Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 15. Juni 2006 angenommen.
Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 3348 - vom 6. Juli 2006.
Das Europäische Parlament,
- - unter Hinweis auf das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (PKA) zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten und der Russischen Föderation1, das am 1. Dezember 1997 in Kraft getreten ist und 2007 auslaufen wird,
- - unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Russland und Tschetschenien und insbesondere seine Empfehlung vom 26. Februar 2004 an den Rat zu den Beziehungen EU-Russland2 wie auch auf seine Entschließung vom 15. Dezember 2004 zu dem Gipfeltreffen EU-Russland in Den Haag am 25. November 20043,
- - unter Hinweis auf das Ergebnis des 17. Gipfeltreffens EU-Russland in Sotschi am 25. Mai 2006,
- - unter Hinweis auf den Menschenrechtsdialog EU-Russland,
- - unter Hinweis auf die gegenwärtige internationale und europäische Verantwortung Russlands aufgrund des Vorsitzes, den es in der G8 und im Ministerkomitee des Europarates innehat,
- - gestützt auf Artikel 103 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass eine verstärkte Zusammenarbeit und gutnachbarschaftliche Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland für die Stabilität, die Sicherheit und den Wohlstand ganz Europas von wesentlicher Bedeutung sind,
B. in der Erwägung, dass beide Seiten die Bedeutung der strategischen Partnerschaft EU-Russland wie auch ihre Absicht betonen, ihre Zusammenarbeit in Europa und anderswo auf der Grundlage gemeinsamer Interessen und gemeinsamer Werte, insbesondere Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte, weiter auszubauen,
C. in der Erwägung, dass auf dem Gipfeltreffen EU-Russland in St. Petersburg im Mai 2003 beschlossen wurde, vier gemeinsame Räume zu vereinbaren, nämlich einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, einen Raum der äußeren Sicherheit und einen Raum der Forschung, Bildung und Kultur, die dem gemeinsamen Wirtschaftsraum, der zwei Jahre zuvor vereinbart worden war, hinzugefügt wurden; in der Erwägung, dass beide Seiten die bislang erzielten Fortschritte bei der Umsetzung der vier gemeinsamen Räume überprüft haben,
D. unter Hinweis darauf, dass insbesondere im Energiebereich die Beziehungen auf der Basis von Transparenz und verbesserter Regierungsführung für diesen Sektor, Zuverlässigkeit der Versorgung, nichtdiskriminierende Verwendung von Transiteinrichtungen und eines günstigeren Klimas für weitere Investitionen ausgebaut werden müssen,
E. in der Erwägung, dass sich die Europäische Union nach ihrer letzten Erweiterung stark für die Umsetzung der Europäischen Nachbarschaftspolitik als einer der Hauptprioritäten ihres außenpolitischen Handelns engagiert, woraus sich ein weitergehendes Engagement bei der Lösung von Konflikten in Transnistrien und im Südkaukasus ergibt; in der Erwägung, dass die Europäische Union und Russland eine gemeinsame Verantwortung tragen, um friedliche Lösungen von Konflikten in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft herbeizuführen,
F. unter Hinweis auf die ständigen und wachsenden Besorgnisse über die Schwächung der Demokratie in Russland, die verschärfte staatliche Kontrolle der Medien, das sich verschlechternde Klima für Nichtregierungsorganisationen (NRO), die verstärkte politische Kontrolle der Justiz, die wachsenden Schwierigkeiten für die politische Opposition zu arbeiten, und andere Maßnahmen, die die Macht des Kremls beträchtlich gestärkt haben,
G. in der Erwägung, dass eine verstärkte Zusammenarbeit erfolgen sollte, um Demokratie, Sicherheit und Stabilität in der gemeinsamen Nachbarschaft zu festigen, insbesondere durch gemeinsame Aktivitäten zur Einführung von Demokratie und Achtung elementarer Menschenrechte in Belarus,
H. in der Erwägung, dass die Russische Föderation seit Mai 2006 den rotierenden Vorsitz im Ministerkomitee des Europarates innehat; in der Erwägung, dass Russlands erste Priorität für seinen Vorsitz gemäß der Vorstellung von Außenminister Sergej Lawrow darin besteht, die nationalen Mechanismen zum Schutz der Menschenrechte zu stärken, die Menschenrechtserziehung auszubauen und die Rechte der nationalen Minderheiten auszuweiten,
- 1. betont die Bedeutung einer verstärkten und verbesserten Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und der Russischen Föderation, basierend auf Interdependenz und gemeinsamen Interessen bei der Entwicklung aller vier gemeinsamen Räume, ist jedoch der Ansicht, dass die derzeitige Partnerschaft mit Russland mehr pragmatisch denn strategisch ist, da sie in erster Linie gemeinsame wirtschaftliche Interessen widerspiegelt, ohne größere Ergebnisse in Bezug auf Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit zu erreichen;
- 2. begrüßt die laufenden Arbeiten zum Gemeinsamen Wirtschaftsraum (GWR), der das übergeordnete Ziel verfolgt, Hemmnisse für Handel und Investitionen zu beseitigen sowie Reformen und Wettbewerbsfähigkeit voranzubringen, gestützt auf die Grundsätze der Nichtdiskriminierung, Transparenz und der guten Regierungsführung, bedauert jedoch das Ausbleiben nennenswerter Fortschritte bei der praktischen Umsetzung der Road Maps für die drei anderen gemeinsamen Räume;
- 3. fordert die Kommission dringend auf, ihre Politik in Bezug auf Russlands Beitritt zur WTO unter Berücksichtigung aller verhandelten Bereiche und Sektoren in zeitnaher und transparenter Form umfassend zu erläutern;
- 4. fordert die Kommission nachdrücklich auf, bestehende Fälle von Diskriminierung beim Handel mit landwirtschaftliche Erzeugnissen durch die russischen Behörden gegenüber EU-Mitgliedstaaten wie Polen, aber auch gegenüber Staaten in der gemeinsamen Nachbarschaft, wie Moldau und Georgien, zu untersuchen;
- 5. betont die strategische Bedeutung einer Zusammenarbeit im Energiebereich und die Notwendigkeit, die Beziehungen EU-Russland in diesem Bereich zu verstärken; bedauert deshalb, dass es auf dem Gipfeltreffen nicht gelungen ist, eine Vereinbarung auf diesem Gebiet zu erreichen, und betont als eine Grundlage für weitere Verhandlungen das Prinzip der Interdependenz und Transparenz wie auch die Bedeutung der Gegenseitigkeit in Bezug auf Marktzugänge, Infrastrukturen und Investitionen mit dem Ziel, oligopolistische Marktstrukturen zu verhindern und die Energieversorgung der Europäischen Union zu diversifizieren; fordert Russland in diesem Zusammenhang auf, den Vertrag über die Energiecharta zu ratifizieren und die Zusammenarbeit bei Energieeinsparungen und erneuerbarer Energie zu verbessern;
- 6. begrüßt die Unterzeichnung von Abkommen über die Ausstellung von Visa und Rückübernahmen, die dazu dienen, Visabeschränkungen für Reisen für bestimmte Gruppen von Bürgern zu lockern wie auch die Abschiebung von Einwanderern zu erleichtern, die vom russischen Hoheitsgebiet aus illegal in die Europäische Union einreisen;
- 7. betont die Notwendigkeit, mit Russland als einem notwendigen strategischen Partner zusammenzuarbeiten, um Frieden, Stabilität und Sicherheit zu gewährleisten und den internationalen Terrorismus und gewalttätigen Extremismus zu bekämpfen sowie "weiche" Sicherheitsfragen wie Umwelt- und Atomrisiken, Drogen-, Waffen- und Menschenhandel sowie grenzüberschreitende organisierte Kriminalität in der europäischen Nachbarschaft in Zusammenarbeit mit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und anderen internationalen Gremien zu bekämpfen;
- 8. begrüßt die Vereinbarung über das 20 Millionen EUR-Programm der Kommission zur Unterstützung des sozioökonomischen Wiederaufbaus im Nordkaukasus als ein weiteres Zeichen des Willens der Europäischen Union und Russlands, in dieser Region zusammenzuarbeiten;
