900. Sitzung des Bundesrates am 21. September 2012
- a) Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 zwecks Festlegung einer gemeinsamen Regelung für die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen unter außergewöhnlichen Umständen - COM (2011) 560 final Drucksache: 554/11 (PDF) und zu554/11 in Verbindung mit
- b) Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Wahrung des Schengen-Systems - Stärkung des Raums ohne Kontrollen an den Binnengrenzen COM (2011) 561 final Drucksache: 555/11 (PDF) in Verbindung mit Wiederaufnahme der Beratungen gemäß § 45a Absatz 3 und 4 GO BR (jetzt: EU)
- c) Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Evaluierungsmechanismus für die Überprüfung der Anwendung des Schengen-Besitzstands - COM (2010) 624 final
- *. Erste Beschlüsse des Bundesrates vom 17. Dezember 2010, BR-Drucksache 748/10(B) und vom 4. November 2011, BR-Drucksache 554/11(B)
Drucksache: 748/10 (PDF) und zu748/10
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union empfiehlt dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat stellt fest, dass mit den Schengener Abkommen die Grundlage für eine der größten Errungenschaften der EU geschaffen wurde: Das freie Reisen ohne Grenzkontrollen für mehr als 400 Millionen Europäer.
- 2. Für den Bundesrat stellt der ungehinderte Grenzübertritt eine wichtige Grundlage für Wirtschaft, Gesellschaft und gute Nachbarschaft in Europa dar.
- 3. Missbräuchliche politische Alleingänge, die dieses wichtige Prinzip ohne Not gefährden, müssen nach seiner Auffassung auch künftig zum Schutz der Grundfreiheiten vermieden werden.
- 4. Der Bundesrat spricht sich daher für ein europäisches Verfahren zur Aktivierung von Notfallmechanismen aus, das insbesondere diejenigen Sachverhalte abdeckt, die nicht unmittelbar polizeiliche Einsätze zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung betreffen.
- 5. Der Bundesrat lehnt zusätzliche Gründe, die über die ursprünglichen Vorschläge der Kommission aus dem Jahr 2011 hinausgehen, für die Wiedereinführung von Grenzkontrollen ohne einen angemessenen Gemeinschaftsmechanismus zur Evaluierung und Überwachung ab.
- 6. Der Bundesrat ist des Weiteren der Auffassung, dass Reformen am Schengener Grenzkodex und dem Evaluierungsmechanismus nur mit Bedacht und bei größtmöglicher Beteiligung des Europäischen Parlaments (EP) erfolgen sollten.
- 7. Er lehnt jegliche Schwächung des EP entschieden ab und spricht sich dafür aus, das EP auch und gerade bei Reformen am Evaluierungsmechanismus möglichst umfassend einzubeziehen.
- 8. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die weiteren Verhandlungen in diesem Sinne zu führen.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Der Rat (JI) hat auf seiner Tagung am 7. und 8. Juni 2012 eine politische Einigung zu den obengenannten Vorschlägen erzielt. Dabei hat er u.a. dem Text des Vorschlags über die Wiedereinführung von Grenzkontrollen in der Fassung des Kompromisstextes des Vorsitzlandes Dänemark (Dok. 6161/4/12 REV 4, vergleiche BR-Drucksache 554/11 (PDF) ) inhaltlich zugestimmt. Dieser sieht vor, dass die Entscheidung über die Einführung von Binnenkontrollen mit bis zu zweijähriger Dauer letztlich von den einzelnen Mitgliedstaaten getroffen werden sollen. Der ursprüngliche Vorschlag hatte die Entscheidungshoheit hierzu der Kommission zugewiesen.
Außerdem hat der Rat vereinbart, dem Vorschlag über den Schengen-Evaluierungsmechanismus in der Fassung des Kompromisstextes des Vorsitzes (Dok. 5754/6/12 REV 6, vergleiche BR-Drucksache 748/10 (PDF) ) einschließlich des Vorschlags zu Änderung der Rechtsgrundlage (Artikel 70 AEUV statt Artikel 77 Absatz 7 Buchstabe e) einstweilen inhaltlich zuzustimmen. Er hat beschlossen, das Europäische Parlament gemäß Artikel 19 Absatz 7 Buchstabe h der Geschäftsordnung des Rates auf freiwilliger Basis zu dem Vorschlag über den Schengen-Evaluierungsmechanismus anzuhören statt dieses nur zu unterrichten.
In Reaktion darauf entschied die Konferenz der EP-Präsidenten am 14. Juni 2012, dass das Parlament seine Zusammenarbeit mit dem Rat bei fünf innenpolitischen Themen einstellen werde, solange keine zufriedenstellende Antwort in der Schengen-Frage gefunden worden sei. Die Kommission erwägt darüber hinaus die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens.