprechung des EGMR zu Artikel 3 EMRK, vereinbar ist. Angesichts der in diesem Urteil enthaltenen Auslegungsempfehlungen und des Umstands, dass die entsprechenden Bestimmungen als mit der EMRK vereinbar eingestuft wurden, wird daher eine Änderung von Artikel 15 Buchstabe c nicht als notwendig angesehen.

3. Rechtliche Aspekte

3.1. Zusammenfassung des Vorschlags

Mit dem Vorschlag soll vor allem Folgendes erreicht werden:

Daher behandelt der Vorschlag eine Reihe von Aspekten, die im Folgenden dargelegt werden.

Eine eingehende Erläuterung der Änderungen findet sich im Anhang zu diesem Vorschlag.

1. Akteure, die Schutz bieten können

Aufgrund der unzureichenden Klarheit dieses Konzepts kommt es zu starken Abweichungen und sehr weit gefassten Auslegungen, die den Vorgaben der Genfer Flüchtlingskonvention dazu, was einen angemessenen Schutz darstellt, möglicherweise nicht gerecht werden.

Beispielsweise haben einzelstaatliche Behörden, die die derzeitige Formulierung breit auslegen, auch Clans und Stämme als Akteure, die Schutz bieten können, in Betracht gezogen, obwohl diese bezüglich ihrer Fähigkeit, Schutz zu bieten, nicht Staaten gleichgestellt werden können. In anderen Fällen haben Behörden Nichtregierungsorganisationen in Bezug auf Frauen, denen die Gefahr einer Genitalverstümmelung oder eines Ehrenmordes droht, als Akteure, die Schutz bieten können, angesehen, obwohl solche Organisationen Opfern von Verfolgung nur vorübergehend Sicherheit bieten oder sogar nur Unterschlupf gewähren können. Um solche Schutzdefizite zu beseitigen und die uneingeschränkte Vereinbarkeit mit der Genfer Flüchtlingskonvention und einen qualitativ besseren und effizienteren Entscheidungsprozess sowie eine konsequente und kohärente Auslegung der verschiedenen Richtlinienbestimmungen zu gewährleisten, werden in dem Vorschlag die Kriterien zur Bewertung der Art des zu gewährenden Schutzes präzisiert.

Soweit die Richtlinie keine erschöpfenden Aufzählungen enthält, werden Begriffe wie "umfassen" oder "unter anderem" verwendet; die Tatsache, dass Artikel 7 keine solchen Begriffe enthält, lässt bereits auf den erschöpfenden Charakter der Aufzählung schließen. Dennoch sollte im Interesse der Klarheit ausdrücklich gesagt werden, dass die Akteure, die Schutz bieten können, erschöpfend aufgezählt werden.

Außerdem ist festzulegen, dass der Schutz wirksam und dauerhaft sein muss und dass nichtstaatliche Akteure, die Schutz bieten können, willens und in der Lage sein müssen, der Rechtsstaatlichkeit Geltung zu verschaffen. Die Bereitschaft, "Schutz zu bieten", spiegelt die bereits in Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie festgelegte Bedingung wider, dass der Antragsteller Zugang zu dem Schutz hat. Allein der Umstand, dass ein Akteur in der Lage ist, Schutz zu bieten, reicht nicht aus; er muss auch willens sein, die betreffende Person zu schützen. Umgekehrt reicht allein die "Bereitschaft, Schutz zu bieten" nicht aus, wenn die "Fähigkeit, Schutz zu bieten" nicht vorhanden ist. Der Zugang zum Schutz ist auch dann nicht gewährleistet, wenn Akteure grundsätzlich willens und in der Lage sind, Schutz zu bieten, diesen in Wirklichkeit aber nicht bieten oder wenn sie lediglich übergangsweise oder vorübergehend Schutz bieten können. Der Hinweis darauf, dass der Rechtsstaatlichkeit Geltung zu verschaffen ist, verstärkt eine Bedingung, die bereits in Artikel 7 Absatz 2 festgelegt ist (wirksame Rechtsvorschriften).

Im Übrigen gewährleistet die Bedingung, dass der Schutz wirksam und dauerhaft sein muss, die Kohärenz mit Artikel 11 Absatz 2 der Richtlinie, wonach für das Erlöschen des Schutzstatus die Veränderung der Umstände im Herkunftsland erheblich und nicht nur vorübergehend sein muss.