- 9. unterstützt die von beiden Partnern geleistete gemeinsame Arbeit, um die praktische Zusammenarbeit beim Krisenmanagement zu vertiefen, und betont die Notwendigkeit, auch bei der Stärkung multilateraler Mechanismen zur Nichtverbreitung von Kernwaffen zusammenzuarbeiten;
- 10. begrüßt den Vorschlag des künftigen finnischen Vorsitzes, der Nördlichen Dimension in dem Programm für ihren Ratsvorsitz Vorrang einzuräumen; hebt hervor, dass dies ein wichtiges Instrument sein könnte, um die Partnerschaft EU-Russland zu verbessern, wofür konkrete Vorschläge und Vorhaben mit der erforderlichen flankierenden Finanzierung ausgearbeitet werden sollten;
- 11. bedauert, dass wie beim gemeinsamen Raum der äußeren Sicherheit keine Fortschritte in Bezug auf die Konfliktbeilegung in Transnistrien und im Südkaukasus erzielt wurden, keine wirkliche Verbesserung in Tschetschenien eingetreten ist und keine Bereitschaft der russischen Seite, auf Belarus einzuwirken, um einen echten Demokratisierungsprozess in diesem Land einzuleiten, zu erkennen ist;
Menschenrechtsdialog
- 12. anerkennt die Bedeutung der verschiedenen eingeleiteten Dialoge für eine bessere Funktionsweise der Zusammenarbeit und Partnerschaft EU-Russland und unterstreicht insbesondere die Notwendigkeit eines wirksamen Menschenrechtsdialogs;
- 13. fordert ferner die russische Regierung in diesem Rahmen auf, zur Intensivierung der Menschenrechtskonsultationen EU-Russland als einem wesentlichen Teil der Partnerschaft EU-Russland beizutragen und die ungehinderte Tätigkeit von in- und ausländischen Menschenrechtsorganisationen und anderen NRO zuzulassen;
- 14. nimmt die Erklärung des österreichischen Ratsvorsitzes über das Ergebnis der Menschenrechtskonsultation EU-Russland vom März 2006 zur Kenntnis; begrüßt diesbezüglich die Entscheidung des österreichischen Ratsvorsitzes, Ermittlungen zu Fällen von verschwundenen Personen und von Folter in Tschetschenien einzuleiten;
- 15. fordert die Russische Föderation als Mitglied des Europarates nachdrücklich auf, die Haftbedingungen für Inhaftierte zu verbessern und die Schwierigkeiten des Zugangs von Rechtsanwälten zu einigen von ihnen auszuräumen; weist darauf hin, dass nach dem russischen Strafgesetzbuch Häftlinge entweder in der Nähe ihres Wohnorts oder des Ortes, wo der Prozess stattgefunden hat, inhaftiert werden sollten, wofür die Häftlinge Michail Chodorkowski und Platon Lebedew ein Beispiel bieten;
- 16. fordert die Partner auf, den Menschenrechtsdialog nach dem Auslaufen des PKA in dem neuen Abkommen zu einem stringenten und transparenteren Instrument für Fortschritte auf dem Weg zu einer gemeinsamen Menschenrechtspolitik weiter zu entwickeln;
- 17. erwartet, dass die bestehende Fassung des PKA, das 2007 ausläuft und ebenfalls Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten in den Mittelpunkt stellt, die Grundlage des neuen PKA sein wird, und begrüßt die beim Gipfeltreffen erreichte Vereinbarung, dass das derzeitige PKA gültig bleibt, bis das neue Abkommen in Kraft tritt;
- 18. fordert die russische Regierung auf, ihrer Verantwortung als Vorsitzende der G8 und als Vorsitzende des Ministerkomitees des Europarates gerecht zu werden, greifbare Ergebnisse bei der Weiterentwicklung von transparenten Handels- und zuverlässigen Wirtschaftsbeziehungen und bei der Einführung von Stabilität, Sicherheit, Demokratie und der Achtung der Menschenrechte zu erzielen;
- 19. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Präsidenten und dem Parlament der Russischen Föderation, der OSZE und dem Europarat zu übermitteln.
1 ABl. L 327 vom 28.11.1997, S. 1.
2 ABl. C 98 E vom 23.4.2004, S. 182.
3 ABl. C 226 E vom 15.9.2005, S. 224.