Der Bundesrat hat in seiner 933. Sitzung am 8. Mai 2015 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst.
Anlage
Entschließung des Bundesrates zur dringenden Notwendigkeit einer Novellierung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes
I. Der Bundesrat stellt fest:
Die gleichzeitige Erzeugung von Strom und Wärme (Kraft-Wärme-Kopplung bzw. KWK) trägt maßgeblich zum Ressourcen- und Klimaschutz bei. Im Vergleich zu alternativen Klimaschutzmaßnahmen bietet die KWK erhebliche CO₂-Einsparpotentiale zu geringen volkswirtschaftlichen Kosten. Jedes Jahr werden durch die KWK-Technologie ca. 60 Millionen Tonnen CO₂ eingespart. Der Einsatz von KWK-Anlagen ist in unterschiedlichen Kraftwerkstypen sowie in unterschiedlichen Leistungsgrößen und daher im Bereich von Großkraftwerken, in Industrie und Gewerbe wie auch in privaten Haushalten möglich. KWK erlaubt den technologieoffenen Einsatz unterschiedlicher Energieträger und schafft in Verbindung mit Wärmenetzen und Wärmespeichern eine zukunftsfähige Infrastruktur.
Die die Bundesregierung tragenden Parteien haben im Koalitionsvertrag das Ziel vereinbart, den KWK-Anteil an der Stromerzeugung bis 2020 auf 25 Prozent zu erhöhen. Der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in Auftrag gegebene Bericht zur Evaluierung des KWKG vom 1. Oktober 2014 kommt zu dem Ergebnis, dass KWK-Anlagen heute einen Anteil von rund 16 Prozent an der Nettostromerzeugung in Deutschland haben und das Ausbauziel nur durch eine erhebliche Verbesserung der Förderbedingungen erreicht werden kann. Viele KWK-Anlagen können derzeit, insbesondere aufgrund der gesunkenen Erlöse an der Strombörse, nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden und die Abschaltung droht. Die Situation gefährdet durch erhebliche Verluste nicht nur eine Vielzahl kommunaler Unternehmen, sondern auch die weitere erfolgreiche Umsetzung der Energiewende. Die Wirtschaftlichkeit der KWK, insbesondere in der allgemeinen Versorgung, im industriellen Bereich und in der Objektversorgung ist unter den aktuellen Rahmenbedingungen auch für Neubauvorhaben und Anlagenmodernisierungen nicht gegeben. Der Gesetzgeber ist gefordert, im Sinne der europäischen KWK-Ausbaustrategie, Anreize für die Versorgung der bislang nicht erschlossenen Wärmesenken mit KWK-Anlagen zu bieten. Die KWK verfügt in Deutschland über ein großes Potential, welches es nun zu nutzen gilt.
Die Novellierung des KWKG ist zügig voranzubringen, damit wieder Planungsund Investitionssicherheit am Markt bestehen.
Moderne stromgeführte kraftwärmegekoppelte Anlagen können flexibel an die schwankende Stromeinspeisung aus Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen angepasst werden. Damit leistet die KWK auch einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit. Eine wesentliche Voraussetzung für eine bedarfsgerechte Stromeinspeisung ist dabei, dass die KWK-Anlagen an ein Wärmenetz oder einen entsprechend ausgelegten Wärmespeicher angeschlossen sind. Die gespeicherte Wärme kann dann unabhängiger von der Stromproduktion abgerufen werden. Dieses für das Gelingen der Energiewende entscheidende Potential darf durch die anstehende Stilllegung von KWK-Anlagen nicht leichtfertig verschenkt werden. Deshalb muss eine umgehende Novellierung des KWKG unabhängig von Überlegungen zum Design des Strommarktes bereits jetzt erfolgen. Dabei ist die KWK-Novelle als Eingangsgröße für weitere Verhandlungen des Strommarktdesigns zu verstehen.
II. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf,
unverzüglich einen Gesetzentwurf zur Novellierung des KWKG vorzulegen, um hocheffiziente Bestandsanlagen zu sichern und Planungs- und Investitionssicherheit auch für den Neubau und die Modernisierung von KWK-Anlagen am Markt zu schaffen.
Dieser Gesetzentwurf sollte folgende wesentlichen Regelungen umfassen:
- 1. Einhaltung des KWKG-Ziels unter Beibehaltung der Fördersystematik
- 2. Förderung von hocheffizienten Bestandsanlagen
- 3. Anhebung der Fördersätze für Neubau und Modernisierung von KWKAnlagen
- 4. Verbesserung der Förderung für Wärme-/Kältenetze und Wärme-/Kältespeicher
- 5. Anhebung des Förderdeckels
- 6. Beibehaltung des Eigenstromprivilegs
- 7. Einführung von Vorbescheiden durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle
Begründung:
- 1. Einhaltung des KWKG-Ziels unter Beibehaltung der Fördersystematik
Der Einsatz von KWK-Anlagen ist ein erfolgversprechender Weg zu mehr Energieeffizienz und trägt zu einer klimaverträglichen und bedarfsgerechten Strom- und Wärmeversorgung bei. Diese Anlagen ermöglichen die gleichzeitige Gewinnung von Strom und Wärme und können energetische Gesamtwirkungsgrade von bis zu 90 Prozent erreichen. Damit lassen sich Ressourcen schonen, zum anderen aber auch CO₂ Emissionen einsparen. KWK ist elementarer Bestandteil zur Erreichung der europäischen und deutschen Klimaschutzziele. Zur Zielerreichung werden die Mitgliedstaaten in Artikel 14 der Energieeffizienzrichtlinie (Richtlinie 2012/27/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur Energieeffizienz, zur Änderung der Richtlinien 2009/125/EG und 2010/30/EU und zur Aufhebung der Richtlinien 2004/8/EG und 2006/32/EG) aufgefordert, den Einsatz hocheffizienter KWK-Anlagen zu fördern.
Das Grünbuch des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie "Ein Strommarkt für die Energiewende" hebt ebenfalls hervor, dass KWK zukünftig stärker flexibel betrieben werden und so zur Synchronisierung beitragen kann. Investitionen in Wärmespeicher, Wärmenetze und perspektivisch Powerto-Heat-Anlagen bieten die Voraussetzung dafür.
An dem in § 1 KWKG verankerten Ziel, den Anteil der Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung in Deutschland auf 25 Prozent bis zum Jahr 2020 zu erhöhen, auf das sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag stützt, ist festzuhalten. KWK ist ein sinnvolles und notwendiges Element im Rahmen der Energiewende. Die Fördersystematik des KWKG hat sich seit vielen Jahren bewährt und sollte daher grundsätzlich in der Form erhalten bleiben, dass auf den erzeugten KWK-Strom ein planbarer KWKZuschlag gezahlt wird und die Förderung von Wärmespeichern und -netzen beibehalten wird. Die Höhe des Zuschlags ist so zu bemessen, dass auch weiterhin der wirtschaftliche Betrieb von Neu- und Bestandsanlagen ermöglicht wird.
- 2. Förderung von hocheffizienten Bestandsanlagen
Der wirtschaftliche Betrieb der hocheffizienten Anlagen ist derzeit gefährdet und wird durch eine andere weniger effiziente getrennte Versorgung mit Strom und Wärme verdrängt. Eine technologieoffene Förderung von strommarktorientierten hocheffizienten Bestandsanlagen ist dringend geboten. Dies sind sowohl die Bestandsanlagen in der allgemeinen Versorgung, die die Wärmeversorgung großer Stadtgebiete sicherstellen, sowie Anlagen im industriellen Bereich und in der Objektversorgung. Eine angemessene Förderung von KWKBestandsanlagen ist auch zwingende Voraussetzung zur Erreichung der Klimaschutzziele. Die Rahmenbedingungen müssen durch die KWKGNovelle so angepasst werden, dass eine Abschaltung und Stilllegung von hocheffizienten Bestandsanlagen vermieden wird. Ohne eine Förderung dieser Anlagen drohen ein Rückgang der KWK-Strommenge und gleichermaßen ein Rückgang der KWK-Wärmemenge in Deutschland. Eine Verdrängung der hocheffizienten KWK-Anlagen durch eine andere weniger effiziente getrennte Versorgung mit Strom und Wärme muss auch aus Klimaschutzgründen vermieden werden. Es ist zu evaluieren, inwieweit eine Differenzierung bei der Förderhöhe für verschiedene Anlagentypen erforderlich, sachgerecht und administrierbar ist.
- 3. Anhebung der Fördersätze für Neubau und Modernisierung von KWKAnlagen und Fortführung der Förderung von Brennstoffzellen-Anlagen
Die Höhe des Zuschlags im Förderdesign des novellierten KWKG muss sicherstellen, dass sich sowohl Neuinvestitionen als auch die Modernisierung von hocheffizienten KWK-Anlagen sämtlicher Größenordnungen rechnen. Gerade die Modernisierung von KWK-Bestandsanlagen bietet noch erhebliche Chancen, um den Anteil der KWK-Stromerzeugung zu erhöhen. Dies erfordert zwingend eine Anhebung der Förderung für Neubau und Modernisierung.
