Gesetzesantrag des Freistaats Thüringen
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen der öffentlichen Haushalte

E. Sonstige Kosten

F. Bürokratiekosten

Gesetzesantrag des Freistaats Thüringen
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch

Freistaat Thüringen Erfurt, den 3. Juli 2008
Der Ministerpräsident

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ersten Bürgermeister
Ole von Beust

Sehr geehrter Herr Präsident,

die Landesregierung des Freistaats Thüringen hat beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage mit Vorblatt und Begründung beigefügten


mit dem Antrag zuzuleiten, seine Einbringung beim Deutschen Bundestag gemäß Art. 76 Abs. 1 des Grundgesetzes zu beschließen.
Ich bitte, gemäß § 36 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates die Beratung des Gesetzentwurfes in den Ausschüssen zu veranlassen.


Mit freundlichen Grüßen
Dieter Althaus

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch

Vom ...

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch

Das Zweite Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 8. April 2008 (BGBl. I S. 681), wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch

Das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 28. Mai 2008 (BGBl. I S. 874), wird wie folgt geändert:

Artikel 3
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am ... in Kraft.

Begründung:

Allgemeiner Teil:

Ohne die grundlegenden kulturellen, sozialen und reproduktiven Leistungen der Familien können Staat und Gesellschaft ihre Aufgaben nicht erfüllen. Daher liegt eine Unterstützung von Familien, damit sie diese Leistungen erbringen können, im elementaren Interesse aller staatlichen Ebenen. Alle statistischen Modelle zur Bevölkerungsvorausberechnung führen jedoch zu dem Ergebnis, dass die Bevölkerungszahl Deutschlands zukünftig zurückgehen wird. Hierfür ist nicht zuletzt der rapide Anstieg des Geburtendefizits ursächlich (vgl. Statistisches Bundesamt "Bevölkerung Deutschlands bis 2050 - 11. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung", S. 13). In diesem Phänomen muss auch eine unzureichende gesellschaftliche Teilhabe von Familien erkannt werden, der es durch staatliche und kommunale Maßnahmen zu begegnen gilt. Zur Erklärung der Ursachen gibt es ebenso verschiedene Ansätze und Modelle wie für die Entwicklung von Lösungen der Probleme. Eine Möglichkeit zur günstigen Beeinflussung wird allgemein darin gesehen, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, in denen Familien leben, zu verbessern. Aus jüngster Zeit wird der Einführung des Elterngeldes durch den Bund eine entsprechende Wirkung bescheinigt. Aber auch die Landesregierungen und Kommunen haben in unterschiedlicher Form Initiativen zur Verbesserung der Familienfreundlichkeit der Gesellschaft ergriffen.

Sofern über die Einführung von finanziellen Leistungen zugunsten von Familien nachgedacht wird stellt sich immer wieder die sozialpolitisch und rechtlich problematische Frage, inwieweit Leistungen zugunsten von Familien nach den §§ 10 und 11 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) sowie den §§ 82 ff. und 90 ff. des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) als Einkommen oder als Vermögen auf staatliche Transferleistungen anzurechnen sind.

Nach der derzeitigen Rechtslage ist davon auszugehen, dass auch ausdrücklich zum Zweck der Familienförderung bestimmte freiwillige Leistungen von Ländern und Kommunen auf staatliche Transferleistungen anzurechnen sind, sofern sie nicht aufgrund der bestehenden Ausnahmetatbestände davon befreit sind. Ein derartiger Ausnahmetatbestand findet sich beispielsweise in § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung vom 17. Dezember 2007, BGBl. I. S. 2942, für geringfügige einmalige Leistungen (nicht mehr als 50 EUR jährlich). Auf Grundlage dieser Vorschrift soll nach Auffassung der Bundesregierung ein von einer Gemeinde für Neugeborene gezahltes "Begrüßungsgeld" nicht als Einkommen auf die Regelleistungen und die Leistungen für Unterkunft und Heizung im Rahmen des Arbeitslosengeldes II angerechnet werden. Ein weiteres Beispiel ist § 83 Abs. 1 SGB XII, wonach Leistungen, die auf Grund öffentlichrechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, so weit als Einkommen anzurechnen sind, als die Sozialhilfe im Einzelfall demselben Zweck dient. Der letztgenannte Ausnahmetatbestand scheint auf den ersten Blick auch die Privilegierung familienpolitischer Leistungen zuzulassen.

Dies ist jedoch mindestens zweifelhaft, da finanzielle Leistungen an Sozialhilfeempfänger im Regelfall für Zwecke verwendet werden dürften, denen auch die Sozialhilfe dient (Sicherung des Lebensunterhalts). Die bestehenden gesetzlichen Privilegierungen haben immer einen sehr engen Anwendungsbereich. Sofern Länder und Kommunen für ihren Bereich finanziell wirksame Maßnahmen ergreifen möchten, die generell die Bereitschaft zur Familiengründung fördern sollen, entsteht im Regelfall das Problem, dass derartige Leistungen Transferleistungsempfängern nicht zugute kommen. Dies erscheint unter sozialpolitischen Gesichtspunkten wenig sinnvoll, weil staatliches Interesse an der Familienförderung unabhängig von Einkommensverhältnissen besteht. Zudem stellt sich in der politischen Diskussion auch immer wieder die Gerechtigkeitsfrage, die unter Umständen dahingehend beantwortet wird, dass besondere familienpolitische Leistungen allen Bürgern unterschiedslos gewährt werden sollen, andernfalls insbesondere Länder und Kommunen von der Einführung solcher Maßnahmen absehen könnten.

Dieser Effekt ist angesichts der dringenden familienpolitischen Handlungsnotwendigkeiten nicht wünschenswert.

