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Der Bundesrat hat in seiner 914. Sitzung am 20. September 2013 beschlossen, zu dem vom Deutschen Bundestag am 28. Juni 2013 verabschiedeten Gesetz gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes die Einberufung des Vermittlungsausschusses mit dem Ziel der Aufhebung des Gesetzesbeschlusses zu verlangen.
Begründung:
Das Gesetz sieht die Aufstockung des Betreuungsgeldes um monatlich 15 Euro vor, wenn die Eltern es sich nicht bar auszahlen lassen, sondern für eine private Altersvorsorge oder für ein Bildungssparen einsetzen. Das Ergänzungsgesetz soll zum 1. Januar 2014 in Kraft treten.
In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Deutschen Bundestages am 13. Mai 2013 sind erhebliche Bedenken gegen den Gesetzentwurf vorgetragen geworden.
Aus Sicht des Bundesrates sprechen folgende Gründe gegen das Ergänzungsgesetz:
- - Die Gewährung einer Prämie zur Altersvorsorge oder für ein Bildungssparen nur für Kinder, die nicht in eine öffentlich geförderte Betreuungseinrichtung gehen, stellt eine Ungleichbehandlung dar. Eine sachliche Begründung für diese Ungleichbehandlung ist nicht ersichtlich. - Zudem erhöht sich der Verwaltungsaufwand nochmals um ein Vielfaches, da die Voraussetzungen für die Altersvorsorge oder ein Bildungssparen geprüft werden müssen. Ob der Vertrag über ein Bildungssparen die Voraussetzungen für die Gewährung des Erhöhungsbetrags erfüllt, ist vom Vorliegen von vier Voraussetzungen abhängig (§ 4b Absatz 4, Nummern 1 bis 4 BEEG). Dadurch ergibt sich eine umfangreiche und zeitintensive Prüfpflicht der Betreuungsgeldstelle. Gerade auch durch die im Gesetz vorgesehene Rückforderung bei Kündigung des Vertrags durch die Eltern wird die Vollzugspraxis vor große Probleme gestellt. Der Erhöhungsbetrag muss gegebenenfalls noch nach Jahrzehnten zurückgefordert werden, so dass die Verwaltungsvorgänge trotz des überschaubaren Leistungszeitraums von 22 Monaten auf unbestimmte Zeit nicht abgeschlossen werden können.
- - Aus dem Änderungsantrag vom 25. Juni 2013 geht hervor, dass nunmehr auch eine zweckfremde Inanspruchnahme der Anlagesumme ( § 4b Absatz 4 BEEG) beim Bildungssparen seitens der Betreuungsgeldstellen geprüft und gegebenenfalls der Erhöhungsbetrag zurückgefordert werden soll. Außerdem wurde das Gesetz um eine Passage ergänzt, nach der das Guthaben auf dem Bildungssparvertrag, nicht wie vorgesehen in monatlichen Raten, sondern in einem Gesamtbetrag ausgezahlt werden kann. Der Antrag auf Auszahlung des Gesamtguthabens ist nach Vollendung des 14. Lebensjahres des Kindes möglich, also mehr als ein Jahrzehnt nach dem Ende des Leistungszeitraums des Betreuungsgeldes. Die Eltern müssen dazu nachweisen, dass sie die Anlagesumme für die Schulausbildung, die Hochschulausbildung, die berufliche Aus- und Fortbildung, für sonstige Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen oder angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung ihres Kindes nutzen wollen. Eine derartige Prüfung wird die Betreuungsgeldstellen schlichtweg überfordern. Ein rechtmäßiges Handeln kann nicht gewährleistet werden, da die Aufzählung im Gesetz so vielschichtig ist, dass letztlich eine Versagung des Antrages kaum möglich sein wird. Die Folge ist, dass den Eltern der Gesamtbetrag ausgezahlt wird und der Sinn des Bildungssparens entfällt. Falls nun die Betreuungsgeldstellen noch regelmäßig eine zweckfremde Inanspruchnahme kontrollieren müssen, wird es zu einem enormen Arbeitsaufwand, unangemessenen Bürokratiekosten und einem unangemessenen Personalbedarf kommen.
- - Wählen Berechtigte von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) die Gewährungsvariante mit dem Erhöhungsbetrag, wird das Betreuungsgeld inklusive des Erhöhungsbetrages in Höhe von 15 Euro, insgesamt (ab dem 1. August 2014) also monatlich 165 Euro, auf einen Altersvorsorge- bzw. Bildungssparvertrag eingezahlt. Eine Anrechnung auf die Leistungen nach dem SGB II erfolgt dann nicht. Damit findet eine Ungleichbehandlung gegenüber SGB II-Beziehern und -Bezieherinnen statt, die ausschließlich das Betreuungsgeld - ohne Erhöhungsbetrag - in Anspruch nehmen wollen, da in diesem Fall das Betreuungsgeld auf den SGB II-Bezug angerechnet wird. Eine sachliche Begründung für diese Ungleichbehandlung ist nicht ersichtlich. Im Falle einer Kündigung des Altersvorsorge- bzw. Bildungssparvertrages zahlt das Versicherungsunternehmen das angesparte Guthaben an die Eltern aus. Das Versicherungsunternehmen ist nach dem Gesetz lediglich verpflichtet, der Betreuungsgeldstelle die Kündigung des Vertrages mitzuteilen. Der Bonusbetrag ist dann zurückzufordern. Eine Mitteilungspflicht an den Leistungsträger nach dem SGB II ist nicht vorgesehen. Grundsätzlich sind alle Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher verpflichtet, den Zufluss dieses Einkommens dem Träger anzuzeigen. Der Leistungsträger wird allerdings von dem Zufluss dieses Einkommens nur vom "ehrlichen" Leistungsbezieher erfahren. Andere würden es verschweigen und müssten keine Rückforderung befürchten, da es keine Mitteilungspflichten des Versicherungsunternehmens bzw. der Betreuungsgeldstelle gibt. Aber auch im Falle einer Rückforderung des Betreuungsgeldes bleibt die tatsächliche Vollstreckungsmöglichkeit aufgrund eines eventuell andauernden Leistungsbezuges offen.
