Der Bundesrat hat in seiner 856. Sitzung am 6. März 2009 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Allgemeines
- 1. Der Bundesrat begrüßt es grundsätzlich, dass die bestehenden Regelungen über Fahrgastrechte von Fluggästen und im Schienenpersonenverkehr um Regelungen für den Schiffsverkehr ergänzt werden. Die Einbeziehung aller Verkehrsträger in die Fahrgastrechte wird befürwortet.
- 2. Allerdings ist nach Auffassung des Bundesrates das Subsidiaritätsprinzip nicht eingehalten. Unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität sind allenfalls Regelungen für grenzüberschreitende Verkehre geboten. Nur Regelungen in diesem Bereich sind zur Verwirklichung der gemeinsamen Verkehrspolitik im Sinne von Artikel 71 EGV erforderlich. Für die Regelung inländischer Verkehrsdienste besteht auch im Hinblick auf Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe c und d EGV keine Notwendigkeit. Dies gilt insbesondere für die Schifffahrt auf inländischen Binnenseen.
- 3. Ferner lässt der Verordnungsvorschlag die gebotene Differenzierung hinsichtlich der unterschiedlichen Beförderungsbedingungen bei internationalen Seeverkehren, den nationalen Küstenseeverkehren (u. a. Versorgerverkehre der Inseln) und den Binnenschifffahrtsverkehren vermissen.
- 4. Außerdem ist nach Auffassung des Bundesrates der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht eingehalten worden, da aufgrund der weitreichenden Regelungen in der vorgeschlagenen Verordnung davon auszugehen ist, dass die Unternehmen übermäßig mit zeit- und kostenintensiven Verpflichtungen belastet werden.
- 5. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist nach Auffassung des Bundesrates zudem verletzt, weil es im Hinblick auf den geringsten Eingriff völlig ausreicht, die Rechtsform einer Richtlinie zu wählen. Eine Richtlinie belässt den Mitgliedstaaten den notwendigen Spielraum, um EU-Vorgaben in nationales Recht zu integrieren sowie die unterschiedlichen wirtschaftlichen und verkehrspolitischen Strukturen in den einzelnen Mitgliedstaaten angemessen zu berücksichtigen.
- 6. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass die Kommission eine detaillierte Kostenabschätzung erstellt im Hinblick auf die finanziellen Auswirkungen der in der vorgeschlagenen Verordnung vorgesehenen Verpflichtungen. Auf die Verkehrsunternehmen werden erhebliche Mehrkosten zukommen schon aufgrund der Verpflichtungen, die der Realisierung verbesserter Rechte von Fahrgästen mit eingeschränkter Mobilität dienen sollen. Insbesondere die vielen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) wären in besonderem Maße betroffen, was Insolvenzen und Arbeitsplatzverluste befürchten lässt. Die zusätzlichen Verpflichtungen würden sich auch erhöhend auf die Fahrpreise und damit zum Nachteil aller Fahrgäste auswirken. Die Kostenschätzung der Kommission ist als völlig unzureichend und wenig detailliert zu bewerten. Bei der Berücksichtigung der Kostenfolgen stützt sich die Kommission vor allem auf die Gegebenheiten des Luftverkehrs und lässt die Besonderheiten und anderen Strukturen, die im Sektor der See- und Binnenschifffahrt vorherrschen, nahezu unberücksichtigt.
Zu einzelnen Punkten des Verordnungsvorschlags:
Zu Artikel 2 (Geltungsbereich)
- 7. Der Bundesrat sieht es als problematisch an, dass die Kreuzfahrten in den Geltungsbereich der vorgeschlagenen Verordnung fallen. Die Rechte der Passagiere sind vor allem durch die Pauschalreiserichtlinie geschützt, in der bereits umfassende Entschädigungsregelungen getroffen werden. Hinzu kommt, dass ein großer Anteil der Kreuzfahrtschiffe, die europäische Häfen anlaufen, nicht unter europäischer Flagge fahren und sich häufig ausschließlich nichteuropäische Passagiere auf den Schiffen befinden. Hinsichtlich der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien sollte das entsprechend anwendbare internationale Privatrecht gelten und nicht das europäische Recht. Den nichteuropäischen Kreuzfahrtbetreibern zusätzliche bürokratische Erschwernisse und finanzielle Belastungen aufzuerlegen, so dass diese europäische Häfen in geringerem Umfang anlaufen könnten, würde unberücksichtigt lassen, dass Kreuzfahrtpassagiere mittlerweile einen bedeutsamen Wirtschaftsfaktor für die Häfen und Städte darstellen. Gleiches gilt für die Kreuzfahrtschiffe auf den Binnengewässern.
- 8. Der Bundesrat begrüßt es, dass die Mitgliedstaaten Verkehrsdienste aus dem Geltungsbereich der vorgeschlagenen Verordnung ausnehmen können. Es wird aber als problematisch angesehen, dass Voraussetzung hierfür das Vorliegen öffentlicher Dienstleistungsaufträge ist und diese Verträge in Bezug auf Passagierrechte ein vergleichbares Schutzniveau bieten müssen wie diese vorgeschlagene Verordnung. So ist die Hilfeleistung für mobilitätsbehinderte Menschen unter den derzeitigen Rahmenbedingungen beispielsweise für im Nahverkehr verkehrende Fährdienste nur schwer oder gar nicht zu realisieren. Im Fährverkehr kommen des Öfteren Einmannschiffe zum Einsatz. Bei diesen Schiffen kann der Schiffsführer die Brücke nicht verlassen. In diesen Fällen wäre für eine Hilfeleistung zusätzliches Personal vorzuhalten. Als schwierig erweist sich auch die barrierefreie Gestaltung der Schiffsanleger vor allem in Tidegewässern, da sich aus den sich ändernden Wasserständen unterschiedliche Höhenlagen des Pontons zum Festland ergeben; der Bau von Aufzügen zur Erschließung des Pontons wäre aufgrund des Hochwasserschutzes nahezu ausgeschlossen. Ebenfalls schwer durchführbar und nicht sachgerecht ist die Anmeldung entsprechender Hilfeleistungen 48 Stunden vor Abfahrt, da die Entscheidung zu fahren von den Passagieren i. d. R. sehr kurzfristig getroffen wird. Nicht praxisgerecht sind ferner die Hilfeleistungen und Entschädigungsregelungen im Falle der Verspätungen.
Zu Artikel 3 (Begriffsbestimmungen)
- 9. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass in Artikel 3 folgender Buchstabe angefügt wird: "(s) zu "den außergewöhnlichen Umständen" zählen auch durch höhere Gewalt verursachte Umstände, wie zum Beispiel extreme Tidenverhältnisse, starke Winde, Überschreitung signifikanter Wellenhöhen und Eisgang, Wartezeiten an den Schleusen sowie die verspätete Abfahrt des Schiffs durch das Warten auf für die Reise gebuchte Passagiere, die mit anderen Verkehrsträgern verspätet anreisen."
Artikel 20 Absatz 4 besagt, dass die in Artikel 20 Absätze 1 bis 3 genannten Verpflichtungen (Entschädigung durch Fahrpreisnachlass) nicht gelten, wenn die Verspätung oder Annullierung durch "außergewöhnliche Umstände" verursacht wurde, die auch mit allen zumutbaren Maßnahmen nicht hätten vermieden werden können.
Der Schiffsverkehr in der Nord- und Ostsee sowohl in der Inselversorgung als auch zwischen den europäischen Staaten ist sehr stark von den unterschiedlichsten Unwägbarkeiten des Wetters beeinflusst. Besonders im Wattenmeer der Nordsee fallen die Schifffahrtswege häufig aufgrund extremen Niedrigwassers trocken oder sind wegen zu starker Flut nicht nutzbar. Eisgang, hohe Wellen und starke Winde verhindern sehr häufig die fahrplanmäßige Durchführung von Seeverkehren.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass es aufgrund überlasteter Schleusen im Zuge der Fahrgastschifffahrt, wie beispielsweise auf der Mosel, trotz abgestimmter Fahrpläne zu nicht unerheblichen Verspätungen kommen kann. Darüber hinaus besteht in nicht wenigen Fällen ein Grund für eine verspätete Abfahrt des Schiffs darin, dass ein wesentlicher Teil der Kreuzfahrtgäste bzw. Passagiere nicht rechtzeitig zum vereinbarten Abfahrtort des Kreuzfahrtschiffs, der Fähre etc. kommt.
Eine Begriffsbestimmung in diesem Sinne ist notwendig, um zu verhindern, dass eine Auslegung zu Lasten der Verkehrsunternehmen vorgenommen wird.
Zu Artikel 4
- 10. Die Bundesregierung wird gebeten, sich dafür einzusetzen, dass Sondertarife für Inselbewohner nicht als diskriminierend gewertet werden.
Artikel 4 verbietet die Diskriminierung von Passagieren aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnorts hinsichtlich der Beförderungsbedingungen, und zwar unbeschadet gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen, die Sozialtarife vorschreiben. Dies kann so gedeutet werden, dass Insulanertarife nicht mehr zulässig sind.
Die Nord- und Ostseeinseln sowie die Halligen werden ganzjährig von den Inselversorgungsreedereien bedient. Mit diesen Diensten werden nicht nur Touristen von und zu den Inseln transportiert, sondern es wird auch die dort lebende Bevölkerung versorgt und die Möglichkeit eröffnet, Arzt-, Schul- oder sonstige notwendige Besuche auf dem Festland zu erledigen. Folge der vorgeschlagenen Vorschrift könnte es daher sein, dass die noch verbliebenen Insulaner wegen überhöhter Lebenshaltungskosten ihre Inseln verlassen müssten, falls zukünftig die vollen Tarife für Fährpassagen zu entrichten wären. Dies könnte wiederum zur Konsequenz haben, dass Inselreedereien aus wirtschaftlichen Gründen ihren Betrieb einstellen müssten.
Entweder sollte Artikel 4 ganz gestrichen werden, oder es ist deutlich zu machen, dass die sogenannten Insulanertarife von diesem Diskriminierungsverbot unberührt bleiben.
Zu Artikel 6 und Artikel 7
- 11. Die Bundesregierung wird gebeten, darauf hinzuwirken, dass der Ausnahmetatbestand von der Beförderungspflicht wie nachfolgend dargelegt geändert wird. Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b sieht vor, dass die Beförderung einer Person mit eingeschränkter Mobilität verweigert werden kann, wenn wegen der Bauart des Fahrgastschiffs das Einschiffen oder die Beförderung der betreffenden Person "physisch" unmöglich sind.
Diese Regelung ist zu eng gefasst, denn es sind kaum Fallkonstellationen denkbar, in denen eine physische Unmöglichkeit besteht, eine Person mit eingeschränkter Mobilität zu befördern. Vielfach wird aber die Beförderung für die betreffende Person nicht hinreichend sicher, komfortabel oder zumutbar sein. Der Begriff "physisch unmöglich" sollte deshalb durch die Wörter "sicher, komfortabel und zumutbar" ersetzt werden.
- 12. Darüber hinaus sollte neben dem Wort "Einschiffen" auch das Wort "Ausschiffen" mit in den Verordnungstext aufgenommen werden. Damit würde den besonderen Begebenheiten des Seeverkehrs nach Helgoland Rechnung getragen werden, wo das Ausbooten für Personen mit eingeschränkter Mobilität aufgrund des regelmäßig auftretenden Wellengangs mit erheblichen Gefahren verbunden sein kann.
- 13. Zudem sollte eine Ausnahme von der obligatorischen Beförderungspflicht grundsätzlich zulässig sein, wenn die Beförderung unverhältnismäßige Kosten für den Beförderer verursacht. Die finanziellen Anforderungen an den Beförderer müssen sich im Rahmen des Machbaren halten. Dies betrifft insbesondere die KMU in der Binnen- und Küstenschifffahrt. Die Unternehmen genießen einen besonderen Vertrauensschutz, dem beispielsweise die Richtlinie 2006/87 über die technischen Bestimmungen für Binnenschiffe Rechnung trägt, die weitreichende Übergangsregelungen für Fahrgastschiffe bei der Anpassung der Binnenschiffe an die Bedürfnisse von Personen mit eingeschränkter Mobilität zulässt.
- 14. Schließlich sollte mit in den Verordnungstext aufgenommen werden, dass von einer Beförderungspflicht abzusehen ist, wenn die Bauart der Häfen bzw. die tatsächlichen Gegebenheiten in den Häfen eine Beförderung nicht zulassen oder die Beförderung nur mit unverhältnismäßigem Aufwand für die Beförderer zu realisieren ist. In diesem Zusammenhang wird auf die obigen Ausführungen zu Ziffer 8 unter Artikel 2 verwiesen.
- 15. Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b Satz 2 sieht vor, dass alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen sind, um der betreffenden Person eine annehmbare Alternative zu bieten, wenn dieser die Vornahme einer Buchung aus den maßgeblichen Gründen verweigert worden ist. Es erscheint sachgerecht, den Begriff "annehmbare Alternative" durch die Formulierung "ein vergleichbares Verkehrsmittel" zu ersetzen.
- 16. Nach Artikel 7 Absatz 2 können Beförderer, Fahrscheinverkäufer oder Reiseveranstalter verlangen, dass aus Sicherheitsgründen eine Begleitperson mitreisen muss. Es ist zu klären, wer die Kosten für die Begleitpersonen zu tragen hat. Vor allem ist es für KMU nicht zumutbar, auf das Beförderungsentgelt für die Begleitperson zu verzichten.
Zu Artikel 8 Absatz 1 (Zugänglichkeit und Informationen)
- 17. Die Forderung nach Normierung diskriminierungsfreier Zugänglichkeit wird als gerechtfertigt angesehen, zumal dies auf fast allen deutschen Fährverbindungen im Rahmen von Zertifizierungen schon umgesetzt worden ist. Gleichwohl wird im Hinblick auf die begrenzten technischen Möglichkeiten kleiner lokaler Fahrzeuge vorgeschlagen, den Halbsatz "wo möglich und sinnvoll" in Absatz 1 einzufügen.
Zu Artikel 9 Absatz 1 (Recht auf Hilfeleistung in den Häfen)
- 18. Die hier vorgesehenen Verpflichtungen des Beförderers zur umfassenden Hilfeleistung für Personen mit eingeschränkter Mobilität in den Häfen beim Einlaufen, Auslaufen und Transit erscheinen schwer erfüllbar. Insbesondere stehen bereits bestehende umfangreiche Regelungen und Vorschriften u. a. zur Erfüllung der allgemeinen und internationalen Sicherheitsstandards, die für Häfen gelten, entgegen. Welche Hilfeleistungen für den Beförderer möglich und zulässig sind, bedarf der Klärung.
Zu Artikel 9 Absatz 2, Artikel 12 Buchstabe a und d
- 19. Die Bundesregierung wird gebeten, sich dafür einzusetzen, dass die Begriffe "Hafenbehörde" und "Leitungsorgan der Häfen" in Artikel 9 Absatz 2 und Artikel 12 Buchstabe a ersatzlos gestrichen werden. Die Einbeziehung der Hafenbehörde bzw. der Leitungsorgane des Hafens in die hier vorgeschriebenen Verpflichtungen ist nicht sachgerecht. Die rechtliche Verpflichtung zur Erbringung von Hilfeleistungen für Passagiere mit eingeschränkter Mobilität sowie die Information und Unterrichtung der Schiffspassagiere sind - soweit überhaupt vorgesehen - auf Beförderer, Fahrscheinverkäufer und Reiseveranstalter zu begrenzen. Hafenbehörden erfüllen hoheitliche Verkehrs- und Sicherheitsaufgaben und verwalten Infrastruktur. Sie sind weder organisatorisch noch personell auf die Erbringung von Hilfs- und Unterstützungsleistungen sowie Informationsdienste für Reisende ausgerichtet. Dies widerspräche auch der Rechtssystematik, denn den Hintergrund für solche Verpflichtungen bildet der Beförderungsvertrag, in den die Häfen nicht eingebunden sind. Diese sollten deshalb von den vertragsnahen Verpflichtungen und Fürsorgepflichten freigestellt werden.
- 20. Artikel 12 Buchstabe d sollte im Wortlaut dahingehend geändert werden, dass die Leitungsorgane der Häfen alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, die Vertragspartner der Passagiere bei der Einrichtung vorgesehener Kontaktstellen zu unterstützen.
Zu Artikel 9 Absätze 4 und 5
- 21. Die Bundesregierung wird gebeten, darauf hinzuwirken, dass Artikel 9 Absatz 4 und 5 gestrichen wird. Die Verpflichtung des Beförderers zur Buchführung über seine Leistungen für Personen mit eingeschränkter Mobilität und Vorlage eines geprüften Jahresberichts bei der Durchsetzungsstelle über die finanziellen Kosten der Hilfeleistungen führt dazu, dass die Unternehmen auf eine nicht zumutbare Weise mit erheblichen bürokratischen Pflichten und zusätzlichen Kosten belastet werden. Dies würde vor allem den zahlreichen mittelständischen Verkehrsunternehmen, die in Deutschland die Fahrgastschifffahrt durchführen, Schwierigkeiten bereiten und ist deshalb nicht hinnehmbar. Ein solcher Jahresbericht wird weder von Flug- noch von Eisenbahngesellschaften verlangt. In diesem Zusammenhang ist auf die Arbeit der hochrangigen Gruppe "Bürokratieabbau" der EU zu verweisen.
Zu Artikel 16
- 22. Der Bundesrat sieht es als problematisch an, den Ersatz für Schäden an Rollstühlen und ähnlichen Hilfsmitteln einer besonderen Regelung in dieser Verordnung zu unterwerfen.
- 23. In jedem Fall ist es abzulehnen, dass die Leitungsorgane des Hafens nach dieser Regelung unter bestimmten Voraussetzungen bei Verlust oder Beschädigung der Hilfsmittel zur Entschädigung verpflichtet sind. Wie bereits dargelegt sind die Leitungsorgane des Hafens keine Vertragspartner der Passagiere, so dass eine Ausweitung der Schadenersatzansprüche abzulehnen ist. Die üblichen gesetzlichen Ansprüche, wie beispielsweise nach Deliktsrecht, decken eventuell bestehende Schadenersatzansprüche gegenüber den Leitungsorganen der Häfen ab.
- 24. Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass die Wörter "oder Leitungsorgan des Hafens" ersatzlos gestrichen werden.
- 25. Hinsichtlich der Entschädigungspflicht des Beförderers ist zu beachten, dass das Athener Übereinkommen eine entsprechende Haftungsregelung enthält und der Vorschlag für eine EU-Verordnung über die Haftung von Beförderern die Überführung des Protokolls 2002 in europäisches Recht vorsieht. Es ist zu vermeiden, dass mit der Einführung der Bestimmung des Artikels 16 eine Regelung Anwendung findet, die auf völkerrechtlicher Ebene nicht gegenüber Beförderern anderer Vertragsstaaten des Protokolls 2002 gilt und nur gegenüber eigenen Schiffen oder eigenen Staatsangehörigen durchgesetzt werden könnte. Dies widerspräche auch dem Ziel der globalen Harmonisierung des Haftungsrechts in der Passagierbeförderung.
Zu Artikel 17
- 27. Die Regelung verpflichtet den Beförderer oder gegebenenfalls das Leitungsorgan des Hafens, seine Passagiere über Verspätungen in einem starren Zeitrahmen zu informieren. Dies erscheint aber nicht sachgerecht angesichts der Auswirkungen kurzfristig eingetretener Wetterverhältnisse. Insbesondere im Nord- und Ostseeverkehr kann sich innerhalb kürzester Zeit ein verändertes Bild der zu erwartenden Ankunfts- und Abfahrtszeiten ergeben, so dass dem Beförderer ein gewisser Spielraum bei der Bereitstellung der Informationen zugebilligt werden sollte. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die grundsätzlich als positiv zu betrachtende Verpflichtung zur Informationsübermittlung wegen der möglicherweise nicht vorhandenen Infrastruktur in kleinen Häfen oder im Bereich kleiner Fähranleger in nicht wenigen Fällen nur schwer oder gar nicht zu realisieren ist.
- 28. Zudem bittet der Bundesrat die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass in Artikel 17 Absatz 1 die Wörter "gegebenenfalls das Leitungsorgan des Hafens" ersatzlos gestrichen werden, da wie bereits dargelegt, ein Leitungsorgan des Hafens in keiner vertraglichen Verpflichtung zu den Passagieren steht. Außerdem besteht eine größere Sachnähe des Beförderers zu den Informationen über eine Verspätung. Das Leitungsorgan des Hafens kann allenfalls dazu verpflichtet sein, dem Beförderer nautische Informationen zu übermitteln.
Zu Artikel 18
- 29. Die Regelung verkennt nach Auffassung des Bundesrates zunächst, dass die Infrastruktur der Fährterminals nicht zu vergleichen ist mit derjenigen, die üblicherweise auf den europäischen Flughäfen vorhanden ist. Insbesondere bei kleinen Fähranlegern besteht vielfach gar nicht die Möglichkeit, derartigen Verpflichtungen, wie dem Anbieten von Erfrischungen und Mahlzeiten, nachzukommen. Insofern bedarf es in dieser Regelung einer Differenzierung, die den eingeschränkten Möglichkeiten vor allem im Bereich kleiner Schiffsanleger entspricht.
- 30. Zudem ist ein starres Zeitfenster von 60 Minuten verzögerter Abfahrt für die Verpflichtung zu Hilfeleistungen nicht sachgerecht. Selbst für den Flugverkehr gilt nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 eine Mindestfrist von 120 Minuten. Der wassergebundene Schiffsverkehr ist im besonderen Maße von den bestehenden Wetterverhältnissen abhängig. Vor allem die besonderen Wind- und Wasserverhältnisse wie unterschiedliche Tideverhältnisse, Stürme und Wellen sowie Nebel und Eisgang sind häufig Ursache für eine verspätete Ankunft bzw. Abfahrt. Nautische Gründe gebieten unter Außerachtlassung des Fahrplans das Anpassen der Fahrweise an die Wetterverhältnisse. Die Verpflichtung, alle Passagiere mit Erfrischungen nach einer verspäteten Ankunft bzw. Abfahrt zu versorgen, kann insbesondere im Fährverkehr zu den Nordseeinseln aufgrund des häufig extremen Niedrigwassers zur Aufgabe der Inselversorgungsverkehre aus finanziellen Gründen führen.
- 31. Aber auch für andere vor allem mittelständische Verkehrsunternehmen kann die Versorgungsregelung zu einer unangemessenen finanziellen Beeinträchtigung führen, zumal die Gründe zumeist, wie bereits erwähnt, außerhalb des Einflussbereichs der Unternehmen liegen. Hinzu kommt, dass Verspätungen häufig während der Fahrt aufgeholt werden können. Insofern erleidet der Passagier dann auch keine besonderen Nachteile.
- 32. Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass die hier genannten Gesichtspunkte berücksichtigt werden und der Haftungsausschluss des Artikels 20 Absatz 4 auch für Artikel 18 gilt.
- 33. Hinsichtlich der Konkretisierung des Begriffes "außergewöhnliche Umstände" wird auf die obigen Ausführungen zur Begriffsbestimmung unter Ziffer 9 zu Artikel 3 verwiesen.
Zu Artikel 19 (Anderweitige Beförderung und Fahrpreiserstattung)
- 34. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, auch darauf hinwirken, dass die Haftungseinschränkung des Artikels 20 Absatz 4 ebenfalls für Artikel 19 gilt.
- 35. Im Übrigen sind die pauschale Forderung nach anderweitiger Beförderung und die Einführung einer Pauschalentschädigungsregelung nicht sachgerecht. Aufgrund von Umständen, die meist, wie oben dargelegt, außerhalb des Einflussbereichs des Beförderers liegen, ist das zeitnahe Angebot von alternativen Verkehrsmitteln kaum erfüllbar. Es bedarf einer Klarstellung, dass alternative Verkehrsmittel sich auf den gleichen Verkehrsträger beziehen. Es erscheint nicht praktikabel, den Beförderer zu verpflichten, alternative Verkehrsträger, wie etwa Flugzeuge oder Busse, zu stellen. Zudem sollte die Erstattung des Fahrpreises davon abhängig gemacht werden, dass die in Buchstabe a genannten alternativen Verkehrsdienste nicht akzeptiert werden, weil sie für den Passagier unzumutbar sind. Es wird offensichtlich auch verkannt, dass Fähren und Kreuzfahrtschiffe Verspätungen von 120 Minuten durchaus problemlos aufholen können.
Zu Artikel 20 (Entschädigung durch Fahrpreisnachlass)
- 36. Eine Pauschalentschädigungsregelung in der vorliegenden Form ist nach Auffassung des Bundesrates abzulehnen. Es fehlt an der erforderlichen Unterscheidung hinsichtlich der Größe des Schiffs, der Dauer der Fahrt und der Frequenz des eingesetzten Verkehrsdienstes. So wird hier kein Unterschied gemacht zwischen einer kurzen Überfahrt und einer mehrtägigen Fahrt auf einer Fähre. Insofern bedarf es einer Differenzierung. Hinsichtlich des Zeitrahmens für die Entschädigungsregelung ist ferner zu berücksichtigen, dass, wie bereits oben dargelegt, Verspätungen auch von 120 Minuten wieder aufgeholt werden können, so dass die verspätete Abfahrt kein sachgerechtes Kriterium einer Entschädigungspflicht sein kann. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass die zusätzlichen Kosten, die aufgrund dieser Regelung bei den Unternehmen entstehen, nicht unbeträchtlich sein werden. Dies könnte zu einer Verringerung der Betriebsmargen oder zu einer Erhöhung der Fahrpreise führen. Wie bereits dargelegt, hat die Kommission keine entsprechende Kostenschätzung vorgenommen.
Zu Artikel 23 (Information der Passagiere)
- 37. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass die Wörter "Leitungsorgane von Häfen und" ersatzlos gestrichen werden. Die Einbeziehung der Leitungsorgane von Häfen in die Verpflichtung nach Artikel 23, den Passagieren angemessene Informationen während der gesamten Fahrt zur Verfügung zu stellen, ist nicht sachgerecht. Zum einen fehlt es, wie oben dargelegt, an dem entsprechenden Vertragsverhältnis zu den Passagieren. Zum anderen ist diese Verpflichtung praktisch schwer umsetzbar, weil Leitungsorgane während der Fahrt keinerlei Einfluss auf die Preisgabe von Informationen haben.
Zu Artikel 21 (Weitergehende Ansprüche)
- 38. Nach dieser Regelung kann der Passagier weitergehende Ansprüche vor nationalen Gerichten geltend machen. Nach Auffassung des Bundesrates fehlt hier aber die Einschränkung, dass ein nach dieser Verordnung gewährter Schadenersatz auf weitere Ansprüche anzurechnen ist.