Gesetzesantrag der Länder Brandenburg, Hessen, Saarland, Sachsen-Anhalt, Thüringen
Entwurf eines Gesetzes zur Verwirklichung der Barrierefreiheit im Eisenbahnverkehr

A. Problem und Ziel

Die Barrierefreiheit von Bahnanlagen und Fahrzeugen leitet sich bereits aus dem Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen (UN-Behindertenrechtskonvention) ab, das seine nationale Umsetzung u.a. im Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (BGG) gefunden hat.

Im Interesse der Verwirklichung dieses Ziels müssen die Gestaltung der Bahnanlagen, insbesondere der Bahnsteige, die eingesetzten und die künftig vorgesehenen Fahrzeuge aufeinander abgestimmt sein. Aufgrund des seitens der Eisenbahninfrastrukturunternehmen - oft mit maßgeblicher Finanzierung des Bundes, der Länder und der Kommunen - erreichten Ausbaustands der Bahnsteige und der langjährig festgelegten Fahrzeugeinsatzkonzepte der Länder und Aufgabenträger erscheint eine kurzfristige einheitliche Bahnsteighöhe von 0,76 m über Schienenoberkante nicht für alle Teilnetze als sachgerecht und behindert die zeitnahe und kostengünstige Verwirklichung des Ziels der Barrierefreiheit im Eisenbahnverkehr. Für die Zeit bis zur Verwirklichung einer einheitlichen Höhe von 0,76 m über Schienenoberkante ist eine Gleichstellung mit einer Bahnsteighöhe von 0,55 m über Schienenoberkante erforderlich.

B. Lösung

C. Alternativen

Keine.

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

Die Flexibilisierung der Bahnsteighöhen wirkt insgesamt kostenreduzierend.

E. Sonstige Kosten

Durch die Änderung des AEG und der EBO ergeben sich unmittelbar keine zusätzlichen Kosten für die Eisenbahnunternehmen. Tendenziell führt die Änderung zu einer Kostenreduzierung.

F. Bürokratiekosten

Informationspflichten für Bürgerinnen und Bürger sowie die Verwaltung werden nicht eingeführt, geändert oder aufgehoben.

Gesetzesantrag der Länder Brandenburg, Hessen, Saarland, Sachsen-Anhalt, Thüringen
Entwurf eines Gesetzes zur Verwirklichung der Barrierefreiheit im Eisenbahnverkehr

Der Ministerpräsident des Landes Brandenburg Potsdam, 20. August 2019

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Daniel Günther

Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
die Regierungen der Länder Brandenburg, Hessen, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten Entwurf eines Gesetzes zur Verwirklichung der Barrierefreiheit im Eisenbahnverkehr zuzuleiten.

Ich bitte, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates den Ausschüssen zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Dietmar Woidke

Entwurf eines Gesetzes zur Verwirklichung der Barrierefreiheit im Eisenbahnverkehr

Vom..

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes

Nach § 7h des Allgemeinen Eisenbahngesetzes vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378, 2396; 1994 I S. 2439), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 11. Juni 2019 (BGBl. I S. 754) geändert worden ist, wird folgender § 8 eingefügt:

§ 8 Barrierefreiheit

Bahnanlagen und Fahrzeuge sind so zu gestalten, dass in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen diese ohne besondere Erschwernis nutzen können. Die Eisenbahnen bedürfen hierzu des Einvernehmens der nach § 1 Absatz 2 des Regionalisierungsgesetzes durch Landesrecht bestimmten Stellen, soweit Belange des Schienenpersonennahverkehrs betroffen sind.

Artikel 2
Änderung der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung

Die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung vom 8. Mai 1967 (BGBl. II S. 1563), die zuletzt durch Artikel 2 der Verordnung vom 5. April 2019 (BGBl. I S. 479) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. § 2 Absatz 3 wird wie folgt geändert:

2. § 13 Absatz 1 wird wie folgt gefasst:

(1) Bei Neubauten oder umfassenden Umbauten von Personenbahnsteigen sollen in der Regel die Bahnsteigkanten auf eine Höhe von 0,55 Meter oder 0,76 Meter über Schienenoberkante gelegt werden; Höhen von unter 0,38 Meter und über 0,96 Meter sind unzulässig. Bahnsteige, an denen ausschließlich Stadtschnellbahnen halten, können auf eine Höhe von 0,96 Meter über Schienenoberkante gelegt werden. In Gleisbögen ist auf die Überhöhung Rücksicht zu nehmen."

Artikel 3
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung:

Zu Artikel 1

Die Barrierefreiheit von Bahnanlagen und Fahrzeugen leitet sich bereits aus dem Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen (UN-Behindertenrechtskonvention) ab, das seine nationale Umsetzung u.a. im Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (BGG) gefunden hat.

Im Interesse der Verwirklichung dieses Ziels muss auch die Gestaltung der Bahnanlagen, insbesondere der Bahnsteige, auf die eingesetzten Fahrzeuge oder auf die künftig vorgesehenen Fahrzeuge abgestimmt sein.

Durch die Aufnahme in das AEG, also auf gesetzlicher Ebene, soll dem Aspekt der Barrierefreiheit mehr Gewicht verliehen werden.

Das Erfordernis des Einvernehmens wird eingeführt, weil die Zuständigkeit für die Verkehrsangebote des SPNV bei den Ländern liegt (Art. 87 e Abs. 4, 106 a GG) .

Dieser Gestaltungsauftrag der Länder erfordert das Einvernehmen zwischen Aufgabenträgern und Eisenbahnen, die die Verantwortung für die Infrastruktur oder Fahrzeuge tragen.

Zu Artikel 2 Nummer 1

Der materielle Inhalt von § 2 Absatz 3 Satz 1 EBO wird künftig in § 8 AEG (Barrierefreiheit) geregelt. Auf die Begründung zu § 8 AEG wird verwiesen. 4

Zu Artikel 2 Nummer 2

§ 2 Absatz 3 Satz1(neu) EBO dient der Klarstellung, dass Satz 1 den § 8 AEG inhaltlich ausgestaltet.

Zu Artikel 2 Nummer 3

Die ergänzte Vorschrift des § 13 Absatz 1 EBO greift den Regelungsinhalt der Verordnung (EU) Nr. 1299/2014 der Kommission vom 18.11.2014 über die technische Spezifikation für die Interoperabilität des Teilsystems "Infrastruktur" des Eisenbahnsystems in der Europäischen Union (TSI Infrastruktur) auf.

In Nr. 4.2.9.2 der TSI

Infrastruktur sind beide Bahnsteighöhen gleichwertig.

Die Nachbarländer Deutschlands haben überwiegend eine Regelhöhe von 0,55 m bei ihren Bahnsteighöhen eingeführt.

Auch der Internationale Eisenbahnverband (UIC) empfiehlt seinen Mitgliedern eine Regelhöhe von 0,55 m.

Die Bahnsteige für Stadtschnellbahnen weisen derzeit abhängig vom System eine Höhe von 0,76 m oder von 0,96 m über Schienenoberkante auf. Die bisherige Regelung, die eine Regelhöhe von 0,96 m über Schienenoberkante vorsieht, entspricht nicht den tatsächlichen Verhältnissen, da diese Bahnsteighöhe nur in den Gleichstrom-S-Bahnen in Berlin und Hamburg ausschließlich genutzt wird.

Die neue Formulierung bildet das tatsächlich bestehende Verhältnis von Regelhöhe und den bestehenden Ausnahmen mit Bahnsteighöhen von 0,96 m ab. Änderungen der vorhandenen Bahnsteighöhen von 0,96 m über Schienenoberkante in den genannten Gleichströmen-S-Bahnsystemen in Berlin und Hamburg sind damit weder für vorhandene noch für etwaige Neubauten verbunden.

Mit dieser Regelung wird sichergestellt, dass den systembedingten Erfordernissen von S-Bahnen hinsichtlich einer Bahnsteigkantenhöhe von 0,38 m bis 0,96 m über Schienenoberkante Rechnung getragen werden kann.

Mit der Neufassung des § 13 Absatz 1 Satz 2 ist keine Änderung der bisherigen Bahnsteigkantenhöhe in den bestehenden S-Bahn-Systemen beabsichtigt. Gleiches gilt für Strecken, die mit Zwei-System-Fahrzeugen befahren werden.

In Satz 3 wird eine redaktionelle Korrektur vorgenommen.

Zu Artikel 3

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.