Ein weiterer wichtiger Baustein für die Weiterentwicklung innovativer KWK-Technologien ist die Fortführung der Förderung der Brennstoffzellentechnologie.
- 4. Verbesserung der Förderung für Wärme-/Kältenetze und Wärme-/Kältespeicher
Für eine flexible Fahrweise von KWK-Anlagen ist der Ausbau von Wärme-/Kältenetzen und Wärme-/Kältespeichern notwendig. Durch Speicherung von Wärme/Kälte kann diese zu einem späteren Zeitpunkt unabhängig von der Stromerzeugung abgerufen werden. Die bisherigen Investitionen in diese Infrastruktur haben gezeigt, dass damit die notwendige Flexibilität zur Flankierung der Energiewende maßgeblich gesteigert werden kann. Zudem eröffnet eine Förderung von Wärme-/Kältenetzen und Wärme-/Kältespeichern Zukunftschancen für regenerative Erzeugungsmöglichkeiten im Bereich von Strom und Wärme. Die Projektfördergrenzen bei Speichern und Netzen sollten je Projekt angehoben werden, um den Ausbau von Leuchtturmprojekten voranzutreiben. Durch die Deckelung der Förderung auf 30 bzw. 40 Prozent der Investitionskosten wird eine Überförderung vermieden.
Die Ergänzung der Wärmespeicher mit Powerto-Heat-Modulen kann den Nutzen für die Integration steigender Strommengen aus fluktuierenden erneuerbaren Energien in das Energiesystem zusätzlich erhöhen. Derzeit ist die Wirtschaftlichkeit von Powerto-Heat-Modulen aufgrund der anfallenden Netzentgelte und Umlagen für den verwendeten Strom regelmäßig nicht gegeben. Der gesetzliche Rahmen ist anzupassen, um einen wirtschaftlichen Betrieb von Powerto-Heat-Modulen zu ermöglichen.
- 5. Anhebung des Förderdeckels
Das aktuelle Förderdesign reicht nicht aus, um einen weiteren dringend notwendigen Ausbau von KWK zu ermöglichen. Die Deckelung der Förderung in § 7 Absatz 8 KWKG in Höhe von 750 Millionen Euro pro Kalenderjahr würde bei einer zukünftigen Förderung von hocheffizienten Bestandsanlagen für Unternehmen mit KWK-Anlagen größer als 10 MW zu erheblichen finanziellen Einbußen führen, denn der Förderdeckel würde erreicht werden und die Anlagenbetreiber die KWK-Förderung erst in den Folgejahren vollständig erhalten. Durch den Rückgang der Jahresauslastung von KWK-Anlagen in der allgemeinen Versorgung erfolgt infolge der zeitlichen Streckung der Auszahlung der Förderung bereits eine erhebliche Entwertung der Förderung. Dieser Effekt würde ohne Anhebung des Förderdeckels durch den entstehenden Zeitverzug weiter verschärft. Eine angemessene Anhebung des Förderdeckels und eine maßvolle Erhöhung der KWK-Umlage sind vor dem Hintergrund der Bedeutung der KWK vertretbar.
- 6. Beibehaltung des Eigenstromprivilegs
Um Modernisierungs-, Ersatz- und Neuinvestitionen anzureizen, müssen mit dem KWKG die durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz 2014 entstandenen Investitionshemmnisse bei Erzeugung von selbst verbrauchtem Strom (so genanntes Eigenstromprivileg) abgebaut werden. Bei Ersatzinvestitionen muss die Eigenstromerzeugung zumindest in der Größenordnung der zu ersetzenden Anlage auf Neuanlagen übertragen werden können. Im Übrigen ist für KWK-Bestandsanlagen auch über 2017 hinaus ein umfassender Bestandsschutz zu gewährleisten.
- 7. Einführung von Vorbescheiden durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle
Bislang erhält ein Anlagen-, Netz- oder Speicherbetreiber eine Förderung nach dem KWKG erst nach Aufnahme des Dauerbetriebs der KWKAnlage bzw. Inbetriebnahme des Netzes oder Speichers und nach erteilter Zulassung durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Bei größeren Investitionsvorhaben besteht aufgrund des Fehlens einer behördlichen Entscheidung im Planungszeitraum keine Planungssicherheit für die Finanzierung der Projekte. Durch die Einführung eines vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle im Planungszeitraum zu erteilenden Vorbescheids kann ein erhebliches Finanzierungshemmnis beim Neubau und bei der Modernisierung von KWK-Anlagen beseitigt und somit mit geringem Aufwand Planungs- und Rechtssicherheit hergestellt werden.