Der Bundesrat hat in seiner 906. Sitzung am 1. Februar 2013 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt den vorliegenden Vorschlag der Kommission, einen barrierefreien Zugang zu Websites öffentlicher Stellen zu gewährleisten.
Er begrüßt insbesondere die Überlegung, einheitliche Definitionen und Standards für den barrierefreien Zugang zu Websites und -Diensten öffentlicher Stellen festzulegen, und unterstützt das Ziel, Binnenmarkthemmnisse im Bereich des barrierefreien Webzugangs zu beseitigen.
- 2. Der Bundesrat erkennt die Bemühungen an, für Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigten Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen und damit auch zu den Websites und -Diensten öffentlicher Stellen zu gewährleisten. Er weist jedoch auf einige aus seiner Sicht problematische Bestimmungen hin.
- 3. Artikel 6 beschreibt nahezu ausschließlich Maßnahmen, die den Verwaltungsvollzug sowie weitere Unterstützungsmaßnahmen durch die Mitgliedstaaten betreffen. Eine Regelung in der Richtlinie erscheint nicht erforderlich, da die Mitgliedstaaten im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie solche oder gleichwertige Maßnahmen eigenverantwortlich auch ohne Regelung ergreifen werden.
- 4. Die in Artikel 7 vorgesehene Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur laufenden Überwachung, ob die betroffenen Seiten und Dienste den Anforderungen an einen barrierefreien Zugang genügen, erscheint unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit bedenklich.
Darüber hinaus ist fraglich, ob eine jährliche Berichterstattung der Mitgliedstaaten an die Kommission über die Ergebnisse der Überwachung (einschließlich Messdaten) erforderlich ist, um die Ziele der Richtlinie zu erreichen. Eine Prüfung und Berichterstattung durch die Kommission im Rahmen der Verpflichtung nach Artikel 11 sollte ausreichen, um die Umsetzung der Richtlinie zu sichern.
Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, bei den Verhandlungen über die Richtlinie zu prüfen, ob die Pflicht der Mitgliedstaaten zur Erstellung eines jährlichen Berichts aufgegeben werden kann. Sollte an der Berichtspflicht festgehalten werden, möge die Bundesregierung dafür Sorge tragen, dass der Aufwand der Länder für die Erstellung der Berichte möglichst gering gehalten wird.
Mit Blick auf noch ausstehende Detailregelungen zur Überwachung und Berichterstattung bittet der Bundesrat vorsorglich die Bundesregierung darauf hinzuwirken, dass bei der weiteren Gestaltung auf unmittelbare Eingriffe in den Kompetenzraum der Mitgliedstaaten und ihrer Gebietskörperschaften verzichtet und administrativer Mehraufwand vermieden wird.
- 5. Die Fristen in Artikel 3 Absatz 2 und Artikel 10 Absatz 1 für die Umsetzung der Richtlinie sind zu knapp bemessen. Der Bundesrat bezweifelt insbesondere, dass die Frist zur Anpassung sämtlicher betroffener Internetseiten öffentlicher Stellen an die Anforderungen der Richtlinie bis Ende 2015 ausreichend ist. Die rechtlichen, finanziellen, technischen und administrativen Anforderungen für dieses Vorhaben sind sehr ambitioniert. Gerade die Länder und Kommunen haben im Blick auf Verpflichtungen aus der Schuldenbremse noch starke Konsolidierungsbemühungen vor sich. Daher spricht sich der Bundesrat dafür aus, den Mitgliedstaaten mehr Zeit für die Umsetzung zu lassen. Er bittet die Bundesregierung deshalb, bei den Verhandlungen über die Richtlinie auf eine Verschiebung des Anwendungszeitpunkts zu dringen.
- 6. Der Vorschlag betrifft in starkem Maße die Kommunen sowie die Länder. Ein Großteil der im Anhang genannten Websites öffentlicher Stellen liegt in deren Verantwortungsbereich. Der Richtlinienvorschlag enthält keine Aussagen zu den Kosten für diese Körperschaften. In einer eigenen Folgenabschätzung des Rates sollten deshalb die Auswirkungen auf die Haushalte der Mitgliedstaaten sowie der betroffenen öffentlichen Stellen ermittelt werden.
- 7. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die Bemühungen der Kommission, die technischen Vorgaben für einen barrierefreien Zugang zu Websites öffentlicher Stellen zu harmonisieren. Die Umsetzung der Richtlinie und die Schaffung der technischen Voraussetzungen für die Barrierefreiheit der Websites werden für die öffentlichen Haushalte mit finanziellen Belastungen verbunden sein, die derzeit nicht bezifferbar sind. Nationale Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie sollen bis spätestens 30. Juni 2014 in Kraft treten. Betroffen sind vor allem die Kommunen als zuständige Stellen der im Anhang I aufgeführten Verwaltungsverfahren. Die Bundesregierung wird daher gebeten, sich im weiteren Verfahren in den entsprechenden Gremien auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass die zur Umsetzung der Richtlinie notwendigen technischen Umstellungen und Entwicklungen im Rahmen von Förderprogrammen der EU, wie beispielsweise in den Vorschlägen der Verordnungen zur Strukturfondsförderung mit der Aufnahme des thematischen Ziels "Verbesserung der Zugänglichkeit sowie der Nutzung und Qualität der Informations- und Kommunikationstechnologien" angelegt, förderfähig sind, um so die finanzielle Mehrbelastung, die den Kommunen durch diese Richtlinie entsteht, ausgleichen zu können.