- - Nach den vorgesehenen Regelungen können die Eltern die Auszahlung zugunsten eines bestehenden zertifizierten Vertrags monatlich beenden und eine Barauszahlung verlangen. Ebenso kann die Barauszahlung monatlich beendet und die Auszahlung einschließlich des Erhöhungsbetrags an das Versicherungsunternehmen verlangt werden. Durch diese Wechselmöglichkeit entsteht zusätzlich ein enormer Verwaltungsaufwand für die Betreuungsgeldstellen.
- - Zudem wird der Beratungsaufwand der Stellen ansteigen, da sich die Eltern über die unterschiedlichen Verwendungsmöglichkeiten des Betreuungsgeldes und den Aufbau einer privaten Altersvorsorge oder die umfangreichen Voraussetzungen für ein Bildungssparen informieren werden wollen. Hierzu sind die Betreuungsgeldstellen nach ihren Kenntnissen und nach ihrer Ausstattung nicht in der Lage.
- - Nach einer Förderungsdauer von 22 Monaten ist der durch Abschluss- und sonstige Gebühren geschmälerte Kapitalstock so gering, dass er für eine Altersvorsorge oder Bildungsausgaben des Kindes nur geringfügige Erträge abwirft. Weitere Förderungsmöglichkeiten sind dringend notwendig, um eine Altersarmut, insbesondere für Frauen, die zugunsten des Betreuungsgeldes auf eine Erwerbstätigkeit verzichten, zu verhindern und gleiche Bildungschancen für alle Kinder zu gewährleisten.
Insgesamt stellt das Gesetz nicht nur falsche familienpolitische Weichen, sondern es ist mit einem Verwaltungsaufwand verbunden, der in keinem Verhältnis zum - ohnehin zweifelhaften - Erfolg steht.
B
Der Bundesrat stellt ferner fest, dass das Gesetz gemäß Artikel 104a Absatz 4 und Artikel 84 Absatz 1 des Grundgesetzes seiner Zustimmung bedarf.
Begründung:
Das Gesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrates. Eine solche ist jedoch in der Eingangsformel nicht vorgesehen.
Die Zustimmungsbedürftigkeit ergibt sich zum einen aus Artikel 104a Absatz 4 GG, da das Gesetz über die Bewilligung des erhöhten Betreuungsgeldes Ansprüche Dritter auf Geldleistungen gegenüber den Ländern begründet. Zum anderen ergibt sie sich aus Artikel 84 Absatz 1 GG. Das Gesetz über die Bewilligung des erhöhten Betreuungsgeldes enthält nicht nur materielle, sondern auch formelle Regelungen; nicht nur für die Bewilligung des erhöhten Geldbetrages, sondern auch über Prüfung der zweckentsprechenden Verwendung und Rückforderung. Diese gehen über die Regelungen in §§ 7 ff BEEG bzw. die allgemeinen Regelungen des VwVfG hinaus, so dass die vom Bundesrat 2006 für das BEEG erteilte Zustimmung die jetzigen Verfahrensänderungen nicht deckt.
Es bestimmt unter anderem, dass das erhöhte Betreuungsgeld nicht an die berechtigte Person, sondern deren Vertragspartner (eine entsprechende Versicherung) zu zahlen ist. Diese Versicherung muss den Anforderungen an das Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz genügen. Kündigt die berechtigte Person den Versicherungsvertrag nach Zahlung des ersten erhöhten Betreuungsgeldes, hat die Behörde die Meldung der Versicherung entgegen zu nehmen, den Bescheid über das erhöhte Betreuungsgeld aufzuheben und - unter Umständen Jahrzehnte später - den Erhöhungsbetrag von der berechtigten Person zurück zu fordern. Die zuständige Behörde ist also im Hinblick auf die Prüfung der Verwendung des erhöhten Betreuungsgeldes und das weitere Verfahren auf bestimmte Maßnahmen beschränkt.
Das Gesetz führt damit - abweichend von den bisherigen Regelungen des BEEG - nicht nur einen neuen Beteiligten am Verwaltungsverfahren zur Bewilligung des Betreuungsgeldes ein, sondern legt das Verwaltungshandeln auf ein bestimmtes Vorgehen fest. Es handelt sich also nicht nur um eine wiederholende Regelung oder um eine solche, die auf bereits bestehende Regelungen hinweist. Damit liegt eine Änderung bestehender Verfahrensregelungen vor.