2. Interner Schutz

Zweck und Inhalt von internationalem Schutz beschränken sich nicht auf die Nichtzurückweisung. Daher muss angegeben werden, dass internationaler Schutz nur dann verwehrt werden kann, wenn zumindest in einem Teil des Herkunftslandes Schutz geboten wird. Außerdem muss sichergestellt werden, dass das Konzept des internen Schutzes mit Artikel 3 EMRK entsprechend der Auslegung in einem unlängst ergangenen Urteil des EGMR12 vereinbar ist. In der derzeitigen Definition fehlen nicht nur wesentliche Vorgaben dieses Urteils, sondern sie steht auch in völligem Widerspruch zu den von diesem Gerichtshof festgelegten Bedingungen.

Daher

3. Erfordernis eines "Kausalzusammenhangs"

In vielen Fällen, in denen die Verfolgung von nichtstaatlichen Akteuren wie Milizen, Clans, kriminellen Netzen, lokalen Gemeinschaften oder Familien ausgeht, wird sie nicht aus einem Grund in Zusammenhang mit den in der Genfer Flüchtlingskonvention aufgeführten Gründen begangen, sondern beispielsweise aus kriminellen Beweggründen oder um persönlich Rache zu üben. In solchen Fällen kommt es häufig vor, dass der Staat nicht in der Lage oder nicht willens ist, dem Betreffenden aus einem mit der Genfer Flüchtlingskonvention in Zusammenhang stehenden Grund (zum Beispiel Religion, Geschlecht, Rasse usw.) Schutz zu gewähren. Um etwaige Schutzdefizite zu beseitigen, sieht der Vorschlag ausdrücklich vor, dass das Erfordernis eines Zusammenhangs zwischen der Verfolgung und den Verfolgungsgründen auch dann erfüllt ist, wenn ein Zusammenhang zwischen der Verfolgung und fehlendem Schutz vor einer solchen Verfolgung besteht.

4. Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe

Das Geschlecht an sich reicht normalerweise nicht als Kriterium für die Definition einer bestimmten sozialen Gruppe aus; in der Regel wird es in Kombination mit anderen Faktoren wie Gesellschaftsschicht, Personenstand oder Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe oder einem Clan herangezogen. Allerdings kann es sein, dass Frauen in einigen Gesellschaften eine bestimmte soziale Gruppe bilden, wie Diskriminierungen bezüglich ihrer Grundrechte belegen. Der unklare Wortlaut des letzten Satzes von Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe d lässt Schutzdefizite und stark abweichende Auslegungen zu. Die Änderung soll eine eindeutige und zweckmäßige Orientierungshilfe bieten und die Kohärenz der Bestimmungen gewährleisten. Sie sieht daher vor, dass das Geschlecht bei der Definition einer bestimmten sozialen Gruppe angemessen zu berücksichtigen ist.

5. Aufhebung der Unterscheidung zwischen Flüchtlingsstatus und subsidiärem Schutzstatus

Die Verweise auf Ausnahmen von den den "Wegfall der Umstände" betreffenden Klauseln gemäß Artikel 1 Abschnitt C Absatz 5 und Artikel 1 Abschnitt C Absatz 6 der Genfer Flüchtlingskonvention wurden in der Anerkennungsrichtlinie weggelassen. Diese Ausnahmebestimmungen sehen die weitere Gewährung von Schutz aus "zwingenden, auf früheren Verfolgungen beruhenden Gründen" vor und werden dahingehend ausgelegt, dass sie ein allgemeines humanitäres Prinzip widerspiegeln. Mit dem Vorschlag werden diese Ausnahmebestimmungen sowohl für den Flüchtlingsstatus als auch für den subsidiären Schutzstatus eingeführt.

6. Differenzierung beim Inhalt der beiden Schutzstatus

Eine Änderung, mit der die Verfahren stark vereinfacht und gestrafft sowie die Verwaltungskosten reduziert werden sollen, zielt darauf ab, die den beiden Gruppen von Schutzberechtigten zuerkannten Rechte anzugleichen. Als der subsidiäre Schutzstatus eingeführt wurde, war davon ausgegangen worden, dass es diesen Status nur vorübergehend geben würde. Daher liegt es gemäß der Richtlinie im Ermessen der Mitgliedstaaten, den Betreffenden in bestimmten Aspekten weniger umfassende Rechte einzuräumen. Allerdings haben die bisherigen praktischen Erfahrungen gezeigt, dass diese ursprüngliche Annahme falsch war. Deshalb müssen etwaige Einschränkungen der Rechte von Personen mit subsidiärem Schutzstatus, die nicht mehr als notwendig und sachlich gerechtfertigt anzusehen sind, aufgehoben werden. Eine solche Angleichung der Rechte ist unumgänglich, um die uneingeschränkte Wahrung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung entsprechend der Auslegung in der jüngsten Rechtsprechung des EGMR13 und die uneingeschränkte Achtung des UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes zu gewährleisten. Außerdem trägt sie der Forderung des Haager Programms nach Einführung eines einheitlichen Schutzstatus Rechnung.

7. Inhalt des zu gewährenden Schutzes

Damit Schutzberechtigte die ihnen formal zuerkannten Rechte auch tatsächlich ausüben können, müssen die speziellen Integrationsprobleme, denen sie sich gegenübersehen, angegangen werden.

8. Familienangehörige

Die Definition des Begriffs "Familienangehörige" wird dahingehend ausgeweitet, dass auch der Fall, in dem es sich bei dem Schutzberechtigten um einen Minderjährigen handelt, sowie die Vielzahl von Situationen, in denen ein Minderjähriger abhängig sein könnte, berücksichtigt werden, wobei sichergestellt wird, dass das Wohl des Kindes das ausschlaggebende Kriterium ist.

3.2. Rechtsgrundlage

Dieser Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 2004/83/EG basiert auf derselben Rechtsgrundlage wie die zu ändernde Richtlinie, d. h. auf Artikel 63 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe c, Nummer 2 Buchstabe a und Nummer 3 Buchstabe a EG-Vertrag. Artikel 1 des Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands im Anhang des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ermöglicht dem Vereinigten Königreich und Irland ein "Optin" bei Maßnahmen zur Schaffung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Gemäß Artikel 3 dieses Protokolls haben das Vereinigte Königreich und Irland mitgeteilt, dass sie sich an der Annahme und Anwendung der derzeitigen Richtlinie beteiligen möchten. Allerdings lässt die Position dieser Mitgliedstaaten in Bezug auf die derzeitige Richtlinie ihre mögliche Beteiligung an der neuen Richtlinie unberührt.

Nach den Artikeln 1 und 2 des Protokolls über die Position Dänemarks im Anhang des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ist die Richtlinie für Dänemark weder bindend noch in Dänemark anwendbar.

3.3. Subsidiaritätsprinzip

Mit Titel IV des EG-Vertrags (EGV) über Visa, Asyl, Einwanderung und andere Politiken betreffend den freien Personenverkehr wurden der Europäischen Gemeinschaft bestimmte Befugnisse in diesen Angelegenheiten übertragen. Diese Befugnisse müssen im Einklang mit Artikel 5 EGV ausgeübt werden.

Aufgrund des grenzübergreifenden Charakters der Probleme im Asylbereich ist die EU in einer guten Position, um insbesondere für Probleme betreffend die Anerkennung und den Status von Schutzberechtigten Lösungen vorzuschlagen. Obwohl mit dem Erlass der derzeitigen Richtlinie bereits ein hohes Maß an Harmonisierung erreicht worden ist, bedarf es weiterer EU-Maßnahmen, um bessere und einheitlichere Schutznormen zu erreichen und weitere Fortschritte im Hinblick auf einen einheitlichen Status zu erzielen. Vor allem müssen unbedingt weitere Anstrengungen unternommen werden, um gleiche Ausgangsbedingungen zu schaffen, damit das Dublin-System fair und effizient funktionieren kann. Wie in der Asylstrategie hervorgehoben wird, muss, um die Schwachpunkte dieses Systems zu beseitigen, sichergestellt werden, dass die unter das System fallenden Asylbewerber gleichen Anspruch auf Schutz haben.

Im Pakt zu Asyl und Einwanderung brachte der Europäische Rat seine Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass zwischen den Mitgliedstaaten weiterhin beträchtliche Unterschiede bei der Gewährung von Schutz und den Formen dieses Schutzes bestehen, und forderte, dass neue Initiativen ergriffen werden sollten, um die Einführung des im Haager Programm vorgesehenen Gemeinsamen Europäischen Asylsystems zu vollenden und so ein höheres Schutzniveau zu bieten, wie dies von der Kommission in ihrer Asylstrategie vorgeschlagen wird.

3.4. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

In der Folgenabschätzung zu diesem Vorschlag wurden die einzelnen Optionen zur Lösung der ermittelten Probleme im Hinblick auf ihre Ausgewogenheit zwischen praktischem Nutzen und erforderlichen Anstrengungen bewertet. Diese Bewertung ergab, dass ein Tätigwerden der EU nicht über das für die Lösung dieser Probleme erforderliche Maß hinausgeht.

3.5. Auswirkungen auf die Grundrechte

Dieser Vorschlag wurde einer eingehenden Prüfung unterzogen, um sicherzustellen, dass seine Bestimmungen in vollem Umfang vereinbar sind mit i) den Grundrechten, die sich aus den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts ergeben, welche wiederum das Ergebnis der gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten und der EMRK sind, und die darüber hinaus in der EU-Charta verankert sind, sowie mit ii) den Verpflichtungen aus dem Völkerrecht, insbesondere der Genfer Flüchtlingskonvention und dem UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes. Der Vorschlag wird den Zugang zum Schutz und zum Recht verbessern: Durch Präzisierung der Schutzgründe wird er Schutzdefizite und Unterschiede bei den Anerkennungspraktiken verringern und insgesamt zu einer besseren Qualität der Entscheidungen führen. Außerdem wird er den Zugang zum Sozialschutz, zum Arbeitsmarkt und zu umfassenden Integrationsmaßnahmen insoweit verbessern, als das Niveau der Rechte, die Personen mit Anspruch auf subsidiären Schutz und generell Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz sowie ihren Familienangehörigen zuerkannt werden, angehoben wird (durch Angleichung der mit den beiden Status verknüpften Rechte, Anhebung des Gesamtniveaus der Rechte, die Schutzberechtigten zuerkannt werden, Ausweitung der Definition des Begriffs "Familienangehörige" und Abschaffung der Möglichkeit, Leistungen im Falle "konstruierter" Ansprüche einzuschränken). Die Angleichung der Rechte und die Verbesserung des Zugangs zum Schutz für Frauen (Änderung des Erfordernisses eines Kausalzusammenhangs und der Definition einer "bestimmten sozialen Gruppe") wird den Grundsatz der Nichtdiskriminierung stärken. Und schließlich werden sich mehrere Änderungen, die darauf abzielen, die Definition des Begriffs "Familienangehörige" auszuweiten sowie die den Schutzberechtigten und ihren Familienangehörigen zuerkannten Rechte zu verbessern, auch dahingehend positiv auswirken, dass die Rechte des Kindes gestärkt werden.

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes

Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union —


gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 63 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe c), Nummer 2 Buchstabe a) und Nummer 3 Buchstabe a),
auf Vorschlag der Kommission,
nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses15,
nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen16,
gemäß dem Verfahren des Artikels 251 EG-Vertrag17,
in Erwägung nachstehender Gründe:

Haben folgende Richtlinie erlassen:

Kapitel I
Allgemeine Bestimmungen

Artikel 1
Gegenstand und Anwendungsbereich Zweck

Artikel 2
Begriffsbestimmungen

Artikel 3
Günstigere Normen

Kapitel II
Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz

Artikel 4
Prüfung der EreignisseTatsachen und Umstände

Artikel 5
Aus Nachfluchtgründen entstehender Bedarf an internationalem Schutz

Artikel 6
Akteure, von denen die Verfolgung oder ein ernsthafter Schaden ausgehen kann

Artikel 7
Akteure, die Schutz bieten können

Artikel 8
Interner Schutz

Kapitel III
Anerkennung als Flüchtling

Artikel 9
Verfolgungshandlungen

Artikel 10
Verfolgungsgründe

Artikel 11
Erlöschen

Artikel 12
Ausschluss

Kapitel IV
Flüchtlingseigenschaft

Artikel 13
Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft

Artikel 14
Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft

Kapitel V
Voraussetzungen für den Anspruch desauf subsidiären Schutzes

Artikel 15
Ernsthafter Schaden

Artikel 16
Erlöschen

Artikel 17
Ausschluss

Kapitel VI
Subsidiärer Schutzstatus

Artikel 18
Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus

Artikel 19
Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung des subsidiären Schutzstatus

Kapitel VII
Inhalt des internationalen Schutzes

Artikel 20
Allgemeine Bestimmungen

Artikel 21
Schutz vor Zurückweisung

Artikel 22
Information

Artikel 23
Wahrung des Familienverbands

Artikel 24
Aufenthaltstitel

Artikel 25
Reisedokumente

Artikel 26
Zugang zur Beschäftigung

Artikel 27
Zugang zu Bildung

Artikel 28
Zugang zu Verfahren für die Anerkennung von Befähigungsnachweisen

Artikel 2829
Sozialhilfeleistungen

Artikel 2930
Medizinische Versorgung

Artikel 3031
Unbegleitete Minderjährige

Artikel 3132
Zugang zu Wohnraum

Artikel 3233
Freizügigkeit innerhalb eines Mitgliedstaats

Artikel 3334
Zugang zu Integrationsmaßnahmen

Artikel 3435
Rückführung

Kapitel VIII
Verwaltungszusammenarbeit

Artikel 3536
Zusammenarbeit

Artikel 3637
Personal

Kapitel IX
Schlussbestimmungen

Artikel 3738
Berichterstattung

Artikel 3839
Umsetzung

Artikel 40
Aufhebung

Artikel 3941
Inkrafttreten

Artikel 4042
Adressaten


Geschehen zu [] am []
Im Namen des Europäischen Parlaments Im Namen des Rates
Der Präsident
[]
Der Präsident
[]

Anhang I

Teil A: Aufgehobene Richtlinie

(gemäß Artikel 40)

Richtlinie 2004/83/EG des Rates (ABl. L 304 vom 30.9.2004, S. 12)

Teil B Frist für die Umsetzung in innerstaatliches Recht

(gemäß Artikel 39)

Richtlinie Umsetzungsfrist
2004/83/EG 10. Oktober 2006

Anhang II
Entsprechungstabelle

Richtlinie 2004/83/EG Diese Richtlinie
Artikel 1 Artikel 1
Artikel 2 einleitender Satzteil Artikel 2 einleitender Satzteil
Artikel 2 Buchstabe a Artikel 2 Buchstabe a
- Artikel 2 Buchstabe b
Artikel 2 Buchstaben b bis g Artikel 2 Buchstaben c bis h
- Artikel 2 Buchstabe i
Artikel 2 Buchstabe h Artikel 2 Buchstabe j erster und zweiter Gedankenstrich
Artikel 2 Buchstabe j dritter, vierter und fünfter Gedankenstrich
- Artikel 2 Buchstabe k
Artikel 2 Buchstabe i Artikel 2 Buchstabe l
Artikel 2 Buchstabe j Artikel 2 Buchstabe m
Artikel 2 Buchstabe k Artikel 2 Buchstabe n
Artikel 3 Artikel 3
Artikel 4 Artikel 4
Artikel 5 Artikel 5
Artikel 6 Artikel 6
Artikel 7 Artikel 7
Artikel 8 Absätze 1 und 2 Artikel 8 Absätze 1 und 2
Artikel 8 Absatz 3 -
Artikel 9 Artikel 9
Artikel 10 Artikel 10
Artikel 11 Absätze 1 und 2 Artikel 11 Absätze 1 und 2
- Artikel 11 Absatz 3
Artikel 12 Artikel 12
Artikel 13 Artikel 13
Artikel 14 Artikel 14
Artikel 15 Artikel 15
Artikel 16 Absätze 1 und 2 Artikel 16 Absätze 1 und 2
- Artikel 16 Absatz 3
Artikel 17 Artikel 17
Artikel 18 Artikel 18
Artikel 19 Artikel 19
Artikel 20 Absätze 1 bis 5 Artikel 20 Absätze 1 bis 5
Artikel 20 Absätze 6 und 7 -
Artikel 21 Artikel 21
Artikel 22 Artikel 22
Artikel 23 Absatz 1 Artikel 23 Absatz 1
Artikel 23 Absatz 2 Unterabsatz 1 Artikel 23 Absatz 2 Unterabsatz 1
Artikel 23 Absatz 2 Unterabsatz 2 -
Artikel 23 Absatz 2 Unterabsatz 3 -
Artikel 23 Absätze 3 bis 5 Artikel 23 Absätze 3 bis 5
Artikel 24 Absatz 1 Artikel 24 Absatz 1
Artikel 24 Absatz 2 -
Artikel 25 Artikel 25
Artikel 26 Absätze 1 bis 3 Artikel 26 Absätze 1 bis 3
Artikel 26 Absatz 4 -
Artikel 26 Absatz 5 Artikel 26 Absatz 4
Artikel 27 Absätze 1 und 2 Artikel 27 Absätze 1 und 2
Artikel 27 Absatz 3 Artikel 28 Absatz 1
- Artikel 28 Absätze 2 und 3
Artikel 28 Absatz 1 Artikel 29 Absatz 1
Artikel 28 Absatz 2 -
Artikel 29 Absatz 1 Artikel 30 Absatz 1
Artikel 29 Absatz 2 -
Artikel 29 Absatz 3 Artikel 30 Absatz 2
Artikel 30 Artikel 31
Artikel 31 Artikel 32
Artikel 32 Artikel 33
Artikel 33 Artikel 34
Artikel 34 Artikel 35
Artikel 35 Artikel 36
Artikel 36 Artikel 37
Artikel 37 Artikel 38
Artikel 38 Artikel 39
- Artikel 40
Artikel 39 Artikel 41
Artikel 40 Artikel 42
- Anhang I
- Anhang II