Die Rechtsprechung zu diversen Fragen der Anrechnungsfreiheit ist vielfältig und teilweise auch widersprüchlich, was in der Vergangenheit auch dazu geführt hat, dass bestimmte politisch erwünschte Anrechnungsprivilegien ausdrücklich geregelt wurden, wie beispielsweise für die Eigenheimzulage nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung. Dies verdeutlicht, dass eine ausdrückliche gesetzliche Klarstellung der Anrechnung für bestimmte Leistungen sinnvoll ist. Zu diesem Zweck sollen die entsprechenden Regelungen im SGB II und im SGB XII dahingehend ergänzt werden, dass familienfördernde Leistungen aufgrund von öffentlichrechtlichen Vorschriften, deren Zweck die Verbesserung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für Familien ist, anrechnungsfrei gestellt werden.

Besonderer Teil:

Zu Artikel 1 Nummer 1:

Sofern familienfördernde Leistungen einem Leistungsberechtigten nach dem SGB II zufließen, sind sie nach der gegenwärtigen Rechtslage als Einkommen nach Maßgabe des § 11 SGB II zu berücksichtigen. Zwar werden in der Arbeitslosengeld II / Sozialgeld-Verordnung vom 17. Dezember 2007, BGBl. I. S. 2942, auch Freibeträge und andere Ausnahmetatbestände festgesetzt. Es besteht jedoch keine generelle Ausnahme für familienfördernde Leistungen. Die Einfügung eines neuen Ausnahmetatbestandes für familienfördernde Leistungen in § 11 Abs. 3 SGB II soll die Berücksichtigung künftig ausschließen.

Die Tatbestandsmerkmale der neu einzufügenden Regelung berücksichtigen folgende Umstände und Zielsetzungen:

Der Begriff der öffentlichrechtlichen Vorschriften umfasst nicht nur Gesetze, Verordnungen und Satzungen, sondern auch Verwaltungsvorschriften. Durch die Voraussetzung, dass die familienfördernde Leistung durch öffentlichrechtlichen Vorschrift zu gewähren ist, werden zwei Ziele erreicht: Einerseits ermöglicht die Vorschrift somit Bund, Ländern und Kommunen, in unbürokratischer Weise - auch durch Verwaltungsvorschrift - Leistungen zu gewähren die allen Familien, auch den Empfängern von Transferleistungen nach dem SGB II, zugute kommen können. Zum anderen wird durch den Begriff der öffentlichrechtlichen Vorschrift sichergestellt, dass nur öffentlichrechtliche Rechtssubjekte Leistungen gewähren können die nicht auf Leistungen nach dem SGB II anzurechnen sind.

Die als weitere Tatbestandsmerkmale definierten Zweckbestimmung - zur Verbesserung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, in denen Familien leben - enthält einerseits eine hinreichend klare Bestimmung des Anwendungsbereichs des Ausnahmetatbestands, lässt aber andererseits den Urhebern der entsprechenden öffentlichrechtlichen Vorschriften vergleichsweise großen Spielraum für die Entscheidung, welche Arten von Leistungen sie zu Zwecken der Familienförderung ausreichen wollen. Entscheidend für die Anwendbarkeit des Ausnahmetatbestands wird die Definition des Verwendungszwecks in den entsprechenden öffentlichrechtlichen Vorschriften unter Berücksichtigung des Wortlauts des Ausnahmetatbestands sein.

Zu Artikel 1 Nummer 2:

Sofern familienfördernde Leistungen vor dem Eintritt der Bedürftigkeit bzw. der Leistungsberechtigung nach dem SGB II zur Bildung eines Vermögens geführt haben, sind sie nach der gegenwärtigen Rechtslage als Vermögen nach Maßgabe des § 12 SGB II zu berücksichtigen.

Zwar werden in der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung vom 17. Dezember 2007, BGBl. I. S. 2942, auch Freibeträge und andere Ausnahmetatbestände festgesetzt. Es besteht jedoch keine generelle Ausnahme für familienfördernde Leistungen. Die Einfügung eines neuen Ausnahmetatbestandes für familienfördernde Leistungen in § 12 Abs. 3 SGB II soll die Berücksichtigung künftig ausschließen. Im Übrigen kann auf die Begründung zu Artikel 1 Nummer 1 verwiesen werden.

Zu Artikel 2 Nummer 1 Buchst. a:

Sofern familienfördernde Leistungen einem Leistungsberechtigten nach dem SGB XII zufließen, sind sie nach der gegenwärtigen Rechtslage als Einkommen nach Maßgabe der §§ 82 ff. SGB XII zu berücksichtigen. Die Einfügung eines neuen Ausnahmetatbestandes für familienfördernde Leistungen in § 83 Abs. 2 SGB XII soll die Berücksichtigung künftig ausschließen.

Im Übrigen kann auf die Begründung zu Artikel 1 Nr. 1 Bezug genommen werden.

Zu Artikel 2 Nummer 2:

Sofern familienfördernde Leistungen vor dem Eintritt der Bedürftigkeit bzw. der Leistungsberechtigung nach dem SGB II oder dem SGB XII zur Bildung eines Vermögens geführt haben, sind sie nach der gegenwärtigen Rechtslage als Vermögen nach Maßgabe der §§ 90 ff. SGB XII zu berücksichtigen. Zwar werden in der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch auch Freibeträge und andere Ausnahmetatbestände festgesetzt. Auch hier besteht jedoch keine generelle Ausnahme für familienfördernde Leistungen. Die Einfügung eines neuen Ausnahmetatbestandes für familienfördernde Leistungen in § 90 Abs. 2 SGB XII soll die Berücksichtigung künftig ausschließen. Im Übrigen kann auf die Begründung zu Artikel 1 Nummer 1 verwiesen werden.

Zu Artikel 3:

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.